GUADIX – der berühmte Bahnhof
Nach den andalusischen Filmdrehorten Monsul und Tabernas-Wüste darf natürlich auch ein Abstecher zum Bahnhof von GUADIX nicht fehlen. Hier wurden im Jahr 1988 mehrere Szenen mit Harrison Ford und Sean Connery gedreht. Obwohl man die Szenen aus dem fertigen “Indiana Jones”-Film wieder strich, ist der schöne Bahnhof noch immer ein Anziehungspunkt für Cineasten. Und wie man so hört, sollen sich einige Film-Fans hier sogar mit Fedora-Hüten und/oder Peitsche ablichten lassen! 🙂
Die anhaltende Filmbegeisterung nahm die Stadtverwaltung im Jahr 2018 zum Anlass, ein großes Fest zum 30-jährigen Gedenken an den legendären “Indy-Dreh” zu feiern – aber vielleicht auch, um an diesem Tag zu zeigen, dass die “tausendjährige Stadt GUADIX” mehr zu bieten hat, als einen Bahnhof für Film-Nostalgiker oder Jäger von verlorenen Schätzen …
GUADIX – im Wandel der Zeiten
Die kleine Stadt vor den schneebedeckten Bergen der Sierra Nevada liegt im Landesinneren der Provinz Granada und hat ungefähr 20 000 Einwohner. GUADIX blickt tatsächlich auf eine mehr als bewegte Geschichte zurück: Sie gilt als eine der ältesten menschlichen Siedlungen Spaniens, d.h. hier ließen sich seit prähistorischen Zeiten Menschen nieder, was zahlreiche archäologische Funde bestätigen.
Und weil der Landstrich Guadix y el Marquesado an einem “natürlichen Durchlass” liegt, der die spanische Ostküste mit dem Guadalquivir-Tal verbindet, ließen sich auch die PHÖNIZIER hier nieder.
Sie nannten ihre Siedlung Acci.
*Die Phönizier werden auch als Karthager oder Punier bezeichnet. Als ausgezeichnete Seefahrer kolonisierten sie bereits ab dem 10. Jh. v. Chr. den Mittelmeerraum von Zypern über Sizilien bis Spanien.
(s. auch Cádiz – in der Hand der Phönizier.)
Um das Jahr 45 v. Chr. wurde GUADIX unter den RÖMERN zu einer wohlhabenden Militärkolonie.
Sie übernahmen den alten Namen, nannten den Ort Colonia Julia Gemella Acci.
Im 1. Jh. n. Chr. machte sich vermutlich Torquatus von Acci auf den Weg nach GUADIX. Er soll der erste Bischof von Acci gewesen sein. Man feiert hier sein Hochfest. Dass er mit 6 weiteren Bischöfen von den Aposteln Petrus und Paulus auf die Iberische Halbinsel geschickt worden wäre und in Cádiz an Land ging, geht auf eine Legende aus dem 8. Jh. zurück.
Unter den WESTGOTEN (418 bis 711 (bzw. 725) wurde GUADIX zu einer Münzstätte und einem wichtigen Zentrum des Christentums.
Bischöfe von hier spielten eine Rolle auf den Konzilien von Toledo ab dem Jahr 400.
Ihren heutigen Namen erhielt die Stadt jedoch erst nach der Besetzung durch die MAUREN, die im Jahr 711 in das christliche Reich der Westgoten eindrangen. (Guadix bedeutet auf arabisch: “Fluss des Lebens”).
Die Mauren beherrschten bis 1492 weite Teile der Iberischen Halbinsel. Unter ihrer Herrschaft blühte GUADIX abermals auf und wurde, wie auch die benachbarte (ca. 40 km entfernte) Stadt BAZA, zu einem Zentrum der Seidenherstellung* in Al-Andalus.
(*Maulbeerbäume sind bis zu 15 Meter hohe Bäume mit gräulichen Ästen, die Anfang Frühling zu blühen beginnen. Ihre Blätter dienen als Nahrung für Seidenraupen, aus deren Kokons Seide gewonnen wird.)
Guadix – Kathedrale
GUADIX ist auch für seine schönen Töpferwaren bekannt: Seit der Ankunft der Mauren in Granada erlebte die Keramik in ganz Spanien eine Blütezeit …
GUADIX – die Höhlenwohnungen
Der größte Schatz von GUADIX liegt hier wohl unter der Erde, nämlich im Süden der Altstadt – im Barrio de Santiago, dem Viertel der Kunsthandwerker: Es ist das Höhlenviertel.
