Ein Kultplatz aus alter Zeit – Santuari de la Mare de Déu del Far

Eine Zufallsentdeckung im September 2015

Wir befinden uns in Katalonien, in einer schwer zugänglichen Gegend zwischen den Regionen Garrotxa und La Selva, und zwar im Gemeindebezirk Susqueda, wo sich das Heiligtum de la Mare de Déu del Far befindet. (Mare de Déu = Mutter Gottes, Far = Licht, Leuchtturm)
Dieser verschwiegene Ort liegt oberhalb einer Steilklippe, etwa
elfhundert Meter über dem Meeresspiegel. Die Landzunge selbst ragt wie ein Schiffsbug in die Landschaft. Vom Mirador aus erwartet den Besucher eine atemberaubende Rundumsicht auf Wälder, Wasserfälle, Tafelberge, Vulkane – sowie auf die schimmernden Susqueda Wasserreservoirs.

(Blick von der Aussichtsplattform auf die Umgebung. Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Die Kapelle del Far

ist von außen eher unspektakulär. Das ursprüngliche Gebäude aus dem Jahr 1269 wurde durch ein Erdbeben zerstört. Der Neubau – ein rechteckiges Schiff mit Gewölben erinnert an eine steinerne Grotte. Es bildet einen Komplex mit einem weiteren Gebäude – dem Haus eines ehemaligen Eremiten.

Mare de Déu del Far

Verehrt wird hier eine ganz besondere Madonna: Der Korpus ist aus Alabaster gefertigt, eine Gipsart, weicher als Marmor, die hier überall abgebaut wird. Auch die Romanischen Madonnen, die im Episkopal-Museum von Vic stehen, sind teilweise aus Alabaster. Die Far-Madonna stammt angeblich aus dem 11. Jahrhundert. (Ich selbst hätte sie im 13. Jh. verortet.) Sie wurde im Jahr 1922 restauriert und farbig bemalt.

(Foto rechts – die Alabaster-Madonna aus dem 11. Jh.
Foto unten eine Votivgabe)

 

Neugierde siegt

Meine langjährige Gewohnheit, bestimmte Kirchen mindestens in einer Richtung fußläufig zu umrunden, hat sich auch hier ausgezahlt: Ich saß bereits im Auto, weil es regnete, als mein Blick auf eine Art “Hain” fiel. Ich stieg wieder aus und betrachtete mir die Sache näher. Dabei entdeckte ich das ursprüngliche Santuarium del Far, das in keinem mir vorliegenden Reiseführer Erwähnung fand. Der steinreiche Kultplatz ist heute ein Ort der Stille und Einkehr …

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(Foto durch Anklicken vergrößern!)

Ein Hain, ein altes Quellheiligtum …

In alter Zeit waren Heilige Haine bestimmten Göttern oder auch Nymphen geweiht. Sie lagen stets im Schatten, im Schutz von Bäumen und Sträuchern, und dienten der Opferung und dem Gebet.
Über einen Heiligen Hain der Kelten in der Nähe von Marseille schreibt u.a. Annaeus Lucanus (39-65 n. Chr.), ein Neffe von Seneca d.J., in seinem Epos Pharsalia
(Caesar hatte den Befehl gegeben, den Hain abzuholzen, um Stämme für das Belagerungsgerät von Marseille zu bekommen):

“Ein Hain in der Nähe war seit Menschengedenken nicht mehr angetastet worden. Seine verschlungenen Äste umfingen und verdunkelten den Luftraum und spendeten kühlen Schatten, denn die Sonnenstrahlen wurden hoch oben abgeschirmt. Hier werden Götter mit barbarischen Riten verehrt; auf den Altären schichtet man schauerliche Opfergaben auf, und jeder Baum ist schon von Menschenblut bespritzt. Hier fürchten sich die Vögel zu sitzen und die wilden Tiere zu lagern. Weder der Wind noch die aus schwarzen Wolken geschleuderten Blitze trafen je diesen Wald, und obwohl die Blätter keinem Lufthauch ausgesetzt sind, zittern die Bäume von innen her. Es fließt auch viel Wasser aus dunklen Quellen, und düstere, kunstlos geschnitzte Götterstatuen ragen unförmig aus den Strünken …”

 

Wem wurden hier Opfer dargebracht? Der Göttin Isis?

