Limoux – Die Madonna ohne Kopf

Das Schicksal der “netten Marceillerin” mit dem verschmitzten Lächeln …

Im Sommer 2006 führte mich meine Recherchereise in eine alte, sonderbare Kathedrale in der Nähe von Limoux (Aude, Südfrankreich), von der ich u.a. wusste, dass im Mittelalter (13. Jh) sogar Frauen katharischen Glaubens regelmäßig hierher pilgerten.

In diesem Beitrag geht es speziell um sie – um die berühmte Schwarze Madonna von Marceille, die so nett lächelte. Eine erste Beschreibung fand ich bei Ean Begg (Die Unheilige Jungfrau), Bad Münstereifel 1989:

“Notre-Dame de Marceille. Statue aus hartem schwarzen Holz, 11./12. Jh. Der Reliquienschrein, auf einem Hügel außerhalb des Ortes, ist seit 1011 bekannt und seit 1380 als Wallfahrtsort bezeugt. Liegt in nur 18 km Entfernung von Rennes-le-Château, seit der Ermordung von Dagobert II. Zufluchtsort und Zentrum der merowingischen Blutlinie und damit verbundener Geheimnisse.
Die Schwarze Madonna heilt Blinde. Viele Exvotos, darunter Stücke von Brautschleiern.”

In meinem Roman “Die Affäre Calas” (E-book “Die Affäre C.), der zwei Jahre später erschien, schildere ich eine Begegnung meiner Protagonistin Sandrine (Ich-Erzählerin) und ihrer Freunde mit dieser außergewöhnlichen Madonna:

“Als wir das nördliche Querschiff betraten, ging plötzlich das Licht an. Wir rissen die Augen auf: Gold blitzte uns entgegen, Gold wohin man nur sah. Hinter einem kunstvoll geschmiedeten Gitter und einer dicken Glasscheibe saß die Schwarze Madonna …”

´Die hat ja ein helles Kind`, brach es aus Steffi hervor. Sie steckte die Kerze zu einem guten Dutzend anderer, die dort brannten, und stieg die Stufe hoch, um die Madonna näher zu betrachten. ´Überrascht?`, fragte Sokrates. ´Das Dunkel und das Licht. In der Nacht, als Salomon mit der Königin von Saba seinen Sohn Menelik zeugte, sah er im Traum eine hell scheinende Sonne, ein heiliges Licht aus dem Himmel kommen …`

Dieser Mann hatte eindeutig seinen Beruf verfehlt, er hätte Prediger werden sollen …

´Weiß man denn, woher diese Madonna ursprünglich kommt?`

´Ein Bauer hat sie beim Pflügen gefunden. Er nahm sie mit in seine Hütte, am nächsten Morgen war sie verschwunden. Da lief er auf den Acker zurück und fand sie erneut an Ort und Stelle, so dass die Leute beschlossen, dort eine Kathedrale zu bauen. So erzählt es die Legende. Wie es genau war, weiß ich nicht.`

Dass Sokrates einmal zugab, etwas nicht zu wissen, erfreute mich regelrecht! Als er mir Platz machte, stieg ich hoch, um durch das Gitter hindurch ein Foto zu schießen. Ich bin schwarz, aber schön – Tochter von Jerusalem, ging es mir durch den Kopf. Ein bisschen konnte ich verstehen, weshalb die Weißen Büßer sie verehrt hatten …”

(Alle Fotos HLK, 2006)

Ein Jahr nach meinem Besuch in der Kathedrale Notre-Dame de Marceille (mozarabischer Baustil) erreichte mich eine schlimme Nachricht, die mich betroffen und wütend zugleich machte:

VANDALISMUS!

In der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober 2007 – also noch vor dem Erscheinen meines Romans – hatten Vandalen der “netten Marceillerin” den Kopf abgeschlagen und entwendet. Auch ihr goldener Mantel wurde gestohlen. Einzig das Jesus-Kind auf ihrem Arm blieb verschont.

 

Eine Parallele zum in der Nähe gelegenen Ort Rennes-le-Château, wo ein Verrückter Jahre zuvor dem Teufel des Priesters Saunière den Kopf abschlug?

Leider weiß ich nicht mehr, wer die Aufnahme, die offenbar kurz nach dem Attentat auf die Madonna entstand, gemacht hat. Das Foto war vermutlich auf der Seite des Autors Philipp Coppens (+2012) abgedruckt, der seinerzeit schrieb, dass die Statue durch ein elektrisches Alarmsystem geschützt gewesen sei, dieses jedoch in den Wochen zuvor nicht funktioniert hätte. Schon zweimal, so Coppens, einmal während der Französischen Revolution und einmal in den 1980er Jahren, sei die Madonna gestohlen worden. Bei einem Antiquitätenhändler sei sie Monate später wieder aufgetaucht.

ENDE GUT – alles gut?

Die nette MARCEILLERIN hat natürlich längst einen neuen Kopf erhalten – doch dieser hat mich enttäuscht:

(Foto I. u. W. Dill, München – mit bestem Dank!)

Das verschmitzte Lächeln ist verschwunden – wie auch das kleine Loch auf ihrer Nase.

Schade …

Weitere magische Geschichten über Limoux? 

Die Mönche der Abtei Saint-Hilaire und die Blanquette de Limoux

Limoux (Aude) – und die rätselhafte Kapelle der Augustiner

 

Und der Größte unter ihnen war der Hund …

Die Baumeister aus dem Mittelalter

Noch immer umgibt die Baumeister aus dem Hochmittelalter – vor allem diejenigen, die die neue Kunst des Kathedralbaus beherrschten – eine geheimnisvolle Aura. Ich bin ihnen seit Jahren auf der Spur, fotografiere ihre persönlichen Zeichen, die manchmal Runen ähneln oder eben Freimaurer-Symbolen, wie zum Beispiel in der Kirche von Orcival (Auvergne).

