(Grabungsfoto-Übersicht, Fotoquelle: Deutsches Archäologisches Institut/Abtlg. MADRID)
Ein Höhepunkt auf meiner Andalusienreise 2024 war der Besuch in der Ausgrabungsstätte Munigua – einer ehemaligen Römerstadt mit einem seltenen, imposanten Terrassenheiligtum.
Das einstige Municipium* Flavium Muniguense liegt versteckt inmitten von Eichenwäldern in den sevillanischen Bergen (Provinz Sevilla; früher römische Provinz Baetica), in einem Gebiet mit einer historischen Bergbautradition (Sierra Morena).
Der Hügel selbst wird unter “Castillo de Mulva” geführt; seine Besiedlung reicht nachweisbar bis ins 4. Jh. v. Chr. zurück – während die Römerstadt selbst auf das 1. – 3. Jh. n. Chr. zurückgeht. Die Quelle am Fuße des Hügels führte ganzjährig Wasser.
Das gesamte Areal war zu konstantinischer Zeit (293 – 363 n. Chr.) lediglich 4 ha groß, zeichnete sich aber, neben Stadtmauer, Forum, einer doppelgeschossigen Halle, Wohnhäusern, warmen Thermen und zwei Nekropolen, durch weitere Tempelanlagen aus – sowie ein in Spanien einzigartiges TERRASSENHEILIGTUM auf der Spitze des Stadthügels, geweiht den Göttern Fortuna und Herkules (griechisch Herakles).
Munigua wird bereits seit dem Jahr 1956 durch das Deutsche Archäologische Institut/Abteilung Madrid ausgegraben.
(Municipium* = eine von Rom abhängige Stadt.)
Die in Munigua ausgegrabenen Tempel und Profanbauten
Munigua – eine römische Civitas peregrina
Als Zeugnisse für den damals regen Bergbau in den benachbarten Sierra Morena-Bergen* gelten die aufgefundenen Reste von zahlreichen Verhüttungsöfen auf dem Castillo Mulva-Hügel, was vermuten lässt, dass dieser Hügel sogar länger als 1000 Jahre besiedelt gewesen sein könnte. Belegt ist, dass der Bauschutt aus dem Abriss jener Öfen und der früheren iberischen Stadt den Römern als Füllmaterial für Mauern und Straßenbelag diente – selbst für die Errichtung der Fundamente des Terrassenheiligtums.
(Neben dem Bergbau, der auch für den späteren Reichtum der Stadt Munigua sorgte, war der Export von Öl und Wein entscheidend für den Wohlstand der Römer.)
Bei ihren Grabungen hatten die Archäologen Marksteine ( sog. Termini**) entdeckt, die auf eine gezielte Planung des damaligen Senats (erste Hälfte des 1. Jh. n. Chr.) hinweisen.
Muniguas Blütezeit lag indes im 2. Jh. n. Chr. – nachdem die meisten öffentlichen Bauten und die Tempelanlagen errichtet worden waren.
Die Stadt galt als Zentrum für die umliegenden Weiler und Siedlungen, von denen man eine größere Anzahl entdeckte.
Dass Munigua tatsächlich eine Civitas peregrina war, d. h. einen eigenen Senat und ein Stadtrecht besaß – verliehen von Kaiser Vespasian (9 v. Chr. – 79 n.Chr.) – beweist eine hier aufgefundene Bronzetafel.
*Sierra-Morena: Wichtige Eisen- und Kupfervorkommen, aber auch Silber- und Goldminen.
**Terminus: in der römischen Mythologie der Gott der Grenzsteine.
Wegbeschreibung und Warnhinweise
Aber nun zu unserem Besuch in Munigua Anfang Mai 2024. Um überhaupt dorthin zu gelangen, muss man – ausgehend von der Stadt Villanueva del Rio y Minas – auf einer spannenden (teils holprigen und nicht asphaltierten) Straße ungefähr 6 km bis zur ehemaligen Haltestelle Arenillas fahren. Sein Fahrzeug kann man dann in der Nähe, neben einem ungesicherten Eisenbahngleis “halbwegs sicher” abstellen. (Kein Parkplatz vorhanden!)
Danach geht es ein Stück zu Fuß weiter bis zum Tor des Privatgrundstücks EL FIJO. Dies ist der einzige Zugang zur sog. Enklave!
