Die Prieuré Santa Maria del Vilar – am Ort eines Nymphaeums

Gut versteckt

Ebenfalls auf dem Jakobsweg befindet sich – gut versteckt in den Vorpyrenäen – das Kloster Santa Maria del Vilar.
Doch wer danach sucht, wird es auch finden:
Es liegt ungefähr zwei Kilometer von 66740 Villelongue-dels-Monts entfernt:
Ausgangspunkt Perpignan – Elne – Argelès – St. Génis de Fontaines – Villelongue dels Monts – dann nochmals etwa zwei Kilometer bis zum Kloster.

(Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden)

Zur Historie

Im Jahr 1083 ließen sich Augustinermönche auf einer aus dem 8. Jahrhundert stammenden Befestigung nieder und gründeten dort ein Kloster, das sie Vilari nannten.
Sie bauten eine neue Kirche und schmückten die Hauptapsis mit großartigen Fresken aus.

Hier die Überreste der prä-romanischen Kirche …

Ein stilles, grünes Paradies

Dieses Kloster liegt in der Tat in einem Paradies. Die himmlische Ruhe wird einzig durch das Tschilpen der Vögel und das Plätschern einiger Rinnsale durchbrochen, die ringsum von den Bergen ins Tal laufen.
Aber Santa Maria del Vilar hat auch schwere Zeiten hinter sich. Nach der Säkularisation (um 1535) verließen die Mönche ihr stilles Kloster, das sie ganze fünf Jahrhunderte hindurch bewohnt hatten.

Das alte Kloster verfällt

Um 1800 wurden die Gebäude landwirtschaftlich benutzt. Die Kirche wurde zum Pferdestall, der Gästesaal abwechselnd auch als Krankenhaus und Schweinestall zweckentfremdet.
1942 wurde der Ort aufgegeben und die dort üppig wachsende Vegetation überwucherte die Gebäude.

Noch im Jahr 1993 sah das Kloster so wie auf dem nebenstehenden Foto aus!

Eine tatkräftige Frau

Danach änderte sich alles. Eine Frau aus dem Aveyron-Gebiet, Lucette Triadou, kaufte die Gebäude auf, suchte sich Sponsoren, 100 Freiwillige und Spezialisten: Architekten, Archäologen etc. Das Ganze lief unter l’egide des Monuments Historiques (Denkmalpflege).
Natürlich war das Kloster zu diesem Zeitpunkt völlig ausgeschlachtet, so fehlten z.B. das Portal, die Tür und ein westgotischer Sarg aus dem 7. Jahrhundert.

(Links – ein Foto aus dem Jahr 1918)
Die Eingangstür wurde später wiederentdeckt und zwar bei einem Trödler in Barcelona!

(Die Löcher in diesen Türen dienen übrigens zur Luftzirkulation im Kircheninneren!)

Santa Maria del Vilar – heute

Die Restaurierungsarbeiten wurden im Sommer 2004 beendet.
Im Oktober 2005 übernahmen orthodoxe rumänische Nonnen und Mönche das Kloster – und eine der Nonnen machte auch die Führung. Sie war still, klug und selbstbewusst, hatte Profil …

Vilar Kirche

Im Inneren der Romanischen Kirche befanden sich farbenfrohe Fresken aus dem 11. u. 12. Jh. Um sie zu schützen, durfte nicht fotografiert werden – daher (links) ein kleines Foto aus dem Netz. Zu erkennen waren die Jungfrau Santa Maria del Vilar, der Erzengel Gabriel, die Verkündigung, Himmelskosmos, Gott- und Kreuzsymbole, die Evangelisten, der Pfau usw. Teilweise muteten die Fresken recht modern an.

Die gesamte Klosteranlage befindet sich heute in einem Top-Zustand.
Im Foto rechts ist das letzte von drei alten roten Kreuzen zu sehen …

Das Nymphaeum

Ein besonderer Höhepunkt war für mich das dort befindliche Nymphaeum – es war im Jahr 1998 bei Ausgrabungen wiederentdeckt worden.
Ein Nymphaeum ist ein römischer Tempel aus dem 1. Jahrhundert vor Christus
also ein alter spiritueller Ort und ein Brunnenheiligtum.
Man spürt es – und man ist ergriffen!
Die Nonne war übrigens sichtlich stolz, als sie uns diesen heidnischen Tempel, an dem einst die Nymphen tanzten, präsentierte!

