Fuentes del Marqués, Wasser, Templer und Legenden …

Der herrliche Naturpark Fuentes del Marqués liegt im Herzen der spanischen Region Murcia, zwei Kilometer von dem Ort Caravaca de la Cruz entfernt.
Die erste dokumentierte Erwähnung dieses Gebiets stammt von einem maurischen Geografen namens Al-Himyare (13. – 14. Jh.)

Wie geschaffen für diese Umgebung ist ein eindrucksvoller Festungsturm, der den Tempelrittern zugesprochen wird:
EL TORREON DE LOS TEMPLARIOS.
Dass die Templer ihn gebaut haben, ist aber nur zum Teil richtig, denn der heutige Turm ist jüngeren Datums.
Er gehörte einst zu den Ländereien der Marquises de Uribe aus dem 16. Jh. – steht aber tatsächlich auf Mauern aus dem 13. Jh., der Zeit, in der die Tempelritter das Land hier kontrollierten.

El Torreon de los Templarios

Auf Schritt und Tritt, die Tempelbrüder …

Die Sierra von Aracena, die natürliche Grenze der Provinz Huelva zu Portugal und Extremadura, ist zusammen mit Caravaca, Ponferrada, Monzón und Miravet eine der Schlüsselregionen des Templerordens auf der Iberischen Halbinsel. 
So begegnet man den Spuren der Templer nicht nur hier, mitten im Naturpark Fuentes del Marques auf Schritt und Tritt, sondern auch in den Städten Huelva, Sevilla und Córdoba.

Mit allen Wassern gewaschen … 🙂

Nun ist hinreichend bekannt, dass sich die Ritter des Salomonischen Tempels vorzugsweise in der Nähe von Wasserstellen, Bächen und Flüssen niederließen. Und hier entspringen sogar mehrere natürliche Quellen mit kristallklarem Wasser, die allesamt die umliegenden Seen füllen.
Es fließt und plätschert unentwegt. Balsam für die Seele …

Weil wichtige Wasserquellen aber schon immer eifersüchtig gesichert, befestigt und kontrolliert wurden, kamen auch die Tempelritter dieser Aufgabe nach.
Abgesehen vom Eigeninteresse trug der Orden damit vermutlich zum Schutz und zum Erhalt der wertvollen Quellen bei.

Über die alten Zeiten und Legenden

Die Fuentes del Marqués heißen Besucher – sehr gerne auch Kinder! – rund um die Uhr willkommen.
Im Turm – EL TORREON DE LOS TEMPLARIOS – erfährt man Näheres über die Geschichte des Parks, die alten Zeiten und mittelalterlichen Legenden.

Der Eintritt ist frei.

Eine weitere Empfehlung:
Besuchen sie die nur 2 km entfernte kleine Stadt Caravaca de la Cruz.

Es lohnt sich, versprochen! 🙂

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Die Tempelbrüder von Caravaca de la Cruz

Caravaca de la Cruz liegt in Spanien, in der Region Murcia. Die kleine Stadt mit ungefähr 25 000 Einwohnern an der Straße zwischen Murcia und Granada, trägt die Spuren der Iberer, Römer und Mauren, blickt aber auf eine noch viel ältere Geschichte zurück:
Die ersten Siedlungen wurden hier bereits vor weit über 2000 Jahren v. Chr. errichtet.
Nahe des heutigen Stadtkerns entdeckte man z.B. eine chalkolithische Grabstätte (Kupfersteinzeit) mit 1300 Skeletten, Überresten von 50 Hunden und diversen Gegenständen. Sie gilt als das größte prähistorische Grab auf der Iberischen Halbinsel und als eines der größten in Europa.

Ein weiterer einzigartiger Fund wird einem Feldarbeiter zugeschrieben, der in einem der prähistorischen Höhlengräber ein wunderschönes Diadem entdeckte, das auf die Zeit um 1500 v. Chr. zurückgeht. Das schlichte, fast modern anmutende Schmuckstück wurde seinerzeit nicht um den Hals getragen. Es handelt sich um ein Stirnband, das mit dem vorderen Ende die Nase bedeckte.

Die Überreste eines römischen Tempels wurden in Caravaca de la Cruz auf einem Hügel im Stadtteil La Encarnación (übersetzt mit “Menschwerdung”) entdeckt.

Mauren, Tempelbrüder und der Santiago-Orden

Caravaca de la Cruz ist vor allem eng mit der Geschichte der Mauren (Al-Andalus) und dem Orden der Tempelritter verbunden – aber auch mit dem Orden von Santiago (1243-1856), einem Ritterorden, der sich hauptsächlich auf die christlichen Königreiche in Spanien beschränkte.

Die Tempelritter, die von den Kreuzzügen nach Jerusalem hierher zurückgekehrt waren, bekämpften die “ungläubigen” Mauren und traten in Caravaca – bis zum Jahr 1312 – als Hüter des Vera Cruz auf, des hier besonders verehrten heiligen Kreuzes. Das Andenken an die Tempelbrüder bewahrt man in Caravaca bis heute. Bei den jeweiligen Prozessionen durch die mittelalterlichen Gassen schreiten die Einwohner, verkleidet als Mauren, Tempel- und andere Ordensbrüder, gemeinsam mit der Bruderschaft des Wahren und Heiligen Kreuzes (die 6000 aktive Mitglieder zählt) hinter den Prozessionsaltären her.

Der hoch über der Stadt befindliche Real Alcázar mit seinen heute 14 unterschiedlichen Türmen, war von den Mauren errichtet worden, auf Befehl ihres Königs Abú Zeid. Nach der Überlieferung wurde Abú Zeid jedoch zum Christentum bekehrt, nachdem er angeblich beobachtete, wie zwei Engel ein Kreuz aus dem Himmel herab trugen, damit ein im Kastell gefangener Priester eine Messe abhalten konnte.

Nach der Vertreibung der Mauren (Reconquista) diente die weitläufige, teils zinnengekrönte Festung den Tempelrittern und dem nachfolgenden Orden von Santiago.

