Estella – auf dem alten Sternenweg nach Compostela

Ich hatte bei Ean Begg gelesen, dass sich in der Real Basilica von Estella (Provinz Navarra) eine polychrome (mehrfarbige) Holzstatue aus dem 8. Jahrhundert (vermutlich eher 12. Jh.?) befinden soll, die rundum versilbert ist: Pilger aus ganz Europa hätten sie auf ihrem Weg nach Santiago de Compostela aufgesucht.
Das hat mich neugierig gemacht!

Ursprünglich war Estella eine römische Siedlung. Im 11. Jahrhundert gründete König Sancho Ramirez nach dem Erscheinen eines Sternenzeichens die Stadt. Dabei stellte er sicher, dass ein Pilgerweg (damals noch der “Alte Sternenweg”) durch Estella führte.
Heute liegt Estella (baskisch Lizarra) am Camino Francès. Die Kleinstadt ist berühmt für ihre alten Kirchen, Paläste und Klöster, weshalb sie auch das “Toledo des Nordens” genannt wird.
Beide Namen, Estella und Lizarra, bedeuten Stern und werden amtlich benutzt.

No se ve Estella hasta llegar a ella …

In einem spanischen Sprichwort heißt es, dass man Estella seiner Berge wegen erst dann sieht, wenn man schon dort ist:  Der Bergring, der Estella umgibt, schützt die Stadt vor kalten Winden und ist damit für Estellas mildes Klima verantwortlich.

Foto links: Auf dem Weg zur RealBasilica – eine Säulenmadonna

Und wohin man auch sah: Sterne, Sterne, Sterne
(Eingangstür der RealBasilika von Estella)

Der Alte Sternenweg – kurzer Romanauszug aus “Talmi”:
… Als es um den Ausspruch “Das Siegel der Meister ist der Stern” ging, kam Sabot auf die alten Initiationswege zu sprechen: “Zu diesen Wegen zählte auch der sogenannte Sternenweg in Richtung Santiago de Compostela. Aber Achtung: Er ist nicht deckungsgleich mit dem heute bekannten Jakobsweg. Wobei sich mir der Verdacht aufdrängt” – Sabot schmunzelte -, “dass man den Pilgerstrom absichtlich vom alten Weg fernhält.”

“Und weshalb?”, fragte Maury.
“Nun, der Sternenweg hat offenbar mit dem Christentum nur wenig gemein. Leider weiß man heute den Grund nicht mehr, weshalb Menschen in grauer Vorzeit ihn beschritten haben. Das Wissen ging verloren … Es gab übrigens noch andere Wege”, sagte er. “Einer ging von England aus und ein weiterer von Sainte-Odile im Elsaß. Alle Wege führten durch Gegenden, die von Megalithen und Dolmen bedeckt sind. Die Steine verbinden gewissermaßen die heiligen Orte … Bleiben wir beim Sternenweg. Historiker vermuten, er gehörte ursprünglich zu einem riesigen Labyrinth, das sich über die gesamte Pyrenäengegend spannte – eine Art Initiationssystem …”

Real Basílica de Nuestra Señora de El Puy
Im Inneren eine freundlich lächelnde Jungfrau mit Kind und Krone, auf einem Schemel sitzend (s. Foto unten). In ihrer Hand ein blühender Dornzweig, unter ihren Füßen eine große Mondsichel.  Die in Estella verehrte Madonna (vermutlich eine ihrer Vorgängerinnen) wurde im Jahr 1085 in einer Höhle gefunden, nach der Marienerscheinung einiger Hirten. “Mondsichelmadonnen” gibt es viele. Aber was hat es mit ihnen auf sich? Eine Spur führt geradewegs zur Apokalypse – zur Offenbarung des Johannes:

„Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Sie war schwanger und schrie vor Schmerz in ihren Geburtswehen. Ein anderes Zeichen erschien am Himmel: ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt. (Offb, 12,1–5)

Aber eigentlich begann alles noch viel früher:

Barbara G. Walker schreibt in ihrem Lexikon “Das Geheime Wissen der Frauen” folgendes:

“Ägyptische Inschriften verkünden:
´Am Anfang war Isis, die Älteste der Alten.
Sie war die Göttin, aus der alles Werden wuchs.
Als Schöpfergöttin gebar sie den Sonnenstern,
als er das erste Mal über der Erde aufging`.

 

Das Christentum übernahm also die Sterne. Das sog. “Mondschiff” der Isis jedoch – ihre Barke, die sie so stolz auf dem Kopf trug – tritt die Mutter Gottes heute mit Füßen!

Vielleicht als Zeichen des Sieges über ihre heidnische Vorgängerin?