* Für den Fall, dass auch Sie einen Besuch im Kloster Santa Maria del Vilar beabsichtigen, noch ein Hinweis auf die Führungen:

Öffnungszeiten: 1.4. – 31.10. von 15 – 18 h; 4.– Euro Eintritt für Erwachsene; Besichtigung nur mit Führung möglich
(Stand 2013)

Im Preis eingeschlossen ist die Besichtigung eines kleines Museums im Kreuzgang des Klosters – mit interessanten Fundstücken (Tonscherben, Glas, Münzen, Feuersteinpfeilen aus der späten Jungsteinzeit, die bei diversen Ausgrabungen zutage traten.

Im ehemaligen Dormitorium (Refektorium oder Gästehaus  – um welchen Raum es sich gehandelt hat, habe ich vergessen), konnte man im Rahmen der Führung auch noch eine Ikonen- und Gemäldeaustellung bewundern.

ACHTUNG:
Im Juli und August finden in der Kirche – aufgrund der hervorragenden Akustik – wöchentlich Mittelalter-Festivals statt.

Ich bedanke mich herzlich für Ihr Interesse!

Ihre

Helene L. Köppel

Vic – das römische “Ausa”

Die Stadt Vic liegt in Katalonien, auf der Route Ripoll – Barcelona.

Warum Vic? Seit Jahren war ich auf der Suche nach bestimmten Romanischen Madonnen, die in ihren Stammkirchen nicht mehr anzutreffen waren. Hatte man sie aus dem Verkehr gezogen? Waren sie gestohlen worden? Spurlos verschwunden? Versteckt?
Dann verwies mich jemand nach Vic … Von dieser Stadt in Katalonien hatte ich zuvor nie gehört.
Heute sage ich: Schwein gehabt!* – der Aufenthalt in Vic hat sich für mich in jeder Hinsicht gelohnt!

Geschichtliches zu Vic:

Vic gehört zu den ältesten und traditionsreichsten Inlands-Zentren Kataloniens. Schon vor dem Eintreffen der Römer besaß hier der iberische Stamm der Ausetaner inmitten der verhältnismäßig breiten Ebene sein quasi-städtisches Zentrum.
In römischer Zeit – da hieß Vic AUSA – gewann die Stadt an Bedeutung zuerst als Endpunkt der 120 v. Chr. angelegten Straße über den Ares-Pass, später als namhafter Etappenort an der mittlerweile in der Kaiserzeit erschlossenen Verkehrsader nach Barcelona.
Im Foto der Römische Tempel an der Placa Vella nordwestlich der Kathedrale, dessen Mauern in den Innenhof des früheren Grafenschlosses hineingebaut und erst 1882 bei dessen Abbruch identifiziert worden waren.

Das Episkopal-Museum von Vic

Im Episkopal-Museum von Vic befinden sich viele alte Kunstschätze aus dem Mittelalter: Liturgische Kunst, Malerei, Romanische und gotische Skulpturen – darunter auch die von mir lange gesuchten Madonnen! (Die Korpusse teils aus Holz, teils aus Alabaster – farbig bemalt.)

Das Museum wurde bereits im Jahr 1891 von Bischof Josep Morgades eingeweiht, damals Präsident der Archäologischen Gesellschaft von Vic. Das Unternehmen besaß nach der Entdeckung des römischen Tempels bereits ein Lapidarium *. Dieses stellte die Grundlage dar für das Bischöfliche Museum, das sich im Kreuzgang der Kathedrale befindet und im Bischofspalast.

Im Jahr 1995 stimmten die Gemeinde Vic, das Bistum und die Generalität von Katalonien der Renovierung und einem Neubau zu.
Das neue Museum wurde am 18. Mai 2002 eröffnet.

Lapidarium (von lapis „Stein“) ist die Bezeichnung für eine Sammlung von Steinwerken, etwa Skulpturen, Sarkophage, Epitaphe, Grabsteine etd., die oft am Ausgrabungsort ausgestellt sind. Trotz der römischen Bezeichnung werden auch Lapidarien aus anderen Epochen bis hin zur Neuzeit zusammengestellt.

In diesem tollen Museum reihte sich tatsächlich ein Charakterkopf an den anderen …

Hier entdeckte ich auch die für mich pfiffigste Maria Magdalenen-Darstellung aller Zeiten!

 “Santa María Magdalena
Künstler unbekannt, Katalonien,
letztes Viertel des 14. Jh.,
Stein, polychrome, 87x29x19 cm.
Stand früher vermutlich in der Kathedrale von Vic.