Bis zu 10 000 Menschen sollen hier noch weit über 2000 Wohnhöhlen bewohnen, erkennbar an den zahlreichen, direkt aus der Erde zu kommen scheinenden weißen Kamine und Tuffkegel.
Die ersten, ab dem 8. Jh. n. Chr. künstlich angelegten troglodytischen Wohnräume gehen auf die Mauren zurück, die bei ihrer Ankunft den weichen Löss (Kalktuff) der umliegenden Hügel zu schätzen gewusst hatten.
Frostfreie Winter und trockene, relativ heiße Sommer begünstigen noch heute diese besondere Art des Wohnens.
Die Ausstattung der Höhlen ist teils ärmlich – teils aber recht komfortabel, wie man vor Ort hört.
(Besichtigungen sind möglich.)
Die Tuffkegel und Kamine der Höhlenwohnungen
GUADIX – und die Traditionen
Dass sich GUADIX noch heute zur maurischen Tradition hingezogen fühlt, beweisen nicht nur das Kunsthandwerk und/oder die Speisekarten in den Lokalen. Auch in einigen Straßen in der Altstadt (z.B. im Barrio de Santa Ana) ist der arabische Einfluss unübersehbar.
Aber auch das “christliche Mittelalter” hat hier Spuren hinterlassen: Eine davon spiegelt sich in der “berühmt-berüchtigten” FIESTA DE CASCAMORRAS wider.
Zur Vorgeschichte des dreitägigen Festes, das jedes Jahr Anfang September hier gefeiert wird:
Cascamorras, ein Bauer aus Guadix, entdeckte einst bei der Feldarbeit* die (vermutlich aus Holz geschnitzte) Abbildung einer weiblichen Figur, in der er die Virgen de la Piedad (Jungfrau der Barmherzigkeit) erkannte.
Auf dem Heimweg ins Dorf schnappte sich jedoch ein “von Neid entbrannter” Mann aus dem Ort Baza (das iberische Basti) die “heilige Figur” und nahm sie mit nach Hause.
Über den dreisten Diebstahl war es damals zu einem “handfesten Streit” zwischen den rivalisierenden Ortschaften gekommen – bei dem man sich zuletzt aber wieder versöhnte.
Um an dieses “rustikale” Ereignis aus dem Mittelalter zu erinnern, feiern die zwei Städte GUADIX und BAZA einmal im Jahr, vom 6. – 9. September, die Fiesta de Cascamorras.
*Immer wieder ist in alten Geschichten (auch in Frankreich) von derartigen “Madonnen-Figuren” zu lesen, die zufällig in einem Gebüsch, einem Baumloch oder beim Pflügen auf dem Feld entdeckt und ins Dorf gebracht gebracht wurden, wo sie jedoch über Nacht postwendend wieder an ihren Fundort zurückkehrten. Meist wurde dann an Ort und Stelle eine Kapelle für die Madonna errichtet.
Im Jahr 2013 wurde CASCAMORRAS zu einem Fest von internationalem touristischem Interesse in Spanien erklärt.
Und welches Spektakel wird in diesen 3 Tagen vor Ort aufgeführt?
Ein mittelalterlich bunt gekleideter Gaukler aus Guadix eilt am 6. September in den “verfeindeten” Ort Baza, um die heilige Statue zurückzuholen. Doch die Bewohner von Baza lassen dies nicht zu. Sie ergreifen ihn und “seifen” ihn gründlich ein. Mit leeren Händen, aber von Kopf bis Fuß mit Farbe und Dreck beschmiert, kehrt der arme Gaukler am 9. November zurück – wo ihn nun auch die enttäuschten Leute von Guadix kräftig “einseifen” – ja, sie “teeren und federn” ihn geradezu, denn bei diesem Spektakel ist an “Farbe” nahezu alles erlaubt – selbst Sägemehl, Eier, Wasser oder Schmieröl.! 🙂
Foto – Website Stadtrat Guadix
GUADIX – die maurische Festung Alcazaba
Die Alcazaba, die maurische Festung von GUADIX, liegt auf einem Hügel im Zentrum der Stadt. Von den Türmen hat man eine phantastische Sicht auf das Tal und die Berge der Sierra Nevada. Die Festung, die heute unter Denkmalschutz steht, wurde im 10. und 11. Jh. auf den Ruinen einer früheren maurischen Burg (aus dem 8. Jh.) errichtet, deren Grundmauern wiederum auf einer Burg aus der Römerzeit stammten.
Die gesamte Zitadelle mit den vielen Zinnen ist aus gestampfter Erde erbaut worden, daher die orangerote Farbe.