Fest steht, dass Isis und ihr Sonnenstern vom Christentum weniger verdrängt als erfolgreich absorbiert wurde …

(s.a. mein Artikel “Die Freundinnen der Frauen – Schwarz bin ich, aber schön …)

(Fotos bitte durch Anklicken vergrößern!)

Das Kircheninnere ist gotisch – und wie ein einziger Stern konzipiert!
*

(Foto links – eine Kopie der der Nostra Seniora del Puy)

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel

Ein Kultplatz aus alter Zeit – Santuari de la Mare de Déu del Far

Eine Zufallsentdeckung im September 2015

Wir befinden uns in Katalonien, in einer schwer zugänglichen Gegend zwischen den Regionen Garrotxa und La Selva, und zwar im Gemeindebezirk Susqueda, wo sich das Heiligtum de la Mare de Déu del Far befindet. (Mare de Déu = Mutter Gottes, Far = Licht, Leuchtturm)
Dieser verschwiegene Ort liegt oberhalb einer Steilklippe, etwa
elfhundert Meter über dem Meeresspiegel. Die Landzunge selbst ragt wie ein Schiffsbug in die Landschaft. Vom Mirador aus erwartet den Besucher eine atemberaubende Rundumsicht auf Wälder, Wasserfälle, Tafelberge, Vulkane – sowie auf die schimmernden Susqueda Wasserreservoirs.

(Blick von der Aussichtsplattform auf die Umgebung. Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Die Kapelle del Far

ist von außen eher unspektakulär. Das ursprüngliche Gebäude aus dem Jahr 1269 wurde durch ein Erdbeben zerstört. Der Neubau – ein rechteckiges Schiff mit Gewölben erinnert an eine steinerne Grotte. Es bildet einen Komplex mit einem weiteren Gebäude – dem Haus eines ehemaligen Eremiten.

Mare de Déu del Far

Verehrt wird hier eine ganz besondere Madonna: Der Korpus ist aus Alabaster gefertigt, eine Gipsart, weicher als Marmor, die hier überall abgebaut wird. Auch die Romanischen Madonnen, die im Episkopal-Museum von Vic stehen, sind teilweise aus Alabaster. Die Far-Madonna stammt angeblich aus dem 11. Jahrhundert. (Ich selbst hätte sie im 13. Jh. verortet.) Sie wurde im Jahr 1922 restauriert und farbig bemalt.

(Foto rechts – die Alabaster-Madonna aus dem 11. Jh.
Foto unten eine Votivgabe)

 

Neugierde siegt

Meine langjährige Gewohnheit, bestimmte Kirchen mindestens in einer Richtung fußläufig zu umrunden, hat sich auch hier ausgezahlt: Ich saß bereits im Auto, weil es regnete, als mein Blick auf eine Art “Hain” fiel. Ich stieg wieder aus und betrachtete mir die Sache näher. Dabei entdeckte ich das ursprüngliche Santuarium del Far, das in keinem mir vorliegenden Reiseführer Erwähnung fand. Der steinreiche Kultplatz ist heute ein Ort der Stille und Einkehr …

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(Foto durch Anklicken vergrößern!)

Ein Hain, ein altes Quellheiligtum …

In alter Zeit waren Heilige Haine bestimmten Göttern oder auch Nymphen geweiht. Sie lagen stets im Schatten, im Schutz von Bäumen und Sträuchern, und dienten der Opferung und dem Gebet.
Über einen Heiligen Hain der Kelten in der Nähe von Marseille schreibt u.a. Annaeus Lucanus (39-65 n. Chr.), ein Neffe von Seneca d.J., in seinem Epos Pharsalia
(Caesar hatte den Befehl gegeben, den Hain abzuholzen, um Stämme für das Belagerungsgerät von Marseille zu bekommen):

“Ein Hain in der Nähe war seit Menschengedenken nicht mehr angetastet worden. Seine verschlungenen Äste umfingen und verdunkelten den Luftraum und spendeten kühlen Schatten, denn die Sonnenstrahlen wurden hoch oben abgeschirmt. Hier werden Götter mit barbarischen Riten verehrt; auf den Altären schichtet man schauerliche Opfergaben auf, und jeder Baum ist schon von Menschenblut bespritzt. Hier fürchten sich die Vögel zu sitzen und die wilden Tiere zu lagern. Weder der Wind noch die aus schwarzen Wolken geschleuderten Blitze trafen je diesen Wald, und obwohl die Blätter keinem Lufthauch ausgesetzt sind, zittern die Bäume von innen her. Es fließt auch viel Wasser aus dunklen Quellen, und düstere, kunstlos geschnitzte Götterstatuen ragen unförmig aus den Strünken …”

 

Wem wurden hier Opfer dargebracht? Der Göttin Isis?