Dass es sich einst um eine heidnische Stätte, einen Kultplatz, gehandelt hat, beweist auch die kleine uralte Figur hinter den Gitterstäben. Auffällig die hohe Krone und der ungewöhnliche – an ein Mieder oder gar an ein Musikinstrument erinnernde – Gegenstand unterhalb der rechten Brust. Auch diese Figurine ist aus Alabaster gefertigt. Möglicherweise handelt es sich bei ihr um die Vorgängerin der Madonna aus dem 11. Jahrhundert, die in der Kirche von Far verehrt wird. So zierlich und aufrecht stehend, mit dem auffälligen “Thronsitz” auf dem Kopf, könnte es sich um eine “Isis lactans” gehandelt haben, die dem Horusknaben die Brust reicht, ihm göttliche Stärke einflößt. Der Isis-Kult war in späthellenistischer bis nachchristlicher Zeit weit verbreitet. Erst vier Jahrhunderte später verwandelte sich Isis stillschweigend in “Maria mit dem Jesuskind”, wobei man Maria mitunter mit dem Mondschiff der Isis unter den Füßen darstellte, z.B. in Paris, Notre Dame.
(s. auch meinen Artikel “Schwarz bin ich, aber schön”)

Oder gar Kybele?

Als ich mir den wasserspeienden Löwen näher betrachtete, kam mir spontan die Göttin Kybele in den Sinn, deren Attribut der Löwe ist. Kybele war eine Magna Mata, eine universelle Göttermutter aus Phrygien, eine Berg- und Naturgöttin, in vielen Ländern und Städten beheimatet – z.B. in Madrid (Kybele-Brunnen) oder in der Stadt Lyon, wo ein bedeutender Kybele-Tempel stand, der stolze 86 auf 53 Meter maß. Verehrt wurde diese Göttin unter vielen Namen, auch unter “Artemis”.
Die Kirchenväter der “neuen Lehre” hassten Kybele: Der Heilige Augustinus nannte sie eine “Hurenmutter”, “die Mutter nicht der Götter sondern der Dämonen”. Doch der alte Kult trotzte dem Christentum: Im 2. Jh. n. Chr. gründete Montanus, ein Kybele-Priester, eine neue Sekte. Er gesellte Kybele den Knaben Attis zu, (ein Pendant für Jesus) und behauptete, dass Frauen, die in Kybeles Dienst standen, predigen und weissagen durften wie die Männer. Das konnte sich das christliche Patriarchat nicht bieten lassen! Im Jahr 380 erklärten die römischen Kaiser Theodosius I., Gratian und Valentinian II. das Christentum zur Staatsreligion – doch der weströmische Kaiser Eugenius (392-394) setzte weiterhin heidnische Senatoren ein, die die Magna Mater verehrten. Gleichwohl wurden die Anhängerinnen des Montanus zu Ketzerinnen erklärt und umgebracht, indem man sie in ihren Kirchen einschloss und sie bei lebendigen Leibe verbrannte. Im Jahr 431 versetzte man der Magna Mata endgültig den Todesstoß: Auf dem Konzil zu Ephesos wurde Maria zur Mutter Gottes (Theotokos – Gottesgebärerin) erklärt.

 

Und wie verhielt es sich jetzt mit der alten Quellgöttin von Far? Ich vermute, sie war einst keine Isis, auch keine Magna Mata, sondern “nur” eine kleine Bona Dea – eine von den Einheimischen verehrte Muttergöttin des Lichts! 🙂

Noch zwei kleine Hinweise:
Die Straßen in den Katalanischen Pyrenäen sind meist in einem sehr guten Zustand.
Hinter der Kirche del Far befindet sich ein Restaurant:

Adresse: Santuari El Far
Carretera del Santuari del Far S/N
17176 SANT ESTEVE D’EN BAS (SUSQUEDA)
Tel: 972190169
//www.santuaridelfar.com/santuari-de-la-mare-de-deu-del-far.aspx

Der Grüne Mann und der Götze Loll

Grüne Kleidung zu tragen war guter heidnischer Frühlingsbrauch in ganz Europa. Feen trugen in ihrem Reich sogar ganzjährig Grün – und ihre Liebhaber ebenfalls.

