Sant Ferriol ist ein kleines Dorf in der Provinz Girona und der Autonomiegemeinschaft von Katalonien, Spanien. Ich hatte gelesen, dass es hier, auf einem der umliegenden Berge (sieben Kilometer bergauf in engen Serpentinen!), nicht nur eine verwunschene alte Einsiedelei, sondern auch einen alten römischen Kultplatz geben soll. (Das Santuario de Sant Ferriol wurde später zu einem der Schauplätze in meinem Roman Salamandra.)
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Der Heilige Ferriol
In der kleinen Wallfahrtskirche wird der Heilige Ferriol verehrt, der mit seinem Schwert und seiner Bekleidung einen römisch-martialischen Eindruck macht – und die Spenden seiner Besucher auch gleich selbst einsammelt. Bei diesem Heiligen handelt es sich um Ferreolus von Uzès(520 – 581 n. Chr.). Ferreolus war von 553 bis 581 Bischof von Uzèz*.Als Bischof gründete er das Kloster Ferréolac und unternahm den Versuch, die Juden seiner Diözese zum Christentum zu bekehren. Das gute Verhältnis, das er zu den Juden Septimaniens** pflegte, führte jedoch zu seiner zwischenzeitlichen Absetzung durch Childebert I.*** Nach seiner Rückkehr ins Bischofsamt setzte Ferriol seine Bemühungen um die Christianisierung der Juden fort. Widerspenstige verwies er jedoch der Stadt. Die Eltern des Heiligen stammten übrigens aus dem Umkreis der Merowinger, seine Mutter soll eine Tochter des Frankenkönigs Chlotar I. gewesen sein. Seine Schwester Tarsitia wird ebenfalls als Heilige verehrt.
*Uzès liegt ungefähr 40 km von Avignon entfernt (wo die Römerspuren noch allgegenwärtig sind). ** Septimanien war das einzige Gebiet in Gallien, das der fränkischen Eroberung nach der Schlacht bei Vouillé (507) standhielt. *** Childebert I. war der viertälteste Sohn des merowingischen Frankenkönigs Chlodwig I., der dritte aus dessen Ehe mit Chrodechild. Bei der Reichsteilung von 511 erhielt er das Teilreich mit dem Königssitz Paris und regierte bis zu seinem Tod. (Quelle Wiki)
Die Suche nach dem ehemaligen Kultplatz der Römer
war leichter als befürchtet, denn der Platz, an dem einst ein Tempel des obersten römischen Gottes Jupiter stand, befand sich an der höchsten Stelle des Berges. Jupiter (deutsch seltener Jovis) ist der Name der obersten Gottheit der römischen Religion, der mit seinen Blitzen entweder strafte oder aber (der Feuerwagen des Phaeton) die Welt vor Unheil bewahrte. Jupiter entspricht dem griechischen „Himmelsvater“ Zeus.
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Die versteckte Einsiedelei Sant Ferriol wurde bei meinem Besuch im Jahr 2014 von einer netten jungen Familie bewohnt und bewacht, nebst einigen schwarzen Eseln. Im Sommer ein Paradies, im Winter – oder bei schlechtem Wetter – schwer erreichbar, aufgrund der extrem steilen und unbefestigten Straße.
Abschließend noch eine Aufnahme von der herrlichen Umgebung, in der sich das hochgelegene Heiligtum befindet …
ZARAGOZA/ SARAGOSSA (665 000 Einwohner) ist die Hauptstadt der spanischen autonomen Gemeinschaft Aragonien sowie der Provinz Saragossa. Die Stadt liegt am Mittellauf des Ebro in rund 200 m Höhe. Sie wurde zwischen 24 und 12 v. Chr. von den Römern unter dem Namen Colonia Caesaraugusta gegründet. Aus dieser Bezeichnung entstand der heutige Name: Zaragoza oder Saragossa. Ab dem 8. Jh. zählte Zaragoza zum Kalifat von Cordoba; Anfang des 12. Jh. war sie für einige Jahre von den Almoraviden* besetzt, bis sie ab 1118 wieder zum christlichen Königreich Aragón gehörte.
Die Aljafería (Teil II.) ist der Stadtpalast von Zaragoza. Er hat einen grob quadratischen Grundriss und ist von Wehrmauern und einem Graben umgeben. Die ältesten Teile stammen aus der Zeit der maurischen Herrschaft (vor allem nach 1065); im Laufe der Jahrhunderte wurden mehrfach Teile hinzugefügt und verändert. Die letzten größeren Umbauten erfolgten im 19. Jahrhundert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden umfangreiche Freilegungen und Rekonstruktionen durchgeführt. Der herrliche Palast beherbergt heute ein Museum, einen in ehemaligen Kasernen untergebrachten Verwaltungstrakt sowie das aragonesische Regionalparlament.
* Die Almoraviden waren eine Berberdynastie in der Zeit von 1046 bis 1147, sie herrschten in Mauretanien, Westsahara, Marokko, Algerien, Portugal und Spanien (“Al-Andalus”)
Zaragoza – Hinterlassenschaften aus der Römerzeit
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Zaragoza – die Basílica del Pilar
Die Basílica del Pilar ist die größte Barockkirche Spaniens und zugleich die Kathedrale des Erzbistums Zaragoza. Hier wird die Jungfrau Maria auf einer silbernen Säule/ Pilar verehrt, wie sie angeblich dem Apostel Jakobus dem Älteren am 2. Januar des Jahres 40 n. Chr. erschien. Pilar ist zugleich die Schutzheilige des Nationalfeiertags in Spanien, der am 12. Oktober stattfindet. Um die kleine Säule herum ist die erste Kirche erbaut worden; sie diente quasi dem Schutz der Säule. Zahlreiche andere Kirchen folgten nach. Nach der Reconquista wurde unter König Alfons I. im Jahr 1118 eine romanische Kirche errichtet, die jedoch dreihundert Jahre später abbrannte. Danach wurde sie im gotischen Stil mit Mudéjar-Elementen* wieder aufgebaut. Der heutige rechteckige Barockbau mit seinen vier Türmen entstand von 1681 bis 1754. Bereits auf dem Fußweg vom Hotel zur Basílica vernahm man lautstark die frommen Pilgergesänge: “Santa Maria …” ertönte es selbst in der Fußgängerzone. Unter den Pilgern befanden sich auffallend viele Männer mit Pilgerstäben in den Händen, Blumen und Schildern. Weil der Andrang der Gläubigen im Gotteshaus selbst gewaltig war – nahezu rund um die Uhr wird in der Basílica die Heilige Messe gefeiert – , und auch nicht geblitzt werden durfte, habe ich nur wenige Bilder vom Inneren der Kirche machen können. Die hochverehrtePilar abzulichten, war nahezu unmöglich. Aber ich konnte wenigstens, auf Zehenspitzen stehend, einen Blick auf sie werfen: Sie befand sich seitlich vom Altar, in der Nähe des Priesters, war winzig klein und in ein langes, goldbesticktes Gewand gehüllt, das auch die silberne Säule verhüllte.
