Scripta secreta – Geheime Schriften

Scripta secreta – Die Geheimen Schriften der Katharer

(Foto priv. HLK, St. Hilaire)

Unbarmherzig von der römischen Kirche verfolgt, umgibt die Katharer noch heute eine Aura des Geheimnisvollen. Jahrhundertelang wusste man über ihren Glauben nur das, was sich in den gut gehüteten Archiven der katholischen Kirche befand, was die Heilige Inquisition einst zu Papier gebracht hatte. Viele Bücher und Handschriften der Katharer waren mit ihnen dem Feuer übergeben worden.

Nachstehend die heute der Öffentlichkeit zur Verfügung stehenden Quellen (ohne Gewähr auf Vollständigkeit):

Es existieren zwei Sammlungen von Inquisitionsprotokollen aus dem 14. Jahrhundert:

1. Sammlung MS 4269 (Nationalbibliothek, Paris), sie beinhaltet Akten der Inquisition unter Geoffroy d`Ablis in Carcassonne.

2. Das Register MS 4030 (Bibliothek des Vatikans), die Aussagen der Bewohner Montaillous vor dem Inquisitor Jacques Fournier (späterer Papst Benedikt XII., Avignon). Ergänzt werden diese Akten durch die Sentences der Inquisition von Pamiers, die sich in der British Library unter der Registratur BM MS 4697 befinden und den Liber Sententiarum Inquisitionis Tholosanae 1307-1323 (im Anhang von Philipp Limborchs Historia Inquisitionis, 1692).

Die Sammlung Jean de Doat

3. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Bänden der Sammlung Jean de Doat *** (Natitonalbibliothek, Paris), mit Informationen über die Katharer. In Carcassonne kann man sich diese auf Mikrofilm zeigen lassen.

Drei katharische Bruchstücke

4. Es existieren noch drei katharische Bruchstüche: „Das Ritual von Lyon“ (romanisch, d.h. okzitanisch) „Das Geheime Mahl“ (das apokryphe Interrogatio Johannis, lateinisch) „Das Buch von den zwei Prinzipien“ (das erste authentische Selbstzeugnis der Katharer, das dem radikalen Katharer Jean de Lugio aus Bergamo zugeschrieben wird.

Predigten der Katharer

5.  Erhalten geblieben sind auch Texte von insgesamt vier größeren Katharer-Predigten, die um 1300 in Arques gehalten wurden.
Um einen Einblick in die Lehren der katharischen Kirche jener Zeit zu gewinnen, ein Beispiel daraus:

“Als Luzifer mit Gott im Streit …” (Predigt des Pierre Authiè, einst angesehener Notar zu Ax-le-Thermes, später berühmter Katharermissionar. Er stammte aus einer reichen Familie und hätte, so sagt man, eine umfangreiche Bibliothek besessen.)
Authiè berichtet, wie sich der Teufel, nachdem er tausend Jahre vor der Tür gewartet hatte, ins Paradies schlich und dort die Seelen verführte:
Wörtlich der Teufel:

Wenn ihr mir in meine Welt folgt, dann werde ich euch jedoch Besitz geben in Form von Feldern und Weingärten, Gold und Silber, Ehefrauen und anderen Gütern jener sichtbaren Welt“. Viele Geister – so Authié – hätten sich verleiten lassen und wären sodann neun Tage und neun Nächte lang wie starker Regen durch ein Loch aus dem Paradies gefallen.

Als der Vater sah, wie sich der Himmel leerte, erhob er sich von seinem Thron und stellte seinen Fuß auf das Loch. Zu den gefallenen Seelen sagte er: „Geht für jetzt.“
Damit hätte er jedoch die Tür für die Erlösung offen gehalten. Jeder Mensch würde gerettet werden, selbst die Bischöfe und Hohen Priester, die allerdings die Letzten sein würden. Als die Seelen auf der Erde angefangen hätten, über ihren Verlust zu trauern, hätte ihnen der Teufel zum Trost Hüllen angeboten, die sie die Glückseligkeit des Himmels vergessen ließen. So hätte der Teufel den menschlichen Körper geschaffen. Diese Körper waren jedoch unfähig, sich zu bewegen, wenn der himmlische Vater ihnen kein Leben einhauchte. Der Teufel bat den Vater, dies zu tun, und er tat es, unter der Bedingung, dass das, was er in den Körper gab, Sein war, während der Körper selbst dem Teufel gehörte.
So und nicht anders wäre, nach Authié, die Dichotomie (Anmerk. die Zweiteilung) von Körper und Seele entstanden, und die Seelen hätten in ihren Körpern vergessen, was sie im Himmel gehabt hätten. Niemand könne gerettet werden oder in den Himmel zurückkehren, der sich nicht den „guten Christen“ (Katharer) überantwortete, predigte Authié. Wer es nicht tat, dessen Seele wäre beim Tod gezwungen, in einen anderen Körper, sei es den eines Menschen oder Tieres, überzugehen. Diese Seelenwanderung würde so lange fortgesetzt, bis die Sünden des Körpers auf Erden getilgt seien.
(Quelle: FR, f 202, s.a. Réne Weis, Die Welt ist des Teufels, Seite 198)

 

6. In einer anderen Predigt sprach Pierre Authiè vom Unsinn der Wassertaufe (wörtlich „Mummenschanz“), bei der die Eltern im Namen eines ohnmächtigen Kindes Antwort gäben; er stellte sich entschieden gegen die Eucharistie und behauptete auch, die einzige sakramentale Ehe sei die Vereinigung der Seele mit Gott. Obendrein sei es keine Sünde, die Feiertage zu missachten, im Gegenteil sei es besser zu arbeiten, als dem Müßiggang zu frönen und zu schwatzen.