In einem schottischen Märchen begegnen wir einer solchen Fee und ihrem Liebhaber, den man Thomas, den Reimer nannte:

Da hörte er in der Ferne einen Laut, der klang wie das Geräusch eines Bergbaches. Dann aber sprang er plötzlich erstaunt auf, denn über einen der grünen Pfade sah er die schönste Dame der Weit reiten. Sie trug ein Kleid aus grasgrüner Seide und einen Umhang aus grasgrünem Samt, und ihr blondes Haar fiel ihr offen über die Schultern …”

Im Christentum war die Farbe GRÜN aus diesem Grund lange verpönt!

Die einst grünen Kerzen wurden abgeschafft, die Grünen Männer aus den Kirchen verbannt – aber nicht überall. Mir springen die Zurückgebliebenen seit Jahren geradezu in die Augen – aber vielleicht auch nur, weil sie von mir gesehen werden wollen! 🙂

(Paris, Notre-Dame)

(Paris Notre-Dame)

Halten auch Sie nach ihnen Ausschau!

Sie befinden sich innerhalb und außerhalb sakraler aber auch profaner Gebäude. Ihre Kennzeichen: Die Haupt- und Barthaare der Grünen Männer werden meist als Blätter, Ranken oder Gräser dargestellt, oft wachsen diese auch aus den Mündern der Köpfe.

Übrigens, in der Kunst bezeichnet man den Grünen Mann als BLATTMASKE –
ein menschliches Gesicht, das aus Blättern geformt ist. Als architektonische Zierform ist die Blattmaske in der römischen Kunst verbreitet, aber auch in der spätromanischen und gotischen Bauplastik und Buchmalerei.

(Kloster Ebrach, Unterfranken)

Achtung: Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

(Kathedrale Bayeux, Normandie)

(Kloster Ebrach, Unterfranken)

(oben und rechts: Ritterkapelle Haßfurt, Unterfranken)

Weshalb sich heutige Dombaumeister, Architekten oder Restauratoren oft für eine andere Farbe als GRÜN entscheiden, entzieht sich meiner Kenntnis – denn der wahre Grüne Mann hat nichts Herbstliches an sich!

Er befindet sich im Einklang mit den Naturgesetzen –

ist jedoch scheu. Er versteckt sich hinter seinen Blättern und Ranken, wird oft mit ihnen eins. Man kann ihn mit Silvanus gleichsetzen, dem römischen Waldgott – oder mit dem Fruchtbarkeitsgott Lug, den man in alter Zeit in meiner Heimatstadt Schweinfurt als Lollus verehrt hat.

Loll – der Grüne Mann von Schweinfurt

Man weiß heute, dass germanische Fruchtbarkeits- und Vegetationsgottheiten stets als Paar verehrt wurden. Im Götzen Loll sahen die Schweinfurter den männlichen Partner der Göttin Frigg (oder Freja): Sein ehernes Bildnis stand in einem heiligen Hain (dem sog. Löhlein). Loll wird als halbnackter, lockiger junger Mann beschrieben, jeweils einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und seine Brust geschlungen. Mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand umfasste er seine Zunge, in der linken Hand hielt er einen Becher, aus dem Kornähren sprossen.
Als der Heilige Kilian ins Frankenland kam, machte er dem Loll den Garaus. Er versenkte ihn kurzerhand im Main. Die Schweinfurter jedoch vergaßen ihren Götzen nicht so schnell. Nach Kilians Tod ließen sie ein neues Bildnis gießen und stellten es wieder auf.
Wie man sich denken kann, nicht für lange!

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

(Dom zu Bamberg, Oberfranken)

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

Mit einem besonders schönen Exemplar eines Grünen Mannes zum Schluss meines Artikels, bedanke ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

(Kloster Ebrach, Oberfranken)

Die Prieuré Santa Maria del Vilar – am Ort eines Nymphaeums

Gut versteckt

Ebenfalls auf dem Jakobsweg befindet sich – gut versteckt in den Vorpyrenäen – das Kloster Santa Maria del Vilar.
Doch wer danach sucht, wird es auch finden:
Es liegt ungefähr zwei Kilometer von 66740 Villelongue-dels-Monts entfernt:
Ausgangspunkt Perpignan – Elne – Argelès – St. Génis de Fontaines – Villelongue dels Monts – dann nochmals etwa zwei Kilometer bis zum Kloster.

(Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden)

Zur Historie

Im Jahr 1083 ließen sich Augustinermönche auf einer aus dem 8. Jahrhundert stammenden Befestigung nieder und gründeten dort ein Kloster, das sie Vilari nannten.
Sie bauten eine neue Kirche und schmückten die Hauptapsis mit großartigen Fresken aus.