Der Maler Francisco de Goya wurde am 30. März 1746 unweit von Zaragoza geboren. In dieser Stadt erhielt er seinen ersten bedeutenden Auftrag, eine Freskomalerei in der Basilíca El Pilar, der ihm in der Folge weitere Aufträge brachte. Ein Museum in Zaragoza zeigt etliche seiner Werke, ein Hotel ist nach ihm benannt, auf dem Vorplatz der Basilíca, rings um das große Wasserbecken, stehen oder sitzen einige seiner Bronze-Skulpturen, und dort stößt man auch auf das Denkmal, das die Stadt ihm errichtet hat.
Zaragoza – die herrliche Magdalenenkirche
Wer sich nach Zaragoza aufmacht, sollte es nicht versäumen, einen Blick auf die herrliche Magdalenenkirche zu werfen, selbst wenn, wie bei meinem Besuch, die Türen verschlossen sein sollten. Bei diesem Bauwerk kommt der oben schon erwähnte maurische “Mudejar-Stil” voll zur Geltung!
Mit einigen weiteren Aufnahmen aus der kunstliebenden alten Stadt Zaragoza und vom zweitlängsten Fluss Spaniens, dem Ebro, schließe ich den 1. Teil meines Artikels über Zaragoza. Im zweiten Teil stelle ich Ihnen die Aljafería vor, den prachtvollen Stadtpalast von Zaragoza aus der Maurenzeit – Schauplatz meines Historischen Romans “Sancha – Das Tor der Myrrhe”.
Léon liegt in Spanien, in der Autonomen Gemeinschaft Kastilien und Léon, am Rio Bemesga. Die Stadt hat ungefähr 120 000 Einwohner. Gegründet wurde sie im Jahr 68 n. Chr. von den Römern unter Kaiser Galba. Ihr Name Legio (Legio/León) existiert noch heute im Namen der Stadt, wo die Römer bis weit ins 3. Jahrhundert hinein ihr wichtigstes Standlager und eine große Thermenanlage betrieben.Dieses Lager, das sich in der heutigen Altadt befand, maß 570 x 350 m (Innenfläche ca. 20 ha), vergleichbar mit dem Legionslager von Straßburg). Es war während der frühen Kaiserzeit mit einer 1,80 m starken Mauer umgeben. Vor die antike Mauer, die noch heute in Teilen nachzuweisen ist, wurde später eine neue, 7 m breite Mauer gesetzt. (Unter der Kathedrale von Léon wurden im Jahr 1884 alte Mauerreste und ein Mosaik mit Fisch- und Algendarstellungen entdeckt. Vier Jahre später fand man unter den Treppen am Hauptportal der Kathedrale die Reste dreier Hypokaustanlagen (römische Heißluftheizungen, die zuerst in Thermen, später auch in römischen Häusern eingebaut wurden).
Nach dem Ende des Römischen Reiches wurde Léon durch die Westgoten (Leovigild) erorbert, später, im Jahr 712, dann durch die Mauren. Im 9. Jahrhundert erfolgte die Rückeroberung und Wiederbesiedlung der Stadt. König Ordono II. machte sie im Jahr 914 zur Hauptstadt seines gleichnamigen Königreichs; Alfons V., der Edle, der hier im Jahr 999 gekrönt wurde, erließ verschiedene Dekrete, wofür er den Beinamen “der mit den guten Rechten” erhielt. Er setzte die Besiedlung fort und machte Léon für mehr als 200 Jahre zur wichtigsten christlichen Stadt auf der Iberischen Halbinsel. Die Königin Urraca (1080-1126) war die erste aus eigenem Geburtsrecht heraus herrschende Königin des mittelalterlichen Europas.
Im Mittelalter dann war Léon eine wichtige Station auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela und gelangte durch den Viehhandel zu Wohlstand. Die gesamte Altstadt ist noch heute von mächtigen Mauern umgeben, die seit der Antike zur Verteidigung dienten und im 10. Jh., nach der Plünderung des Wesirs Al-Mansur (Kalifat von Córdoba) noch einmal verstärkt wurden.
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Léon – auf dem Weg zur Kathedrale
Die Kathedrale von Léon – ein Meer aus Licht und Farben
Die Baumeister der Kathedrale von Léon (Santa Maria de Regla) schufen hier ein Meisterwerk der Spanischen Gotik. Man orientierte sich an der Kathedrale von Reims (Einflüsse aber wohl auch aus der Pariser und Chartreser-Schule.) Der Bau aus goldfarbenem Sandstein steht auf der Stelle des ehemaligen Palastes aus dem 10. Jahrhundert. Er wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts begonnen und knapp hundert Jahre später vollendet. Das hohe, schmale Schiff (90 Meter Länge, 40 Meter Breite) ist mit riesigen Buntglasfenstern ausgestattet. Der Bau selbst hat den Grundriss eines lateinischen Kreuzes. Glanzpunkte sind die Fensterrosen und die 125 großen und 57 kleineren runden Fenster (Fabelwesen, Pflanzen- und biblische Motive, Pilgerszenen). Die großen Fenster jagten den Leuten aus Léon Angst ein; sie befürchteten die Kathedrale würde irgendwann einstürzen. Kardinal Angelo Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., drückte es so aus: “Dieses Gebäude besitzt mehr Glas als Stein, mehr Licht als Glas und mehr Glauben als Licht.”
Die Kathedrale von Léon – die Meisterwerke aus dem Mittelalter
Die Kathedrale von Léon – Altar und Figuren
Léon – das Chorgestühl (eines der ältesten Spaniens, 15. Jh.)
