MIREPOIX – die Stadt der Belisama

Hinter dem Wort Mirepoix verbirgt sich nicht nur eine Art “Röstgemüse (s. Ende des Beitrags)”, sondern vor allem eine kleine pittoreske Stadt in Südwestfrankreich, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.  (Departement Ariège, Region Midi-Pyrénées, ca. 3000 Einwohner).

Mittelalter pur. Betritt man die Altstadt, ziehen die malerischen, oft vorkragenden Fachwerkhäuser, aber vor allem die Holzarkaden und Lauben sofort alle Blicke auf sich. Rings um den Place Géneral Leclerc kann man es sich unter ihrem Schatten gutgehen lassen, einen Café trinken, ein Glas Rosé oder Blanquette aus Limoux … Mirepoix ist ein Wohlfühlort, aber es gibt dort auch einiges zu entdecken.

Wenn Sie Lust auf eine Reise in die Vergangenheit haben, dann folgen Sie mir bitte:

Mirepoix (Mirapiscem = Sieh den Fisch) trägt einen goldenen Fisch im Wappen, darüber drei geheimnisvolle Sterne, die auf vorchristliche Traditionen zurückgehen, in der Mirepoix von den Römern “Stadt des Lichts” genannt wurde.

Im Hochmittelalter beherbergte Mirepoix viele Katharer, darunter zwei der berühmt-berüchtigten Belissensöhne, nämlich Peire-Roger von Mirepoix (der Ältere und sein gleichnamiger Sohn, der Jüngere).  Sie waren die Herren der Stadt und bewohnten eine Burg, die – Der Turm – hieß. Auf ihrem Wappen befanden sich Fisch, Turm und Mondsichel.

Was hat es nun mit den Sternen und der Mondsichel auf sich?  Eine Hommage an die Mondgöttin Belissena (die keltiberische Astarte), als deren Abkömmlinge sich die Belissensöhne angeblich sahen?

Astarte mit der Mondsichel gilt als Vorläuferin von Maria, der Mutter Gottes. Als Stella Maris wird Maria ebenfalls mit Sternen abgebildet und balanciert oft auf der Mondsichel (nächstes Foto, Notre Dame, Paris). Im Gegensatz zu Astarte jedoch, die sich mit dem Mond krönt, tritt Maria die Mondsichel  – das Heidentum! – mit den Füßen und dokumentiert damit den Sieg über Astarte!

Dass sich hinter Belissena/Astarte die keltische Göttin Belisama verbirgt, liegt schon aufgrund der Namensähnlichkeit nahe. Belisama, die Gefährtin des Gottes Belenus (Abellio/der strahlende Apoll!), nannte man “die Strahlendeste, Leuchtendste”. Sie wurde mit der römischen Minerva gleichgesetzt und sowohl mit Licht  und Feuer, aber auch mit Seen und Flüssen (der Fisch!) in Verbindung gebracht.

Zu Belisama gibt es eine heiße Spur: Im Departement Ariège (wo auch Mirepoix liegt) entdeckte man eine lateinische Inschrift folgenden Inhalts:

Minervae Belisamae sacrum Q(uintus) Valeriu[s] Montan[us e]x v(oto) [s(uscepto)]

Keltischer Abellion:

Tatsächlich sind nicht wenige Orte in der Umgebung nach Belisama/Belenus benannt: Belesmes, Blesmes und Blismes; und man weiß heute auch, dass sich auf dem Gipfel des Pic du Saint-Barthélemy (der Tabor der Pyrenäen, in der Nähe des Montségur gelegen) ein Abeillo-Heiligtum befand, zu dem die alte Katharer-Straße führte.