Das Tor ist außerhalb der Öffnungszeiten (im Netz erfragen!) geschlossen. Der Eintritt ist frei, Durchfahrt jedoch nur Fußgängern oder Radfahrern gestattet, was seinen Grund hat:
Auf dem weitläufigen Gelände wird Landwirtschaft und Viehzucht betrieben – wobei die Stiere am Tag unseres Besuches entweder friedlich hinter ihren Schutzzäunen grasten oder im Schatten der Stein- und Korkeichen faul vor sich hin dösten. Beruhigend! 🙂
Die in Spanien obligatorischen freilaufenden schwarzen Schweine (gezüchtet für den berühmten iberischen Schinken, weil sie sich ausschließlich von gesunden Eicheln ernähren), waren Anfang Mai noch nicht zu sehen.
Eine Warnung sollte man durchaus ernst nehmen:
Im Sommer und bei Regen tritt der in der Nähe liegende Tarmohoso-Fluss gerne über die Ufer!
Außerdem empfiehlt sich eine schützende Kopfbedeckung, festes Schuhwerk und das Mitführen von Wasservorräten, ggf. auch Insektenschutzmittel und Sonnencreme.
Auf dem gesamten Fußweg (nach Erreichen des Tores noch gute 2,5 km) fehlt – wie auch auf der Ausgrabungsstätte selbst – mitunter der Schatten.
Die neun Meter hohen Außenmauern des Terrassenheiligtums
Auf halbem Weg etwa – ein erstes Innehalten und Staunen, als die beeindruckende, gut erhaltene Außenmauer des Heiligtums auftaucht. Sie ist fast neun Meter hoch und gesichert mit dreizehn Stützpfeiler.
(Die gesamte Anlage ist als “interessantes Kulturgut” eingestuft.)
Endlich angekommen:
Das eiserne Tor der Ausgrabungsstätte steht einladend offen …
Ein erster Blick gilt dem Terrassenheiligtum auf der Innenseite der Außenmauer
Die Freilegung des Terrassenheiligtums
Das Terrassenheiligtum Munigua wurde im ersten Grabungsabschnitt im Frühjahr 1957 freigelegt. Die Anlage, bestehend aus drei übereinander liegenden Plattformen, hatte eine Breite von ca. 35 Metern und eine Länge von 54 Metern, wobei sich auf der westlichen Rückseite des gestuften Aufbaus die 9 m hohen Außenmauern (s. Foto zuvor) mit ihren 13 Stützpfeilern besonders gut erhalten haben. Auch seitlich mussten stabile Stützmauern errichtet werden. Der Zugang erfolgte über Rampenstraßen.
Die Wände des Heiligtums waren ursprünglich mit verschiedenfarbigem Marmor verkleidet. Eine quadratische Cella (so bezeichnet man den inneren Hauptraum eines griechischen oder römischen Tempels), in der vormals die Bildnisse (Statuen) der dort verehrten Gottheiten stand – Herkules und Fortuna – erstreckt sich seitlich des Hofes.
Aufgrund von Münz- und Keramikfunden konnte das Heiligtum in die Zeit um 70 n. Chr. datiert werden.
Zu dieser Zeit wurde die Siedlung auch in den Rang eines Municipiums erhoben.
Die im Terrassenheiligtum verehrten Gottheiten Fortuna und Herkules
Zum Vergrößern bitte anklicken!
Der Merkur-Tempel im mittleren Terrassenbereich
Der genaue Zeitpunkt der Errichtung des Merkur-Tempels (der einst komplett verputzt war) ist nicht bekannt, weil die Römer ihn direkt auf dem Grundgestein errichtet haben; jedoch entdeckte man im Inneren zwei Weihe-Inschriften für Mercurio.
Neben dem Tempel, auf der Forumstraße, noch vor den Säulen der benachbarten doppelgeschossigen Halle, standen einst die Statuen der Kaiser Vespasian und Titus, die jedoch nach dem Tod der jeweiligen Herrscher entfernt wurden.
Podiumstempel und Forumtempel im mittleren Bereich der Terrassenanlage
Neben dem Merkur-Tempel haben die Archäologen im mittleren Bereich der Anlage einen über Treppen erreichbaren Podiumstempel ausgegraben (ein Tempel, dessen Säulen auf einem Podiums-Unterbau ruhen) – und direkt unterhalb, auf dem Forum, einen Forumtempel (vermutlich zu Ehren des Kaisers und des Staates), sowie daneben liegend ein kleines Heiligtum für Jupiter-Dispater* und (wahrscheinlich?) das Tabularium, das Städtische Archiv.