Léon – Die schlossartige Casa de Botines, erbaut von Antoni Gaudi
Lèon – Stadtbummel zurück zum Auto
Am Rande: Zur Kathedrale gehört auch ein Museum, das Museo Catedralicio de León, in dem an die 1500 Kunstwerke von prähistorischen Zeiten bis zum 18. Jahrhundert ausgestellt sind. Die Sammlung beinhaltet unter anderem Gemälde und Skulpturen der Jungfrau Maria sowie einige historisch wertvolle Manuskripte.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Magische Orte in der Umgebung – optimal für einen Tagesausflug mit dem Auto: (z.B. Römerspuren, die älteste Kirche Spaniens, und Kirchen aus der Zeit der Westgoten, Templer usw.)
“Die Kathedrale von Chartres – wo das Suchen zur Sucht wird” – so beschreibt der Autor Louis Charpentier (1905-1979) diesen besonderen Anziehungspunkt, neunzig Kilometer südwestlich von Paris. Charpentier war ein Suchender, hat sich zeitlebens mit den Rätseln der Vergangenheit und mit verloren gegangenem Wissen beschäftigt. Fragen gestellt. Die Kathedrale von Chartres ist unbestritten eine der geheimnisvollsten Kathedralen Frankreichs – und damit eine Herausforderung für Generationen. Mit ihrer Architektur, den leuchtenden Glasfenstern und den unvergleichbaren Gewändeskulpturen erinnert sie mich an einen nie enden wollenden Roman, der jedoch so spannend ist, dass man mit dem Lesen sowieso nicht aufhören kann. In jedem Kapitel, auf jeder Seite, die man aufschlägt, entdeckt man etwas Neues, das man bewundern, erforschen oder analysieren kann. So ist Chartres. Ich selbst war dreimal vor Ort, stehe aber, das gebe ich gerne zu, noch immer am Anfang meiner Entdeckungen. Neugierig darauf, wie frühere Menschen diese Kathedrale gesehen und beschrieben haben, stieß ich, neben Charpentier, auf den Bildhauer Auguste Rodin, der sie die “Akropolis Frankreichs” nannte, auf den Autor Joris-Karl Huysmans (1848-1907), der einen Roman über sie schrieb, und nicht zuletzt auf den Pariser Maler Jean-Baptist Camille Corot (1796-1875), der sie im Jahr 1830 wie nachstehend gemalt hat:
Chartres hat knapp 40 000 Einwohner und liegt auf einer weiten Ebene an einem Nebenfluss der Seine, der Eure. Die Kathedrale, Bischofssitz des Bistums Chartres, dominiert die Stadt. Das Bauwerk ist über 130 Meter lang und 64 Meter breit. Im Jahr 876 gewann der Ort an Bedeutung, als Karl der Kahle hier eine kleine Kirche weihte und ihr eine ganz besondere Reliquie übergab: Eine als “Sancta Camisia” bezeichnete Tunika, ein Hemd, das angeblich der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria überreichte, als er ihr die Geburt Jesu ankündigte. Diese heilige Reliquie sollte fortan wie ein Magnet die Pilgerscharen anziehen …
Die zwei hohen, ungleichen Türme der Kathedrale von Chartres prägen gewissermaßen die nordfranzösische Landschaft.Gleich, von welcher Straße aus man sich der Stadt nähert, springen sie einem ins Auge.Der gotische Neubau begann um 1194 und dauerte bis 1260. Die Kathedrale, die wir heute sehen, ist eine der wenigen nahezu unverfälschten Bauwerke dieser Epoche, denn sie überstand fast unzerstört den Bildersturm der Hugenotten und die Verwüstungen durch die Französische Revolution. Auch das macht sie einzigartig. Im Jahr 1908 wurde die Kathedrale Notre-Dame de Chartres zur Basilica minor erhoben und im Jahr 1979 in das Register des Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.
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Chartres – ein vorchristlicher Kultplatz
Es war keine Zufallsentscheidung, weshalb man gerade hier, auf einem Erdhügel, mitten im fruchtbaren Flachland, ein solches Bauwerk errichtet hat: Es handelte sich um einen uralten, vorchristlichen Kultplatz mit einer “wundertätigen” Quelle– ein großes Druidenheiligtum, das selbst in Caesars Bericht über den Gallischen Krieg (De bello gallico) Eingang fand.
Sogar jenseits des Rheins sollen die Kelten “von überall her” nach Chartres gepilgert sein, nachdem es sich herumsprochen hatte, dass die Druiden hier auch eine wundertätige “Virgo paritura” verehrten (eine junge Frau, die noch gebären wird), also vermutlich eine lokale Fruchtbarkeitsgöttin. Leider existiert diese Figur nicht mehr, man hat sie Ende des 18. Jahrhunderts aus der Krypta entfernt und vor dem Westportal der Kathedrale verbrannt. Doch vielleicht sah sie der “Schwarzen Madonna von Dijon” ähnlich, eine der wenigen heute noch existierenden Madonnendarstellungen, die im Zustand der Schwangerschaft gezeigt werden. Foto links: Schwarze Madonna von Dijon (virgo paritura), Website HLK.
Chartres – die christliche Baugeschichte
Ein erster christlicher Bau (heute Kathedrale des Aventius genannt), wurde Mitte des 4. Jahrhunderts zu Füßen der gallo-römischen Ringmauer errichtet. Um das Jahr 750 wurde dieser Bau von den Westgoten niedergebrannt. Einen Nachfolgebau zerstörten die Wikinger. Bischof Giselbert ließ ihn im 9. Jh. wieder aufbauen und erweitern. Auf den berühmten Abt und späteren Bischof von Chartres, Fulbert, geht der Bau der 4. Kathedrale (nun Romanisch) zurück, inklusive der neu geschaffenen Krypta. Bei einem Brand im Jahr 1134, wurde die Westfassade zerstört.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Juni 1194 zerstörte ein weiterer verheerender Brand die halbe Stadt, den Bischofspalast und auch große Teile der Kirche. Doch erneut verschonten die Flammen das seit dem 9. Jh. hier verwahrte Gewand der Muttergottes – eine der kostbarsten Marienreliquien. Der “Schleier Mariens” geht auf eine Schenkung der Kaiserin Irene von Konstantinopel zurück, die die Reliquie im Jahr 800 Karl dem Großen überreichte. Dessen Enkel, Karl der Kahle, stiftete sie dann im Jahr 876 der Kathedrale von Chartres. Heute existiert nur noch ein Stoffrest in der Größe von 30×30 cm.