Auf dem Weg hinauf zum Alcázar und zur Basilika

Der Alcázar von Caravaca de la Cruz


Die Basilika und Wallfahrtskirche Vera Cruz

Die Basilika und Wallfahrtskirche Vera Cruz liegt innerhalb der Festungsmauern des Alcázar, die islamischen Ursprungs sind.
Das Bauwerk selbst geht auf das 15. Jh. zurück, hat aber zahlreiche Umbauten erfahren.
Die barocke rote Marmor-Fassade hat man jedoch erst im 18. Jh. hinzugefügt, als dieser Marmor in der Region abgebaut wurde.

Das Doppel-Kreuz von Caravaca gilt als wundertätige Reliquie und Schutzamulett

Das Kreuz von Caravaca, das im Inneren der Basilika aufbewahrt wird, wird als wundertätige Reliquie verehrt.
Das Reliquiar ist 17 cm hoch, die beiden Querbalken 7 und 10 cm lang. Es wird auch als Lignum crucis (Holz des Kreuzes Christi) bezeichnet. Der Überlieferung nach soll die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, Helena, die Reliquie zusammen mit dem wahren Kreuz Christi im 4. Jh. aufbewahrt haben.
Ab dem 13. Jh. fanden die ersten Pilgerreisen nach Caravaca statt.
Im Jahr 1934 jedoch wurde das das Reliquiar gestohlen – und tauchte nie wieder auf. Weil aber die Verehrung tief in der Bevölkerung verankert war, schickte Papst Pius XII. der Bruderschaft des Heiligen und Wahren Kreuzes in Caravaco zwei neue Splitter vom Jesus-Kreuz aus dem Vatikan.
Papst Benedikt XVI. erhob im Jahr 2008 das Gotteshaus zur Basilika Minor.
Darüber hinaus besteht seit 2003 alle sieben Jahre das Privileg ein Jubiläumsjahr zu feiern.
Dieses “ewige Jubiläum” gibt es nur an vier anderen Orten auf der Welt: In Jerusalem, Rom, Santiago de Compostela und Santo Toribio de Liébana.

Die berühmte Fiesta von Caravaca de la Cruz

Jedes Jahr Anfang Mai feiert man in Caravaca die Fiesta de la Santisima y Vera Cruz, deren Hauptattaktion der spektakuläre Einzug der geschmückten “Weinpferde” oder Caballos del Vino ins Kastell Alcázar darstellt.
(Bild-Quelle: Murcia Economía)

Geheimnisvolle Castillos und Burgen auch in der näheren Umgebung von Caravaca

Link zu einem weiteren Templerort, nur zwei Kilometer von Caravaca entfernt:
EL TORREON DE LOS TEMPLARIOS,
inmitten des herrlichen Naturparks Fuentes del Marqués

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“Tod oder Taufe!” Der Jude Baruch vor dem Inquisitor Jacques Fournier

Hervorgehoben

Während meiner Recherche für meinem Historischen Roman “Béatris – Kronzeugin der Inquisition” (Montaillou-Prozess) zog mich neben den Hauptfiguren Béatris von Planisolles und Jacques Fournier noch eine weitere Person in ihren Bann: Der Jude Baruch David Neumann. Sein Verfahren (Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Zwangstaufe in Toulouse) wurde parallel zum Prozess gegen die Einwohner des Bergdorfes Montaillou verhandelt. Der Jude Baruch ist damit nur eine Nebenfigur in meinem Roman, sein Schicksal trägt jedoch wesentlich zum Zeitverständnis dieser Epoche bei.

Der Fall des Juden Baruch David Neumann befindet sich im Inquisitions-Register (3. Kapitel), in dem Jacques Fournier (der spätere Papst Benedikt XII.) sämtliche Geständnisse und Zeugenaussagen während seines Wirkens in Pamiers (Dép. Ariège, Okzitanien) gewissenhaft aufgezeichnet hat.
Das Original-Register wird in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt.

Eingangsfoto: Romanschauplatz Pamiers,
Kathedrale St. Antonin, 12. Jh.

Wer war Jacques Fournier? – Teil I.

Der Inquisitor Jacques Fournier (1285 – 1342) begann seine Ausbildung als Novize im Mutterkloster Morimond/Boulbonne (Dép. Haut-Garonne).
Er studierte in Paris, schloss mit dem Doktorat ab, wurde Abt in der Abtei Fontfroide und schließlich Bischof von Pamiers und Mirepoix.  

Seine Ernennung als Bischof umfasste zugleich den Auftrag der Bekämpfung der Katharer-Häresie.
Sein Hauptaugenmerk lag dabei auf den (letzten verbliebenen) Katharern im Bergdorf Montaillou und dem Fall des Juden Baruch David Neumann.

Im Gegensatz zur oft korrupten päpstlichen Inquisition in Carcassonne (Dominikaner), führte Jacques Fournier (Zisterzienser) in Pamiers vergleichsweise unkonventionelle Verhöre.
Er war nicht wie die Dominikaner auf eine schnelle Verurteilung der angeklagten Häretiker aus, denen meist der Scheiterhaufen drohte. Vielmehr interessierten Fournier die Vorgeschichten der Angeklagten und ihre Glaubensvorstellungen. Kurz: Er wollte stets im Detail wissen, was und wer die Dörfler von Montaillou dazu gebracht hatte, sich von Rom abzuwenden.
Sein Vorgehen vor Gericht war dabei immer gleich: Geradezu akribisch fragte er nach, ging den Dingen hartnäckig auf den Grund – um am Ende freilich den zwingenden Beweis zu erbringen, dass sich die Juden und Ketzer im Irrtum befänden.
Alle Fragen und alle Antworten – selbst die Ausflüchte und Lügen – ließ er gewissenhaft aufzeichnen und für die Nachwelt aufbewahren. Damit hielt er sich streng an den alten römischen Rechtsgrundsatz: Quod non est in actis non est in mundo!
(Was nicht in den Akten steht, ist nicht in der Welt!)

Heute sind diese unorthodoxen Verhöre ein einzigartiges Zeitzeugnis und zugleich eine Fundgrube für Historiker und/oder Schriftsteller von Historischen Romanen.