Mirepoix und die Katharer …

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts waren die Herren von Mirepoix und die meisten ihrer 36 Mitherren entweder selbst Katharer oder Anhänger bzw. Beschützer dieser Häresie. In der Stadt Mirepoix existierten nachweislich 50 Katharer-Häuser, in denen Diakone und Parfaits ausgebildet wurden. Ein Diakon namens Mercier “hielt Hof”; ein anderer bat im Jahr 1204 den Burgherrn inständig darum, die Festung Montségur wiederherstellen zu lassen – was bemerkenswert ist, weil es um diese Zeit überhaupt noch keine gewaltsamen Übergriffe auf die Katharer gab. (Allerdings zogen bereits päpstliche Legaten durch die Lande, die kräftig Stimmung gegen die Katharer machten.) Unterstützung fand der Diakon bei Esclarmonde, der Vizegräfin von Foix, die 1204 das katharische Consolamentum erhielt, also in die Reihen der Perfekten aufgenommen worden war.  Zwei Jahre später – 1206 – sprach sich Esclarmonde auf einem Katharerkonzil, das in Mirepoix stattfand, erneut für den Ausbau der Burg Montségur aus.

(Foto Olaf Jacobskötter, Katharertaube)

(Foto HLK 2009, Rathaus von Mirepoix)

Belissensohn – ein Ehrentitel?

Noch einmal zurück zu den Belissensöhnen, die noch heute ein Mysterium umgibt. Es heißt, sie stammten ursprünglich – wie Esclarmonde – aus dem (benachbarten) Grafengeschlecht Foix. Doch der Herr von Saissac, Erz-Katharer, Onkel und Vormund des Vizegrafen Trencavel von Carcassonne, galt ebenfalls als Belissensohn …

Nach einer zusammenhängenden, verifizierten Genealogie der Belissen-Adelslinie suche ich seit langem. Sie ist entweder verlorengegangen oder es scheint sie nie gegeben zu haben. Daher ist die Frage erlaubt, ob der Adelstitel “Belissensohn” nicht nur eine Art Auszeichnung war. Ein Ehrentitel für mutige Faidits wie Pierre-Roger von Mirepoix? Vielleicht dreht es sich aber auch nur schlicht darum, dass die Belissen-Familie die alte Manichäer-Lehre vom Licht in der Dunkelheit (Dualismus) bis in ihre Zeit hinein bewahrt hat.

Kein Wunder, dass sich die Esoteriker aller Länder seit langem leidenschaftlich mit den Belissen beschäftigen, ihnen allerlei Geheimbündeleien andichten und sie in den obersten Gralshimmel versetzen.

(HLK Mirepoix 2009, Sparrenköpfe am Haus des Konsuls)

(letztes Foto – in der Mitte der Heilige Mauritius)

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Ein ketzerisch` Lied?

Nicht nur die Trobadoure Südfrankreichs (Marcabru, Miraval, Vidal usw.) wurden im Hochmittelalter verdächtigt, insgeheim der katharischen Häresie anzuhängen – auch Walther von der Vogelweide, einer der bedeutendsten Minnesänger Deutschlands (um 1200), kam zumindest in den Geruch, ein “ketzerisch` Lied” zu singen.

(Abbildung Codex Manesse: “Ich saz ûf eime steine und dahte bein mit beine …”)

Walther – der historisch in nur einer einzigen Urkunde fassbar ist (s. nächste Abbildung) -, war ein Mann, der sich nach eigener Aussage das “eindringliche Nachdenken, auf welche Weise man auf der Welt leben müsse”, nicht verbieten lassen wollte:

(Die einzige urkundliche Erwähnung des Sängers findet sich in den Reiserechnungen des Bischofs von Passau, Wolfger von Erla, 1m 12.11.1203: “Dem Sänger Walther von der Vogelweide für einen Pelzrock 5 Schillinge.)

Als Papst Innozenz III. (Lothar von Segni) im Jahr 1201 den Bann über Philipp von Schwaben aussprach, waren erste romkritische Töne ( “ze Rome” – damit  war natürlich Innozenz gemeint) aus des Sängers Mund zu hören.

(Philipp von Schwaben, von 1198 bis 1208 römisch-deutscher König)

Walther hielt den Bann für eine Fehlentscheidung und schrieb ironisch über den damals erst 38jährigen Papst:

“owê, der bâbest ist ze junc, hilf, hêrre, dîner cristenheit!”

(O weh, der Papst ist zu jung, hilf, Herr, Deiner Christenheit!)