Die Abbildung der “Sancta Camisia” auf der Kanzel (Foto oben) soll an die wundersame Rettung aus der Feuersbrunst erinnern – und vielleicht auch ein bisschen daran, dass das Hemd, aufgestellt auf der Stadtmauer, einst den Normannenherzog Rollo in die Flucht schlug. Im Bereich zwischen nördlichem Querschiff und Chor befindet sich, hoch oben auf einer Säule eine weitere Madonnen-Statue aus dem 16. Jahrhundert: Notre Dame du Pilier; sie wurde 2013 restauriert.
Chartres – die “Schule von Chartres”
Von einer “Schule von Chartres” ist eigentlich erst seit dem 19. Jahrhundert die Rede. Hier ist zum einen die Domschule gemeint, die bereits auf das frühe 6. Jahrhundert zurückgeht. Der berühmte Fulbert von Chartres (+1028, s. Glasfenster unten) war in seiner Eigenschaft als Kanzler des Bischofs bzw. des Domkapitels zugleich Leiter der Domschule. Er sorgte für den Nachschub fähiger Theologen, stattete die umfangreiche Bibliothek mit bedeutenden Werken aus und wird daher oft als “Gründer” der Schule von Chartres bezeichnet. Im Jahr 1006 wurde Fulbert selbst Bischof von Chartres. Fulbert galt als angesehener, aber konservativer Theologe, der seinen Schülern riet, sich an die Schriften der Väter zu halten. Ihre Blütezeit erreichte die “Schule von Chartres” im 12. Jahrhundert, einer Zeit, in der es in Europa kaum Universitäten gab und jeglicher Unterricht in den Domschulen und Klöstern stattfand. Der Ruf von Chartres sprach sich schnell herum. Aus ganz Europa strömten junge Männer hierher, um Theologie zu studieren. Chartres entwickelte sich fast zwei Jahrhunderte lang als das philosophische, wissenschaftliche und künstlerische Zentrum Frankreichs, wobei man der Philosophie Platons und dessen Konzept einer Weltseele als kosmologisches Prinzip folgte. Erst als in Paris die Sorbonne gegründet wurde, wo man den Lehren des Aristoteles folgte, verlor Chartres seine Vorrangstellung. (Foto rechts, HLK 2012)
Chartres – Die Fenster
Glücklicherweise haben auch die herrlichen Fenster die Jahrhunderte überlebt.Sie wurden in der Zeit von 1215 – 1240 geschaffen.Heute besitzt Chartres den wohl größten Bestand an erhaltenen Originalfenstern unter allen Kathedralen. Viele zeigen das berühmte Chartres-Blau. Das Geheimnis der Herstellung dieser Farbe ist von den Glasmachern mit ins Grab genommen worden. Nach neueren Untersuchungen beruht die Färbung auf Kobalt, das aus dem sächsischen Erzgebirge stammt.
Chartres – die Krypta
Weitgehend vom Brand verschont geblieben ist auch die Romanische Krypta der Kathedrale, der heilende Kräfte nachgesagt wird. Keine andere Krypta wurde durch die Jahrhunderte von so vielen KönigInnen besucht wie die von Chartres. Sie ist jedoch keine Grablege, kein Ort des Todes*, sondern ein Ort des Lebens. Schließlich fand dort unten eine Art“Geburt” statt, denn hier wurde der Wechsel von der heidnischen Virgo paritura zur Virgo qui paeperit vollzogen – also der Jungfrau mit Kind: Notre-Dame-Sous-Terre (Foto rechts unten). Bei der heutigen Madonna handelt es sich um die Kopie einer ersten Ersatzfigur, die man 1857 aus Birnbaumholz geschnitzt und braun eingefärbt hat.In der Krypta, eine der längsten in Europa, sind auch noch alte Fresken erhalten (u.a. auch ein Hinweis auf den Ausbruch der Cholera im Jahr 1832, s. unten)
*Off-topic: Nicht zur Kathedrale, aber zur gallorömischen Geschichte von Chartres gehörend: Im Jahr 2016 machten Archäologen bei Ausgrabungen im Kirchenschiff von Saint-Martin-au-Val in Chartres eine sensationelle Entdeckung.Unter dem Gebäude aus dem 11. Jahrhundert, das auf den Ruinen eines riesigen gallorömischen Heiligtums errichtet wurde, fand man einen winzigen, noch perfekt versiegelten Sarkophag aus weißem Kalkstein, in dem ein Merowinger-Baby lag. (aus Le Point, Sciences, 21.4.2016)
Chartres – und die Pilger
Die Pilger im christlichen Zeitalter nächtigten für gewöhnlich in der Herberge eines nahegelegenen Benediktinerklosters, wo auch die Kranken versorgt und gepflegt wurden. Unter Bischof Fulbert diente aber auch die Krypta selbst als Lazarett. Mit ihren fast dreißig Jochen (Gewölbeabschnitten) war sie dafür bestens geeignet. Eigentliches Ziel der Pilgerreise war natürlich die Anbetung der Heiligen Jungfrau – wobei wohl jahrhundertelang beide Figuren verehrt wurden, die Schwarze Druidenmadonna und die (erste) Romanische aus dem Hochmittelalter. (Für das einfache Volk standen sie ja nicht in Konkurrenz zueinander.) Nachdem die Pilger also ihre Gebete verrichtet hatten, ließen sie sich mit dem Wasser aus dem Heiligen Brunnen besprengen oder tranken davon. Die einen gingen daraufhin nach oben, um sich auf den Weg durchs Labyrinth zu machen (auf Knien!), andere blieben tage- und wochenlang in der Krypta, um Heilung zu finden. Zum Brunnen: Er wurde im 17. Jh. zugeschüttet, erst zu Beginn des 20. Jh. entdeckte man ihn wieder, wobei man herausfand, dass er rechteckige Fundamente besaß, also gallorömischen Ursprungs war. Heute, neu aufgemauert, reicht er 33 Meter in die Tiefe bis zum Fluss Eure, ist jedoch versiegt.
Übrigens: Ohne Führung durch diese schummrige Krypta würde man wohl schnell die Orientierung verlieren!