Tod oder Taufe!
Der Fall des Juden Baruch

Was war seinerzeit passiert?
Baruch David Neumann, ein ausgezeichneter Kenner des Alten Testaments, der judaischen Gesetze und des Talmuds war in Deutschland seines Glaubens wegen verfolgt worden und hatte sich nach Südfrankreich geflüchtet – wo sich ihn jedoch die sogenannten Pastoureux schnappten, um ihn einer Zwangstaufe zu unterziehen.

Die Pastoureux – überwiegend junge Leute, die sich Hirten nannten (“Vierzigtausend an der Zahl”, versicherte Baruch dem Gericht), waren mit langen Messern, fliegenden Fahnen und viel Geschrei in Toulouse eingedrungen, hatten dort alles kurz und kleingeschlagen und die Juden, (wie zuvor schon in Deutschland) der Vergiftung der Brunnen und Weiden bezichtigt.

Sinn und Zweck des sog. Hirtenkreuzzugs, auf dem sich diese Leute befanden, war die Bekämpfung der Mauren, die sich auf der Iberischen Halbinsel niedergelassen hatten, sowie letztendlich die Eroberung von Jerusalem.
Ihre Hoffnung war dabei, dass der französische König sie anführen würde. Doch als sich Philipp V., auch der “Lange” genannt (1293 – 1322) strikt weigerte, die “Schafshirten” auch nur anzuhören, schlug sich ihre Enttäuschung in maßlose Wut um.

Kurzer Romanauszug zum Fall des Juden Baruch
(aus “Béatris, Kronzeugin der Inquisition”, Seite 34 ff.)

“Nach dieser Abfuhr”, erzählte Baruch, “also nach acht togn, schlug ihr Zorn auf den König in blinde Wut um, und es traf halt den jid. Wen sonst! Wie Ihr wisst, Euer Gnaden, ist es uns erst seit kurzem wieder erlaubt, uns hier niederzulassen, und seitdem gelten wir wohl als … Günstlinge des Königs.”

“Die Gerichtsbarkeit der Stadt Toulouse sah sich offenbar außerstande, euch Juden zu schützen?”, fragte der Inquisitor.

Baruch drehte die Handflächen nach oben. “Oi jojoj”, ging es wieder. “Als wir hörten, dass das Gesindel auf seinem Weg bereits fünfhundert Juden in einen Turm eingekerkert und lebendig verbrannt hat, ergriffen aus unserer Judaria viele die Flucht. Am darauffolgenden Sonntag ging erstmals die Kunde, man hätte die schuldigen Pastoureux verhaftet und in vierundzwanzig Karren fortgebracht. Die Judaria atmete auf. Doch als die Gefangenen ausgerechnet nach Toulouse gebracht wurden, begann der Zores: Diejenigen Hirten, die in den hintersten Karren saßen, schrien plötzlich um Hilfe. Sie plärrten, man würde sie ins Gefängnis stecken, obwohl sie doch den Tod von Christus hätten rächen wollen.

“Und was geschah daraufhin?”

“Nun einige aus der Menge der Tolosaner schlugen sich auf die Seite der Pastoureux. Sie durchtrennten die Seile, mit denen die Hirten gefesselt waren. Die Teufel sprangen heraus und fingen sofort wieder zu schreien an: “Tötet sie, tötet sie, man soll die Juden töten! ... Mit den Waffen, die ihnen die Tolosaner zusteckten massakrierten sie jeden jid, der sich nicht auf der Stelle taufen ließ. Tod oder Taufe, hieß es. Mir selbst schlugen sie fast den Schädel ein … Über und über mit Blut besudelt, gab ich es schließlich zu, dass man mich taufte. Amen – so ist es gewesen.”

“Genauer, Meister Baruch! Wo hat man euch gefasst und wo wurde die Taufzeremonie vollzogen?”

“Nun, die Wilden – sie trugen auf ihren Gewändern Kreuze aus Ziegenhaar – drangen bei mir ein, stahlen mein Hab und Gut, zertrampelten und zerrissen meine Bücher. ‘Lass dich taufen, Jud’, schrien sie, ‘oder wir klopfen dir sämtliche Buchweisheiten aus dem Kopf.’ Sie ergriffen mich, schlugen mich, bis das Blut rann, und zerrten mich mit sich. Quer durch die Stadt. Ich sah die Feuersäulen aus der Judaria, und überall lagen Leichen. Die meisten schwer verstümmelt.
Vor der Kathedrale Saint-Étienne, wo die Taufe vollzogen wurde, lag auf einem Eckstein – ein Anblick, der mich selbst versteinern ließ, Euer Gnaden – ein blutiges Herz, das viele Schaulustige bestaunten. Man sagte mir, es sei das Herz eines Juden, der sich nicht hätte taufen lassen. Vor meinen Augen schlachteten sie den Juden Ascher ab. Er war erst zwanzig Jahre alt gewesen. Als zwei Priester aus der Kathedrale gerannt kamen, hielt ich sie an und bat um Schutz. Vergeblich.
Die ´Hirten` zerrten mich in die Kirche. Dort brannten Kerzen. Juden lagen auf den Knien, die blutverschmierten Hände zum Gebet erhoben.
Ich wandte mich an meine Widersacher, bat um einen Aufschub. Ich wolle auf meine Söhne warten, sagte ich, doch als diese nicht kamen, stellte man mich endgültig vor die Wahl: Taufe oder Tod …
Da stimmte ich zu, mich taufen zu lassen. Man zog mich zum Taufbecken, stieß meinen Kopf ins Wasser, so dass ich schon dachte, man würde mich darin wie einen Hund ertränken wollen. Danach vollzog einer der Priester die notwendigen Zeremonien. Ein anderer flüsterte mir dabei ins Ohr, ich müsse laut bestätigen, dass ich mich freiwillig der Taufe unterzogen hätte, sonst würde ich umgebracht. So bekräftigte ich, obwohl es genau umgekehrt war, dass ich alles aus freiem Willen getan hätte. Man gab mir den Namen Johannes, und eine Frau nähte mir ein Kreuz aus Ziegenhaar auf die Brust.”

Der Inquisitor dankte. “Wir wissen”, sagte er, “dass der Heilige Vater inzwischen die Order erteilt hat, den unseligen Schafskreuzzug aufzuhalten. Wollen wir hoffen, dass es bald gelingt. Zurück zu Eurer Taufe. Seid Ihr hier in Pamiers, wohin man Euch unter Gewaltandrohung gebracht hat, wieder zum Judentum zurückgekehrt, gemäß den Formen und Riten des mosaischen Glaubens?”