Dass es sich einst um eine heidnische Stätte, einen Kultplatz, gehandelt hat, beweist auch die kleine uralte Figur hinter den Gitterstäben. Auffällig die hohe Krone und der ungewöhnliche – an ein Mieder oder gar an ein Musikinstrument erinnernde – Gegenstand unterhalb der rechten Brust. Auch diese Figurine ist aus Alabaster gefertigt. Möglicherweise handelt es sich bei ihr um die Vorgängerin der Madonna aus dem 11. Jahrhundert, die in der Kirche von Far verehrt wird. So zierlich und aufrecht stehend, mit dem auffälligen “Thronsitz” auf dem Kopf, könnte es sich um eine “Isis lactans” gehandelt haben, die dem Horusknaben die Brust reicht, ihm göttliche Stärke einflößt. Der Isis-Kult war in späthellenistischer bis nachchristlicher Zeit weit verbreitet. Erst vier Jahrhunderte später verwandelte sich Isis stillschweigend in “Maria mit dem Jesuskind”, wobei man Maria mitunter mit dem Mondschiff der Isis unter den Füßen darstellte, z.B. in Paris, Notre Dame.
(s. auch meinen Artikel “Schwarz bin ich, aber schön”)

Oder gar Kybele?

Als ich mir den wasserspeienden Löwen näher betrachtete, kam mir spontan die Göttin Kybele in den Sinn, deren Attribut der Löwe ist. Kybele war eine Magna Mata, eine universelle Göttermutter aus Phrygien, eine Berg- und Naturgöttin, in vielen Ländern und Städten beheimatet – z.B. in Madrid (Kybele-Brunnen) oder in der Stadt Lyon, wo ein bedeutender Kybele-Tempel stand, der stolze 86 auf 53 Meter maß. Verehrt wurde diese Göttin unter vielen Namen, auch unter “Artemis”.
Die Kirchenväter der “neuen Lehre” hassten Kybele: Der Heilige Augustinus nannte sie eine “Hurenmutter”, “die Mutter nicht der Götter sondern der Dämonen”. Doch der alte Kult trotzte dem Christentum: Im 2. Jh. n. Chr. gründete Montanus, ein Kybele-Priester, eine neue Sekte. Er gesellte Kybele den Knaben Attis zu, (ein Pendant für Jesus) und behauptete, dass Frauen, die in Kybeles Dienst standen, predigen und weissagen durften wie die Männer. Das konnte sich das christliche Patriarchat nicht bieten lassen! Im Jahr 380 erklärten die römischen Kaiser Theodosius I., Gratian und Valentinian II. das Christentum zur Staatsreligion – doch der weströmische Kaiser Eugenius (392-394) setzte weiterhin heidnische Senatoren ein, die die Magna Mater verehrten. Gleichwohl wurden die Anhängerinnen des Montanus zu Ketzerinnen erklärt und umgebracht, indem man sie in ihren Kirchen einschloss und sie bei lebendigen Leibe verbrannte. Im Jahr 431 versetzte man der Magna Mata endgültig den Todesstoß: Auf dem Konzil zu Ephesos wurde Maria zur Mutter Gottes (Theotokos – Gottesgebärerin) erklärt.

 

Und wie verhielt es sich jetzt mit der alten Quellgöttin von Far? Ich vermute, sie war einst keine Isis, auch keine Magna Mata, sondern “nur” eine kleine Bona Dea – eine von den Einheimischen verehrte Muttergöttin des Lichts! 🙂

Noch zwei kleine Hinweise:
Die Straßen in den Katalanischen Pyrenäen sind meist in einem sehr guten Zustand.
Hinter der Kirche del Far befindet sich ein Restaurant:

Adresse: Santuari El Far
Carretera del Santuari del Far S/N
17176 SANT ESTEVE D’EN BAS (SUSQUEDA)
Tel: 972190169
//www.santuaridelfar.com/santuari-de-la-mare-de-deu-del-far.aspx

Lost in Time – in Castellfollit de la Roca

Castellfollit de la Roca ist eine katalanische Gemeinde in der Provinz Girona im Nordosten Spaniens. Der Ort mit ca. 1000 Einwohnern liegt malerisch auf einem mehr als fünfzig Meter hohen Basaltmassiv, umgeben von den Flüssen Fluviá und Toronell und eingebettet in den einzigartigen Naturpark der Vulkanlandschaft von La Garrotxa. Die in engen, schattigen Gassen liegenden Häuser der Altstadt sind traditionell aus Vulkangestein erbaut.