Im Jahr 1489, nach der Reconquista (der christlichen Rückeroberung) übergaben die Mauren die Stadt und die Alcazaba an die Katholischen Könige, wie man die spanischen Monarchen Isabella I. von Kastilien (1451-1504) und König Ferdinand II. von Aragon (1452-1516) bezeichnet.
Die Moschee wurde in eine christliche Kirche umgewandelt.
Doch mit dem blühenden Leben in der Stadt war es mit dem Abzug der Mauren vorbei. GUADIX verlor an Bedeutung.
Im 16. Jahrhundert wurden alle Wohngebäude innerhalb der Alcazaba zerstört.
Die Burg kann derzeit besichtigt werden.
Alcazeba Guadix, 11. Jh.
Auch die Stadt Baza besaß ein aus maurischer Zeit stammendes Castillo; dessen Ruinen 15 km nördlich von Baza liegen. Die Festung wurde durch ein Erdbeben weitgehend zerstört.
Weitere Ruinen der iberischen, später römischen und westgotischen Stadt Basti befinden sich knapp 8 km nordöstlich von Baza.
Guadix
GUADIX – Die Kathedrale de la Encarnación (der Menschwerdung)
Nach der christlichen Rückeroberung fiel im Jahr 1489 auch GUADIX wieder in christliche Hand. Zahlreiche Kirchen wurden errichtet. Der Bau der Kathedrale im Zentrum der Altstadt wurde im Jahr 1510 an der Stelle der ehemaligen Moschee begonnen – jedoch erst im Jahr 1796 beendet. Die lange Bauzeit führte zu einem Stilmix von Gotik über Renaissance bis zu Barock.
Im Inneren beherbergt das Gotteshaus bedeutende Kostbarkeiten, etwa die Sakristei, die ein Werk des Meisters Diego de Siloé ist, oder den großartigen Barockchor von Ruiz del Peral.
“Die göttliche Kindheit” Memento mori …
GUADIX – Die Pietà
Die Pietà von GUADIX, aus weißem Carrara-Marmor, ist eine originalgetreue Replik der Pietà von Michelangelo, die in Rom, im Vatikan, aufbewahrt wird.
Sie wurde mithilfe eines besonderen Abdruckverfahrens direkt vom Original abgenommen und reproduziert. Das Kunstwerk wurde erstmals im Jahr 1930 auf dem Bologna Art Salon der Öffentlichkeit vorgestellt und dort mit dem ersten Preis für die Sparte Skulptur ausgezeichnet.
Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936 – 1939) wurde es brutal zerstört und erst vor einigen Jahren von der Bildhauerin María Ángeles Lázaro Guil meisterhaft restauriert und wieder aufgebaut.
Pietà – Replik, Kathedrale Guadix
GUADIX – Die Hinterlassenschaften der Römer
Das letzte Wort hat die prachtvolle DAMA DE BAZA
Nachdem sich die Einwohner von GUADIX Jahr um Jahr mit den Leuten von BAZA eine “Schlammschlacht um eine Madonnenfigur” liefern, hat die Geschichte für BAZA im Jahr 1971 eine überraschende Wendung genommen: Archäologen haben hier eine wunderschöne Statue aus der alten Iberischen Kultur (4. Jh. v. Chr.) ausgegraben.
Die DAMA de BAZA muss eine sehr vornehme Dame gewesen sein, wie man sehen kann, reich gekleidet und mit Schmuck behängt.
Dama de Baza, Foto Ángel M. Felicísimo/Wikipedia
Die Dame von Baza (4. Jahrhundert v. Chr.):
Am 20. Juli 1971 wurde die berühmte “Dame von Baza” in einer unterirdischen Kammer entdeckt, während die Ausgrabungen der iberischen Nekropole am Hügel des Heiligtums von Baza (Granada) stattfanden. Diese beeindruckende Statue ist aus einem einzigen Kalksteinblock gefertigt worden und prunkt mit einem Gipsüberzug, bemalt in den Farben Rot, Blau, Weiß und Schwarz.
Die Dame dient als Cinerarium (als antike Urne), da im rechten Bereich eine Vertiefung vorhanden ist, die Aschereste einer Frau enthielt, was ihre Bestimmung als Graburne beweist.
(Quelle Wikipedia)
Heute befindet sich DIE DAMA VON BAZA im Museo Arqueológico Nacional de España in Madrid – zusammen mit der Dama de Elche, der Dama del Cerro de los Santos und anderen etwa zeitgleichen Skulpturen.
Im Archäologischen Museum von Baza (im alten Rathaus) kann man jedoch eine Nachbildung betrachten.
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