Cástulo – im Streit zwischen Karthago und Rom – heute archäologische Ausgrabungsstätte

Panoramablick auf die Umgebung der Ausgrabungsstätte Cástulo –
im Hintergrund die Bergkette der Sierra Morena

Cástulo in der Antike und Frühgeschichte

Die Ausgrabungsstätte der ibero-romanischen Stadt Cástulo liegt am Oberlauf des Guadalquivir, nahe der Sierra Morena, ungefähr 7 km südlich der Industrie- und Handelsstadt Linares, in der Provinz Córdoba, Spanien.
Das weitläufige Areal blickt auf eine ununterbrochene Besiedlung seit dem Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. bis zum 15. Jahrhundert n. Chr., als die Stadt endgültig aufgegeben wurde.
Der Umfang des ummauerten Bezirks umfasste in der Hochblüte ganze 50 Hektar. Außerhalb der Mauern befanden sich die üblichen Nekropolen (Bestattungsorte), Vorstadtanlagen, Fabriken und Siedlungen, sowie ein Hafen am Fluss Guadalimar (Nebenfluss des Guadalquivir).

Imilke, eine Prinzessin aus Cástulo – die Ehefrau von Hannibal

Vor dem Zweiten Punischen Krieg (218 – 201 v. Chr.), bei dem es um die Kontrolle über das westliche Mittelmeer ging, befand sich Cástulo unter der Herrschaft Karthagos. (Die Römer nannten die Karthager Poeni= Punier). Um diese für Karthago wichtige iberische Stadt noch enger an sich zu binden, kam es offenbar zu einer Einheirat in die hier ansässige Aristokratie: Hannibal, der große Heerführer der Karthager, nahm eine hiesige Prinzessin namens Imilke (Himilke) zur Frau – wobei sicherlich auch die begehrten Minen der Sierra Morena eine Rolle gespielt hatten, in denen Silber, Kupfer und Blei abgebaut wurden.
Aber auch den Römern stand der Sinn nach der Ausbeutung dieser Minen nahe Cástulo.

Mal hü, mal hott – Cástulo zwischen zwei Weltmächten:
Karthago oder Rom?

Im Jahr 214 v. Chr. schloss sich das karthagische Cástulo erstmals der römischen Republik an. Doch schon drei Jahre später kehrte man Rom wieder den Rücken und stellte sich erneut auf die Seite der Karthager.
Erst als es dem berühmten römischen Feldherrn Publius Cornelius Scipio Africanus gelang, die Karthager gänzlich aus Spanien zu vertreiben, kam es im Jahr 206 v. Chr. zu einem Pakt mit ihm, wodurch auch Cástulo fortan unter römischer Herrschaft stand.
Das Oppidum, also die befestigte Stadt von Cástulo, erhielt nun den Status eines römischen Municipiums.

Die “Verdammung eines Namens” – und was davon übrig blieb …

Im Zentrum der antiken Stadt (heute überdachter Bereich der Ausgrabungsstätte) hat man Mauerreste und Fragmente eines einst luxuriösen Gebäudes entdeckt, das im 1. Jh n. Chr. – noch im Bau befindlich! – wohl absichtlich wieder eingerissen wurde. Sämtliche wiederverwendbaren Materialen waren dabei entfernt worden.
Doch was steckte dahinter? Fragen über Fragen. War dem Abriss eine sog. “Damnatio Memoriae” (lateinisch für „Verdammung des Andenkens“) vorausgegangen, bei der eine bestimmte Person verflucht und sein Andenken getilgt worden war? Wenn ja, dann könnte es sich um den Kult des unbeliebten Domitian* gehandelt haben, der im Jahr 96 n. Chr. ermordet wurde.
Die Zerstörung dieser Villa in Cástulo hat sich zumindest für die Nachwelt ausgezahlt:
Der einzigartige, wie ein Teppich gestaltete Mosaik-Fußboden eines einst 70 qm großen Raums blieb erhalten: Mythologische Darstellungen aus der Natur- und Tierwelt, Rebhühner, Fasane, Hasen, Hirsche, Löwen, Kreislauf des Lebens – sowie Eros-Abbildungen.