“Nein, bei einer Zwangstaufe braucht nicht nach der Vorschrift des Talmud verfahren zu werden, da die Taufe als nichtig gilt.”

“Ihre behauptet also noch immer, sie sei nicht rechtens?”

Baruch nickte. “Es ist eine Sünd für einen jid, sich taufen zu lassen, Euer Gnaden. Auch unter Druck.”

Ein Windstoß stieß eines der Fenster auf und ein nachfolgender Donnerschlag ließ alle zusammenfahren.

“Soso, eine Sünd …”, sagte Jacques Fournier, nachdem die Diener die Läden zugezogen hatten … Er atmete flach und wischte sich zum wiederholten Mal den Schweiß von der Stirn. Als er einen prüfenden Blick in die Runde warf, sah er Unmut in den Mienen einiger Geistlicher. Mehrere flüsterten miteinander, anderen stand sehr deutlich ins Gesicht geschrieben, dass sie wohl selbst gern den “jid” totschlagen würden.
“Ich mache euch einen Vorschlag, Meister Baruch”, fuhr er nach kurzer Beratung mit seinen Beisitzern fort, “es ist schon spät, ein langer Tag liegt hinter uns, bald läutet die erste Gebetsglocke. Auch Ihr braucht Zeit, um noch einmal gründlich über den Sinn Eurer Worte nachzudenken. Wir beenden diese Beratung und lassen Euch wieder rufen.”

Baruch David Neumann zweifelte also vor dem Inquisitor an der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit seiner Zwangstaufe, die ihn in Toulouse ereilt hatte.
Im Verlauf der weiteren Verhöre stellte er auch das Dogma der Dreieinigkeit infrage. Der nachfolgende Disput mit dem Bischof, das dieser ebenfalls akribisch aufzeichnen ließ, und in dem noch weitere Fragen des Dogmas, der Trinität, der menschlichen und göttlichen Natur usw. behandelt wurden, dauerte mit Unterbrechungen ganze 58 Tage.
Überall im Land waren Wetten abgeschlossen worden, wer wohl als Sieger aus diesem Glaubensdisput herausgehen würde.

Nun, Jacques Fournier, der Inquisitor von Pamiers, war von seinem Sieg überzeugt …

Wer war Jacques Fournier? – Teil II.
“Ihr habt einen Esel gewählt!”

Jacques Fourniers Karriere als Inquisitor endete im Jahr 1334, als man ihn – den ehemaligen Sohn eines Bäckers (oder Müllers?) – zum Papst ernannte:
Benedikt XII. (1334 – 1342)
Seine Antwort nach der Papstwahl zeichnete sich nicht durch viel Geschwätz oder Eigenlob aus:
“Ihr habt einen Esel gewählt!”.

Der “Esel Jacques” residierte allerdings nicht in Rom – sondern in Avignon.
Als avignonesisches Papsttum wird der Zeitraum zwischen den Jahren 1309 und 1376 oder 1377 bezeichnet, in dem sieben Päpste ihren Sitz in der südfranzösischen Stadt Avignon hatten.

Konsequent schob Benedikt XII. auch in Avignon der Gewinnsucht und der Bestechlichkeit im Klerus einen Riegel vor.
Er reformierte die Kurie und drang auf eine strengere Zucht in den Klöstern.
Noch während seines Pontifex begann der Bau des Papstpalastes in Avignon.

Wie die Prozesse gegen die Katharer von Montaillou
und den Juden Baruch David Neumann ausgingen,
erfahren Sie hier:
Béatris, Kronzeugin der Inquisition.

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Almería – Afrika ganz nah!

Almería ist die östlichste der andalusischen Provinzhauptstädte – und hier ist Afrika tatsächlich ganz nah!
Gegründet wurde die Stadt von Berberstämmen, die sich tausend Jahre vor Christus von Nordafrika aus auf den Weg übers Meer gemacht hatten, um sich hier niederzulassen.
Mit viel Geschick nutzten sie bei der Besiedlung das Gefälle der ringsum liegenden Berge aus, indem sie Wassersysteme aus Schöpfrädern, Brunnen und Kanälen anlegten, um das fruchtbare Land (Vulkanerde) bebauen zu können.
In der Zeit der römischen Herrschaft trug der Hafen von Almería den Namen Portus Magnus.

Heute hat Almería ca. 200 000 Einwohner, erinnert jedoch mit seinen vielen Palmen, den engen Gassen und dem kunterbunten Häusergewirr noch immer an eine nordafrikanische Stadt.

Die nach dem Ort benannte Almeríakultur ist eine spätjungsteinzeitliche iberische Ackerbaukultur (kupferzeitlicher Einfluss, Beziehungen zur sog. Glockenbecherkultur am Übergang von der Jungsteinzeit zur Bronzezeit).

Der Hafen des Kalifen von Córdoba

Neunhundert Jahre nach Christus gelang es Abd ar-Rahman III. (890-961), dem mächtigen Kalifen von Córdoba, in Almería seinen wichtigsten Hafen zu bauen.
Von hier aus wehrte er mit seiner großen Flotte nicht nur erfolgreich die Fatimiden ab, die ein Gegenkalifat errichtet hatten, sondern auch die frechen Wikinger, die damals gerne die europäischen Küsten plünderten.
Abd ar-Rahmans Hafen galt in jener Zeit als der wichtigste von ganz Al-Andalus*.

*der arabische Name für die zwischen 711 und 1492 muslimisch beherrschten Teile der Iberischen Halbinsel

Heute gehen von diesem Hafen aus alle zwei Tage Fährschiffe nach Marokko und in die spanische Enklave Melilla (Nordafrika) ab. 
Ein Großteil der Waren, die rund um den Hafen von Almería angeboten werden, sind für die zahlreichen afrikanischen Billiglohnkräfte bestimmt, die heute in den umliegenden Gewächshausplantagen arbeiten.
Die südspanischen Provinzen Almería und Granada haben zusammen eine Anbaufläche von rund 12 000 Hektar für Kirschtomaten.

