Wohin brachten sie den Schatz der Katharer vom Montségur?
Die Katharer auf dem Montségur erhielten ständig Zuwendungen finanzieller Art von den Gläubigen aus dem Tal. Kaum war das Geld ausgegeben – auch für den Ankauf von Soldaten zur Verteidung des Montségur – flossen neue Spenden.
Ein Beispiel: Pierre-Roger von Mirepoix, der das Kommando über die Verteidung des Montségur innehatte, erhielt von Gläubigen “eine mit Geld gefüllte Decke”.
In den zwei Wochen Waffenstillstand vor der Übergabe der Burg (16.3.1244), brachten die Katharer ihre letzten Dinge in Ordnung. Die Perfekten verschenkten ihre Habe (Getreide, Bohnen, Öl, Salz, Pfeffer und Wachs) – “sowie die letzten Münzen”, wie es hieß, an diejenigen Soldaten, die nicht “häretisiert”, d.h. in den Glauben der Katharer aufgenommen worden waren.
Eine merkwürdige Begebenheit
Die Überlieferung berichtet nun von einem Vorfall in der Nacht vor der Übergabe des Montségur, also vom 15. auf den 16. März: In dieser Nacht sollen sich vier Perfekte heimlich, mit Hilfe von Seilen, eine einhundertfünfzig Meter hohe Steilwand hinabgelassen haben.
Es heißt weiter, die Katharer seien zuvor von Pierre-Roger de Mirepoix versteckt worden, vermutlich in einer der Karsthöhlen auf dem Berg.
Drei Namen der Flüchtenden sind bekannt:
Amiel Aicard, Peytavi Laurent und Hugues Domergue.
Der Name des vierten Perfekten ist nicht gesichert, vermutlich handelte es sich um Pierre Sabatier.
M. Roquebert* schreibt über diese sonderbare Flucht:
„Sie hatten kein Gepäck bei sich … und er merkt dazu an:
„Die Behauptung, sie hätten in einer Decke oder in einem Bündel einen mysteriösen Schatz mit sich geführt, geht auf eine Verwechslung von mehreren verschiedenen Informationen der Überlebenden zurück bzw. auf eine unlautere abenteuerliche Manipulation der Quellen.”
Für die Flucht der vier Parfaits gibt es lt. Roquebert nur einen Grund:
Sie wollten den Kirchenschatz der Katharer, den sie um Weihnachten herum irgendwo in den Wäldern versteckt hatten, in Sicherheit bringen!
Ungelöst bleibt das Rätsel um den Verbleib der Kriegskasse …
Fiel sie den Eroberern in die Hände (diese Meldung hätte Rom sicherlich ausgeschlachtet!) – oder brachten die Katharer auch sie in Sicherheit? (Um die “wenigen Münzen” einzelner, die verschenkt wurden, konnte es sich dabei nicht gehandelt haben.)
Zur Kriegskasse der Katharer vom Montségur schreibt Michel Roquebert folgendes:
“Noch vor Weihnachten* beschloss Bertrand Marty** die Kasse der religiösen Gemeinschaft in Sicherheit zu bringen. Das Gold, das Silber und eine Unmenge Geld wurden dem Diakon Pierre Bonnet und dem Perfectus Mathieu anvertraut. Ob zufällig oder absichtlich, jedenfalls trafen sie sich nach dem Abstieg vom Montségur auf einer Wachstation, besetzt mit Leuten aus Camon – Nachbarn oder Fast-Nachbarn, zumindest Landsleuten, die sie durchließen und ihnen sogar noch den sichersten Weg zeigten. Die beiden Perfecti versteckten ihr wertvolles Gepäck in einer SPULGA, einer befestigten Grotte in der oberen Grafschaft Foix, von der man nur weiß, dass sie einem Burgherrn des Grafen Pons Arnaud de Châteauverdun gehörte.