“Wes Brot ich ess, des Lied ich sing” – kann man dem “höfischen” Dichter und Sänger  sicherlich zu Recht vorhalten, nachdem er – nach Aufenthalten bei verschiedenen deutschen Fürsten – nachweislich auch am Hofe des Staufers Philipps weilte. In eine “Hoffamilie” aufgenommen zu werden, bedeutete Ehre und Verpflichtung – das war bei den Troubadours des provenzalischen Südens nicht anders. Aber es bedeutete zugleich Sicherheit, Kleidung (Pelzrock!) und Auskommen:
Wie sehr sich Walther von der Vogelweide, der vermutlich nicht mit großen Reichtümern gesegnet war, freute, als er im Jahr 1220 von Friedrich II. das mehrmals erflehte Lehen erhielt, beweist folgender Lehensdank:

“Ich habe mein Lehen, hört es, ihr Leute alle, ich hab’ mein Lehen! Nun fürchte ich nicht mehr den Februarfrost an den Zehen und will in Zukunft die geizigen Herren nicht mehr anbetteln. Der edelmütige König, der großzügige König, hat so für mich gesorgt, dass ich im Sommer Kühlung und im Winter Wärme habe. Gleich erscheine ich auch meinen Nachbarn um manches vornehmer. Sie sehen mich nicht mehr wie vordem als Schreckgespenst an. Leider bin ich zu lange arm gewesen. Ich war so schmähsüchtig, dass mein Atem stank. Das alles hat der König wieder rein gemacht und meinen Sang dazu.”

Doch zurück in das Jahr 1212 …

Dass es sich bei Walthers Romkritik nicht nur um “Herrscherpreis” gegenüber seinem Gönner Philipp gehandelt hat, zeigen seine deutlichen Worte, die er im März 1212 auf dem Hoftag zu Frankfurt von sich gab, als es um den Bannspruch gegen Kaiser Otto (Otto IV.) ging. (Nach Philipps Ermordung, hatte sich Walther an Ottos Hof begeben.)

Die Vorgeschichte

Drei Jahre zuvor hatte Innozenz III. Ottos Krönung mit folgendem Segens- bzw. Fluchspruch bedacht:

´Wer immer Dich segnet, der sei gesegnet, wer immer Dir flucht, der sei verflucht mit der ganzen Härte des Fluchs.`

(Otto IV. und Papst Innocenz III. reichen sich vor den ankommenden Schiffen Friedrichs II. die Hände; Otto IV. war von 1209 bis 1218 römisch-deutscher Kaiser des Heiligen Römischen Reiches)

Der Fluch

Und nun “fluchte” Innozenz plötzlich Otto. Ein Grund für Walther von der Vogelweide “Tacheles zu reden”:
Er stellt den Papst bloß, erinnert ihn an seinen Segen und daran, dass die “Fluchformel” mit dem Bann Ottos auf Rom zurückfällt:

“Herre bâbest, ich mac wol genesen, wan ich wil iu gehôrsam wesen …”

Übersetzt: “Herr Papst, ich kann wohl selig werden, denn ich will Euch Gehorsam leisten. Wir hörten, wie Ihr der Christenheit aufgetragen habt, wie wir uns dem Kaiser gegenüber verhalten sollten, als Ihr ihm Gottes Segen gabt – dass wir ihn (nämlich) Herr heißen und vor ihm niederknien sollten. Auch dürft Ihr nicht vergessen, wie Ihr spracht: ´Wer immer Dich segnet, der sei gesegnet, wer immer Dir flucht, der sei verflucht mit der ganzen Härte des Fluchs.` Um Gottes willen, besinnt Euch dabei, wenn Euch das Ansehen der Kleriker irgend am Herzen liegt.”

(Allerdings erwähnt Walther von der Vogelweide in seinen Strophen nicht den Angriff Ottos auf Sizilien – den eigentlich Grund des Bannspruches.)

Der sog. “Unmutston”

Entwickelten sich die ersten “antipäpstlichen Äußerungen” des Sängers unter dem Schutz seiner Gönner und Mäzene (z.B. Ottentonstrophen), entstanden seine späteren papstkritischen Strophen (um 1213) im Rahmen des sog. “Unmutston” – der allgemeinen deutschen Papstkritik:

Theodor Nolte * schreibt hierzu:

“Erst in der Reformationszeit wird wieder in ähnlicher Schärfe an Papst und Kirche Kritik geübt (etwa bei Ulrich von Hutten).