Die Alcazaba auf dem Stadthügel San Cristobal

Die über der Stadt und der Meeresbucht thronende Alcazaba mit ihren vielen Zinnen, wurde ebenfalls unter dem Kalifen Abd ar-Rahman III. errichtet, und zwar auf dem Stadthügel San Cristobal.
Parallel zur Bedeutung des Hafens handelt es sich hier um die zweitgrößte Zitadelle (nach der Alhambra in Granada), die die Araber auf der Pyrenäenhalbinsel errichtet haben:
In dieser Festung mit ihren drei großen Burgbezirken fanden seinerzeit (neben dem militärischen Lager) bis zu 20 000 Menschen Zuflucht.

Die Alcazaba wurde bis ins 15. Jh hinein von muslimischen Statthaltern genutzt.

Im Jahr 1522 wurde Almería durch ein schweres Erdbeben beschädigt, bei dem über 2000 Menschen ums Leben kamen. Auch die Alcazaba erlitt dabei großen Schaden, der bis heute nur teilweise wieder behoben wurde.

Leider fehlte uns im Mai 2024 die Zeit für eine Besichtigung der großen Burganlage; andererseits waren weite Teile der Mauern und Türme eingerüstet, wie man auf den nächsten Fotos sehen kann.

Bekannt wurde die Alcazaba von Almería für Dreharbeiten von etlichen Abenteuerfilmen.
Zuletzt wurde hier für die Staffel 6 von Game of Thrones gedreht.

Das Castillo de San Cristóbal und die Tempelritter

Im Jahr 1147 ließ Alfons VII. (der sich zehn Jahre zuvor als Kaiser von ganz Spanien krönen ließ) gegenüber der Alcazaba einen Teil der Stadtmauer auf dem Hügel zu einer zweiten Burg umbauen.
Sie bestand einst aus sieben Türmen, drei muslimischen und vier christlichen, befindet sich jedoch in einem verwahrlosten Zustand.
Es heißt, die Tempelritter hätten sie seinerzeit als Unterkunft benutzt.
Hinweise auf Tatzenkreuze lassen sich in der Kathedrale von Almería finden (s. Fotos unten).
Soweit zu den Festungsbauten in dieser Stadt.

Ein absolutes “Must-have” ist natürlich ein Foto, das “Almería von oben” zeigt – leitet sich der Name doch vom arabischen al-mariyya ab, was schlicht “Aussichtspunkt” bedeutet:

Plaza de la Constitución in Almería

Dieser schöne und ruhige Platz mit seinen interessanten Aus- und Einblicken wird von den Einheimischen auch als Plaza Vieia (Alter Platz) bezeichnet.
Er gilt als das Herz der Stadt Almería, und hier befindet sich auch das Rathaus.

Die Kathedralen-Festung von Almería und das Sonnensymbol

Die mächtige Kathedrale von Almería La Encarnácion –, liegt mitten in der Altstadt. Es handelt sich um eine einzigartige Kathedralen-Festung, geschützt durch Streben, Pfeiler, Zinnen und Schießscharten.
Eine wahre Trutzburg also, die im 16. und 17. Jh. nicht nur für den Gottesdienst errichtet wurde, sondern zugleich zur Verteidigung gegen “Barbaren und algerische Piratenangriffe”, wie es heißt.
Das Bauwerk mit seiner Mixtur aus gotischen, barocken, klassizistischen und Renaissanceelementen, ist deutlich breiter als hoch.

Tatzenkreuze in der Kathedrale

Das große Sonnensymbol auf der Ostseite der Kathedrale

Eines der charakteristischsten Symbole der Kathedrale von Almería (und damit der gesamten Stadt) ist das Flachrelief, das als Sonne von Portocarrero bekannt ist.
Es hat ein menschenähnliches Gesicht und ist ringsum mit Bändern und Schleifen geschmückt.
Es befindet sich an der Außenwand der Kapelle des Heiligen Christus, in der sich das Grab eines gleichnamigen Bischofs befindet, unter dessen Episkopat es errichtet wurde.
Obwohl das Sonnenrelief als Symbol viel älter ist, wird seine Urheberschaft in Almería allgemein diesem Bischof zugeschrieben und es wird “
die Sonne von Portocarrero” genannt.

(Text-Quelle: Catedral, Almería)

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Der tausendjährige Olivenbaum

In der antiken griechischen Mythologie war der Olivenbaum ein Symbol für Frieden und Wohlstand. Es hieß, er sei ein Geschenk der Göttin Athene an die Stadt, die Polis, gewesen.
Wie war es zu dieser edlen Gabe gekommen?
Athene stand mal wieder mit Poseidon im Streit … (Ein alter Hut, die damaligen Gottheiten trugen oft untereinander ihre Eifersüchteleien um die Vormacht aus.)
Doch dieses Mal ging es darum, wer der zukünftige Schutzgott der neuen Stadt werden würde:
Pallas Athene, die Göttin der Weisheit, des Krieges und des Handwerks?
Oder Poseidon, der Gott des Meeres, der Stürme und der Pferde?

Die Bürger selbst sollten entscheiden, entschied Gottvater Zeus, mächtiger als alle anderen griechischen Götter; und er befahl, jeder Bewerber müsse der Stadt ein nützliches Geschenk überreichen!

Poseidon, den Sieg schon vor Augen, griff zum Dreizack und rammte ihn in einen Felsen. Eine Salzwasserquelle sprudelte hervor. Doch die Bürger murrten, das Wasser schmeckte ihnen nicht – auch wenn es symbolisch für ihre glänzende Zukunft als Seefahrer-Nation stand.

Athene triumphierte. Sie stülpte sich den Helm über, nahm ihren Speer zur Hand und stieß ihn auf der Akropolis in den Boden:
Zum Vorschein kam ein prachtvoller Baum mit silbrig schimmernden Blättern und grünen Früchten: Ein Olivenbaum.
Dieser Baum sei nicht nur nützlich, meinte die weise Athene, er sei sogar von unvergänglichem Wert, denn er würde tausend Jahre alt werden und die ganze Welt in alle Ewigkeit ernähren.