Am Abend wurde dann auf dem großen Platz von Vic mächtig aufgetischt – je nach Gusto und Geldbeutel …

Für alle, die evtl. einen Besuch in Vic planen:

Im Untergeschoss des Museums entdeckt man Stücke von der Vorgeschichte bis zum Mittelalter, die in und um Vic herum bei archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden (s.a. Lapidarium).
Das Erdgeschoss ist der Malerei gewidmet und der romanischen und gotischen Skulptur.
Zu den herausragenden Werken der romanischen Epoche gehören das Portal der St. Vincent Malla Kirche, eine Madonnen-Sammlung und Fresken aus den Kirchen von Sant Sadurní von Osormort, El Brull, Sescorts, La Seu d’Urgell, usw.
In Bezug auf die gotische Malerei finden sich “retablos” – gemalt von Pere Serra, Bernat Martorell, Ramon de Mur, Jaume Huguet, Lluís Borrassà.
Im ersten Stock sind Gemälde und Skulpturen aus dem 15. – 19. Jahrhundert ausgestellt, sowie liturgische Gegenstände.
Im zweiten Stock kann man dekorative Katalanische Kunst bewundern.

*(Dieses Foto entstand in Vic kurz vor meiner Heimreise nach Schweinfurt: “Schwein gehabt in Vic!”)

Herzlichst

Helene L. Köppel

Ein Foto noch zum Schluss – wobei ich den Feuermelder, links in der Ecke, gar nicht so unplatziert fand, in Anbetracht der makabren Reliquienbehälter …

Ermita de Santa Maria de Eunate – ein alter Initiationsort?

Santa María de Eunate ist eine romanische Kirche am aragonesischen Zweig des Jakobswegs in Navarra (Spanien). Sie liegt einige Kilometer vor dem Ort Puente la Reina, wo die beiden Jakobswege über die Pyrenäenpässe von Somport (Aragonien) und von Roncesvalles zusammentreffen.

Jakobsmuscheln als Beigaben in den Gräbern

Die Kirche wurde vermutlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im romanischen Stil und mit mozarabischen Einflüssen erbaut. Es war die Zeit der größten Marienverehrung. Das Bauwerk steht auf freiem Feld und diente offiziell durchreisenden Pilgern als Hospiz oder Friedhofskapelle. Der achteckige Grundriss erinnert an Bauten der Tempelritter, aber es gibt bis heute keine Beweise, dass die Templer auch hier ihre Finger im Spiel gehabt hätten, obwohl Eunate nur drei Kilometer von der wichtigsten Templerkomturei von Navarra entfernt liegt – von Puente la Reina. Dort ließen sich die Tempelherren im Jahr 1142 nieder.

(Die Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!)

Eunate – ein Kraftort?

Die Menschen des Mittelalters, die sich auf dem Weg nach Compostela befanden, suchten Eunate auf, weil über diesem Ort eine besondere Spiritualität lag. Auch wenn man nicht esoterisch angehaucht ist, berührt es einen, wenn man ins Innere tritt, und diese wunderschöne, in sich ruhende Madonna vor sich hat.

Santa Maria de Eunate steht hier im Zentrum der Verehrung.

 

 

(Bitte Foto zum Vergrößern anklicken!)

Eunate – ein alter Initiationsort?

Eunate heißt auf Baskisch EHUN ATEA – einhundert Türen! Heute durchschreitet man den Wandelgang gemessenen Schrittes, kontemplativ.
Früher durchmaß man ihn vermutlich tanzend, denn die alten Tänze hatten ursprünglich einen religiösen Charakter.
Die absolut einsame Lage Eunates deutet für mich außerdem auf einen alten Initiationsort hin, denn die Aufnahme der Adepten in eine bestimme Bruderschaft fand früher entweder in einer Höhle statt oder in einer Kapelle auf freiem Feld.

Tatsächlich wurde zeitgleich mit dem Bau der Kapelle eine Bruderschaft gegründet:
Die Confradia de Santa Maria de Onat.

Die Autorin Sabina Marineo schreibt in ihrem Buch “Die Verborgene Kirche des Grals” folgendes dazu:
“Doch ein weiteres Geheimnis von Eunate liegt in der äußeren Arkade der Kirche. Denn wem nützt überhaupt eine Arkade ohne Dach? Sie kann weder vor Sonne noch vor Unwetter schützen. Vielmehr scheint die Arkade von Eunate den Wandelgang des Felsendoms von Jerusalem widerzuspiegeln. Dieser leere Raum war dem heiligen Tanz und dem Weg der Einweihung vorbehalten. Die kreisende Bewegung um das Heiligtum wurde sowohl von den Muslimen in Mekka als auch von den Sufis im Felsendom und von den Christen entlang der, auf den Boden der Kathedralen gemeißelten, Labyrinthmuster praktiziert. Aber ihr Ursprung war viel älter. Sie hat ihre Wurzel in der uralten Symbolik des Kreises, der die weibliche Kraft und den immerwährenden Zyklus der Natur darstellen sollte. Der kreisende Tanz bewirkt eine sanfte Bewusstseinsveränderung, die zur Meditation und zur Erkenntnis verhelfen kann. Es ist keineswegs weithergeholt sich vorzustellen, dass sich auch die Mönchsritter während der Rituale einer solchen Technik bedienten …”

Haben Sie Lust bekommen, mit mir durch den Wandelgang zu schreiten?