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(Die Fotos können zum Vergrößern angeklickt werden)

Die Kirche San Salvador aus dem 13. Jahrhundert wurde möglicherweise von den Tempelrittern gebaut. Sie ist heute gänzlich ausgeräumt und dient als Museum. Von der davorliegenden Plaza Josep Pla, aber vor allem vom Turmfenster der Kirche aus (man darf hinaufsteigen!) bietet sich dem Besucher eine atemberaubende Rundumsicht auf die Garroxta …

Links unten – ein schönes Tatzenkreuz der Templer, rechts eines der vielen Häuser, die aus Vulkangestein erbaut wurden …

Verschlafene Gässchen in der Morgenruhe …

eine Heilige Barbara mit dem Turm …

… und im Museum ein Riese.

Der “Riesenkult” in Katalonien hat verschiedene Ursachen. In Olot, einer einer benachbarten Stadt – bekannt für ihren farbenprächtigen Umzug der Giganten -, hat man auf dem erloschenen Vulkan einen exorbitanten Fußabdruck entdeckt – den sog. Petjade del Gegant.
In meinem Thriller “SALAMANDRA” nehme ich Bezug auf die katalanische Tradition der Riesen:

“… Begonnen hatte der Hype aber bereits mit den ersten Fronleichnamszügen im 14. Jahrhundert. Schon damals war der gläserne Sarg mit der Christusfigur von einer Schar Symbolgestalten begleitet gewesen, teils mit biblischem Bezug, teils mit Anleihen aus örtlichen und heidnischen Legenden – worunter wohl auch der ´Kopf des Fliegenfängers` fiel, von dem Bernadette im Internet gelesen hatte …”

 

LOST IN TIME?
Als ich im Herbst 2014 Castellfollit de la Roca besuchte, war tatsächlich nichts los im Ort. Es langweilten sich selbst die Hunde … 🙂
Aber ich bin ehrlich: Mir gefiel das.

Eine kleine Tourist-Info zu den Preisen im spanischen Teil Kataloniens:

Eine Cornetto-Eistüte und eine große Flasche Mineralwasser in einem Tante-Emma-Laden kosteten in Castellfollit de la Roca zusammen 1.25 Euro! Da kann man nicht meckern!
Noch etwas: Auch die örtlichen Bäckereien sind nicht zu verachten! Lecker, lecker! 🙂

 

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Helene Köppel

Der Bahnhof von Canfranc – Doktor Schiwago lässt grüßen!

Canfranc ist ein kleiner Ort in den spanischen Pyrenäen an der Grenze zu Frankreich. Es liegt im Tal des Aragón, südlich des Somportpasses in der Provinz Huesca der Autonomen Gemeinschaft Aragonien …

Canfranc entstand im Mittelalter als Grenzstation. Den Namen Campus Francus (etwa: Freies Feld) soll es aufgrund der Aufgabe für seine Bewohner erhalten haben, den Weg für Reisende und Pilger stets frei von Hindernissen zu halten. Die Reste des im 12. Jahrhundert nahe der Pfarrkirche gegründeten Pilgerhospizes sind nicht mehr zu besichtigen. Doch hat man vor kurzem die Reste einer mittelalterlichen Burg ausgegraben.

Zur Geschichte des Bahnhofs

In meinem Roman Blut.Rote.Rosen erzählt der Tolouser Kommissar Maurice Claret über Canfranc folgendes:

” … Der Ort spielte im Zweiten Weltkrieg eine nicht unbedeutende Rolle. 1928 eröffnet, wurde die Bahnlinie, die von Pau nach Canfranc führte, bereits 8 Jahre später wieder eingestellt; ja die Frankisten mauerten damals sogar den Somport-Tunnel zu. Im März 1940 jedoch nahm man den Verkehr plötzlich wieder auf. Zum einen flüchteten über Canfranc zahlreiche Juden und Widerstandskämpfer. Zum anderen versorgte Franco auf dem umgekehrten Weg Hitler mit Eisen- und Wolframerz zur Waffenherstellung. Das geschah selbst noch 1943, als der Wolframerz-Handel von den Alliierten bereits verboten war. Im Gegenzug erhielt Spanien Gold. Tonnenweise!”

© H.L.Köppel

 

 

 

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Es war Gold, das die Nazis von KZ-Häftlingen erbeutet hatten, z.B. “Melmer-Gold”, von dem ein ganzer Lastwagen voll bis heute spurlos verschwunden ist. Wenn man sich die Umgebung anguckt, kann das noch immer irgendwo in den Bergen versteckt sein.