Chartres – und das Labyrinth
Beim Labyrinth von Chartres, entstanden nach 1200, handelt es sich um ein sog. “klassisches” Labyrinth, weil sich, nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1640, in der Mitte eine Darstellung des Kampfes von Theuseus mit dem Minotauros befand. Die heidnische Symbolik hat man umgedeutet: Aus Theseus wurde Jesus, der das Böse, also den Minotaurus überwindet. Das aus grauen und schwarzen Steinplatten gefertigte Labyrinth misst über 12 Meter im Durchmesser und ist ein insgesamt 261,50 Meter langer Weg, der sich durch 11 konzentrische Kreise und 34 Kehren auf das Zentrum hinbewegt.Es handelt sich also um einen einzigen, vielfach verschlungenen Pfad, der auf möglichst langer Strecke zum Mittelpunkt führt, und auf dem man sich nicht verlaufen kann, auch wenn dies mitunter den Anschein hat. Leider kann man das Labyrinth in seiner vollen Schönheit nur Freitags bewundern, wenn die Stühle beiseite geräumt werden. Weil ich es nie schaffte, an einem solchen Tag vor Ort zu sein, hat mir mein inzwischen verstorbener Mann eine kleine Nachbildung für die Hauswand im Garten angefertigt, die mich noch heute freut. Das echte Ablaufen eines Labyrinths habe ich dann später in Schweden nachgeholt, als ich überraschend am Waldrand auf ein solches stieß. (s. meine Fotos oben und unten).
Chartres – und der Ostertanz
Rundtänze haben ihre Wurzeln in der vorchristlichen Zeit: David tanzte vor der Bundeslade, Druidinnen bekamen ihre prophetischen Eingaben während des Tanzes, usw. Auch die Labyrinthe in den christlichen Kathedralen, so unterschiedlich sie sein mögen, sind keine Irrgärten, sondern Tanzplätze für besondere Rituale. So tanzte man in Chartres im Mittelalter, am Ostersonntag, den Ostertanz, wobei der jeweilige Bischof den Tanz durchs Labyrinth anführte. Die Schrittfolge war vorgegeben. Unter den Klängen des Osterhymnus warfen sich Bischof und die Kleriker, die ihm, teils gegenläufig, durchs Labyrinth folgten, wechselseitig einen goldenen Ball zu. Dieser Ball stellte die Ostersonne dar, das aufgegangene Licht. (Siehe auch: Mirepoix undEunate.)
In meinem Thriller “Talmi”, in dem es u.a. um die Cagoten geht, habe ich ebenfalls die alten Ritualtänze thematisiert: »Sowohl die Steine als auch der Tanz durchs Labyrinth selbst«, fuhr Sabot fort, »waren vermutlich ein Lehrmittel, um entweder zur höheren Erkenntnis zu gelangen oder um ein bestimmtes Wissen zu erfahren – darunter fiel möglicherweise auch die Kunst des Kathedralbaus …”
Chartres – und die Gewändefiguren
Die Kathedrale von Chartres verfügt über neun Portale mit über 1.500 Skulpturen – darunter Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, Apostel, KönigInnen, Heilige und Propheten inbegriffen. Leider kann ich hier nur eine kleine Auswahl der für mich schönsten Kunstwerke zeigen, wobei mich vor allem die ausdrucksstarken Gesichter, die Faltenkaskaden der Gewänder aber auch die prachtvollen Zöpfe der Damen begeistert haben.
Das letzte Foto ist eines der rätselhaftesten, das ich 2012 in Chartres gemacht habe. Noch immer suche ich nach einer Erkärung. Wer steckt hinter diesen gekrönten Häuptern? Der Mann weist indische Züge auf, trägt aber das französische Lilienzepter. Sonderbar finde ich auch die Haltung seiner Hand. Handelt es sich um einen christlichen Segensgruß? Oder doch, woran ich spontan dachte, um eine Mudra-Geste aus dem Buddhismus, die auf einen Lehrer hindeutet? Fest steht: Überall in der Kathedrale finden sich auch Hinweise auf andere Kulturen und Religionen. Das Weltbild der “Schule von Chartres”, wo man auch eifrig die nichtchristlichen Schriften der Antike studierte, hatte viele Facetten. Lassen Sie mich mit Bernhardt von Chartres schließen, der ein Gelehrter und Magister an der hiesigen Domschule war, geprägt vom Platonismus seiner Zeit:
“Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen sitzend, um mehr und weiter als sie sehen zu können.”
Bernhardt von Chartres (+ nach 1124); mit den “Riesen” spielte er auf die Gelehrten aus der Antike an.
Das alte OppidumEnsérune – seine Geschichte und die Geschichte seiner Wiederentdeckung
Inmitten einer brettflachen Umgebung liegt auf einem langgestreckten und mit Zypressen reich bestückten Hügel das ehemalige Oppidum Ensérune – das im Altertum einige Bedeutung besaß. Heute ist der Ort, westlich von Béziers gelegen – eine Art Freilandmuseum – eine historische Sehenswürdigkeit, denn Ensérune gilt als typisches Beispiel für die in der Eisenzeit begehrten Siedlungsstätten. Von hier oben, auf 120 Meter Höhe, hatten die Kelten, die Ensérune ursprünglich besiedelten, einen ausgezeichneten Panoramablick über das umliegende Land. Ensérune beherrschte die Landenge zwischen dem Etang de Vendres und dem Etang von Capestang, lag also an einer wichtigen Verkehrsachse, auf der schon in grauer Zeit zahlreiche Völkerwanderungen stattfanden. So zogen hier auch die Volksstämme der sog. “Urnenfelderkulturen” vorüber. Später die Iberer und Kelten.
Kleiner Rundgang durch die Archäologische Stätte
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Herkules, Hannibal – und dann die Römer
Der Legende nach soll die ursprüngliche Straße, die an Ensérune vorbeiführt, der antike Weg gewesen sein, den Herkules bei seiner 10. Arbeit benutzte, als er das Vieh von Geryon aus Erytheia (Cadiz, Spanien) holte und zurück nach Mykene (Peloponnes, Griechenland) brachte.
Während des Zweiten Punischen Krieges*, um das Jahr 218 v. Chr., marschierte hier Hannibal vorüber, auf dem Weg über die Pyrenäen nach Italien. In seiner Begleitung fünfzigtausend Soldaten, neuntausend Reiter und siebenunddreißig Schlachtelefanten.
* Der Zweite Punische Krieg wurde von 218 v. Chr. bis 202 v. Chr. zwischen den Römern und den Karthagern (lateinisch Punier) ausgetragen.