Die “Opferstock-Strophen

Es entstehen die berühmten “Opferstock-Strophen” des Sängers, in denen es vorrangig um den Kreuzzugsaufruf des Papstes geht (Bulle Quia major, 1213). Innozenz hatte in diesem Zusammenhang die Aufstellung von Opferstöcken in allen größeren Kirchen zur Finanzierung der Kreuzzüge befohlen.

(Papst Innozenz III.)

“Das habe ich fein hingekriegt!”

Walthers Versuch, mit Worten und Gesang den Papst zu entlarven, d.h. seine wahren Motive (Bereicherung) aufzuzeigen, hörte sich folgendermaßen an.

Ahî, wie kristenlîche nû der bâbest lachet, swanne er sînen Walhen seit: ìch hânz alsô gemachet!`

(Ahiiii, wie christlich jetzt der Papst lacht, wenn er seinen Welschen sagt: ´Das habe ich fein hingekriegt!`…)

“Saget an, Herr Stock …”

In der zweiten Strophe spricht er den “Opferstock” persönlich an (Herr Stock):

Sagent an, her Stoc, hât iuch der bâbest her gesendet, daz ir in rîchet und uns Tiutschen ermet unde pfendet? Swenne im dui volle mâze kumt ze Latrân, so tuot er einen argen list, als er ê hât getân. Er seit uns danne, wie daz rîche stê verwarren, unz in erfüllent aber alle pfarren. Ich waene, des silbers wênig kumet ze helfe in gotes lant, grôzen hort zerteilet selten pfaffen hant.

Übersetzt: “Sagt an, Herr Stock, hat Euch der Papst hergeschickt, auf dass Ihr ihn reich macht und uns Deutsche arm macht und ausplündert? Wenn ihm die ganze Fülle in den Lateran gebracht worden ist, dann wird er zu einem schlimmen Trick greifen, wie er das schon früher getan hat. Er wird uns dann sagen, in welcher Unordnung sich das Reich befinde; so lange (wird er das tun), bis er sich abermals von allen Pfarreien anfüllen läst. Ich glaube, von dem Silber kommt kaum etwas der Hilfe für Gottes Land zugute. Die Hand der Pfaffen zerteilt höchst selten einen großen Schatz. Herr Stock, Ihr seid in schädlicher Absicht hergeschickt worden: um unter den deutschen Menschen Törinnen und Narren zu suchen.

Theodor Nolte* schreibt hierzu:

“Das ist jetzt keine kultivierte Hofpoesie mehr, vor einem erlauchten adligen Publikum und mit dessen gütiger Duldung vorgetragen. Das ist jetzt ein Gesang, dem man mit größerem Recht das Attribut des Politischen zuerkennen mag …”

Nur eine “zu lange Zunge”?

Walthers Opferstock-Strophen hatten ein Nachspiel:

Thomasin von Zirclaere (italienischer Adel) verfasste im Jahr 1216 ein langes Gegengedicht: 

“Wer da in seinem Übermut sagt, ihr Haupt sei nicht gut, tut der Christenheit große Schande an. Wer eine zu lange Zunge hat, dem gebe ich den Rat, er möge sie sich kürzen lassen!”

Niemals, so Thomasin, könne Walther von der Vogelweide den von ihm verursachten Schaden finanziell wiedergutmachen.

Oder doch ein Ketzer?

Thomasins nachfolgender Abschnitt bezieht sich auf die Ketzer (Waldenser und Katharer, die von Frankreich und Italien ausgehend, auch in Deutschland Fuß gefasst hatten) – und er rückt Walther von der Vogelweide deutlich in ihre Nähe, zumal einige Strophen des Sängers die Armutsbewegung der Waldenser (pauperes Christi) und ihre Kritik am Papsttum zum Inhalt haben.
Dafür, dass Walther von der Vogelweide tatsächlich einer dieser Häretikergruppen angehörte, gibt es jedoch keinen Beweis!