Canfranc – Filmkulisse für Doktor Schiwago

Den Grundstein für dieses imposante Gebäude inmitten der Bergwelt legte König Alfonso XII. Sein Nachfolger, Alfonso XIII. und der französische Präsident Gaston Doumergu weihten es nach über 70jähriger Bauzeit im Jahr 1928 ein. Das Bauwerk – Jugendstil gepaart mit Klassizismus – war einzigartig in Europa, ein Traum aus Stein, Glas und Marmor. Es beherbergte u.a. eine Bar und ein Nobelhotel. Exclusiv war vor allem der große Wartesaal mit seinen Marmorwänden und Jugendstillampen.

Hier lag wohl der Grund, dass man sich für Canfrac als weiteren Drehort und Hintergrund für den Film “Doktor Schiwago” entschied.

Ein Hinweis für Touristen: Die vielfach geplünderten Gebäude des Bahnhofs von Canfranc sind heute nur noch mit Führung zu besichtigen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Helene Köppel

(E-Book + Taschenbuch)

Auf der Weiterfahrt zum schönsten Bergdorf dieser Pyrenäenregion: LESCUN

LESEPROBE “Béatris – Kronzeugin der Inquisition”

Hervorgehoben

Klappentext

»Etwa ein Jahr nach dem Tod meines Mannes wollte ich in der Kirche von Montaillou zur Beichte gehen. Als ich vor Pierre Clergue kniete, sagte er zu mir, dass er in der Welt keine Frau kenne, die ihm soviel bedeute wie ich …«
(Béatrice de Planissoles, Zeugenaussage im Jahr 1320)

Um den ketzerischen Sumpf im Pyrenäenvorland endgültig trockenzulegen, lädt der Bischof von Pamiers die ehemalige Kastellanin von Montaillou vor. Die noch immer schöne und lebenslustige Béatris soll ihren früheren Geliebten, den Pfarrer Pierre Clergue, belasten. Er gilt als »Wolf im Schafspelz«, weil er als Katholik ketzerische Thesen vertritt und ein Netz von Günstlingen über die Gegend gespannt hat.
Wird es dem Bischof gelingen, das aus Béatris herauszupressen, was sie so geschickt vor ihm zu verbergen sucht?

Nach einer wahren Geschichte, die sich im 14. Jh in einem abgelegenen Winkel der Pyrenäen zugetragen hat.

Kurze Leseprobe

Car greu es pros dona c’adés
hom calque drut no li.n devi.

Eine Frau kann kaum edel sein,
wenn man ihr nicht stets irgendeine
Liebesbeziehung zuschreiben kann.

(Raimon Vidal de Besalú, 13. Jh, Troubadour)

(Montaillou, im Jahr des HERRN 1297)