Hier die Überreste der prä-romanischen Kirche …

Ein stilles, grünes Paradies

Dieses Kloster liegt in der Tat in einem Paradies. Die himmlische Ruhe wird einzig durch das Tschilpen der Vögel und das Plätschern einiger Rinnsale durchbrochen, die ringsum von den Bergen ins Tal laufen.
Aber Santa Maria del Vilar hat auch schwere Zeiten hinter sich. Nach der Säkularisation (um 1535) verließen die Mönche ihr stilles Kloster, das sie ganze fünf Jahrhunderte hindurch bewohnt hatten.

Das alte Kloster verfällt

Um 1800 wurden die Gebäude landwirtschaftlich benutzt. Die Kirche wurde zum Pferdestall, der Gästesaal abwechselnd auch als Krankenhaus und Schweinestall zweckentfremdet.
1942 wurde der Ort aufgegeben und die dort üppig wachsende Vegetation überwucherte die Gebäude.

Noch im Jahr 1993 sah das Kloster so wie auf dem nebenstehenden Foto aus!

Eine tatkräftige Frau

Danach änderte sich alles. Eine Frau aus dem Aveyron-Gebiet, Lucette Triadou, kaufte die Gebäude auf, suchte sich Sponsoren, 100 Freiwillige und Spezialisten: Architekten, Archäologen etc. Das Ganze lief unter l’egide des Monuments Historiques (Denkmalpflege).
Natürlich war das Kloster zu diesem Zeitpunkt völlig ausgeschlachtet, so fehlten z.B. das Portal, die Tür und ein westgotischer Sarg aus dem 7. Jahrhundert.

(Links – ein Foto aus dem Jahr 1918)
Die Eingangstür wurde später wiederentdeckt und zwar bei einem Trödler in Barcelona!

(Die Löcher in diesen Türen dienen übrigens zur Luftzirkulation im Kircheninneren!)

Santa Maria del Vilar – heute

Die Restaurierungsarbeiten wurden im Sommer 2004 beendet.
Im Oktober 2005 übernahmen orthodoxe rumänische Nonnen und Mönche das Kloster – und eine der Nonnen machte auch die Führung. Sie war still, klug und selbstbewusst, hatte Profil …

Vilar Kirche

Im Inneren der Romanischen Kirche befanden sich farbenfrohe Fresken aus dem 11. u. 12. Jh. Um sie zu schützen, durfte nicht fotografiert werden – daher (links) ein kleines Foto aus dem Netz. Zu erkennen waren die Jungfrau Santa Maria del Vilar, der Erzengel Gabriel, die Verkündigung, Himmelskosmos, Gott- und Kreuzsymbole, die Evangelisten, der Pfau usw. Teilweise muteten die Fresken recht modern an.

Die gesamte Klosteranlage befindet sich heute in einem Top-Zustand.
Im Foto rechts ist das letzte von drei alten roten Kreuzen zu sehen …

Das Nymphaeum

Ein besonderer Höhepunkt war für mich das dort befindliche Nymphaeum – es war im Jahr 1998 bei Ausgrabungen wiederentdeckt worden.
Ein Nymphaeum ist ein römischer Tempel aus dem 1. Jahrhundert vor Christus
also ein alter spiritueller Ort und ein Brunnenheiligtum.
Man spürt es – und man ist ergriffen!
Die Nonne war übrigens sichtlich stolz, als sie uns diesen heidnischen Tempel, an dem einst die Nymphen tanzten, präsentierte!

* Für den Fall, dass auch Sie einen Besuch im Kloster Santa Maria del Vilar beabsichtigen, noch ein Hinweis auf die Führungen:

Öffnungszeiten: 1.4. – 31.10. von 15 – 18 h; 4.– Euro Eintritt für Erwachsene; Besichtigung nur mit Führung möglich
(Stand 2013)

Im Preis eingeschlossen ist die Besichtigung eines kleines Museums im Kreuzgang des Klosters – mit interessanten Fundstücken (Tonscherben, Glas, Münzen, Feuersteinpfeilen aus der späten Jungsteinzeit, die bei diversen Ausgrabungen zutage traten.

Im ehemaligen Dormitorium (Refektorium oder Gästehaus  – um welchen Raum es sich gehandelt hat, habe ich vergessen), konnte man im Rahmen der Führung auch noch eine Ikonen- und Gemäldeaustellung bewundern.