Welche Gottheit im Podiumstempel, der ebenfalls mit Marmor verkleidet war, verehrt wurde, ist nicht bekannt.
Das Forum selbst (auf dem mittig der Forumtempel stand), lag auf der Ostseite des Hügels (Zwischenterrasse), und war über die sog. Forumstraße erreichbar. Auf der Südseite des Forums befand sich (wahrscheinlich?) eine sog. Basilika (Halle für Vertragsabschlüsse und Justizangelegenheiten).
Die schöne Statue der Nymphe (s. Plakat) wurde in den Thermen ausgegraben (s. weiter unten).
*Jupiter-Dispater: Eine reduzierte und vereinfachte Version des keltischen Himmelsgottes und Göttervaters. Dispater wurde im römischen Gallien weitläufig verehrt und in seiner keltischen Erscheinungsform mit Aspekten von Jupiter – sowie von Pluto (dem Gott der Unterwelt) und von Vulkan (dem Gott der Bergleute) verbunden. (Munigua lag schließlich in einem Bergbaugebiet!)
Die weiteren Ausgrabungsorte (Wohnhäuser, Thermen, Nekropole usw.)
Von den am Fuße des Hügels liegenden Wohnhäusern ist derzeit nur etwa die Hälfte ausgegraben. Sie entstammen einer Bauphase, die um das Jahr 70 n. Chr. einsetzte – bis zum Beginn des 2. Jh. n. Chr. Die Häuser wiesen verschiedene Abmessungen auf: So hatte Haus 1, mit einer Fläche von 500 qm, ganze 22 Zimmer. Die jeweiligen Stockwerke (alle besaßen mindestens 1 Obergeschoß) waren an die existierende Stadtplanung angepasst und wurden im Laufe ihres Bestehens mehrfach renoviert.
Die Untergeschosse wurden vermutlich gewerblich genutzt, auch noch in späteren Jahrhunderten, denn in einem der Räume von Haus 5 hat man eine Schatztruhe mit 122 Münzen aus der zweiten Hälfte des 4. Jh. n. Chr. entdeckt.
Im Haus 2 entdeckte man Holzreste, die als Schränke identifiziert wurden.
Die Thermen
Die Thermen wurden in der zweiten Hälfte des 1. Jh. n. Chr. errichtet, und im 2. und 3. Jh. mehrmals umgebaut. Es existierten das Caldarium (der Heißwasserraum), das Tepidarium (der Warmraum) und das Frigidarium (der Kaltwasserraum = das Nymphäum), wo die Statue der Nymphe entdeckt wurde.
Im Innenhof lag die Heizstelle, also der Ofen.
Hier, in den Thermen, haben die Archäologen noch viele weitere Fragmente von Statuen gefunden. Einer der Räume war im Inneren mit Wandmalereien versehen.
Die Nekropole und die Munigua-Mine
Die beiden Nekropolen der Stadt Munigua lagen außerhalb der Stadt, südlich und östlich. Sie wurden bis zum 4. Jh. n. Chr. genutzt. Bislang hat man fast 200 Gräber gefunden (Urnengräber und Erdbestattungen). Auch ist ein im 2. Jh. n. Chr. erbautes Mausoleum zu erwähnen, von dem eine Mauerhöhe von bis zu 2,7 m erhalten blieb. Es war offenbar von einem halben Tonnengewölbe und einem Satteldach bedeckt. Im Inneren des Mausoleums, unter dem Boden, fand man fünf Gräber: Zwei Erdbestattungen in Sarkophagen und drei Einäscherungen. Die Leichen waren mit teils reichen Grabbeigaben bestattet worden, die jedoch in späteren Jahrhunderten teilweise gestohlen wurden.
Bei ihren Grabungen in den Nekropolen entdeckten die Archäologen auch eine ausgedehnte römische Kupfermine, die über einer viel älteren aus der Zeit um 2000 v. Chr. liegt, in der bereits die Ureinwohner der Region, die sog. Turdetaner (Volksstamm der Iberer) Erz abgebaut hatten.
Die Schächte der Römer waren in verschiedenen Höhen miteinander verbunden, wobei sie sich für die Tunnel ein ausgeklügeltes System belüfteter Galerien ausgedacht hatten, um immer noch tiefer graben zu können.