Goethe schreibt über die Baumeister aus dem Mittelalter:

Ihre großen Vorteile: durch geheime Zeichen und Sprüche sich den ihrigen kenntlich zu machen … organisiert denke man sich eine unzählbare Menschenmasse durch alle Grade der Geschicklichkeit dem Meister an die Hand gehend, durch Religion begeistert, durch Kunst belebt, durch Sitte gebändigt; dann fängt man an zu begreifen, wie so ungeheure Werke konzipiert, unternommen und, wo nicht vollendet, doch immer weiter als denkbar geführt worden…”
(Über Kunst und Altertum in den Rhein- und Maingegenden)

Das verborgene Wissen der Baumeister

steckt ganz sicher auch in der Symbolkraft ihrer Arbeit und ihrer Werkzeuge z.B. Zirkel, Senklot, Richtscheit, Wasserwaage, Winkelmaß.

(Baumeister aus dem Mittelalter mit Phrygischer Mütze, Holzschnitt von Jost Amann)

In der gotischen Ritterkapelle von Haßfurt (1431 – 1465 + spätere Renovierungen) habe ich auf dem Fenster hinter dem Altar einen solchen Baumeister entdeckt: 

Nikolaus, so sein Name, misst mit der rechten Hand den Winkel (oder handelt es sich um den geheimen Lehrlingsgruß?), mit der linken hält er das Senklot. Sein persönliches Zeichen (schwarz auf gelbem Grund) befindet sich etwas unterhalb auf dem grauen Baumeisterschurz (?).

Je nach dem Grad seiner Weihen wurde ein sog. Dévorant (ein Mitglied der jeweiligen Baumeisterbruderschaft (wie z.B. die Kinder Salomos) FUCHS, WOLF oder HUND genannt, wobei es heißt, der HUND sei der Baumeister mit der größten Würde gewesen.

Der französische Autor Gérard de Sède (1921-2004) schreibt darüber, dass der Eingeweihte des ersten Grades FUCHS  hieß, der des zweiten Grades WOLF, aber nur derjenige, der nach fünf Jahren Probezeit sein Meisterstück vollendet hätte, würde auch die Weihen des dritten Grades erreichen und HUND genannt werden.

Dass ich in der Ritterkapelle tatsächlich auf einen solchen HUND traf, hoch oben im Konsolenbereich, hat mich dennoch überrascht.
Er ist so schwarz wie das Wams und der Hut des Baumeisters, der einen Ehrenplatz auf dem Kirchenfenster der Ritterkapelle zu Haßfurt erhielt.

Aber gab es denn in Haßfurt überhaupt eine Baumeister-Zunft in dieser Zeit?

Das, was Dr. Jürgen Lenssen, Domkapitular in Würzburg, in der kleinen Broschüre über die Ritterkapelle zu Haßfurt schreibt, deutet für mich stark auf eine solche Bruderschaft hin:

“An der Stelle der ehemaligen Pfarrkirche von Haßfurt errichtete die 1402 vom Stadtpfarrer Johann Ambundi und dem Ritter Dietrich Fuchs von Wallburg gegründete Bruderschaft von Klerikern und Laien eine Marienkapelle, deren Chor 1431 begonnen und 1465 geweiht wurde.”

Zwei Legenden um die Baumeisterwürden

FUCHS, WOLF und HUND

Der Sage nach soll ja der Teufel selbst den Kölner Dom entworfen haben – die Glocken jedoch seien unter seiner Anweisung in der Gießerei eines mysteriösen Schmiedes namens WOLF gegossen worden.
Die Chansons de gestes (11.-13. Jh) hingegen erzählen eine etwas andere Version, in der die Erbauer des Kölner Doms einen Helden (?) namens Renaud (FUCHS) töteten.
Ein weiterer Baumeister – dieses Mal mit dem Namen WOLF,  wird wiederum mit dem Bau der Gruft Karls des Großen in Aachen in Zusammenhang gebracht.

In Haßfurt gibt es viele Baumeisterzeichen …

Der Grüne Mann von Hassfurt

Drei Köpfe, darunter ein sog. “Grüner Mann” (heidnisches Fruchtbarkeitssymbol). Leider sind die grünen Blätter irgendwann übermalt worden. Auch hier hat sich wieder ein Baumeister “verewigt” (unterhalb des steinernen Zierrats):

Auf dem Foto oben gibt es gleich zwei Baumeisterzeichen zu bewundern. Über dem Kamel sinnigerweise eines in Pyramidenform.

***

Abschließend noch ein Foto vom gotischen Altar und dem dahinter liegenden farbigen Kirchenfenster, auf dem sich – direkt neben dem Kopf der Gottesmutter – Nikolaus, der HUND befindet, der Baumeister mit der größten Würde … 

  • Ein letztes Wort:

    Mittelalterliche Baumeister verzierten ihr wichtigstes Instrument, den Zirkel, gerne mit dem Wahlspruch:
    DIRIGO ET DIRIGOR – Ich lenke und werde gelenkt.
     

    In bedeutenden Kathedralen – wie zum Beispiel in Chartres (Nordfrankreich) war es oft der Bischof selbst, der mitunter den “HUND” gab und den Baufortschritt mit Zirkel und Argus-Augen überwachte – hier ein Fenster der Krypta, das Bischof Fulbertus von Chartres (925 – 1028) mit dem Stechzirkel zeigt:

(Empfehlenswerte, anschauliche Lektüre: “Was ist Gotik”, von Günther Binding; “Die Zeit der Kathedralen”, von Georges Duby; “Die Geheimnisse der Kathedrale von Chartres”, von Louis Charpentier; u. a.)

Alle Fotos von HLK, 2009, 2012 bzw. 2013)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Helene L. Köppel

 

NEU: Web-Glossar zu meinen Historischen Romanen

EIN KLEINER SERVICE für meine Leserinnen und Leser! 

(Auch zum Ausdruck geeignet!)

Unabhängig vom jeweiligen Romananhang stelle ich auch hier ab sofort ein Glossar zur Verfügung, Es handelt sich um Erklärungen und Übersetzungen aus dem Lateinischen, Französischen und Okzitanischen.

ERKLÄRUNGEN

ALFAMA – heißes Bad, Dampfbad im maurischen Spanien.

ALPHABETUM KALDEORUM – bekannt Geheimschrift aus dem Mittelalter. Kaldeorum/Chaldäer.

ANATHEMA – Kirchenbann, die traditionelle Reaktion der Kirche auf Häresie nach der Exkommunikation.