Die “Via Domitia” – die erste Römerstraße in Gallien
Hundert Jahre nach Hannibal erschien der römische Prokonsul Domitius Ahenobarbus auf der Bildfläche, der Narbonne gründete. Domitius baute die vorhandene alte Straße aus, die später seinen Namen erhielt: “Via Domitia”. Danach war hier der Teufel los: Ob Eroberer, Händler oder Menschen auf der Flucht, alle nutzten diese Straße: Westgoten, Sarazenen, Franken und etappenweise auch Santiago-Pilger. (Karte rechts: Wikipedia)
Irgendwann wurde Ensérune aufgegeben. Vermutlich nach und nach. Der Grund dafür ist nicht bekannt. Um das Jahr 1248, also im Hochmittelalter, wurde schließlich auch der riesige Teich aufgegeben, der unterhalb des Hügels inmitten von Feldern und Weingärten lag. Das Areal, das heute ausschaut wie ein überdimensionaler Strahlenstern, senkt sich auffällig zur Mitte ab, was an den Abzugsgräben liegt, deren Wasser ein unterirdischer Kanal zum einstigen Etang von Capestang leitet. (Foto unten)
Ensérune – die Wiederentdeckung der verschwundenen Stadt im Jahr 1915
Dass Ensérune – ein Hügel mit nur 750 Meter Länge und 150 Meter Breite – eine alte Geschichte hat und ein “Vorposten Galliens” war, beweist auch der Reichtum der vielen ausgegrabenen Funde: Grabbeigaben aus der Eisenzeit, Eisenschwerter und andere Waffen, attische Vasen, römische Amphoren, medizinische Instrumente, Bronzestatuetten und -schmuck, Münzen … Gegraben wurde hier ab dem Jahr 1915, und zwar auf Veranlassung des damaligen Grundeigentümers, der eigentlich nach seltenen Pflanzen suchte – und plötzlich im Dickicht eine unter den Sedimenten verborgene Stadt entdeckte,die in ihrer Blütezeit acht- bis zehntausend Einwohner beherbergte. (Foto links unten, das kleine Museum)
Ensérune und seine Vorratshaltung
Die ersten Menschen, die auf Ensérune siedelten, hausten wohl verstreut in einfachen Hütten. Erst in der zweiten Besiedlungszeit, die bis 220 v. Chr. dauerte, entstand eine richtige Siedlung mit engen Gassen und schlichten Steinhäusern – darunter aber auch Bauten nach griechisch-römischem Vorbild mit Säulengalerien. Ringsum zog sich ein Zyklopenmauerwerk. An den Hängen hat man Terrassengärten angelegt. Doch je mehr Menschen sich hier niederließen, umso wichtiger wurde die Bevorratung. Auf dem markierten Rundweg durch die archäologische Stätte kann man noch die alten Silos für das Getreide sehen, zur Hälfte in den Boden eingegraben. Aufgrund der problematischen Wasserversorgung auf dem Hügel hatte man ein ganzes System an Zisternen angelegt. Über 40 Regenspeicher wurden bislang entdeckt, der größte 5 Meter tief.
Der Kanal-Tunnel von Malpas
Für den Fall, dass es auch Sie irgendwann nach Ensèrune verschlägt:
Grüßen Sie bitte den netten Esel von mir 🙂 – und besuchen Sie auch den in der Nähe gelegenen Kanaltunnel von Malpas am Canal-du-Midi! Der Tunnel – eine der Meisterleistungen von Riquet* – führt unter dem Hügel von Ensérune hindurch. Er gilt als der erste gebaute Kanaltunnel weltweit.
* Pierre-Paul Riquet (1609-1680) war der Erbauer des 240 km langen Canal-du-Midi, der die Stadt Toulouse mit dem Mittelmeer verbindet.
“Wie im Einschnitt einer unreifen Frucht lag das langgezogene, etwas düstere Rennes-les-Bains unter ihnen, als sie nach einer guten Stunde Fahrt dort ankamen …”
(Aus “Talmi” v. H. L. Köppel, S. 307 ff)
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Romanschauplatz Rennes-les-Bains
Rennes-les-Bains liegt im Aude-Gebiet, im Tal des Flusses Sals, 48 km südlich von Carcassonne und 20 km von Limoux entfernt. Der malerische Ort, keltisch-römischen Ursprungs, lag im Mittelalter im Herzen des Katharerlandes. Er ist berühmt geworden als “Badeort der Römer”*, aber auch als “Schwesterstadt” des 3 km entfernten Bergnestes Rennes-le-Château – und nicht zuletzt aufgrund des rätselhaften Buches seines früheren Pfarrers Henri Boudet (1837-1915): “Die wahre Sprache der Kelten und der Kromleck von Rennes-les-Bains”. Ein Buch, das nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1886 von der Fachwelt als “unseriöse und urkomische Schrift” bezeichnet wurde. Zwischen den Zeilen jedoch blitzt das “Geheimnis einer lokalen Geschichte” auf. Ich selbst kenneRennes-les-Bains seit mehr als zwanzig Jahren. Der Ort ist zum Schauplatz in meinem Historischen Roman “Marie – die Erbin des Grals”** geworden und fand auch Eingang in meinen Thriller “Talmi”.
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* Im Jahr 121 v. Chr. besetzten die Römer dieses Gebiet, das den Namen “Gallia Togata” oder “Gallia Narbonnensis” erhielt. ** Die Geschichte der Marie Denarnaud, Haushälterin und Geliebte des benachbarten Priesters von Rennes-le-Château; Einfluss von Boudet auf Saunière etc.
Rennes-les-Bains und die Region “Rhedesium”
Die Region des sogenannten “Rhedesiums” (später Razès genannt) ist sehr alt: Iberer, Kelten, Griechen, Römer, Westgoten und Karolinger haben hier ihre Spuren hinterlassen. Der Name “Rennes” wurde sowohl von Rennes-le-Château als auch von Rennes-les-Bains übernommen, um an den Aufenthalt einer Königin (fr: reine) zu erinnern. Um welche es sich gehandelt hat, weiß man nicht mehr: Zur Auswahl stehen Blanche de Castile und Blanche de Bourbon, die unglückliche Frau von Peter dem Grausamen. Vermutlich war es letztere, die auf ihrem Weg nach Puilaurens, zu ihrer Hochzeit, hier noch einmal badete. Bis zum 18. Jahrhundert war Rennes-les-Bains unter dem Namen “Les Bains de Monferan” (Die Bäder von Monferan/Montferrand) bekannt. Montferrand ist ein Dorf auf einem Hügel im Nordwesten. Ausgrabungen haben dort eine gallorömische Fundstätte ans Tageslicht gebracht. Doch Rennes-les-Bains hat Montferrand den Rang abgelaufen. (Antike Dokumente beziehen sich aber immer auf Monferan/Montferrand.)
Der Kopf der keltischen Quellgöttin Damona?