Ich war Anfang zwanzig und zum vierten Mal schwanger, als ich am Sonnwendtag auf die Wehrplattform des Donjons stieg, um von oben einen Blick auf die Wiese der Comba del Gazel zu werfen, die zu dieser Zeit geradezu übersät war von blauem Enzian und gelben Lilien. Mit einem Mal hörte ich hinter mir ein Geräusch. Ich drehte mich um und blickte in die schwarzen Wieselaugen von Raymond Roussel, dem Verwalter unserer Burg. Er trug ein weißes Leinenhemd und grüne Beinlinge, an denen Hundehaare hingen. Unbemerkt hatte er sich die Wendeltreppe heraufgeschlichen.
»Steigt Ihr mir nach, Raymond? Oder was sucht Ihr hier oben«, fragte ich ihn mit fester Stimme.
Er blieb auf der letzten Stufe stehen, druckste eine Weile herum. Dann jedoch meinte er, er müsse mit mir reden. Es sei ernst.
Ich erschrak. »Geht es um meinen Gemahl? Kam ein Reiter aus Foix? Es ist ihm doch nichts zugestoßen?«
Er schüttelte den Kopf, und dann brach es aus ihm heraus: »Lasst uns nicht um den heißen Brei herumreden, Donna Béatris. Dass man Euch die Knaben wegnahm, war Unrecht. Euer Gemahl hätte Euch das nicht antun dürfen. Und es sind doch auch seine Söhne! Tag um Tag, Stunde um Stunde, musste ich zusehen, wie Ihr unglücklicher wurdet. Dabei seid Ihr noch so jung, und der Herr … nun, er hat die Fünfzig schon überschritten. Außerdem lässt er Euch ständig allein, ist in Geschäften unterwegs.«
Ich runzelte die Stirn. »Ihr sprecht in Rätseln, Raymond!«
»Nun, jeder in Montaillou weiß, dass Eure Familie zu den Guten Christen hält, nicht wahr? Wir beide haben ähnliche Wurzeln. Ich gehöre ebenfalls zu den Katharern, insgeheim.«
Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. In ganz Montaillou wäre es niemandem in den Sinn gekommen, mit mir über die Glaubensvorstellungen meiner Familie zu reden. Privates aus der Vergangenheit war tabu. Weder die Benets, noch die Rives oder gar die Clergues hätten sich so weit hervorgetraut. Ich fühlte mich den Dörflern zwar zugehörig, aber ich war für sie die Kastellanin, wurde von ihnen respektiert.
»Weshalb erzählt Ihr mir das, Roussel? Ihr wisst doch, es ist gefährlich, darüber zu reden.«
Roussel war ganz blass geworden und seine Hände zitterten. »Es fällt mir auch nicht leicht, Euch ohne Vorbereitung mein Ansuchen zu unterbreiten, aber ich tu’s, weil Euer Gemahl erst in einer Woche zurückkehrt: Lasst uns zusammen die Burg verlassen und uns in der Lombardei offen den Katharern anschließen!«
»Was?« Ich traute meinen Ohren kaum. »Seid Ihr verrückt geworden«, herrschte ich ihn an. »Habe ich Euch je einen Anlass gegeben, zu denken, ich wollte mit Euch fliehen? Überdies bin ich wieder schwanger. Was würde da wohl mit meinem ungeborenen Kind.«
Raymond Roussel sah mich mitleidig an. »Mit Verlaub, Donna Béatris, hat es Euch Euer Vater nicht erklärt, dass die Seelen von Männern und Frauen durch neun Körper wandern, bis sie einen Guten Christen finden und durch ihn das ewige Heil erlangen?«
Für einen Herzschlag dachte ich, der Mann sei wirklich verrückt geworden. Doch dann strömten die Worte nur so aus mir heraus: »Was Ihr erzählt, ist heller Unsinn, Roussel! Wie sollte der Geist eines gerade verstorbenen Mannes oder einer toten Frau durch den Mund einer Schwangeren in den Körper ihres Ungeborenen gelangen.«
Er lachte ein unfrohes Lachen und behauptete danach allen Ernstes, dass der Geist über jeden beliebigen Teil des Körpers in eine Frau eindringen könne. Dabei sah er so … durchgeistigt aus, als wenn ihm der Engel Gottes persönlich in der Nacht diese Botschaft überbracht hätte.
»Nein, nein, das kann ich nicht glauben«, parierte ich. »Warum sprechen dann die Kinder nicht sofort nach der Geburt, wenn sie doch eine alte Seele haben?«
»Gottes Ratschluss ist unergründlich, Donna Béatris«, entgegnete Roussel. Offenbar war dem Engel Gottes nichts Entsprechendes eingefallen. »Denkt über meinen Vorschlag nach. Verweilt nicht länger auf einer Burg, in der man keine Guten Christen duldet.«
»Weshalb hält es dann Euch hier, Roussel«, spottete ich, »wenn Ihr doch ein Guter Christ seid? Niemand hindert Euch in die Lombardei zu ziehen.«
»Ich bin nur Euretwegen noch da, Donna Béatris. Ich habe seit langem auf einen günstigen Zeitpunkt gewartet, um mit Euch zu reden. Ich kann Euch nur den einen Rat geben: Packt Eure Habseligkeiten und folgt mir. In der Lombardei seid Ihr in Sicherheit.« Unbeweglich wie eine Statue stand er da und versperrte mir den Treppenabgang.

Liebe Leserinnen und Leser,

An dieser Stelle lade ich Sie auch herzlich ein, mich auf meinem Weg hinauf zur Burgruine zu begleiten! 

Haben Sie Ihre Wanderschuhe parat? 🙂

Hier geht’s lang, bitte anklicken: Meine Recherchereise nach Montaillou

“Béatris – Kronzeugin der Inquisition”

Hervorgehoben

(Burgruine von Montaillou; Südfrankreich, Dep. Ariège)

Zur Historie im Roman

Anno Domini 1320: Nach Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen (Albigenserkreuzzüge) ist die »teuflische Gegenkirche der Katharer« noch immer nicht besiegt. Vor allem die Menschen in den entlegenen Gebirgsdörfern lassen nicht von ihrem Glauben ab: »Meines Vaters Haus in Montaillou ist wegen Häresie schon dreimal zerstört worden«, erzählt ein Schäfer dem Gericht, »und dennoch kann ich der Ketzerei nicht abschwören, ich muss dem Glauben meines Vaters treu bleiben.«
Diese Zustände waren der römisch-katholischen Kirche nicht verborgen geblieben. Mit Hilfe des jungen, hochbegabten Vorstehers der Zisterzienserabtei Fontfroide, Jacques Fournier, startet man einen letzten Anlauf zur Ausrottung der Ketzerei. Nach seiner Erhebung zum Bischof von Pamiers installiert Fournier ein Inquisitionstribunal, mit dem Ziel, Pierre Clergue, den Pfarrer und Rädelsführer von Montaillou, für immer dingfest zu machen. Fast hundert Zeugen werden im Laufe der nächsten acht Jahre vorgeladen, inhaftiert und mehrfach verhört. Darunter auch die Kronzeugin der Inquisition, Béatris de Planissoles, die frühere Geliebte des Pfarrers.