Der tausendjährige Olivenbaum im Naturpark Cabo de Gata-Nijar (Andalusien)

Im Mai 2024 machten wir uns in Andalusien zu Fuß auf die Suche nach einem solchen, tausendjährigen Olivenbaum.
Der Weg führte uns zuerst durch eine große landwirtschaftlich genutzte Fläche inmitten des Naturparks Cabo de Gata-Nijar. Dieser Naturpark ist zwischen den Gemeinden Almería, Níjar und Carboneras abgegrenzt.
Der Weg führte uns mitten durch die Felder.

Plattpfirsiche und Mandelbäume soweit man sehen konnte.

Irgendwann ging es allerdings geradewegs über Stock und Stein weiter … 🙂

Und dann stand er endlich in seiner ganzen Pracht vor uns: Der tausendjährige Olivenbaum – einer der ältesten Olivenbäume des Mittelmeerraums.
Die geschützte Senke, in der er sich befand, war wohl überlebenswichtig für diesen mystischen alten Baum gewesen. Sie hat ihn mit der nötigen Kühle und Feuchtigkeit versorgt, die er benötigte, um so alt zu werden.
Der Baum hat einen neun Meter langen Wurzelstock, einen sechseinhalb Meter langen Stamm und eine Höhe von mehr als acht Metern.
Das Kreuz aus vier kräftigen Ästen ist drei Meter hoch und bildet eine Krone mit einem Durchmesser von mehr als zehn Metern.
Diese hohe Wuchsform lässt vermuten, dass der Ursprung ein auf einen wilden Ölbaum gepfropfter Olivenbaum gewesen sein könnte.

Das erste „Inventario de Olivos Monumentales de España“ (Verzeichnis der monumentalen Olivenbäume Spaniens)
umfasst fünf einzigartige Olivenbäume in der Provinz Almería, zwei davon im Naturpark Cabo de Gata-Nijar.

Zu den Ursprüngen der Olivenbäume

Die Ursprünge der Olivenbäume liegen in der Region Mesopotamien, dem heutigen Iran und Syrien, vor etwa fünftausend Jahren. Von dort aus begann ihre Ausbreitung nach Europa durch Phönizier, Griechen, Römer und Araber, die den Anbau verbreiteten. Das Wort „Öl“ stammt vom arabischen az-zayt ab, was „Olivensaft“ bedeutet.

„Zu Zeiten der Römer wurde das kostbare andalusische Öl nach Rom und an verschiedene Orte ihres Reiches exportiert.
Es wurde in Fässern zu den Anlegestellen transportiert, wo es schließlich in braune, fast schwarze Ölkrüge umgefüllt wurde.

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AD 1215 – Die Proklamation des “Leibhaftigen” (4. Laterankonzil)

“Nach Rom wohl nie das Netzwerk ging, mit dem Sankt Peter Fische fing. Sein Netz wird dort missachtet.
Römisches Netzwerk trachtet nach Silber, Golde, Burgen, Land. Dies war Sankt Peter unbekannt.”

(Freidanks Bescheidenheit, 152, 16 / vor dem Jahr 1233)

Das 4. Laterankonzil (lat. Concilium Lateranense IV.) wird als das bedeutendste Konzil des Mittelalters gesehen.
Zur Eröffnungszeremonie am 11. November 1215 versammelte sich in Rom alles was Rang und Namen hatte: Über 400 Bischöfe, mehr als 800 Äbte und Prioren, die Vertreter der Ostkirche sowie die Gesandten der meisten Könige und vieler Stadtrepubliken. Die Patriarchen von Antiochien und Alexandrien waren durch zahlreiche Abgesandte vertreten – wie auch der römisch-deutsche König (und spätere Kaiser Friedrich II.), der Kaiser des lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel Heinrich sowie die Könige von Frankreich, England, Aragon, Ungarn, Zypern und Jerusalem.

Ein kleiner Auszug aus meinem Historischen Roman “Sancha – Das Tor der Myrrhe”
(Ort: Rom, auf dem Weg in den Lateran)

“Rom. Glockengeläut. Hosiannarufe auf den mit Palmzweigen ausgelegten Straßen. Tausende von Bischöfen, Äbten, Priestern und Legaten sowie Abgesandte von Kaisern, Königen und Fürsten machen sich auf den Weg zur Basilika des Heiligen Erlösers. Das Volk schaut und staunt: Schwere Mitren und Kronen, farbenprächtige Umhänge, purpurrote Gewänder, spitzenbesetzte Alben und Pallien. Allüberall Samt und Seide, Pelz und Feh. Geglitzer und Gegleiß …
Die Hauptrolle maßt sich an diesem Tag jedoch der kalte, störrische Novemberwind an, der seit Tagen Römern wir Fremden den Atem nimmt. Übermütig fährt er in die Gewänder, bauscht die Seiden auf, zerrt eifersüchtig an den mitgeführten Baldachinen, die schon gefährlich knarzen. Kruzifixe, Monstranzen und Standarten bringt er zum Schwanken. Fahnen, Banner, Wimpel zum Knattern, und die langschwänzigen Banderolen überschlagen und verknoten sich. Frech treibt er sogar einen grünen Kardinalshut vor sich her, dessen Träger vergessen hat, ihn mit der Kordel unter dem Kinn festzuzurren. Bei dem unglaublichen Gedränge und Geschiebe wird der Bischof von Amalfi – seit Jahren am Stock gehend – niedergetrampelt und kommt zu Tode.

Doch daran trägt der Wind keine Schuld …”
(S. 312 ff)

Innozenz III. – „Owê, der bâbest ist ze junc. Hilf, hêrre, dîner cristenheit“) …

„Owê, der bâbest ist ze junc. Hilf, hêrre, dîner cristenheit“, beklagte im Jahr 1198 Walter von der Vogelweide, als Lothar Graf von Segni im Alter von “nur” 37 Jahren zum Papst gewählt wurde. Sein Papstname war Innozenz III.
Innozenz war von 1198 bis 1216 Papst der römisch-katholischen Kirche und gilt als einer der bedeutendsten Päpste des Mittelalters.