AVERROISTEN – Der Averroismus entwickelte sich in Paris um 1250. Seine führenden Vertreter Siger von Brabant und Johannes von Jandun übernahmen Averroes` Lehren von der Ewigkeit der Welt und der einen, allen gemeinsamen Vernunft, was u.a. bedeutet, dass die Vorstellungen der Religion nur allegorische Verhüllungen der reinen philosophischen Wahrheit sind.

BIBLISCHER GARTEN – Ideengeber war der Biblische Garten der Martinskirche in Billigheim.

BRUCHE – (BROUCH, BRAIS) – Schamhose

CAGOTEN – verachtete Pyrenäenpopulation, im Hochmittelalter als “Crestians” bekannt.

CAMELOT – (deutsch Cemeltaft) Stoff aus Wolle und Seide.

CANONES – kirchliche Synodalbeschlüsse

CORPORIS – des Körpers (corpus – corporis)

CAVALLER – Chevallier, Ritter (span.)

CORTAL – einfache Schäferhütte, Verschlag

DANTE ALIGHIERI – 1265 in Florenz – 1321 in Ravenna, Autor der “Divina Commedia”, einer Art Vision, die das Leben der Seelen nach dem Tod in drei Reichen des Jenseits schildert. Hat die Feierlichkeiten anlässlich des Jubeljahres 1300 in Rom miterlebt (Die Hölle, 18. Gesang, 28-33). Wie die Katharer erbitterter Feind von Papst Bonifatius VIII.

DAVIDSTERN – benannt nach König David, Hexagramm, bereits im Alten Orient bezeugt, Bedeutung als magisches Zeichen in der Alchemie und Kabbala. Bezeichnung stammt aus einer mittelalterlichen Legende; später religiöse Bedeutung als Symbol des Judentums und des Volkes Israel.

FARANDOLE – provencalischer Schlängelreigen

FLOIRE UND BLANCHEFLOR – altprovencalischer Liebesroman, Auseinandersetzung Orient-Okzident, erfreute sich bis ins 16. Jh in ganz Europa großer Beliebtheit.

GOUFE – Kopfbedeckung, die unter Helmen getragen wird.

DAS JUBELJAHR 1300 – nach dem Vorbild des alttestamentarischen “Jobeljahres” rief Bonifatius VIII. das Jahr 1300 zum Jubeljahr aus (das neue Jahr begann damals am Weihnachtstag, nicht am 1. Januar). Vollkommener Ablass aller Sünden (Bedingung: Beichte, Kommunion und Besuch der beiden Apostelgräber und zwar Einheimische dreißigmal an 30 verschiedenen Tagen, Fremde fünfzehnmal an 15 verschiedenen Tagen); gewaltige Pilgerströme aus aller Welt.

JUDE APELLA – Credat ludaeus Apella, non ego – “Das soll der Jude Apella glauben, ich nicht! (Horaz) Redewendung. Hintergrund dieses Ausrufs war ein Gerücht, es gebe in Apulien eine Weihestätte, wo sich Weihrauch ohne Feuer verzehre (Hubertus Kudla, Lexikon der latein. Zitate, München, 2007, S. 199).

KATHARER – bedeutende dualistische Ketzerbewegung im 12. und 13. Jahrhundert, hauptsächlich im Süden Frankreichs, aber auch in der Lombardei, in Flandern und in Deutschland (Köln). Nach neuesten Schätzungen zählte eine halbe Million Gläubige zu ihren Anhängern. Enge Übereinstimmung in der Lehre mit den bogomilischen Kirchen in Bulgarien, gemäßigte und (ab 1167) auch radikale Richtung (Zwei-Götter-Dogma); bewusst einfaches und gewaltloses Leben der Perfekten und Bischöfe. Dreiteilung der Katharischen Kirche in Gemeinde-Perfekt-Bischof. Den Katharern schlossen sich große Teile des okzitanischen Adels an (vor allem Frauen von gesellschaftlichem Rang). Albigenserkreuzzug (1209-1229), später Verfolgung durch die Inquisition, womit die Beherrschung Okzitaniens durch die Krone Frankreichs eingeleitet wurde. Trotz blutiger Verfolgung konnten die Katharer sich bis ins 14. Jh halten.

KOMPLET – Stundengebet im Kloster

LEGENDE DER DREI TORE – geht auf die Plünderung des Jerusalemer Tempelschatzes durch die Römer am Ende des Jüdischens Krieges (66-70 n. Chr.) zurück. Nach der Eroberung Roms durch die Westgoten (410) wurde, nach Prokop von Cäsarea, ein Teil dieses Schatzes in die Gegend von Carcassonne gebracht.

MAGI – biblische magi, die Weisen aus dem Morgenland

MANICHÄER – Der Perser Mani (215-274) stiftete – orientiert an den alten persischen Vorstellungen Zoroasters – eine gnostisch verstandene Religion (ausgeprägter Dualismus), die von der christlichen Kirche hart bekämpft wurde. Manichäische Gemeinden hielten sich jedoch bis ins Mittelalter.

MISELSUCHT – Aussatz, Lepra, im Mittelalter weit verbreitet. Gewöhnlich wurde ein Verdacht auf Lepra erst durch Gerüchte oder eine Anzeige des Nachbarn bekannt. Der Beschuldigte musste sich einer Untersuchungskommission stellen, die im Mittelalter aus dem Bischof, einem Geistlichen, einem bereits Erkrankten und einem Arzt bestand. Anzeigen wegen Lepra wurden im Mittelalter manchmal benutzt, um jemanden zu diskreditieren oder eine geschäftliche Konkurrenz auszuschalten.

OKZITANISCHE SPRACHE – im Mittelalter roman genannt, um sie vom Lateinischen und der Sprache der Nordfranzosen frances zu unterscheiden; wurde durch die Troubadoure des 12. und 13. Jh verbreitet. Dante bezeichnete sie als Lingua d `oco. Sie ist mehr mit dem Katalanischen und Italienischen verwandt als mit dem Französischen. Katalanisch und das mittelalterliche Okzitan sind fast identisch.