Ein besonderes Überbleibsel vermutlich aus Keltischer Zeit befand sich noch im Jahr 1992 (oder 1972?) an der Ostwand des Pfarrhauses. Abbé Boudet hat den Kopf dort anbringen lassen, nachdem er ihn östlich von Rennes-les-Bains entdeckt, wohl mit der Spitzhacke vom Sockel geschlagen und mitgenommen hatte. Der Fundort, ein uraltes Quellheiligtum, war unter dem Namen “Pla de las Brugos” bekannt: “Hexenplatz”. Hier wurde früher vielleicht die keltische Göttin Damona verehrt. Die Ähnlichkeit (Frisur) mit Abbildungen dieser Göttin ist frappant. Dass Boudet den steinernen Kopf kurzerhand in “Tête de l’homme” umbenannte – “Kopf eines Mannes” – sollte Jahrzehnte später den Gerüchtetopf in halb Europa zum Aufwallen bringen: Die einen mutmaßten, es handle sich um die Abbildung von Jesus Christus, der hier irgendwo begraben sei, andere sahen in ihm den Kopf des Merowingerkönigs Dagobert II. Für einige Zeit befand sich der halbverwitterte Kopf noch – neben vielen Fundstücken aus der Römerzeit – im örtlichen Museum. Doch dieses existiert heute leider nicht mehr.Schade eigentlich!
Rennes-les-Bains und die Römer
Unzählige Münzen und archäologische Funde, darunter auch antikes Glas, beweisen, dass das Heilbad Rennes-les-Bains bei der römischen Kolonie COLONIA NARBO MARTIUS** äußerst beliebt war. Ein ehemaliger Priester (Antoine Delmas) hat im Jahr 1709 einen Bericht über Rennes-les-Bains verfast, in dem er die Ruinen der römischen Thermalbäder beschreibt (heute verschwunden) und auch auf die Funde näher eingeht. Er berichtet von Münzen aus Gold, Silber und Bronze, u.a. von Domitianus, Justitian, Gordianus, Tiberius, Julius Caesar, Claudius, Gratianus etc. Auch Statuetten von römischen Kaisern und den Göttern Jupiter und Mercurius wurden gefunden, sowie römische Lampen, Mosaikböden, alte Instrumente, gallo-römische Amphoren und Fragmente von Statuen. Ein weiterer Pfarrer und Archäologe, der Rennes-les-Bains in dieser Zeit besuchte, berichtete über mehr als 400 Gold- und Silbermünzen aus der Römerzeit, die er in der Gegend gefunden haben will. Es wurde hier also schon früher fleißig gesucht und gegraben. Sogar ganz offiziell: So erhielt ein gewisser Henri-Paul Elie im Jahr 1857 die Silbermedaille der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Toulouse) für seine Entdeckungen in Rennes-les-Bains: Zwei Räder und diverse Fragmente eines bronzenen Streitwagens, die auf dem Gebiet der Gemeinde entdeckt wurden. Mit seinen neun Quellen und unterschiedlichen Wassertemperaturen lag Rennes-les-Bains in einer der ersten Provinzen, die überhaupt von den Römern besetzt wurden. Das Teilstück einer ihrer Straßen ist noch auffindbar. Von Montferrand aus führt der Weg, der mit großen Quaderpflastern belegt ist, rechts in den Wald. Vermutlich handelt es sich um einen Abschnitt einer einst großen Straße, die Carcassonne mit der katalanischen Küste verband und über den Col Saint Louis, wie der Passübergang heute heißt, führte.
** – ein Gebiet, das dem heutigen Languedoc und der Provence entspricht.
Die römischen Bauwerke in Rennes-les-Bains (ohne Gewähr!)
“Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis, das die größten Umstürze verursachen könnte!”
“Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe” – Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum?
Bereits antike Autoren wie Strabo, Prokopios von Caesarea oder Pomponius Mela (der in der Nähe des Bugarachs eine alte Goldmine verortete) zeigten ein auffälliges Interesse an der Umgebung der beiden Rennes. Und fast immer ging es um Gold und wertvolle Schätze. Oder um ein Geheimnis. Der Autor Labouisse-Rochefort (1778-1852) schreibt z.B. in seinem Buch Voyage à Rennes-les-Bains (Reise nach Rennes-les-Bains) von einem vom Teufel bewachten Schatz in der Nähe des Château de Blanchefort*. (Ruine Blanchefort s. Foto oben). Und folgt man einer alten örtlichen Legende, so geht es um drei Tore: Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe, drei geheime Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum. Gefunden hat sie bislang niemand.
Es war aber Abbè Henri Boudet (1837-1915), der wohl berühmteste Priester von Rennes-les-Bains, der – gemeinsam mit seinem Kollegen Bérenger Saunière – die Schatzsuche kräftig anheizte. Dass bereits ein Zeitgenosse, der Priester R. P. Vannier, über ihn sagte: “Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis, das die größten Umstürze verursachen könnte”, lässt die Menschen bis heute aufhorchen, nachdenken und spekulieren. Manchmal schreiben. Und manchmal graben, in alten Büchern oder vor Ort. In Boudets Buch “La Vraie langue celtique: et le cromleck de Rennes-les-Bains”, das im Jahr 1886 veröffentlichtwurde, spielt u.a. der benachbarte Berg Serbairou eine Rolle. Dort fand er vermutlich nicht die gesuchten drei Tore, auch nicht “das Grab Christi”, wie manche Autoren es ihm unterstellen, sondern einen riesigen “Kromleck”. (Mit Cromlech bezeichnet man im Kreis angeordnete aufrecht stehende Steine, also Menhire.) Entdeckte der passionierte Wanderer ein keltisches Quellheiligtum auf dem Berg? Einen Platz, an dem sich die Druiden versammelten – “die gelehrten Mitglieder des Neimheid”, wie Boudet selbst schreibt? Ausgeschlossen ist dies nicht. Vielleicht hat es sich ursprünglich um eine auf natürliche Weise entstandene Felsformation gehandelt, der die Kelten für ihre Zeremonien weitere Menhire beigesellten. Überall um Rennes-les-Bains gibt es ja diese auffälligen Steine, aber eben auch zahlreiche Schluchten, Höhlen, Grotten und Stollen, wo man Schätze vermutet. Selbst aufgelassene Minen hat man entdeckt, in denen z.B. Gagat abgebaut wurde (für Jett-Schmuck). Immerhin was Glänzendes! 🙂
Boudet, der bereits von seinen Zeitgenossen als Gelehrter betrachtet wurde, beschäftigte sich jedoch nicht nur mit keltischen Monumenten und uraltem Wissen, sondern auch mit alten Sprachen, d.h. er suchte nach Ähnlichkeiten des Südfranzösischen mit der keltischen Sprache.Leider hat er sein Buch in einer “codierten Sprache” ** verfasst, d.h. er bediente sich eines gewissen Jargons, der einem als Laien das Lesen und Verstehen erschwert.Aber gerade das scheint die Fantasie vieler Menschen bis heute anzuregen. Es ist ein seltsames Buch, in demBoudet aber ganz offen den Zweck der Aufwendungen ankündigt: “Durch die Interpretation eines in einer fremden Sprache gebildeten Namens in das Geheimnis einer lokalen Geschichte eindringen …” Nun, es darf fröhlich weiter gerätselt werden! In seinem Buchgibt Boudet aber auch wertvolle Hinweise auf sehenswerte Kirchen in der Umgebung, wie z.B.Notre-Dame-de-Marceille undNotre-Dame-du-Cros. Beide Kirchen besitzen ebenfalls heilkräftige Quellen, sind reich an Mythen und Legendenund einen Besuch wert!