Im Verlauf des Konzils, das Innozenz III. am 19. April 1213 einberief und das vom 11. – 30. November 1215 in Rom tagte, ging es, um nur einige Punkte aufzuzählen, um die Rechtmäßigkeit des römisch-deutschen Königs, die Rückeroberung der biblischen Stätten um Jerusalem (die die muslimischen Sarazenen besetzt hielten), um Reformen im kanonischen Recht – wie die Wiederherstellung der Ordensdisziplin (mit dem Ziel einer sittlichen Verbesserung des Klerus) sowie um das Verbot des Handels mit Reliquien.
Ausführlich befasste man sich auch mit den Juden, untersagte ihnen Wuchergeschäfte; schloss sie von allen öffentlichen Ämtern aus und gebot ihnen sogar, ihre Kleidung zu so zu kennzeichnen (!), “dass sich Christen und Juden nicht irrtümlich miteinander einließen”.

Die Wahrung der Einheit der Kirche, lag Innozenz III. ganz besonders am Herzen. Und das kam nicht von ungefähr …
Im Süden Frankreichs (Okzitanien), aber auch in einigen Städten Ober- und Mittelitaliens, standen sich seit kurzem zwei christliche Kirchen gegenüber:
Die der Katharer (der sog. “Reinen”) und die der römisch-katholischen Kirche – wobei letztere, weil zunehmend korrupt, ständig an Einfluss verlor. In Scharen zog es die Menschen zu den friedfertigen “guten Christen”, den boni christiani, wie sich die Katharer selbst nannten. Die Häretiker fanden dabei breite Unterstützung beim okzitanischen Kleinadel, wo Unzufriedenheit über den Zehnt herrschte. Der Adel blute aus, hieß es, während die römische Kirche immer reicher würde. Und die Kirche der “Reinen” verlangte nun mal keine Abgabe des Zehnt.

Cuius regio, eius religio – wer das Land besitzt, bestimmt über den Glauben, befand hingegen Innozenz. Um “seine Macht” zu sichern und den Glauben der römischen Kirche “rein” zu halten, hatte er bereits im Jahr 1199 (also 16 Jahre vor dem 4. Laterankonzil) mit der Dekretale Vergentis die Häresie (Abweichung vom rechten Glauben) zum Majestätsverbrechen erklärt, auf das die Todesstrafe und die Konfiskation sämtlicher Besitztümer und Güter der Häretiker, der Ketzer, stand.
Doch diese Drohung zeigte kaum Wirkung. Die päpstlichen Legaten, die Innozenz für vier Jahre nach Südfrankreich geschickt hatte, “um die Füchse zu fangen, die den Weingarten des HERRN verwüsteten”, berichteten ihm, dass es die Menschen weiter in Scharen zu den Katharern ziehe. Man müsse wohl das Schwert sprechen lassen …

Der “Alptraum” des Papstes vom Verlust der Macht
und andere “Träume”

Auf dem nachstehenden Gemälde ist der in der Legenda aurea* geschilderte Traum des Papstes Innozenz III. dargestellt, in dem der Heilige Dominikus die Laterankirche vor dem Sturz bewahrt. 
Der Heilige wird begleitet von dem ihm zugehörigen «Hund des Herrn» (Domini canis) – dessen Existenz lustigerweise ebenfalls auf einen “Traum” zurückgeht:
Der Überlieferung nach hatte Dominikus’ Mutter vor der Geburt ihres Kindes im Traum einen schwarz-weißen Hund gesehen, der mit einer brennenden Fackel um die Welt lief – was auf die “göttliche Redekunst” des späteren Ordensgründer hindeuten sollte.

*Legenda aurea: das bekannteste und am weitesten verbreitete geistliche Volksbuch des Mittelalters, verfasst vom Dominikaner Jacobus de Voragine.

“Nehmt ihnen ihre Länder weg!”

Die Gefahr, dass die römisch-katholische Kirche ernsthaft ins Rutschen kommen könnte, wuchs noch weiter an, als man erfuhr, dass die Katharische Kirche bereits eigene Bistümer und eigene Bischöfe eingesetzt hatte – geduldet vom überaus toleranten Grafen Raymond VI. von Toulouse* (1156 – 1222), der, zum Leidwesen des Papstes, über verwandtschaftliche Verbindungen zum französischen König verfügte: Philipp II. August war Raymonds Onkel und zugleich sein Oberlehensherr.

Im Jahr 1209 (nun sechs Jahre vor dem 4. Laterankonzil) ließ Innozenz III. seinen Drohungen dennoch Taten folgen:
Die verwandtschaftlichen Bande ignorierend, forderte er den französischen König zu einem Kreuzzug gegen die Katharer und namentlich gegen den “abtrünnigen” Neffen auf:

» … nehmt ihnen ihre Länder weg, damit katholische Einwohner an die Stelle der vernichteten Ketzer treten können!”

Dieser Kreuzzug (1209 – 1229) entwickelte sich im Verlauf der Jahre zu einem brutalen Eroberungsfeldzug und bereitete letzten Endes den Weg für die im Jahr 1233 eingesetzte Inquisition, an der dann maßgeblich der Orden der Dominikaner beteiligt war.

*Der Toulouser Hof zählte im Mittelalter zu den zivilisiertesten Stätten des Abendlandes. Die damals ca. dreißigtausend Einwohner zählende Stadt Toulouse – “von allen Städten die Blume und die Rose” – war die Hauptstadt der gleichnamigen Grafschaft Toulouse, eines der mächtigsten Fürstentümer, die in der Folge vom Kreuzzug gegen die Katharer bedroht waren.
(Zu den umfangreichen Ländereien der Raimundiner-Grafen gehörte u.a. auch die Provençe.)

Rom im Jahr 1215: Die Proklamation der “leibhaftigen” Existenz des Teufels

Auf dem 4. Laterankonzil im November 1215 – also während in Südfrankreich bereits seit sechs Jahren der Kreuzzug gegen die Katharer tobte – verabschiedete Innozenz III., den viele Menschen hoffnungsvoll das “Licht der Welt” nannten, noch ein weiteres Dekret – eines, das jedoch eng mit der Glaubenswelt der Katharer im Zusammenhang stand:
Es ging darin um nichts weniger als die Proklamation der leibhaftigen Existenz des Teufels.