Die sog. Munigua-Mine versorgte das Römische Reich mit großen Mengen an Eisen und Kupfer bis zum Ende des 2. Jh. n. Chr., als alle Minen in Spanien geschlossen wurden.
Bewegliche Grabungsfunde und Inschriften
Die frühesten Funde in Munigua (punische Keramik) stammen aus dem 7. Jh. v. Chr., obwohl eine Besiedlung in dieser Zeit bislang nicht nachgewiesen werden kann. Aus der frühen Kaiserzeit (27 v. Chr. – 284 n. Chr.) kam Gebrauchskeramik ans Tageslicht sowie aus der augusteischen Epoche (44 v. Chr. – 14. n. Chr.) rote Keramikteller, die als Tafelgeschirr verwendet wurden.
Andere Keramiken wiesen Motive auf: Palmetten, konzentrische Kreise, Rosetten, Gitter, Quadrate, Kleeblätter, Friese und (antike) Crismon-Darstellungen.
Die entdeckten Fibeln weisen auf italische Einflüsse hin.
Hervorzuheben sind zwei Stücke Glaspaste (1,8 cm) zum Einsetzen in Fingerringe (Motive: ein Vogel in einem Garten; Apollon Patros im langen Gewand).
Die Archäologen entdeckten auch ein Teil einer großen Kuhglocke – und ein interessantes 28 cm großes Spielbrett:
Auf der einen Seite des Brettes befand sich das mittelalterliche Spiel der Könige, genannt Albuquerque*, auf der anderen Seite Tic-Tac-Toe.
In der östlichen Nekropole stießen sie auf runde Spielsteine aus Glas, einer schwarz, der andere weiß, Durchmesser 1,8 cm.
Des Weiteren kamen in den Urnengräbern neben Bronze- auch amphorenförmige Salbgefäße aus Glas zum Vorschein, zum Aufbewahren von Duftölen usw., sowie dünne Nadeln und lange Stifte.
Ein Keramik-Siegel aus der Zeit des Tiberius sollte noch erwähnt werden, sowie diverse Steinfiguren, darunter eine thronende Mutter mit Kleinkind (Nutrix), herrliche weibliche Büsten – aber auch kugelförmige Flaschen aus grünem Glas sowie eine kleine Henkelkanne aus der Zeit der Westgoten.
Unter unzähligen anderen Fundstücken entdeckten die Archäologen auch eine steinerne Grabtafel, die die Freigelassene Antonia Ocellia ihrer Schutzpatronin gewidmet hat; zwei Steinsockel für einen L. Quintius Rufius und seinen Sohn; einen Brief des Kaisers Titus (9 v. Chr. – 79 n. Chr.) an die Muniguaner – sowie ein “Holztäfelchen der Gastfreundschaft”, mit dem Text eines Vertrages zwischen dem Quästor Sextus Curvius Silvinus und der Gemeinde von Munigua.
Alle beweglichen Funde sind im Archäologischen Museum von Sevilla aufbewahrt; sowohl in den Räumen, die ausschließlich der Fundstätte von Munigua gewidmet sind, als auch in Vitrinen, die über die anderen Räume verteilt sind.
(Achtung jedoch: Das Museum ist bis 2026 wg. Renovierung geschlossen.)
Albuquerque* ist die spanische Übersetzung des arabischen Namens für das Spiel, das im “Buch der Spiele” von König Alfons dem Weisen zu finden ist.
Muniguas Untergang: vermutlich kurz und schmerzvoll
Im 3. Jh. n. Chr. kam es offenbar durch ein schweres Erdbeben zu Zerstörungen großen Ausmaßes, worauf sich die überlebende Bevölkerung notdürftig in den Ruinen einrichtete.
Endgültig aufgegeben wurde der Ort spätestens im 6. Jh. n. Chr. Vereinzelte Funde islamischer Keramik deuten auf eine (wenn auch spärliche) Weiterbesiedlung unter den Mauren hin.
Und heute?
“Munigua ist eine ideale Forschungsstätte auf dem Gebiet des römischen Städtebaus” – wie das Deutsche Archäologische Institut/Madrid betont.
Quellen: Thomas G. Schattner, Munigua – Un recorrido por la arqueologia del Municipium Flavium Muniguense
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