ACHTUNG:
Im Juli und August finden in der Kirche – aufgrund der hervorragenden Akustik – wöchentlich Mittelalter-Festivals statt.

Ich bedanke mich herzlich für Ihr Interesse!

Ihre

Helene L. Köppel

Vic – das römische “Ausa”

Die Stadt Vic liegt in Katalonien, auf der Route Ripoll – Barcelona.

Warum Vic? Seit Jahren war ich auf der Suche nach bestimmten Romanischen Madonnen, die in ihren Stammkirchen nicht mehr anzutreffen waren. Hatte man sie aus dem Verkehr gezogen? Waren sie gestohlen worden? Spurlos verschwunden? Versteckt?
Dann verwies mich jemand nach Vic … Von dieser Stadt in Katalonien hatte ich zuvor nie gehört.
Heute sage ich: Schwein gehabt!* – der Aufenthalt in Vic hat sich für mich in jeder Hinsicht gelohnt!

Geschichtliches zu Vic:

Vic gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Inlands-Zentren Kataloniens. Schon vor dem Eintreffen der Römer besaß hier der iberische Stamm der Ausetaner inmitten der verhältnismäßig breiten Ebene sein quasi-städtisches Zentrum.
In römischer Zeit – da hieß Vic AUSA – gewann die Stadt an Bedeutung zuerst als Endpunkt der 120 v. Chr. angelegten Straße über den Ares-Pass, später als namhafter Etappenort an der mittlerweile in der Kaiserzeit erschlossenen Verkehrsader nach Barcelona.
Im Foto der Römische Tempel an der Placa Vella nordwestlich der Kathedrale, dessen Mauern in den Innenhof des früheren Grafenschlosses hineingebaut und erst 1882 bei dessen Abbruch identifiziert worden waren.

Das Episkopal-Museum von Vic

Im Episkopal-Museum von Vic befinden sich viele alte Kunstschätze aus dem Mittelalter: Liturgische Kunst, Malerei, Romanische und gotische Skulpturen – darunter auch die von mir lange gesuchten Madonnen! (Die Korpusse teils aus Holz, teils aus Alabaster – farbig bemalt.)

Das Museum wurde bereits im Jahr 1891 von Bischof Josep Morgades eingeweiht, damals Präsident der Archäologischen Gesellschaft von Vic. Das Unternehmen besaß nach der Entdeckung des römischen Tempels bereits ein Lapidarium *. Dieses stellte die Grundlage dar für das Bischöfliche Museum, das sich im Kreuzgang der Kathedrale befindet und im Bischofspalast.

Im Jahr 1995 stimmten die Gemeinde Vic, das Bistum und die Generalität von Katalonien der Renovierung und einem Neubau zu.
Das neue Museum wurde am 18. Mai 2002 eröffnet.

Lapidarium (von lapis „Stein“) ist die Bezeichnung für eine Sammlung von Steinwerken, etwa Skulpturen, Sarkophage, Epitaphe, Grabsteine etd., die oft am Ausgrabungsort ausgestellt sind. Trotz der römischen Bezeichnung werden auch Lapidarien aus anderen Epochen bis hin zur Neuzeit zusammengestellt.

In diesem tollen Museum reihte sich tatsächlich ein Charakterkopf an den anderen …

Hier entdeckte ich auch die für mich pfiffigste Maria Magdalenen-Darstellung aller Zeiten!

 “Santa María Magdalena
Künstler unbekannt, Katalonien,
letztes Viertel des 14. Jh.,
Stein, polychrome, 87x29x19 cm.
Stand früher vermutlich in der Kathedrale von Vic.

Am Abend wurde dann auf dem großen Platz von Vic mächtig aufgetischt – je nach Gusto und Geldbeutel …

Für alle, die evtl. einen Besuch in Vic planen:

Im Untergeschoss des Museums entdeckt man Stücke von der Vorgeschichte bis zum Mittelalter, die in und um Vic herum bei archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden (s.a. Lapidarium).
Das Erdgeschoss ist der Malerei gewidmet und der romanischen und gotischen Skulptur.
Zu den herausragenden Werken der romanischen Epoche gehören das Portal der St. Vincent Malla Kirche, eine Madonnen-Sammlung und Fresken aus den Kirchen von Sant Sadurní von Osormort, El Brull, Sescorts, La Seu d’Urgell, usw.
In Bezug auf die gotische Malerei finden sich “retablos” – gemalt von Pere Serra, Bernat Martorell, Ramon de Mur, Jaume Huguet, Lluís Borrassà.
Im ersten Stock sind Gemälde und Skulpturen aus dem 15. – 19. Jahrhundert ausgestellt, sowie liturgische Gegenstände.
Im zweiten Stock kann man dekorative Katalanische Kunst bewundern.