(Thomasin von Zirclaere: Seite aus “Der wälsche Gast” (Heidelberger Handschrift CPG 389, fol. 116r, Mitte 13. Jahrhundert)

Walthers Kritik jedoch (die Mutmaßung, dass Gelder veruntreut würden), stand indes nicht auf tönernen Füßen: Drei Jahre später schrieb der Abt des französischen Klosters Prémontré, Gervasius, einen Brief nach Rom, in dem er auf die Missstände unter denen, die das Kreuz genommen hätten, hinweist:

” … Es erklärten nämlich alle, dass denen, die das Kreuz zu nehmen beabsichtigt hätten, versprochen worden sei, das in den Opferstöcken oder auf andere Weise gesammelte Geld solle für die Ausgaben der ärmeren Kreuzfahrer verwendet werden. Das scheint nicht geschehen zu sein, deshalb bittet Gervasius den Papst, Ordinatoren einsetzen zu lassen, die, um einen Skandal zu vermeiden, das gesammelte Geld unter die mit dem Kreuz bezeichneten oder zu Bezeichnenden verteilen sollen.”

Kein Wunder, dass Innozenz III. im Jahr 1215 – auf dem berühmten IV. Laterankonzil – anordnete, dass Kleriker den Sängern, Vaganten und Spielleuten keine Aufmerksamkeit mehr schenken dürften … 🙂

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene Köppel

Quelle: “Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas, Stuttgart: Steiner, 2000.; Theodor Nolte: “Papst Innozenz III. und Walther von der Vogelweide”, Seiten 69 ff.

* Theodor Nolte ist Professor für Ältere Deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Passau.

Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch:Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
oder aber in meinen Historischen Romanen

Galamus-Schlucht und ein heidnisches Rätsel

Die Galamus-Schlucht – oder das große Zittern!

Ein Wohnwagen sollte einem besser nicht entgegenkommen, wenn man sich mit dem PKW durch die Galamus-Schlucht wagt – eine der atemberaubendsten Schluchten Frankreichs!

Die überaus kurven- und felsenreiche Passage,  die ein spanischer Bauunternehmer, namens Ventura, gemeinsam mit seinen fünf Arbeitern gebaut hat  (mit Spitzhacke und Schaufel und reichlich Dynamit), erstreckt sich zwar “nur” über zwei Kilometer, ist aber nichts für empfindliche Mägen oder schwache Nerven. Zwar gibt es einige Ausweichbuchten, wenden oder zurückfahren ist jedoch nicht möglich.

Eine Passage lohnt sich dennoch, egal in welche Richtung, und am besten natürlich zu Fuß – wie einst die Katharer! Die Galamusschlucht liegt nämlich in der Nähe ihrer Fluchtburgen und damit im Herzen der Corbières, einer der schönsten und geheimnisvollsten Gegenden Südfrankreichs (Departements Aude und Pyrénées Orientales).

(Foto Michael Meurer)

Die gesamte Region rings um die Galamus-Schlucht ist heute ein Naturpark.

(Foto Michael Meurer)

Wer sich virtuell auf den Weg durch die Galamus-Schlucht machen möchte – der kleine you-Tube-Film meines Freundes Michael Meurer (dankeschön!) macht es möglich.

Voila …
//www.youtube.com/watch?v=VG0GrYIvHbE
//www.youtube.com/watch?v=VG0GrYIvHbE

Wie entstand eigentlich diese Schlucht? Schuld daran trägt der Agly, ein wilder Fluss, der – vom Pic Bugarach herkommend – tiefe Auswaschungen in den oft schneeweißen Stein gegraben hat. Heute fließt er am Grund der Schlucht und kann mit dem Kanu befahren werden, wenn man waghalsig genug für diesen Sport ist.