Sie dürfen auch gerne tanzen!

Troyes – ein zweites Rom?

(Alles Fotos von HLK können angeklickt und vergrößert werden)

Troyes ist eine interessante und sehenswerte Stadt im Nordosten Frankreichs, Verwaltungssitz des Départements Aube in der Region Grand Est. Troyes liegt an der Seine und hat ca. 60 000 Einwohner.

Geschichtliches:

Der ehemalige Hauptort des Keltenstammes der Tricassen (Tricassii oder Tricasses) wurde von den Römern Augustobona Tricassium oder Augustomana Tricassiorum genannt (bei Ptolemaeus).
Im 4. Jahrhundert wurde die Stadt Bischofssitz. Westlich von Troyes fand 451 die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern zwischen Attila und Aëtius statt.
 

Die berühmte Ruelle des Chats – das Katzengässchen

Im 10. Jh. Residenzstadt der Grafen der Champagne – im Besitz des Grafenhauses Vermandois, einer Linie der Karolinger.

Unter der Herrschaft der Grafen der Champagne organisierte sich einer der ersten Geldmärkte Europas.

In Troyes wirkte unter anderem Raschi (1040–1105), einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters. Seine Familie besaß einen Weinberg, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestritt. Sein Vater war ein Gelehrter und der erste Lehrer seines Sohnes.
1055 ging Raschi zunächst nach Mainz und dann nach Worms, um dort an den jüdischen Lehrhäusern, die zu den bedeutendsten in Europa gehörten, zu studieren.

Seine berühmten Kommentare, die er in Troyes niederschrieb, werden noch heute in den meisten jüdischen Bibeln und im Talmud mit abgedruckt.

Moses mit den Gesetzestafeln

Troyes – ein zweites Rom?
Nicht nur im Mittelalter, auch noch während des ganzen 16. Jh, trafen sich in Troyes die besten Baumeister, Steinhauer, Holzschnitzer und Glasbläser ihrer Zeit.

Es gab hundert Türme in der Stadt, was ihr tatsächlich den Ruf eines zweiten Roms eintrug.

 Nachstehend das runde Haus des ehemaligen Goldhändlers Rouze

Auf der Suche nach dem Heiligen Gral

Im Jahr 1129 fand hier das Konzil von Troyes statt. Heute ist nur noch einer der damals verhandelten Tagesordnungspunkte bekannt: Der Orden der Tempelritter (Arme Ritterschaft vom salomonischen Tempel) erhielt hier seine feste Regel. Anwesend waren die Templer Hugo von Payns und Andreas von Montbard. Umstritten war lange die Bedeutung, die Bernhard von Clairvaux auf dem Konzil spielte.
Etwa zur gleichen Zeit wie das Konzil wurden in Troyes zwei der sechs Jahrmärkte oder Messen abgehalten, für die Champagne berühmt war. Hier wurden Waren von den Niederlanden (Tuch) bis Italien (Seide, orientalische Waren) gehandelt.

Chrétien de Troyes

Als Troyes Residenz der Grafen von Champagne war, wirkte hier der mittelalterliche Dichter Chrétien de Troyes (etwa 1140–1190). Auf ihn geht die Parzival-Erzählung um die Suche nach dem Heiligen Gral zurück.

Troyes ist heute eine Wohlfühlstadt: Die vielen farbenprächtigen mittelalterlichen Häuser mit ihren Fachwerkmauern, Spitzgiebeln, Erkerbauten und Türmchen sind eine Augenweide!
Als ich mich im September 2015 für zwei Tage hier aufhielt, erinnerte ich mich an meinen ersten Besuch im Jahr 2004 und daran, dass ich hier den besten Cappuccino meines Lebens getrunken hatte. Und siehe – ich entdeckte das Café wieder und der Cappuccino war noch immer extrem lecker! (Lag aber vielleicht an der großen Portion Sahne obenauf oder auch nur daran, dass ich hundemüde war vom vielen Herumlaufen und Fotografieren.)