Es ist müßig, immer wieder über den Schatz nachzudenken”, schreibt Roquebert weiter, “bei dem es sich nur um das Vermögen der Kirche von Montségur handelte, bestehend aus den Gaben und Vermächtnissen der Gläubigen und gewiss auch aus dem, was die Perfecti und Perfectae durch ihre Arbeit erwirtschaftet hatten … Da man wegen der Belagerung fast ausschließlich von den Reserven leben musste, war es unnötig, jenes Geld im Castrum (Burg Montségur) zu verwahren. Es war sinnvoller, es zu verstecken, und wenn das Schlimmste einträte, würde es anderen Perfecti, nicht aber dem Seneschall des Königs zugutekommen …”
Anmerkungen: *1243; ** Katharerbischof
- Eine weitere “Kriegskasse” der Katharer
- Gesichert ist, dass 60 Jahre nach dem Fall des Montségur, also um das Jahr 1300, erneut eine sog. “Kriegskasse der Katharer” existierte. Es war die Zeit, in der Pierre Authié – Katharer-Perfekt und angesehener Notar aus Ax-les-Thermes – mit seiner Familie aus der Lombardei zurückkehrte, um erneut im Land zu missionieren.
(Katharerwege – zum Vergrößern anklicken)
1. Raymond Peyres Aufgabe war es, die vielen Vermächtnisse entgegenzunehmen, die den Authiès hinterlassen wurden.
2. Die Familie Francès in Limoux galt als Schatzmeister der Katharer, sie verwaltete die Kriegskasse der im ganzen Land angesehenen Authiès.
Die Familie Francès war aber auch selbst vermögend, besaß sogar “einen alten Leibeigenen” (etwas, was damals nicht mehr oft vorkam!). Der Schatzmeister Francès organisierte u.a. die Flucht zwischenzeitlich verhafteter Katharer-Parfaits, worauf diese im Haus des Guillaume-Arnaud Faure im Dorf Le Born (nahe Toulouse) unterkamen.
3. Der Perfekt Prades Tavernier, aus ärmlichen Verhältnissen stammend, bezichtigte hingegen die Authiès der Habgier. Er behauptete, sie liebten es, ihren Schatz zu bestaunen:
” … wenn ich von Anfang an gewusst hätte, wie Pierre und Guillaume Authiè lebten, hätte ich mich nicht in ihren Stand berufen lassen, weil sie nicht so leben, wie sie es sollten, weil sie sehr gierig und neidisch sind und Geld scheffeln, so dass Guillaume Authiè manchmal, wenn er Geld gesammelt hatte, zu seiner Frau Gaillarde kam und die beiden dann oft ihre Köpfe zusammen in eine Truhe steckten, um das Geld zu bestaunen, das er zusammengebracht hatte.”
4. In diesem Zusammenhang werden immer wieder auch die Familien Montaniés und Faure erwähnt, die in Coustaussa saßen. Diese Familien waren eng miteinander verbunden. Die Faures waren auch unter dem Namen Espanhol bekannt.
Die Notare Authiè und ihre Machenschaften
Angesehene und wohlhabende Notare aus Ax-les-Thermes; katharische Missionare. Nach ihrer Rückkehr aus der Lombardei, wohin sie geflüchtet waren (1299), bekehrten sie ihre okzitanischen Landsleute erneut zur katharischen Religion. Ihnen zur Seite standen mehrere Missionare, darunter Prades Tavernier. Pierre Authiè wurde am 9. April 1310 vor der Kathedrale Saint-Étienne in Toulouse verbrannt. Sein Bruder Guillaume soll ein Buch mit dem Titel “Vom Glauben der Katharer” besessen haben; er wurde bereits im Jahr 1309 verhaftet und verbrannt.
Wer mehr über die Authiès, über Prades Tavernier, und den Inquisitionsprozess gegen das Dorf Montaillou im Jahr 1320 erfahren möchte, dem lege ich meinen Roman “Béatris: Kronzeugin der Inquisiton” ans Herz!
Zu Michel Roquebert: s. “Die Geschichte der Katharer”, Stuttgart 2012
Empfehlenswert an dieser Stelle auch mein “Montségur-Roman: “Esclarmonde – Die Ketzerin vom Montségur“