Unter Hinzuziehung der Glaubensbekenntnisse von Nizäa und Konstantinopel sowie des sog. Athanasischen Glaubensbekenntnisses bestimmte Papst Innozenz III. im 1. Canon, dass der Teufel und die anderen Dämonen “von Gott geschaffen” worden seien, dass sie ursprünglich gut gewesen, dann jedoch aus sich selbst heraus böse geworden wären, so dass der Mensch seither auf Veranlassung des Teufels sündigen würde.

Foto oben: Der Teufel sieht bei der Taufe zu: Taufkapelle in der Kathedrale von Medina Sidonia, Spanien


“Wir sind nicht von dieser Welt!”

Die neue päpstliche Bestimmung von der “Erschaffung des Teufels durch Gott” stand im höchsten Widerspruch zur Glaubensvorstellung der von Rom bekämpften Katharer, die – als Dualisten – nicht an die Existenz eines “leibhaftigen” Teufels oder eines guten Gottes “in menschlicher Gestalt” glaubten.

Die Katharer (“Wir sind nicht von dieser Welt“) wiesen in ihrer Glaubensvorstellung auf den Mythos von den “Gefallenen Engeln” hin, die seit ihrem Sturz aus dem Himmel in Menschenkörpern gefangen seien: Luzifer (oder der böse Gott, das dunkle Prinzip) sei dabei ein wertvoller Stein aus der Krone gefallen (der in späterer Zeit mit dem Gral in Verbindung gebracht wurde).
Der sog. Engelfall (auch Höllensturz genannt) galt den Katharern als Auslöser der Trennung von Gut und Böse.
Die These der Katharischen Bischöfe und Perfekten lautete:

Das gute Prinzip, der gute Gott des Lichts, schuf alle unsichtbaren Dinge, die Seele, den Geist.
Das böse Prinzip, Satan, schuf alle sichtbaren Dinge, die Erde und das, was sich darauf befindet – auch die menschlichen Körper.

Die Zweiteilung von Gott und Welt

Die Wurzeln des sog. Dualismus (vereinfacht, die Zweiteilung) reichen tausend Jahre vor Christus zurück: Gut und Böse, Hell und Dunkel, Oben und Unten – oder, um beim Glauben zu bleiben: Gott und Welt.
Stark beeinflusst wurde dieser Glaube auch von der Antike: Platon und Aristoteles vertraten z.B. gnostisch-dualistische Ansichten.


Der Ursprung des Katharerglaubens geht jedoch vermutlich auf einen persischen Propheten namens Mani (3. Jh n. Chr.) zurück, der sich als Gesandter Christi sah.
Mani gilt als Stifter des nach ihm benannten “Manichäerglaubens”. Er fasste das Denken von Zarathustra (Zoroaster), Buddha und Jesus zusammen und hatte bereits 800 Jahre vor den Katharern Rom das Fürchten gelehrt. Prominentester Anhänger der dualistischen Lehre war der spätere Kirchenvater Augustinus (354 – 430).
Auch damals war ein schwerer Kampf um die Vormachtstellung entbrannt: 
Manichäismus oder Katholizismus?

Kein Wunder, dass Papst Innozenz III. – nach allem, was ihm aus Südfrankreich zu Ohren kam – an Alpträumen litt und irgendwann zur Tat schritt.
Kein Wunder auch, dass Rom die Frauen der Katharer, die große Rechte besaßen und wie die Männer lehren und predigen durften, als “Töchter des Teufels” beschimpfte.

Kirchenvater Augustinus im Gespräch mit dem Bischof der Manichäer Faustus

Jeder Mensch ist fehlbar, selbst “der Herre Papst”!

In einem weiteren Auszug aus “Sancha, das Tor der Myrrhe” geht es um ein “vertrauliches Gespräch” zwischen zwei befreundeten Knappen des Grafen von Toulouse:
Olivier von Termes (entrechteter Sohn eines von den Kreuzfahrern getöteten Katharers) und Damian von Rocaberti, (rechtgläubiger Katholik).
Die beiden befinden sich während der Tagung des o.g. Laterankonzils in Rom, wo in der Gesindeküche ihrer Unterkunft die Gerüchte brodeln …

»Ich sag dir, das geht eindeutig gegen meine Leute«, raunte Olivier Damian zu, als sie eines späten Abends mit einer Handvoll anderer Diener in der warmen Küche des Palazzos saßen.
“Gegen die Katharer?”
“Pst! Nicht hier! Komm mit raus!”
Die beiden erhoben sich unauffällig und nahmen den Ausgang linker Hand, der zum Ehrenhof führte. Obwohl die Diener des Conte von Scarpo auch hier Fackeln aufgesteckt hatten, lag der kleine Arkadengang, in den sie schlichen, weitgehend im Dunkeln. Nur einige der schlanken Marmorsäulen schimmerten im Mondlicht sanft rosafarben.
“Aber wieso”, fragte Damian, als sie sich nebeneinander an den Trinkbrunnen lehnten. “Ich seh hier keinen Widerspruch. Gerade ihr Katharer behauptet doch, dass die Erde und alles, was darauf ist, der Teufel erschaffen hat.”
Olivier hob in gespielter Verzweiflung die Hände. “Aber wir glauben nicht an eine lächerliche Gestalt aus Fleisch und Blut und mit Hörnern auf dem Kopf, wie sie uns der ‘Herre Papst’ weismachen will. Unser guter Gott des Lichts ist eine rein geistige Kraft, und sein Widersacher, der Demiurg, der Schöpfergott, ebenfalls. Und läuft dir beispielsweise dreimal hintereinander eine Elster über den Weg, so hat auch das keinerlei Bedeutung. Sie ist weder von Gott noch vom Demiurgen geschickt, um dich kleinzukriegen. Beim bärtigen Ganymed, Damian, sieh mich nicht wieder so zweifelnd an! Nur alte Weiber nehmen solche Zeichen ernst. Du selbst bist für dich und deine Taten verantwortlich. Natürlich ist jeder Mensch auch fehlbar, selbst der ‘Herre Papst’, und mag er noch so oft das Gegenteil beteuern
…”

(Seite 313 ff)

Weiter zu: Was Sie schon immer mal über die Katharer wissen wollten.

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