  • Der römische Kaiser Domitian (51 – 96 n. Chr.) galt als Tyrann, weil er dem Senat nicht den gewünschten Respekt entgegenbrachte und Entscheidungen traf, ohne ihn zu konsultieren. Nach seinem Tod sollte seine Selbstdarstellung offiziell ausgelöscht werden.

FÜR DIE SCHÖNSTE!
καλλίστῃ (tḗ kallístē)

Im Mittelteil des Mosaik-Teppichs entdeckte man eine berühmte Episode aus der griechischen Mythologie, die schließlich
zum Trojanischen Krieg führte:
“Das Urteil des Paris”

Auf diesem einzigartigen Ausschnitt sind die drei Göttinnen zu sehen, um die es ging: Aphrodite, Hera und Athene –
darunter, rechts, der Götterbote Merkur, wie er dem jungen Prinzen Paris (oft als Schäfer mit phrygischer Mütze abgebildet) den “Apfel der Zwietracht” überreicht.

Zur Mythologie: Eris, die Göttin der Zwietracht und des Zankes, rächt sich, weil man sie nicht eingeladen hat. Hinterlistig wirft sie unter die Hochzeitsgäste einen Apfel, dessen Gravur besagt: καλλίστῃ! Für die Schönste!
Es kommt zum Streit zwischen den anwesenden Göttinnen Aphrodite, Hera und Athene:

Jede will die Schönste sein!
Da zitiert der Göttervater Zeus Merkur zu sich, den Götterboten. Er muss die drei Streitlustigen unverzüglich zum Sohn des Königs von Troja bringen: Der junge Paris soll das Urteil fällen!
Bei ihrer Ankunft beginnen die Göttinnen sofort den jungen Mann zu bestechen: Hera verspricht ihm Macht, Athene Ruhm – doch Paris entscheidet sich für Aphrodite, die ihm “die Hand der schönsten Frau auf Erden” verspricht:
Helena, die Tochter des Königs von Sparta – womit der goldene Apfel der streitlustigen Eris zum Auslöser des Trojanischen Krieges wird.

Eine Reisebeschreibung aus dem 18. Jahrhundert: Cástulo im Jahr 1782

Rechts vom Guadalimar-Fluss befindet sich eine Mühle namens Caldona. Von dieser Mühle aus beginnt sich ein mittelgroßer Hügel zu erheben , der sich etwa eine Kugelwurfweite entfernt in zwei Teile teilt, die etwa 100 Schritt voneinander entfernt sind, wobei in der Mitte ein kleiner Bach (San Ambrosio) zurückbleibt. Auf dem Hügel rechts steht ein großer Betonturm und um ihn herum gibt es zwei weitere Türme sowie Ruinen und Fundamente anderer, die darauf hinweisen, dass es dort einst eine Stadt oder Festung gab. Auf dem Hügel links befindet sich die Einsiedelei Santa Eufemia mit ihrem Atrium und einem kleinen Gasthaus. Die gesamte Einsiedelei innen und außen sowie das Atrium sind mit römischen Inschriften versehen, und rund um die Einsiedelei gibt es einen Dschungel aus Säulenstücken und Kapitellen, Girlanden und Schriftrollen unterschiedlicher Ordnung, glatt, geriffelt, in verschiedenen Büsten und Größen … Überreste einer antiken Pracht, die bis heute verschwunden sind.

Francisco Pérez Bayer

Ölkäfer, Ölkäfer, Ölkäfer …

Wir dachten, wir sind die einzigen Besucher der Ausgrabungsstätte an diesem Nachmittag, Ende April 2024. Doch weit gefehlt! Fette schwarze Ölkäfer mit dekorativen roten Streifen auf dem Rücken hatten das antike Cástulo in Besitz genommen:
Berberomeloe majalis ist mit seinen bis zu 7 cm Länge einer der größten Käfer Europas, und von ihnen wimmelte es hier nur so. (Achtung: Hautkontakt kann Blasen hervorrufen.)

Cástulo-Touri-Tipp:
Eintritt für Europäer frei, Montags immer geschlossen. An anderen Tagen unterschiedliche Öffnungszeiten (bitte im Internet informieren.)

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