PATARENER ODER ALBIGENSER – andere Bezeichnung der Katharer. Bis 1167 befand sich in Albi der einzige katharische Bischofssitz in Südfrankreich, daher nahm man fälschlicherweise an, dass hier auch die Zentralgewalt der katharischen Kirche ihren Sitz hatte.

PARATGE – abstrakter Begriff, in okzitanischen Quellen genannt; Bedeutung: Ehre und Achtung vor der Gleichheit der Seelen. Menschen verschiedenen Standes können eine vergleichbare Ehre und Würde aufweisen (keine Gleichberechtigung im heutigen Sinn!)

PLURALIS MAJESTATIS – die Bezeichnung der eigenen Person im Plural als Ausdruck der Macht.

POMPONIUS MELA – Geograph der Römer (um 40 n. Chr.) hochgeschätzt, beschreibt in seinen Aufzeichnungen eine Schiffsreise durch das “mare nostrum”, das Mittelmeer.

PURGATORIUM – Reinigungsort, Fegefeuer.

SE CANTA – auch bekannt als Se Chanto oder Aqueras Montanhas, altes okzitanisches Lied (später Protestlied gegen die Vernachlässigung der Region); vermutlich von Gaston III. Febus (1331-1391) geschrieben, möglicherweise älter.

SKELETTFUND AUF DÉROUCA – bezieht sich auf den Roman “Alix – Das Schicksalsrad”

DAS THOMAS-EVANGELIUM – 1945 von ägyptischen Bauern in einem Tonkrug bei Nag Hammadi wiederentdeckt, ist eine Sammlung von 114 Aussprüchen Jesu, die auf schriftliche und mündliche Quellen kurz nach der Kreuzigung zurückgehen sollen. Erste Erwähnung durch Origines 233. Die in Ägypten gefundene Handschrift in koptischer Sprache wird auf das Jahr 400 datiert. Der ursprüngliche griechische Text ist verschollen. Ob der Jünger Thomas der Autor ist, ist nicht gesichert. Die Öffentlichkeit erhielt erst 1975 Zugang zur gesamten Textsammlung. Inzwischen in mehrere Sprachen übersetzt. Es gibt deutliche Hinweise auf den Gebrauch des Thomas-Evangeliums bei den Katharern, z.B. heißt es im berühmten katharischen Gebet “… ihr treulosen Pharisäer, die ihr an den Toren des Königreichs steht und verhindert, dass diejenigen, die eintreten möchten, es tun …” Dazu der 39. Logus des Thomas-Evangeliums: “Die Pharisäer und Schriftgelehrten haben die Schlüssel zur Erkenntnis erhalten, und sie haben sie versteckt. Sie sind auch nicht eingetreten, und die, die eintreten wollten, haben sie nicht eintreten lassen.”

THERIAK – spielte von der Römerzeit bis ins 19. Jh eine wichtige Rolle nicht nur als Arzneimittel, sondern auch als Droge (pflanzliche und tierische Wirkstoffe, Saft aus der Mohnkapsel). Im Mittelalter hatte Theriak den Ruf eines Allheil- und Wundermittels.

TOLLKISTEN – Geisteskranke wurden im Mittelalter vielfach in der Familie versorgt; die Obrigkeit sperrte sie jedoch oft in Türme oder in sog. “Tollkisten” (Dordenkisten), die vor den Mauern der Städte standen.

WALDENSER – christliche Laienprediger-Bewegung, gegründet von Petrus Waldes (gest. um 1217), einem reichen Kaufmann aus Lyon, der sein Hab und Gut verschenkte. Das Glaubensbekenntnis der Waldenser wich nicht annähernd so wesentlich vom katholischen ab wie das katharische.

WUNDERBEZEUGUNGEN – Die im Roman geschilderten Wunder (Kreuze in Toulouse, Staubteufel etc.) werden in der Historia Albigensis erwähnt.

ZINDELTAFT – sehr leichter Taft.

JERUSALEMSPEISE – mittelalterliches Fastengericht, z.B. Barsch in Mandelmilch und Zucker.

ÜBERSETZUNGEN (französisch, latein, oktizanisch usw.)

A lor! – Schlachtruf: “Für Euch!” (oc)

Alors – in der Bedeutung von “nun” (fr.)

As armas, chivaler! – zu den Waffen, Ritter (oc)

Au nome de Jésu-Christ – im Namenvon J.Chr. (fr.) okzitan. Schreibweise: Jhésu Crist

Audiartz/Audiart – Auditor/ Jünger, Schüler (lat)

Be siatz vos vengutz! – Herzlich willkommen (oc)

Bels fraire – lieber Bruder (oc)

Beth! – schön (oc)

Bien parlez – gut gesprochen (oc)

Desponsatio – im Roman “Verlobung” (lat)

Dieus aiuda – Gott möge helfen (oc)

Druerie – Galanterie, Spaß an der Liebe (altfranz.)

Ecclesiasticus – liber ecclesiasticus – das Buch Jesus Sirach (latinis. griechisch)

El nom del Payre e del Filh e del Sant Esperit – Im Namen d. Vaters u. d. Sohnes/oc)

Escoutatz – Hört! (oc)

Fatum – Schicksal (lat)

Filh de putan – Hurensohn (oc)

Frérèche – Verbrüderung (oc)

Foutredieu – Schimpfwort (Foutredieu de Bordel de merde) (fr)

Hélas – Ach! (oc, fr)

Ho! Hisse! – Hau-Ruck! (fr)

Hidalgo – niederer, spanischer Adel

Hyle – Materie (griech.)