Es existiert ein weiterer Troyes-Bericht über die interessante Kirche Sainte-Madeleine!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Helene L. Köppel

MIREPOIX – die Stadt der Belisama

Hinter dem Wort Mirepoix verbirgt sich nicht nur eine Art “Röstgemüse (s. Ende des Beitrags)”, sondern vor allem eine kleine pittoreske Stadt in Südwestfrankreich, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.  (Departement Ariège, Region Midi-Pyrénées, ca. 3000 Einwohner).

Mittelalter pur. Betritt man die Altstadt, ziehen die malerischen, oft vorkragenden Fachwerkhäuser, aber vor allem die Holzarkaden und Lauben sofort alle Blicke auf sich. Rings um den Place Géneral Leclerc kann man es sich unter ihrem Schatten gutgehen lassen, einen Café trinken, ein Glas Rosé oder Blanquette aus Limoux … Mirepoix ist ein Wohlfühlort, aber es gibt dort auch einiges zu entdecken.

Wenn Sie Lust auf eine Reise in die Vergangenheit haben, dann folgen Sie mir bitte:

Mirepoix (Mirapiscem = Sieh den Fisch) trägt einen goldenen Fisch im Wappen, darüber drei geheimnisvolle Sterne, die auf vorchristliche Traditionen zurückgehen, in der Mirepoix von den Römern “Stadt des Lichts” genannt wurde.

Im Hochmittelalter beherbergte Mirepoix viele Katharer, darunter zwei der berühmt-berüchtigten Belissensöhne, nämlich Peire-Roger von Mirepoix (der Ältere und sein gleichnamiger Sohn, der Jüngere).  Sie waren die Herren der Stadt und bewohnten eine Burg, die – Der Turm – hieß. Auf ihrem Wappen befanden sich Fisch, Turm und Mondsichel.

Was hat es nun mit den Sternen und der Mondsichel auf sich?  Eine Hommage an die Mondgöttin Belissena (die keltiberische Astarte), als deren Abkömmlinge sich die Belissensöhne angeblich sahen?

Astarte mit der Mondsichel gilt als Vorläuferin von Maria, der Mutter Gottes. Als Stella Maris wird Maria ebenfalls mit Sternen abgebildet und balanciert oft auf der Mondsichel (nächstes Foto, Notre Dame, Paris). Im Gegensatz zu Astarte jedoch, die sich mit dem Mond krönt, tritt Maria die Mondsichel  – das Heidentum! – mit den Füßen und dokumentiert damit den Sieg über Astarte!

Dass sich hinter Belissena/Astarte die keltische Göttin Belisama verbirgt, liegt schon aufgrund der Namensähnlichkeit nahe. Belisama, die Gefährtin des Gottes Belenus (Abellio/der strahlende Apoll!), nannte man “die Strahlendeste, Leuchtendste”. Sie wurde mit der römischen Minerva gleichgesetzt und sowohl mit Licht  und Feuer, aber auch mit Seen und Flüssen (der Fisch!) in Verbindung gebracht.

Zu Belisama gibt es eine heiße Spur: Im Departement Ariège (wo auch Mirepoix liegt) entdeckte man eine lateinische Inschrift folgenden Inhalts:

Minervae Belisamae sacrum Q(uintus) Valeriu[s] Montan[us e]x v(oto) [s(uscepto)]

Keltischer Abellion:

Tatsächlich sind nicht wenige Orte in der Umgebung nach Belisama/Belenus benannt: Belesmes, Blesmes und Blismes; und man weiß heute auch, dass sich auf dem Gipfel des Pic du Saint-Barthélemy (der Tabor der Pyrenäen, in der Nähe des Montségur gelegen) ein Abeillo-Heiligtum befand, zu dem die alte Katharer-Straße führte.

Mirepoix und die Katharer …

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts waren die Herren von Mirepoix und die meisten ihrer 36 Mitherren entweder selbst Katharer oder Anhänger bzw. Beschützer dieser Häresie. In der Stadt Mirepoix existierten nachweislich 50 Katharer-Häuser, in denen Diakone und Parfaits ausgebildet wurden. Ein Diakon namens Mercier “hielt Hof”; ein anderer bat im Jahr 1204 den Burgherrn inständig darum, die Festung Montségur wiederherstellen zu lassen – was bemerkenswert ist, weil es um diese Zeit überhaupt noch keine gewaltsamen Übergriffe auf die Katharer gab. (Allerdings zogen bereits päpstliche Legaten durch die Lande, die kräftig Stimmung gegen die Katharer machten.) Unterstützung fand der Diakon bei Esclarmonde, der Vizegräfin von Foix, die 1204 das katharische Consolamentum erhielt, also in die Reihen der Perfekten aufgenommen worden war.  Zwei Jahre später – 1206 – sprach sich Esclarmonde auf einem Katharerkonzil, das in Mirepoix stattfand, erneut für den Ausbau der Burg Montségur aus.