*Herkunftsort eines gleichnamigen Templer-Großmeisters, s. Foto oben **Boudets “codierte Sprache” weist Ähnlichkeit mit der vom Schriftsteller Jonathan Swift entwickelten “punischen Sprache” auf. Die punische Verschlüsselung ist einem Wortspiel ähnlich.
Die neun Quellen von Rennes-les-Bains
Schon seit Jahrtausenden geniesen die Menschen heißes Quellwasser. Die alten Römerthermen von Rennes-les-Bains sowie das alte Thermalgebäude wurden aufgegeben, aber die 9 Quellen, 5 warme (von 37-40°) und 4 kalte, sprudeln hier noch immer. Es gibt inzwischen ein neues Thermalschwimmbad, das eine natürliche Temperatur von 33 ° hat, und auch ein Jacuzzi und einen Hammam anbietet. Unten am Fluss kann man sich jederzeit gratis unter die warme Dusche legen. Kleiner Hinweis: Um an dieser exponierten Stelle zu baden, steht man auch gerne mal in der Sals Schlange! 🙂
“Les Bains Doux” – eine der warmen Quellen ( 37° ) entspringt beim ehemaligen Thermalgebäude
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Die Gärten der Königin, elegante Kurgäste und eine “Liebesquelle”
In den “Gärten der Königin” (Foto unten links) entspringt eine warme Quelle direkt im Fluss Sals. Das mittlere Foto nimmt uns mit in eine Zeit, in der die eleganten Kurgäste aus aller Welt in Rennes-les-Bains weilten. Es gab ein Grand Hôtel! Rechts unten werfen wir einen Blick auf die romantische “Fontaine des Amours”, eine weitere (allerdings kalte) Quelle mit Kaskaden, die etwas außerhalb von Rennes-les-Bains liegt, in Richtung Bugarach. (Eine bestimmte Szene in meinem Roman “Talmi” spielt an der “Fontaine des Amours.)
Rennes-les-Bains hat viele Gesichter, zuviele?
Zuviel geht eigentlich gar nicht, wenn man in Südfrankreich auf Reisen ist! Mal ist Rennes-les-Bains ein verrücktes südfranzösisches Nest, in dem sich neben sympathischen Alt-Hippies auch allerlei Forscher und Schriftsteller treffen, die sich mit vielfältigen Themen befassen, darunter, wie ich, auch mit der Geschichte der Katharer. Die “Rennologen-Gemeinde” findet man zuverlässig auf dem schattigen Platanenplatz, meist vor dem Lokal “Chez Willi” sitzend, wo es – pst! – die besten Pizzen Frankreichs gibt … Wasserfreunde und Kinder hingegen lieben die Sals, die im Sommer auch zum Angeln und Fischen einlädt. Für Wellness sind die Quellen und Bäder da. Höhlenforscher, Wanderer und Kletterer – oder aber Schatzsucher! – zieht es in die umliegenden Berge und Wälder, z.B. zu den “Schwankenden Steinen” (Foto oben) und anderen Naturschönheiten. Auch Kunstfreunde kommen hier auf ihre Kosten, die Klöster und Kirchen in der Umgebung sind sehenswert. Und mitunter schreien hier des Abends die Pfaue, die oben auf den Hängen gehalten werden.Aber daran gewöhnt man sich schnell. Noch was:Donnerstags und Samstags ist Markttag (auch regionale Produkte). Und in der Saison finden auf dem Marktplatz manchmal Konzerte statt. Und dann steppt hier der Bär! 🙂
Das stille Gesicht von Rennes-les-Bains
Ein Gesicht von Rennes-le-Bains ist still. Sehr still. Man entdeckt es am frühen Morgen, wenn die Katzen umherstreunen und nur das Rauschen der Sals zu hören ist. Dann bin ich oft auf den Beinen und streife mit meiner Kamera durch die menschenleeren Gassen …
Rennes-les-Bains – ganz, ganz still
Auf dem Friedhof hinter der Kirche liegen – einträchtig nebeneinander – die alten Familiengräber der “üblichen Verdächtigen in der Causa Rennes-le-Château & Rennes-les-Bains”. Mögen sie in Frieden ruhen!
Henri Boudet selbst liegt im benachbarten Ort Axat begraben, neben seinem Bruder Edmond. Auf seiner Grabplatte, die einige unleserliche Inschriften aufweist, hat der Steinmetz das geheimnisvolle Buch des Priesters verewigt, für dessen Druck Boudet aus eigener Tasche mehr als 5000 Goldfranc aufgewendet haben soll. Der Erfolg blieb aus, einige hundert Bücher wurden als Geschenke an interessierte Priester verteilt, zwei gingen nach England (Oxford University und an Königin Viktoria), die Restauflage hat man auf Drängen des damaligen Bischofs vernichtet. Die steinerne Ausgabe trägt die Aufschrift: “IXOYS” (= Ichthys), also die bekannten Anfangsbuchstaben der fünf griechischen Wörter für: Jesus Christos Gottes Sohn Erlöser. Das einzig Seltsame dabei ist, dass der Steinmetz anstelle des Buchstaben (Y)psilon ein (I)ota verwendet hat – was natürlich ein allerletztes Rätsel aufwirft! 🙂
Vielen Dank für Ihre Begleitung durch die aufregenden Zeiten von Rennes-le-Bains!
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