Indult – Gnadenerweis (lat)

Juvenil – jugendlich (lat)

Kypros – Zypern

Lectio divina – Lesung heiliger Schriften (lat)

Litterae – Buchstaben (lat)

Ma Dame (oc) – Madame (fr) – Anrede

Mare de Deu – Mutter Gottes (oc)

Mère folle – Narrenmutter (fr)

Non possumus – “wir können nicht”, Weigerungsformel der röm. Kurie der weltlichen Macht gegenüber (lat)

Nunc est bibendum – Jetzt lasst uns trinken! (lat)

Òc – ja (oc)

Oculus Dei – das am Himmel stehende göttliche Auge (lat)

Outremer – von outre mer – jenseits des Meeres, gemeint sind die Kreuzfahrerstaaten (fr/oc)

Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten (lat)

Per exemplum – zum Beispiel (lat)

Puèg – Pog – Gipfel (oc)

Per la Verges Maria maire – Bei der jungfräulichen Mutter Maria (oc)

Putain de merde – schlimmes Schimpfwort (fr)

Que Dieus et Dreitz governa – Gott und Recht regieren (oc)

Racaille – Gesindel (fr)

Sénher / Senhors – Anrede Herr / Herren (oc)

Signa – Signum – Zeichen (lat)

Superbia, Avaritia, Gula, Luxuria – Hochmut, Habsucht, Völlerei, Wolllust (4 Todsünden)

Ta gueule! – Halts Maul! (fr)

Tue, tue! – Schlachtruf der Franzosen beim Kampf um Toulouse, von “tuer” – töten, schlachten. (fr)

Zulp – Schnuller (alte deutsche Bezeichnung)

Zur Geschichte Okzitaniens führt dieser Link:  KATHARER

 

 

 

WELTUNTERGANG am 21. Dezember?

Oder: DER GEHEIMNISVOLLE BERG BUGARACH

Wenn man den alten Maya-Kalender so interpretiert, wie das einige Leute tun, wird es (Anfang Dezember 2012) wohl langsam Zeit, den Weinkeller zu entstauben. Muss ja nicht gleich ein “Château Mouton Bestlage” sein, mit dem man sich über die letzte Stunde hinwegrettet, ein guter, bodenständiger Landwein tut’ s zur Not auch.

Ich selbst glaub natürlich nicht dran – an den Weltuntergang, meine ich. Iwo!

On va voir sagt der Franzose, man wird sehen! Faszinierend finde ich allerdings, dass gerade jener Berg von der Apokalypse verschont bleiben soll, der es mir seit langem angetan hat. Nein, ich meine jetzt nicht den Montségur – der von seiner Bedeutung her tatsächlich mit einer “Bestlage” verglichen werden kann -, ich meine den eher “bodenständigen” BUGARACH.

Aber ist er das wirklich? Bodenständig? On va voir …

(Foto HLK 2008, Bugarach + Wolken-Ufo)

Der Pic de Bugarach liegt In Südwestfrankreich, Departement Aude, Region Languedoc-Roussillon, genauer – im Bergland der wunderschönen Corbières. Mit seinen 1230 m ist er die höchste Erhebung dieses Landstrichs. Und – er hat tausend Gesichter! (s. nächstes Foto)

(Foto HLK Bugarach, 2009)

Stichtag “Weltuntergang”

Die am Fuß des Berges liegende gleichnamige Ortschaft Bugarach hat ungefähr 200 Einwohner. Und diese sind derzeit (Stand Dez. 2012) – verständlicherweise – not amused!
Sie rechnen – Zeitungsberichten zufolge – mit Zigtausenden Endzeitjüngern und Neugierigen, die dort pünktlich zum Stichtag “Weltuntergang” einfallen werden. Alle Zimmer sind ausgebucht und rund um den Berg haben die Sicherheitskräfte weiträumige Sperrungen angekündigt.

Also nicht traurig sein, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie kein Zimmer mehr bekommen – ab in den häuslichen Weinkeller, Sie wissen schon … :-), dann noch ein spannendes Buch, und es kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?

Dennoch stellt sich die Frage, was treibt all diese Leute an, die gerade ihre Koffer und Rucksäcke zu packen? Die Angst? Der Herdentrieb? Die Gaudi? Die Hoffnung auf Erlösung? Auf ein besseres Leben in einer anderen Dimension? Ritterromantik? Teufel, Tod und Drachen?

Berg auf Berg ab
Berg auf und Berg ab und Tal aus und Tal ein,
Es reiten die Ritter. Ta! Ta!
Und bläuen sich Beulen und hacken sich klein.
Es fliegen die Splitter. Ta! Ta!
Ein Ritter, auf seiner Prinzessin Geheiß,
Beut Drachen und Teufeln den Krieg.
Dara ta!
Wir schonen das Blut und wir sparen den Schweiß,
Gewinne auf ander und andere Weis
Im Feld und der Liebe den Sieg.
Dara ta!

Johann Wolfgang von Goethe

Ta Ta! Dara ta!

Aber was hat der BUGARACH damit zu tun? 

Die Geschichten, die sich um diesen Berg ranken, sind wirklich SEHR ALT –  und mehr als “abgehoben”. Da fliegen in der Tat die Splitter! 🙂 🙂 🙂

Stairway to heaven Es heißt, der markante Bugarach mit seinen steilen Flanken ähnele vom Aussehen her dem biblischen Berg Sinai, auf dem Gott zu Moses hinabstieg, um den Menschen seine Gebote zu überreichen. Allerdings ist die genaue Lage des biblischen Sinai-Berges gar nicht bekannt. Dennoch: Zumindest ähnelt der Berg, den man heute für den Sinai-Berg hält, stark dem Bugarach.

Ufo-Station … Auf dem BUGARACH soll sich ein Stützpunkt außerirdischer Mächte befinden. Werden die Aliens tatsächlich rechtzeitig am 21. Dezember eintreffen, um ihre gläubigen Jünger vor dem Weltuntergang zu retten? Es soll in der Vergangenheit zahlreiche Ufo-Sichtungen gegeben haben – ich selbst kann mit dem unwiderlegbaren Beweis aufwarten, dass sie ihre Raumschiffe überaus raffiniert hinter Wolken verstecken – s. mein Foto von 2009, ein Schnappschuss, der mir von Rennes-le-Château aus gelang. 🙂 🙂 🙂

Tor in eine andere Dimension?  Sprung im Raum-Zeit-Gefüge? Feen und Wichte? Karneval der Müller? Magische Hutmacher?

Zahlreiche Legenden um den Bugarach berichten auch von Feen und äußerst tüchtigen Zwergen – worunter auch die Wichte Bug und Arach zählen, die man in dieser Gegend verehrt haben soll.  Dann gibt es noch die Story von den 13 (!) ehemaligen Tempelrittern, die angeblich auf dem Bugarach spurlos verschwanden … vermutlich in eine andere Dimension – mit dem Gral im Reisegepäck!