Eine faszinierende Geschichte

In den Sechziger Jahren des 20. Jahrhundert machte der Katharerforscher Jean Duvernoy (1917-2010) das Register des Bischofs Jacques Fournier (MS 4030) erstmals der französischen Öffentlichkeit zugänglich.
In Deutschland wurde das bedeutende Zeitdokument im Jahr 1993 durch das Sachbuch von Emmanuel LeRoy Ladurie bekannt: »Montaillou – Ein Dorf vor dem Inquisitor«. Inzwischen haben sich zwei weitere anerkannte Historiker mit dem Fall Montaillou beschäftigt: Die Professoren Matthias Benad, Bielefeld: »Domus und Religion in Montaillou«, und René Weis, London: »Die Welt ist des Teufels«.

Ich selbst befasse mich ebenfalls seit Jahren vor allem mit dem Schicksal der ehemaligen Kastellanin von Montaillou. Mit dem Schreiben meines Romans begann ich jedoch erst im Jahr 2015 – nach meinem ersten Besuch in Montaillou …

Recherche In Montaillou – ein Reisebericht und ein kleiner Vorgeschmack auf den Roman, der im Juli 2017 erschienen ist:

Es war ein eher trüber Tag, als ich am 2. September 2015 von Prades (Pyrénées Oriental) über Marcevol, Puilaurens und Axat nach Montaillou fuhr, um mir einen eigenen Eindruck von meinem zukünftigen Romanschauplatz zu verschaffen. Nun, Montaillou schlief. Klösterliche Einsamkeit in diesem abseits gelegenen, »steinreichen« Pyrenäenwinkel.
Das heutige Montaillou zählt ganze 24 Einwohner. Es liegt ein Stück unterhalb des mittelalterlichen Dorfes, am Fuße des Berges. Beim Betreten des Ortes stößt man zuerst auf das imposante Schlosstor der Familie Montauriol (16. Jahrhundert), geschmückt mit drei bunten Wappen. Das Schloss selber existiert nicht mehr, es wurde im 18. Jh durch Brandstiftung zerstört.

Beim Weitergehen treffe ich auf einige bäuerliche Anwesen und wenig einladende Gebirgssteinhäuser. Die einsame bunte Fähnchenkette, die zwischen den Häusern flattert, erinnert mich an tibetische Gebetsfahnen. Der Vergleich ist erlaubt, denn es gibt Berührungspunkte zwischen Katharertum und Buddhismus: Der Ursprung des katharischen Glaubens geht auf den persischen Propheten Mani zurück, der im 3. Jh. n. Chr. das Denken von Zoroaster, Buddha und Jesus zusammengefasst hat.
Das kleine Informationszentrum von Montaillou ist geschlossen, ebenso die Kirche aus dem 17./18. Jahrhundert. Ein Café fehlt. Der Ort scheint wie ausgestorben. Dafür tauchen die ersten Ruinen auf: Klein, geduckt, mit gähnenden Fensterlöchern und grob zusammengenagelten Holztüren, silbriggrau vom Alter. Im 14. Jh. gab es hier fast fünfzig große Familien, die jedoch teilweise miteinander verwandt waren. Ihre mit Schindeln bedeckten, teils zweistöckigen Häuser zogen sich terrassenförmig bis hinauf zur Burg. Ein Haus über dem anderen, wobei die unterste Häuserreihe eine natürliche Stadtmauer bildete. Das ganze Ensemble – Dorf und Burg – war früher von Wäldern umschlossen gewesen.

(Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Beim Hinaufsteigen drehe ich mich ständig um. Doch niemand folgt mir. Gespenstische Ruhe. Aber die Stille schärft bekanntlich die Wahrnehmung: Verbirgt sich da was im Schattenwinkel der Ruinen? Unter der Kruste des Mauerwerks, dem Schorf? Vielleicht die Träume der Menschen, die dort einst gelebt haben? Ihre Sehnsüchte, Hoffnungen und Ängste? Ihr Lachen? Ihre Wut? Pianissimo – kaum vernehmbar ist dieser Ton aus ferner Zeit!
Ich habe es schon früher erlebt, wenn Bewusstes auf Unterbewusstes trifft, z.B. in Carcassonne, wo »Rixende« entstand, in Rennes-le-Château, bei meiner Arbeit für »Marie«, oder aber in Arles (Blut.Rote.Rosen).
Steil geht es jetzt nach oben. Rechts ein grasbewachsener Hang, links weitere Spuren alter Besiedlung: Behauener Fels, verfallende und längst verfallene Häuser – darunter vielleicht das Anwesen, in dem Béatris nach dem Tod des Kastellans wohnte. Zwischen den Mauerresten Schafgarbe, Brennnesseln und leuchtend gelbe Trollblumen.