(Foto Michael Meurer)

Bekannt ist die Galamus-Schlucht aber nicht nur aufgrund gelegentlichen Zitterns und Zagens bei der Durchfahrt – die Besorgnis, ein Wohnwagen könnte einem begegnen, ist tatsächlich nicht unbegründet, aber es ging alles gut aus! -:

Es gibt dort noch eine weitere Sehenswürdigkeit:

EIN HEIDNISCHES RÄTSEL 

in der Höhlenkapelle der altehrwürdigen Eremitage von Saint-Antoine (7. Jahrhundert):

Die Eremitage wird von Pilgern vor allem am Ostermontag aufgesucht. Die Legende besagt,  ein Troubadour namens Jehan Cantalauze, sei der erste Eremit gewesen. Man rief ihn auch Gadamus – was “lasst uns freuen” bedeutet.

Aus Gadamus wurde irgendwann Galamus …

(Foto Michael Meurer)

(Foto Jürg Caluori)

Weitere Eremiten folgten seinem Beispiel und zogen sich bis an ihr Lebensende in diese Einsiedelei zurück.

Nachfolgend einige Aufnahmen aus dem Inneren des Heiligtums, die mir Freunde zur Verfügung gestellt haben:

(Fotos: Jürg Caluori)

(Foto Olaf Jacobskötter)

(Foto Olaf Jacobskötter)

Die Grotte Saint-Madeleine –  ist sie ein vorchristliches Brunnenheiligtum? Vieles spricht dafür.

In dieser Grotte steht eine wirklich außergewöhnliche Maria Magdalena mit hoher Symbolkraft, denn sie sieht mit verbundenen Augen in den Spiegel … (Die römisch-katholische Männerkirche hat Maria Magdalena jahrhundertelang als Hure verunglimpft  – doch vielleicht hatte sie nur die Kraft, mit dem Herzen zu sehen.)

Wo sich ein altes Brunnenheiligtum mit dem Magdalenenkult verbindet – ist eine Schwarze Madonna (Romanische Sitzmadonna) nicht weit!  Im Gegensatz zur Muttergottes, die hinter oder über ihr steht (Maria trägt vorschriftsmäßig weiß und marienblau!) ist die Romanische Madonna in ein (heute verbotenes!) rotes Gewand gekleidet –  eine Hommage an die Göttinnen der Vorzeit?

(Fotos Jürg Caluori)

Und nun zum heidnischen Rätsel – dem sog. “Magischen Quadrat”: SATOR-AREPO-TENET-OPERA-ROTAS – Wörter, die sowohl horizontal als auch vertikal, vorwärts und rückwärts gelesen werden können. Man nennt es ein “vierfaches Palindrom”. Dieses Quadrat, das man bereits in Pompeii fand, soll magische Eigenschaften besitzen und vor Seuchen und Unheil schützen.

Unwillkürlich fragt man sich dennoch, was das Quadrat ausgerechnet in einer katholischen Kapelle zu suchen hat.

Sator soll Sämann bedeuten …  Auch Jesus wird als Sämann bezeichnet. Ist es die Abbildung seines Hauptes, die über dem Rätsel wacht? Schmückt man deshalb diesen Ort noch heute täglich mit frischen Blumen?

Vielleicht hätte der alte Eremit Saint-Antoine mehr darüber gewusst, doch der schweigt für immer – hier liegt er begraben:

(Fotos Jürg Caluori)

Ein letztes Landschaftsfoto, ganz in der Nähe aufgenommen: Im Hintergrund ragt der markante Wohnbergfried der Burg Queribus in den Himmel. Diese Burg war eine der letzten Zufluchtsstätten der Katharer.  Im Jahr 1020 zum ersten Mal erwähnt, wurde dass Bollwerk gegen Ende des 13. Jahrhunderts – zusammen mit den Burgen Peyrepertuse, Puilaurens, Aguilar und Termes – zu einer der sog. Fünf Söhne von Carcassonne (königliche Festungen, die die Grenze zwischen Frankreich und Spanien schützen sollten).

Die Burg ist für Besichtigungen geöffnet; der Aufstieg über Trampelpfad und steile Treppe ist bei starkem Wind jedoch nicht ungefährlich.

(Fotos HLK – sowie Michael Meurer, Olaf Jacobskötter und Jürg Caluori – mit bestem Dank für die Zurverfügungstellung!)

Viel Spaß bei der Zitterpartie durch die Galamus-Schlucht!

Helene L. Köppel

My fantasy is my castle!