L’Affaire de Bettex:  Angeblich spurlos verschwunden ist bis heute ein Schweizer namens Bettex, der Ende des 20. Jahrhunderts in den Ruinen des alten Châteaus von Bugarach eine Inschrift entdeckte. Der Mann nahm Verbindung zu dem berühmten Katharerforscher Deodat Roché auf und machte sich anschließend, im verzweigten Höhlensystem des Bugarachs, auf die Suche nach der verschollenen Bundeslade.

Überliefert sind auch sonderbare Karnevalsbräuche – Los Fecos genannt –, die von den Müllern der Gegend ausgingen und den Hutmachern von Bugarach  – die auf schwarze Melonenhüte spezialisiert waren. Die Müller und Hutmacher galten als die Hüter einer sehr alten Tradition. Noch heute wird der Fasching drei ganze Monate lang gefeiert. Die alten Rituale wurden jedoch von der Kirche verboten.

Die Sache mit dem Karneval hat mich immer interessiert, doch über die Gründe des Verbots hüllt man sich vor Ort in Schweigen. Bei Emmanuel Le Roy Ladurie wurde ich schließlich fündig. In seinem Buch Karneval in Romans heißt es unter dem Stichwort “Limoux” (dieser Ort liegt ganz in der Nähe vom Buchgarach):

 

“Vom 16. bis 20. Jh. hat der Karneval des Languedoc (Montpellier, Limoux), ganz wie der römische, in völligem Einklang mit dem damaligen Katholizismus, die unglücklichen Juden oder Marranen der Gegend verspottet .

 

Logisch, dass da keiner drüber reden will.

(Fotos HLK, Limoux)

Natürlich darf auch Jules Vernes in dieser kuriosen Aufzählung nicht vergessen werden: Der berühmte französische Schriftsteller (1828-1905) gab dem Protagonisten seines 1896 erschienenen Romans “Clovis Dardentor” den Namen “Käpt`n Bugarach”.

Aber nun zu den FAKTEN
– und die haben tatsächlich mit dem Mittelalter (s. Goethe) und hier vor allem mit den KATHARERN zu tun!

BUGARACH und der Sentier Cathar: Einer der berühmten Katharer-Wege führte am Bugarach vorbei. Noch Ende des 13. Jahrhunderts, also lange nach dem Albigenserkreuzzug, gab es in dieser einsamen Gegend Katharer.

BUGARACH – Bougres: Bougres war einer der Schimpfnamen für die Katharer. (Die Katharer in Südfrankreich haben sich 1176 glaubensmäßig an die bulgarischen Bogomilen (Bougres) angeschlossen, s. auch meine Ausführungen unter Katharer.

BUGARACH – Nid d`Aigle: Die Katharer nannten den Bugarach Nid d`Aigle – Adlernest. Bis heute unvergessen ist der freche Ausspruch des berühmt-berüchtigten Katharer-Perfekten Pierre Authié: Der Leib Christi müsse längst von den (katholischen) Priestern aufgegessen sein – und wäre er so hoch wie der Nid d`Aigle!”

BUGARACH und der Montségur: Nach einer unbestätigten Quelle soll der Montségur (der heilige Berg der Katharer) auf den BUGARACH ausgerichtet gewesen sein; d.h. am Tag der Sommersonnenwende hätte – vom Montségur aus gesehen – das erste Sonnenlicht den Gipfel des Bugarach gestreift, bevor es in eine bestimmte Schießscharte des Donjons auf dem Montségur fiel.

(Foto HLK, Montségur)

BUGARACH und Saint-Polycarpe: Im 9. Jh gehörte der Ort Bugarach zur nahegelegenen Abtei Saint-Polycarpe. Hier soll es ein altes Oppidum aus vorrömischer Zeit gegeben haben. Ein römisches Aquädukt existiert noch heute. (s. nächstes Foto)

(Foto HLK, 2008) Saint-Polycarpe und das römische Aquädukt)

Das Böse verbarg sich hinter einer Maske …

Aus:
“Die Affäre C.” (Thriller) von Helene Luise Köppel

“Als Henri gegen zweiundzwanzig Uhr zurückkam, war er gut aufgelegt. Er müsse allerdings morgen beizeiten aus den Federn, meinte er, um mit Sokrates nach Limoux zu fahren. Das kam mir sehr gelegen, denn der versprochene Besuch bei Marceau hatte mir bereits Kopfzerbrechen bereitet. Ich sagte es schon: die halben Lügen!

Henri ging unter die Dusche, sang dabei aus voller Kehle Sous le vent von Celine Dion, während ich es mir im Bett gemütlich machte. Als er aus dem Bad kam, die Haut noch feucht vom Duschen, tranken wir ein Glas Landwein (aus der Gegend um den Agly – Charlottes Weinkeller barg wahre Schätze) – und aßen Käse und Baguette dazu, bis das ganze Bett voller Brösel war. Dann liebten wir uns leidenschaftlich und völlig ungeachtet der Krümel und der kleinen Heimlichkeiten, die wir voreinander hatten. Steffi, aber vor allem Sam und die Pflicht waren weit weg, und es war mir unbegreiflich, dass ich noch vor einer Woche unter der Trennung von meinem Mann gelitten hatte … Das Telefon läutete. Als ich mich meldete, wurde aufgelegt. Das dritte Mal an diesem Tag! Wirklich ärgerlich! Aber solche Anrufe hatte es auch in Nürnberg oft gegeben, bis Ramon dafür gesorgt hatte, dass sie zurückverfolgt wurden.

Später, als wir zärtlich Rücken an Rücken beieinander lagen, um endlich zu schlafen, sagte mein Geliebter aus heiterem Himmel: „Sandrine, hast du Lust über Ostern ans Meer zu fahren?

Ich lachte auf. „Ans Meer? Wie kommst du jetzt darauf … oha!“ Ich drehte mich zu ihm um und schüttelte ihn sanft: „Ja, natürlich … ich weiß, was du im Schilde führst: Abbé Maury! Dir spuken die Sanch-Bruderschaften und ihre Prozessionen im Kopf herum, die Weißen Büßer!“ Ich knipste noch einmal die Lampe an und setze mich auf.