*(Dieses Foto entstand in Vic kurz vor meiner Heimreise nach Schweinfurt: “Schwein gehabt in Vic!”)

Herzlichst

Helene L. Köppel

Ein Foto noch zum Schluss – wobei ich den Feuermelder, links in der Ecke, gar nicht so unplatziert fand, in Anbetracht der makabren Reliquienbehälter …

Ermita de Santa Maria de Eunate – ein alter Initiationsort?

Santa María de Eunate ist eine romanische Kirche am aragonesischen Zweig des Jakobswegs in Navarra (Spanien). Sie liegt einige Kilometer vor dem Ort Puente la Reina, wo die beiden Jakobswege über die Pyrenäenpässe von Somport (Aragonien) und von Roncesvalles zusammentreffen.

Jakobsmuscheln als Beigaben in den Gräbern

Die Kirche wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im romanischen Stil und mit mozarabischen Einflüssen erbaut. Es war die Zeit der größten Marienverehrung. Das Bauwerk steht auf freiem Feld und diente offiziell durchreisenden Pilgern als Hospiz oder Friedhofskapelle. Der achteckige Grundriss erinnert an Bauten der Tempelritter, aber es gibt bis heute keine Beweise, dass die Templer auch hier ihre Finger im Spiel gehabt hätten, obwohl Eunate nur drei Kilometer von der wichtigsten Templerkomturei von Navarra entfernt liegt – von Puente la Reina. Dort ließen sich die Tempelherren im Jahr 1142 nieder.

(Die Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Eunate – ein Kraftort?

Die Menschen des Mittelalters, die sich auf dem Weg nach Compostela befanden, suchten Eunate auf, weil über diesem Ort eine besondere Spiritualität lag. Auch wenn man nicht esoterisch angehaucht ist, berührt es einen, wenn man ins Innere tritt, und diese wunderschöne, in sich ruhende Madonna vor sich hat.

Santa Maria de Eunate steht hier im Zentrum der Verehrung.

 

 

(Bitte Foto zum Vergrößern anklicken!)

Eunate – ein alter Initiationsort?

Eunate heißt auf Baskisch EHUN ATEA – einhundert Türen! Heute durchschreitet man den Wandelgang gemessenen Schrittes, kontemplativ.
Früher durchmaß man ihn vermutlich tanzend, denn die alten Tänze hatten ursprünglich einen religiösen Charakter.
Die absolut einsame Lage Eunates deutet für mich außerdem auf einen alten Initiationsort hin, denn die Aufnahme der Adepten in eine bestimme Bruderschaft fand früher entweder in einer Höhle statt oder in einer Kapelle auf freiem Feld.

Tatsächlich wurde zeitgleich mit dem Bau der Kapelle eine Bruderschaft gegründet:
Die Confradia de Santa Maria de Onat.

Die Autorin Sabina Marineo schreibt in ihrem Buch “Die Verborgene Kirche des Grals” folgendes dazu:
“Doch ein weiteres Geheimnis von Eunate liegt in der äußeren Arkade der Kirche. Denn wem nützt überhaupt eine Arkade ohne Dach? Sie kann weder vor Sonne noch vor Unwetter schützen. Vielmehr scheint die Arkade von Eunate den Wandelgang des Felsendoms von Jerusalem widerzuspiegeln. Dieser leere Raum war dem heiligen Tanz und dem Weg der Einweihung vorbehalten. Die kreisende Bewegung um das Heiligtum wurde sowohl von den Muslimen in Mekka als auch von den Sufis im Felsendom und von den Christen entlang der, auf den Boden der Kathedralen gemeißelten, Labyrinthmuster praktiziert. Aber ihr Ursprung war viel älter. Sie hat ihre Wurzel in der uralten Symbolik des Kreises, der die weibliche Kraft und den immerwährenden Zyklus der Natur darstellen sollte. Der kreisende Tanz bewirkt eine sanfte Bewusstseinsveränderung, die zur Meditation und zur Erkenntnis verhelfen kann. Es ist keineswegs weithergeholt sich vorzustellen, dass sich auch die Mönchsritter während der Rituale einer solchen Technik bedienten …”

Haben Sie Lust bekommen, mit mir durch den Wandelgang zu schreiten?