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Leicht außer Atem erreiche ich den Fontcanal, die Trinkwasserquelle des Ortes, links unterhalb des Burghügels. Das flache Gemäuer liegt geschützt im Wald, direkt am Fußweg nach Ax-les-Thermes. Ich setze mich auf den mit Moos bewachsenen Brunnenrand, um mich auszuruhen. Leise plätschert das Wasser. Es riecht nach nassem Gras und Moder. Ein romantischer Platz. Wie gemacht für Liebesgeflüster und den Austausch häretischer Geheimnisse. Spitzt da oben etwa die Kapuze eines katharischen Perfekten durchs Buschwerk?
Nein, es ist die Donjon-Ruine der ehemaligen Fliehburg von Montaillou, die – 1362 Meter ü. d. M. – wie zwei drohende Finger in den Himmel ragt.

Ich bin neugierig, gebe mir einen Ruck und klettere hinauf – im wahrsten Wortsinn über Stock und Stein, denn die Burgmauern scheinen überall aus dem Felsgestein hervorzuwachsen.
Oben angekommen, halte ich keuchend inne. Meine Beine zittern. Auf den ersten Blick kommt mir die Anlage enttäuschend klein vor. Erst nach dem (nicht ungefährlichen) Abschreiten des buckligen Plateaus und dem Studium einer dort ausgehängten Skizze erkenne ich die tatsächlichen Ausmaße: Um die Burganlage zog sich einst eine fast zwei Meter hohe Mauer, unterbrochen von drei Wehrtürmen, ergänzt von einem Torturm mit Barbakane – und natürlich dem großen Donjon, in dem Béatris vermutlich die Feste gefeiert hat, wie sie gerade fielen.

Ich setze mich auf eines der niedrigeren Mauerstücke und halte Ausschau. Das Panorama ist grandios. Die umliegenden Berge, Hügel und Wälder grün, die Wiesen noch saftig. Aber steil. Lange aufgegebene Terrassenfelder und Gärten auf einem benachbarten Hügel hinter mir. Die Bauern von Montaillou waren im 14. Jh. frei gewesen. Es gab keine Leibeigenen. Sie hatten Schafherden und eigenes Land besessen, das sie vererben und verkaufen konnten. Angebaut wurden Hafer, Weizen, Hanf und Flachs, aber auch – man höre und staune – die Runkelrübe, die z.B. im Rheinland erst im 18. Jh eingeführt wurde.

Als unvermittelt die Sonne durch die Wolken bricht, grüßen aus der Ferne schneebedeckte Gipfel, darunter der berühmte Col de sept frères, der Sieben-Brüder-Pass. Da ich mich in den Pyrenäen befinde … Einsamkeit. Stille. Der Fels. Die Steine. Leichtfüßig schritt man in Montaillou nicht herum. Béatris musste gutes Schuhwerk getragen haben, wenn sie bergab lief, um eine ihrer ketzerischen Freundinnen aufzusuchen. Oder des Sonntags die Messe:

Notre Dame de Carnesses, die berühmte Pilgerkapelle aus dem 12. Jahrhundert, in deren Dämmerdunkel auch sie betete, befindet sich ein Stück außerhalb des Dorfes, inmitten des Friedhofs. Hier, am Ort »eines volkstümlichen lokalen Kults eher heidnischer Färbung« (Ladurie), hat Pierre Clergue gepredigt und direkt neben dem Altar Na Mengarde, seine katharisch-gläubige Mutter beerdigt. Jeder, der Montaillou besucht, fragt sich, ob ihre Überreste noch heute hier ruhen.
Leider ist auch dieses kleine Gotteshaus verriegelt, ein Schlüssel nirgends aufzutreiben. Die Kühe auf den benachbarten Weiden recken zwar die Hälse, interessieren sich aber nicht weiter für Ketzerei.
Pech gehabt?
Ganz sicher nicht, denn die Geschichten von früher sind auf meinem Weg durch Montaillou ein Stück lebendiger für mich geworden. Auch Béatris und Pierre …

Helene Köppel

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