„Ja, ich muss sie mir einfach ansehen“, sagte er. „Weißt du, ich werde eine Reportage über das Renouveau der frommen Bußbrüderschaften schreiben, keine Angst, nicht über den Fall Calas. Das überlasse ich dir. Doch für mein Vorhaben brauche ich aktuelle Fotos, und das gewisse Feeling … Du weißt schon … aber ich …“ Henri schwieg und sah zur Decke.
“Was ist los? Was hast du?”
Er bohrte mit der Zunge in seiner Wange herum, dann sah er mich wieder an und lächelte ein wenig traurig. „Ich will dir nichts vormachen, Sandrine, mir fehlt es am Geld. Ich habe ein klassisches Henne-Ei-Problem: ohne Geld keine ordentlichen Recherchen, ohne Recherchen keine sauberen Artikel, ohne Artikel kein Geld. Die Verlage weigern sich, freien Mitarbeitern wie mir Vorschüsse zu zahlen. Obendrein ist Collioure nicht gerade billig. Glaub mir … es ist mir mehr als peinlich, dich anzupumpen, gerade jetzt, wo wir … wo wir uns lieben. Meinst du, du könntest mir etwas vorstrecken? Sobald ich den Artikel verkauft habe, bekommst du das Geld zurück. Großes Ehrenwort.“

Er sagte tatsächlich … lieben! „Das geht schon in Ordnung“, beruhigte ich ihn. „Ich mach dir einen Vorschlag. Ich gebe dir gleich morgen einen Vorschuss von … nun sagen wir, zweitausend Euro. Ich freu mich auf Collioure. Allerdings muss ich am Dienstag nach Ostern nach Nürnberg fahren, um dort bestimmte Dinge zu erledigen.“

 

Da Henri nicht weiter nachfragte (was ich ihm hoch anrechnete), beugte ich mich zu ihm hinüber und küsste seine nackten Schultern – noch heute träume ich von ihnen –, und er genoss sichtlich meine Zärtlichkeit, sah mich aber dennoch nachdenklich an. „Glaub mir, ich nehme dein Geld nur äußerst ungern …“, sagte er leise und in seinen Augen stand Stolz. „Es ist beschämend für mich.“

„Ja, ja, ich weiß“, sagte ich und legte ihm meinen Zeigefinger auf den Mund. „Doch weshalb sollen für einen Liebhaber andere Maßstäbe gelten als für einen guten Freund?“

Dass Voltaires Pergamente und der Hinweis des Priesters Maury auf die Büßer von Collioure zum Auslöser all der schrecklichen Ereignisse werden sollten, die wenig später auf uns einstürmten, ahnte ich in dieser wundervollen Nacht nicht, denn sonst hätte ich die eiserne Kassette mitsamt Inhalt nach Castelnaudary zurückgebracht und sie eigenhändig wieder in Charlottes Keller eingemauert. Doch ob ich damit das Sejanische Pferd hätte aufhalten können, wage ich zu bezweifeln.

Das Böse verbarg sich unter einer Maske.

 

Nägelkauendes Lesevergnügen wünscht

Helene Köppel

 

Saint-Genis-des-Fontaines

Der beschauliche Ort Saint Genis des Fontaines (2800 Einwohner) liegt ca. 17 Kilometer von Spanien entfernt, am Fuße der Albères-Berge –  also zwischen Pyrenäenausläufern und Meer (Côte Vermeille).

Die Kirche mit ihrem lombardischen Turm, ist absolut sehenswert. Sie gehört zu einer vor dem Jahr 819 gegründeten ehemaligen Benediktinerabtei. Der Neubau wurde im Jahr 1153 eingeweiht.

Mir kam es bei meinem ersten Besuch – bei dem es nicht blieb! – auf den berühmten “Türsturz” an, von dem ich gelesen hatte, und von dem es hieß, er sei der erste seiner Art in ganz Frankreich. Dieses Basrelief stellt tatsächlich die früheste plastische Darstellung romanischer Kunst dar. Es ist aus  Marmor, 2,40 m breit  und 0,75 m hoch.

Zum genaueren Betrachten des Türsturzes von Saint-Genis-des-Fontaines  eine  weitere Abbildung, die ich eingescannt habe (aus  Les Symboles, mémo gisserot, Editions Jean-Paul Gisserot, 2008):

In der Mitte (in einer Mandorla) ein segnender Christus – Majestas Domini -, flankiert vom griechischen Alpha und Omega und getragen von zwei Engeln. Seitlich je drei Apostel. Die Umrahmung: mozarabische Palmettenornamentik.

Im Juni 2013 hatte ich dann eine bessere Kamera dabei und versuchte selbst mein Glück:

Die Werkstatt dieses Türsturzes soll im spanischen Teil der Pyrenäen gelegen haben. Ähnliche, wenngleich jüngere Werke finden sich nämlich im benachbarten St. André, in Arles-sur-Tech und im ehemaligen Kloster zu Roda. (Beiträge zu St. André und Arles-sur-Tech folgen)

Die nachträglich (um das Jahr 1020) eingefügte Inschrift des Basreliefs lautet: ANNO VIDESIMO QUARTO REGNANTE ROTBERTO REGE WILLELMUS GRATIA DEI ABBA ISTA OPERA FIERI IUSSIT IN ONORE SCI GENESII CENOBII QUE VOCANT FONTANAS.

Übersetzt: “Im vierundzwanzigsten Jahr der Regentschaft des Königs Robert befahl Guillaume, Abt von Gottes Gnaden, dass dieses Werk geschaffen werde zu Ehren des heiligen Genis (Genesius), genannt “von den Quellen”.

(Gemeint ist der Kapetingerkönig Robert der Fromme; ein Gemälde, das ihn zeigt, hängt in der Bibliothèque nationale de Paris):

Die Epitaphe mit Inschriften neben dem Eingang zur Abteikirche Saint Genis …

Links vom Eingang zwei Epitaphe, zum einen zur Erinnerung an den verstorbenen Klosterbruder Berenguer (+ 1307) und seiner Schwester Mathia; zum anderen an einen gewissen Dulce de Mont-Roig (+1271)

Rechts zwei weitere Epitaphe, die an den Klosterbruder Miguel Mesner (+1307) erinnern und an Ramon de Pollestres.