(Foto Olaf Jacobskötter, Katharertaube)

(Foto HLK 2009, Rathaus von Mirepoix)

Belissensohn – ein Ehrentitel?

Noch einmal zurück zu den Belissensöhnen, die noch heute ein Mysterium umgibt. Es heißt, sie stammten ursprünglich – wie Esclarmonde – aus dem (benachbarten) Grafengeschlecht Foix. Doch der Herr von Saissac, Erz-Katharer, Onkel und Vormund des Vizegrafen Trencavel von Carcassonne, galt ebenfalls als Belissensohn …

Nach einer zusammenhängenden, verifizierten Genealogie der Belissen-Adelslinie suche ich seit langem. Sie ist entweder verlorengegangen oder es scheint sie nie gegeben zu haben. Daher ist die Frage erlaubt, ob der Adelstitel “Belissensohn” nicht nur eine Art Auszeichnung war. Ein Ehrentitel für mutige Faidits wie Pierre-Roger von Mirepoix? Vielleicht dreht es sich aber auch nur schlicht darum, dass die Belissen-Familie die alte Manichäer-Lehre vom Licht in der Dunkelheit (Dualismus) bis in ihre Zeit hinein bewahrt hat.

Kein Wunder, dass sich die Esoteriker aller Länder seit langem leidenschaftlich mit den Belissen beschäftigen, ihnen allerlei Geheimbündeleien andichten und sie in den obersten Gralshimmel versetzen.

(HLK Mirepoix 2009, Sparrenköpfe am Haus des Konsuls)

(letztes Foto – in der Mitte der Heilige Mauritius)

Auf Seite 2 geht es weiter …

Ein ketzerisch` Lied?

Nicht nur die Trobadoure Südfrankreichs (Marcabru, Miraval, Vidal usw.) wurden im Hochmittelalter verdächtigt, insgeheim der katharischen Häresie anzuhängen – auch Walther von der Vogelweide, einer der bedeutendsten Minnesänger Deutschlands (um 1200), kam zumindest in den Geruch, ein “ketzerisch` Lied” zu singen.

(Abbildung Codex Manesse: “Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine …”)

Walther – der historisch in nur einer einzigen Urkunde fassbar ist (s. nächste Abbildung) -, war ein Mann, der sich nach eigener Aussage das “eindringliche Nachdenken, auf welche Weise man auf der Welt leben müsse”, nicht verbieten lassen wollte:

(Die einzige urkundliche Erwähnung des Sängers findet sich in den Reiserechnungen des Bischofs von Passau, Wolfger von Erla, 1m 12.11.1203: “Dem Sänger Walther von der Vogelweide für einen Pelzrock 5 Schillinge.)

Als Papst Innozenz III. (Lothar von Segni) im Jahr 1201 den Bann über Philipp von Schwaben aussprach, waren erste romkritische Töne ( “ze Rome” – damit  war natürlich Innozenz gemeint) aus des Sängers Mund zu hören.

(Philipp von Schwaben, von 1198 bis 1208 römisch-deutscher König)

Walther hielt den Bann für eine Fehlentscheidung und schrieb ironisch über den damals erst 38jährigen Papst:

“owê, der bâbest ist ze junc, hilf, hêrre, dîner cristenheit!”

(O weh, der Papst ist zu jung, hilf, Herr, Deiner Christenheit!)

“Wes Brot ich ess, des Lied ich sing” – kann man dem “höfischen” Dichter und Sänger  sicherlich zu Recht vorhalten, nachdem er – nach Aufenthalten bei verschiedenen deutschen Fürsten – nachweislich auch am Hofe des Staufers Philipps weilte. In eine “Hoffamilie” aufgenommen zu werden, bedeutete Ehre und Verpflichtung – das war bei den Troubadours des provenzalischen Südens nicht anders. Aber es bedeutete zugleich Sicherheit, Kleidung (Pelzrock!) und Auskommen:
Wie sehr sich Walther von der Vogelweide, der vermutlich nicht mit großen Reichtümern gesegnet war, freute, als er im Jahr 1220 von Friedrich II. das mehrmals erflehte Lehen erhielt, beweist folgender Lehensdank:

“Ich habe mein Lehen, hört es, ihr Leute alle, ich hab’ mein Lehen! Nun fürchte ich nicht mehr den Februarfrost an den Zehen und will in Zukunft die geizigen Herren nicht mehr anbetteln. Der edelmütige König, der großzügige König, hat so für mich gesorgt, dass ich im Sommer Kühlung und im Winter Wärme habe. Gleich erscheine ich auch meinen Nachbarn um manches vornehmer. Sie sehen mich nicht mehr wie vordem als Schreckgespenst an. Leider bin ich zu lange arm gewesen. Ich war so schmähsüchtig, dass mein Atem stank. Das alles hat der König wieder rein gemacht und meinen Sang dazu.”