Sie dürfen auch gerne tanzen!

Troyes – ein zweites Rom?

(Alles Fotos von HLK können angeklickt und vergrößert werden)

Troyes ist eine interessante und sehenswerte Stadt im Nordosten Frankreichs, Verwaltungssitz des Départements Aube in der Region Grand Est. Troyes liegt an der Seine und hat ca. 60 000 Einwohner.

Geschichtliches:

Der ehemalige Hauptort des Keltenstammes der Tricassen (Tricassii oder Tricasses) wurde von den Römern Augustobona Tricassium oder Augustomana Tricassiorum genannt (bei Ptolemaeus).
Im 4. Jahrhundert wurde die Stadt Bischofssitz. Westlich von Troyes fand 451 die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern zwischen Attila und Aëtius statt.
 

Die berühmte Ruelle des Chats – das Katzengässchen

Im 10. Jh. Residenzstadt der Grafen der Champagne – im Besitz des Grafenhauses Vermandois, einer Linie der Karolinger.

Unter der Herrschaft der Grafen der Champagne organisierte sich einer der ersten Geldmärkte Europas.

In Troyes wirkte unter anderem Raschi (1040–1105), einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters. Seine Familie besaß einen Weinberg, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestritt. Sein Vater war ein Gelehrter und der erste Lehrer seines Sohnes.
1055 ging Raschi zunächst nach Mainz und dann nach Worms, um dort an den jüdischen Lehrhäusern, die zu den bedeutendsten in Europa gehörten, zu studieren.

Seine berühmten Kommentare, die er in Troyes niederschrieb, werden noch heute in den meisten jüdischen Bibeln und im Talmud mit abgedruckt.

Moses mit den Gesetzestafeln

Troyes – ein zweites Rom?
Nicht nur im Mittelalter, auch noch während des ganzen 16. Jh, trafen sich in Troyes die besten Baumeister, Steinhauer, Holzschnitzer und Glasbläser ihrer Zeit.

Es gab hundert Türme in der Stadt, was ihr tatsächlich den Ruf eines zweiten Roms eintrug.

 Nachstehend das runde Haus des ehemaligen Goldhändlers Rouze

Auf der Suche nach dem Heiligen Gral

Im Jahr 1129 fand hier das Konzil von Troyes statt. Heute ist nur noch einer der damals verhandelten Tagesordnungspunkte bekannt: Der Orden der Tempelritter (Arme Ritterschaft vom salomonischen Tempel) erhielt hier seine feste Regel. Anwesend waren die Templer Hugo von Payns und Andreas von Montbard. Umstritten war lange die Bedeutung, die Bernhard von Clairvaux auf dem Konzil spielte.
Etwa zur gleichen Zeit wie das Konzil wurden in Troyes zwei der sechs Jahrmärkte oder Messen abgehalten, für die Champagne berühmt war. Hier wurden Waren von den Niederlanden (Tuch) bis Italien (Seide, orientalische Waren) gehandelt.

Chrétien de Troyes

Als Troyes Residenz der Grafen von Champagne war, wirkte hier der mittelalterliche Dichter Chrétien de Troyes (etwa 1140–1190). Auf ihn geht die Parzival-Erzählung um die Suche nach dem Heiligen Gral zurück.

Troyes ist heute eine Wohlfühlstadt: Die vielen farbenprächtigen mittelalterlichen Häuser mit ihren Fachwerkmauern, Spitzgiebeln, Erkerbauten und Türmchen sind eine Augenweide!
Als ich mich im September 2015 für zwei Tage hier aufhielt, erinnerte ich mich an meinen ersten Besuch im Jahr 2004 und daran, dass ich hier den besten Cappuccino meines Lebens getrunken hatte. Und siehe – ich entdeckte das Café wieder und der Cappuccino war noch immer extrem lecker! (Lag aber vielleicht an der großen Portion Sahne obenauf oder auch nur daran, dass ich hundemüde war vom vielen Herumlaufen und Fotografieren.)

Es existiert ein weiterer Troyes-Bericht über die interessante Kirche Sainte-Madeleine!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Helene L. Köppel