Der heutige Kreuzgang stimmt mit dem, der im 13. Jahrhundert neu erbaut wurde, nur weitgehend überein, wie man gleich hören wird …

Im Jahr 1507 wurde das Kloster Saint-Genis dem Kloster Montserrat angeschlossen. Die letzten Mönche verließen es jedoch erst im 18. Jahrhundert, in den Jahren der französischen Revolution, worauf die ursprüngliche Abteikirche 1846 zur Gemeindekirche Saint-Michel wurde.

Jetzt zum Schicksal des Kreuzgangs:

Bis zum Jahr 1913 blieb der mittelalterliche Kreuzgang weitgehend erhalten, obwohl er unter zwei bis drei Besitzern aufgeteilt war, die darin Wohnungen eingerichtet hatten und Landwirtschaft betrieben. Dann jedoch begab er sich unfreiwillig auf Wanderschaft:

DIE dreiteilige ODYSEE des Kreuzgangs von Saint-Genis-des-Fontaines  

Teil I – auf hoher See

Erste Auflösungserscheinungen zeigten sich ab dem Jahr 1913: Das Brunnenbecken, das den Hof des Kreuzgangs zierte, wurde verkauft. Lange Zeit wusste man nicht, wohin, bis man es wiederentdeckte – und zwar im Kreuzgang von Saint-Michel de Cuxa, der – wie übrigens auch der Kreuzgang von Collioure – nach Amerika verkauft und dorthin verschifft worden war.

Teil II – aus eins mach zwei

Elf Jahre später, im Jahr 1924, erwarb der geschäftstüchtige Antiquitätenhändler Paul Gouvert den (brunnenlosen) Kreuzgang von Saint-Genis, um damit das Heim eines vermögenden Schlossbesitzers zu verschönern. Dabei brachte er das Kunststück fertig, aus dem einen Kreuzgang zwei kleinere zu machen. Das zweite Objekt ging an das  Philadelphia Museum of Art. Am Schluss des lukrativen Deals überließ Gouvert großmütig (und sich vermutlich die Hände reibend) zwei Arkaden dem Louvre.

Teil III  – die glückliche Rückkehr

Erst als sich der private Eigentümer im Jahr 1982 einverstanden erklärte, “seinen” Kreuzgang an den Staat zu verkaufen, kam der “Stein” (im wahrsten Sinne des Wortes) wieder ins Rollen. Bei den Demontagearbeiten entdeckte man auf den Steinen der Säulen bestimmte Setzvermerke, die die Echtheit des Kreuzgangs und seine Herkunft bestätigten. Ähnliche Vermerke befanden sich auch auf den beiden Arkaden im Louvre, die daraufhin ebenfalls demontiert und nach Saint-Genis zurückgebracht wurden. Kopiert wurden lediglich die in den USA befindlichen Teile. Die gesamte Restaurierung des Kreuzgangs von Saint Genis wurde erst 1994 abgeschlossen.

 Interessante Säulenkapitelle aus verschiedenfarbigem Marmor …

Der weiße Marmor kommt aus der Gegend von Ceret, der roséfarbene aus Villefranche de Conflent und der schwarze aus Baixas.

Nun einige Impressionen aus dem Inneren der Kirche:

  Eine der hochverehrten Monserrat-Madonnen:Wer sich hinter der nächsten Figur verbirgt, erschließ sich mir leider bis heute nicht …

Der Heilige Judas – in der Ecke stehend:

Mein Favorit in Saint-Genis ist eine mannshohe Schwarze Witwe (Nostra Senyora Dels Dolors – schmerzensreiche Jungfrau) – die schönste, die mir bislang in den Kirchen Südfrankreichs begegnete …

… thematisiert in “Die Affäre C.” (Thriller, E-book)

Auszug: “Sieh nur, Sandrine, die ersten Schwarzen Witwen”, raunte mir Henri unauffällig zu. Und tatsächlich: Wie von Zauberhand waren sie aufgetaucht, halbmannshohe Puppen in Trauer gekleidet, das Haupt verhüllt mit einer Spitzenmantille, sieben silberne Schwerter auf der Brust aufgenäht … “Nostra Senyora Dels Dolors. Unsere schmerzensreiche Frau … Vor einem Antiquitätengeschäft in der Rue St. Vincent stand eine besonders schöne Witwe, eingerahmt von zwei weißen Stehlampen und zusätzlich mit einem Spot in Szene gesetzt. Wir traten näher. Ein schmales, edles, sehr junges Gesicht unter der schwarzen Mantille, die Hände zum Gebet gefaltet, jedoch mit auffällig rot gefärbten Lippen. Vor ihr, auf einem schwarzen Polster liegend, der tote Jesus, ihr göttlicher Sohn. “Dass man die Muttergottes schminkt und als Witwe verkleidet, habe ich noch nirgends gesehen”, sagte ich. “Es handelt sich nicht um die Muttergottes, auch wenn man den Anschein erweckt.” Henri senkte seine Stimme. “In Wirklichkeit steht hier Maria Magdalena, die um ihren Gatten Jesus trauert. Der Tod eines Kindes macht schließlich keine Mutter zur Witwe!”

Hier eine Aufnahme vom Juni 2013:

Sie altert nicht, sie wird von Jahr zu Jahr schöner! 🙂

Um wen es sich bei der schönen Witwe von Saint-Genis mit den roten Lippen auch immer handelt – Maria Magdalena fand ich ganz in ihrer Nähe, und zwar auf einem Gemälde …

Und ein weiteres Mal auf einer Kreuzweg-Station:

Einer der Altäre – und nachstehend ein wunderschöner, alter Taufstein, natürlich romanisch, aus dem 12. Jahrhundert:


Noch eine letzte Anmerkung zu “Saint Genis” – es handelt sich um den Heiligen Genesius von Rom (um 305). Er war ein christlicher Märtyrer und galt als Patron der Schauspieler, Künstler, Tänzer und Spielleute. Deshalb wird er in der Kunst oft mit einem Saiteninstrument, mit einer Maske oder einem Taufstein dargestellt.