Doch zurück in das Jahr 1212 …

Dass es sich bei Walthers Romkritik nicht nur um “Herrscherpreis” gegenüber seinem Gönner Philipp gehandelt hat, zeigen seine deutlichen Worte, die er im März 1212 auf dem Hoftag zu Frankfurt von sich gab, als es um den Bannspruch gegen Kaiser Otto (Otto IV.) ging. (Nach Philipps Ermordung, hatte sich Walther an Ottos Hof begeben.)

Die Vorgeschichte

Drei Jahre zuvor hatte Innozenz III. Ottos Krönung mit folgendem Segens- bzw. Fluchspruch bedacht:

´Wer immer Dich segnet, der sei gesegnet, wer immer Dir flucht, der sei verflucht mit der ganzen Härte des Fluchs.`

(Otto IV. und Papst Innocenz III. reichen sich vor den ankommenden Schiffen Friedrichs II. die Hände; Otto IV. war von 1209 bis 1218 römisch-deutscher Kaiser des Heiligen Römischen Reiches)

Der Fluch

Und nun “fluchte” Innozenz plötzlich Otto. Ein Grund für Walther von der Vogelweide “Tacheles zu reden”:
Er stellt den Papst bloß, erinnert ihn an seinen Segen und daran, dass die “Fluchformel” mit dem Bann Ottos auf Rom zurückfällt:

“Herre bâbest, ich mac wol genesen, wan ich wil iu gehôrsam wesen …”

Übersetzt: “Herr Papst, ich kann wohl selig werden, denn ich will Euch Gehorsam leisten. Wir hörten, wie Ihr der Christenheit aufgetragen habt, wie wir uns dem Kaiser gegenüber verhalten sollten, als Ihr ihm Gottes Segen gabt – dass wir ihn (nämlich) Herr heißen und vor ihm niederknien sollten. Auch dürft Ihr nicht vergessen, wie Ihr spracht: ´Wer immer Dich segnet, der sei gesegnet, wer immer Dir flucht, der sei verflucht mit der ganzen Härte des Fluchs.` Um Gottes willen, besinnt Euch dabei, wenn Euch das Ansehen der Kleriker irgend am Herzen liegt.”

(Allerdings erwähnt Walther von der Vogelweide in seinen Strophen nicht den Angriff Ottos auf Sizilien – den eigentlich Grund des Bannspruches.)

Der sog. “Unmutston”

Entwickelten sich die ersten “antipäpstlichen Äußerungen” des Sängers unter dem Schutz seiner Gönner und Mäzene (z.B. Ottentonstrophen), entstanden seine späteren papstkritischen Strophen (um 1213) im Rahmen des sog. “Unmutston” – der allgemeinen deutschen Papstkritik:

Theodor Nolte * schreibt hierzu:

“Erst in der Reformationszeit wird wieder in ähnlicher Schärfe an Papst und Kirche Kritik geübt (etwa bei Ulrich von Hutten).

Die “Opferstock-Strophen

Es entstehen die berühmten “Opferstock-Strophen” des Sängers, in denen es vorrangig um den Kreuzzugsaufruf des Papstes geht (Bulle Quia major, 1213). Innozenz hatte in diesem Zusammenhang die Aufstellung von Opferstöcken in allen größeren Kirchen zur Finanzierung der Kreuzzüge befohlen.

(Papst Innozenz III.)

“Das habe ich fein hingekriegt!”

Walthers Versuch, mit Worten und Gesang den Papst zu entlarven, d.h. seine wahren Motive (Bereicherung) aufzuzeigen, hörte sich folgendermaßen an.

Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet, swanne er sînen Walhen seit: ìch hânz alsô gemachet!`

(Ahiiii, wie christlich jetzt der Papst lacht, wenn er seinen Welschen sagt: ´Das habe ich fein hingekriegt!`…)

“Saget an, Herr Stock …”

In der zweiten Strophe spricht er den “Opferstock” persönlich an (Herr Stock):

Sagent an, her Stoc, hât iuch der bâbest her gesendet, daz ir in rîchet und uns Tiutschen ermet unde pfendet? Swenne im dui volle mâze kumt ze Latrân, so tuot er einen argen list, als er ê hât getân. Er seit uns danne, wie daz rîche stê verwarren, unz in erfüllent aber alle pfarren. Ich waene, des silbers wênig kumet ze helfe in gotes lant, grôzen hort zerteilet selten pfaffen hant.

Übersetzt: “Sagt an, Herr Stock, hat Euch der Papst hergeschickt, auf dass Ihr ihn reich macht und uns Deutsche arm macht und ausplündert? Wenn ihm die ganze Fülle in den Lateran gebracht worden ist, dann wird er zu einem schlimmen Trick greifen, wie er das schon früher getan hat. Er wird uns dann sagen, in welcher Unordnung sich das Reich befinde; so lange (wird er das tun), bis er sich abermals von allen Pfarreien anfüllen läst. Ich glaube, von dem Silber kommt kaum etwas der Hilfe für Gottes Land zugute. Die Hand der Pfaffen zerteilt höchst selten einen großen Schatz. Herr Stock, Ihr seid in schädlicher Absicht hergeschickt worden: um unter den deutschen Menschen Törinnen und Narren zu suchen.

Theodor Nolte* schreibt hierzu:

“Das ist jetzt keine kultivierte Hofpoesie mehr, vor einem erlauchten adligen Publikum und mit dessen gütiger Duldung vorgetragen. Das ist jetzt ein Gesang, dem man mit größerem Recht das Attribut des Politischen zuerkennen mag …”

Nur eine “zu lange Zunge”?

Walthers Opferstock-Strophen hatten ein Nachspiel:

Thomasin von Zirclaere (italienischer Adel) verfasste im Jahr 1216 ein langes Gegengedicht: 

“Wer da in seinem Übermut sagt, ihr Haupt sei nicht gut, tut der Christenheit große Schande an. Wer eine zu lange Zunge hat, dem gebe ich den Rat, er möge sie sich kürzen lassen!”

Niemals, so Thomasin, könne Walther von der Vogelweide den von ihm verursachten Schaden finanziell wiedergutmachen.

Oder doch ein Ketzer?

Thomasins nachfolgender Abschnitt bezieht sich auf die Ketzer (Waldenser und Katharer, die von Frankreich und Italien ausgehend, auch in Deutschland Fuß gefasst hatten) – und er rückt Walther von der Vogelweide deutlich in ihre Nähe, zumal einige Strophen des Sängers die Armutsbewegung der Waldenser (pauperes Christi) und ihre Kritik am Papsttum zum Inhalt haben.
Dafür, dass Walther von der Vogelweide tatsächlich einer dieser Häretikergruppen angehörte, gibt es jedoch keinen Beweis!

(Thomasin von Zirclaere: Seite aus “Der wälsche Gast” (Heidelberger Handschrift CPG 389, fol. 116r, Mitte 13. Jahrhundert)

Walthers Kritik jedoch (die Mutmaßung, dass Gelder veruntreut würden), stand indes nicht auf tönernen Füßen: Drei Jahre später schrieb der Abt des französischen Klosters Prémontré, Gervasius, einen Brief nach Rom, in dem er auf die Missstände unter denen, die das Kreuz genommen hätten, hinweist:

” … Es erklärten nämlich alle, dass denen, die das Kreuz zu nehmen beabsichtigt hätten, versprochen worden sei, das in den Opferstöcken oder auf andere Weise gesammelte Geld solle für die Ausgaben der ärmeren Kreuzfahrer verwendet werden. Das scheint nicht geschehen zu sein, deshalb bittet Gervasius den Papst, Ordinatoren einsetzen zu lassen, die, um einen Skandal zu vermeiden, das gesammelte Geld unter die mit dem Kreuz bezeichneten oder zu Bezeichnenden verteilen sollen.”

Kein Wunder, dass Innozenz III. im Jahr 1215 – auf dem berühmten IV. Laterankonzil – anordnete, dass Kleriker den Sängern, Vaganten und Spielleuten keine Aufmerksamkeit mehr schenken dürften … 🙂

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene Köppel

Quelle: “Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas, Stuttgart: Steiner, 2000.; Theodor Nolte: “Papst Innozenz III. und Walther von der Vogelweide”, Seiten 69 ff.

* Theodor Nolte ist Professor für Ältere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Passau.

Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch:Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
oder aber in meinen Historischen Romanen