Die Evangelien und die Briefe des Heiligen Paulus

7. Vermerkt ist auch eine illustrierte Handschrift, „ein sehr schönes Buch mit erlesenen Bologneser Lettern, die in Blau und Zinnoberrot reich verziert waren, und das Buch enthielt die Evangelien in Okzitanisch und die Briefe des heiligen Paulus.“ (d`AR, f.64r)

8. Authié besaß eine Lederschatulle, die speziell für sein „Tröstungsbuch“, das Evangelium des Johannes, angefertigt worden war. (Jeder parfait trug dieses Evangelium ständig bei sich.)

Argumente für und wider

9. Die Inquisitionsakten erwähnen des weiteren ein Buch, das in Okzitanisch verfasst und in altes Pergament gebunden war und Argumente für und wider die katholische Religion und den Manichäismus (eine frühere dualistische Häresie), beinhaltete, der zufolge beide, Gott und Satan, ewige Mächte waren.

Briefe direkt aus dem Himmel stammend

10. Die Katharer hatten einen besonderen Sinn für Humor: Um im benachbarten Spanien ihre Lehre unter die Leute zu bringen, schrieben die dort ansässigen Katharer sogenannte „Himmelsbriefe“, Zettel mit katharischen Glaubenssätzen, die sie in den Pyrenäen an verschiedenen Orten niederlegten. Die dort herumziehenden Hirten, meist des Lesens unkundig, brachten diese Briefe zu den katholischen Priestern ins Tal, die erbost im Absender der ominösen Schreiben keinen Geringeren als „Jesus Christus“ erkannten. Doch die Katharer waren beileibe nicht die Erfinder dieser Briefe, zuvor hatten spanische Katholiken auf diese Weise an die Erfüllung der sonntäglichen Pflichten erinnert oder gar zum Kreuzzug gegen die Sarazenen aufgerufen.

Der Wissensgral der Katharer und ein apokrypher Jesus-Text

11. Der Wissensgral der Katharer und „Geheime Worte“: Nachdem sich ab dem Jahr 1232 fast die gesamte katharische Elite auf den Montségur zurückzog (darunter auch der berühmte Bischof Castres und 150 parfaits), befand sich dort wahrscheinlich auch ihr „Wissensgral“. Es kann als sicher angenommen werden, dass ihn die vier Katharer-Perfekten, die sich im März 1244 von einer Steilwand abseilten, im Gepäck hatten. Bei meinen Recherchen zu “Die Geheimen Worte” bzw. TB-Ausgabe “Das Gold von Carcassonne” habe ich bei Vergleichen festgestellt, dass sich unter den secretissimae der Katharer wohl auch ein apokrypher Jesus-Text befand. (Nachweis, s. Roman-Anhang Personen und Erklärungen)

Rixende: Die Geheimen Worte” – Leseprobe hier!

Die Historia Albigensis

12. Auffällig einseitig, d.h. nur aus der Sicht der römisch-katholischen Kirche, berichtet in der „Historia Albigensis“ als Zeitzeuge der Zisterziensermönch Pierre des Vaux-de-Cernay über den Albigenserkreuzzug:

(Im Bild der “Kölner-Mani-Kontext” aus dem 5. Jahrhundert. Die Manichäer gelten als Vorläufer der Katharer. – Quelle: Kölner Papyrus-Sammlung)

Empfohlene weiterführend Literatur zu den Katharern:

Aubarbier, Binet, Bouchard, „Liebenswertes Land der Katharer“, Edition Ouest-France, 1994

Benad, Matthias, Domus und Religion in Montaillou, Tübingen, 1990

Borst, Arno: Die Katharer, Freiburg, Basel, Wien, 1991,

Bejick, Ute: Die Katharerinnen, Freiburg, Basel, Wien, 1993,

Brenon, Anne: Des femmes cathares, Editions Perrin, 1992,

Chanson de la Croisade Albigeoise, Vorwort von Georges Duby, Librairie Génerale Française, 1989,

Dominé André: Roussillon, Badenweiler, 1992

Duvernoy Jean, Inquisition en Terre Cathare, Toulouse 1998

Lea Henry Charles: Geschichte der Inquisition im Mittelalter, Frankfurt, 1997

Le Roy Ladurie, Emmanuel, Montaillou, ein Dorf vor dem Inquisitor

Le Roy Ladurie, Emmanuel: Die Bauern des Languedoc, Stuttgart, 1983

Le Roy Ladurie, Emmanuel: Histoire du Languedoc, Paris, 1974

Lambert, M.: Geschichte der Katharer, Darmstadt, 2001

Meier, Frank: Aussenseiter im Mittelalter, Stuttgart, 2005,

Oberste, Jörg: Der Kreuzzug gegen die Albigenser, Darmstadt, 2003,

Oberste, Jörg: Zwischen Heiligkeit und Häresie, Köln, 2003

Roché, Deodat: Die Katharer-Bewegung, Stuttgart, 1992,

Reznikov Raimonde: Catharer et Templiers, Portet-sur-Garonne, 1993

Roquebert, Michel:
L`Épopée Cathare 1198-1212: L`invasion, Toulouse, 1970;
L`Épopée Cathare 1213-1216, Muret ou la dépossession, 1977;
L`Épopée Cathare 1216-1229, Le lys et la croix, 1986

Vaux-de-Cernay, Pierre: Kreuzzug gegen die Albigenser, die “Historia Albigensis” ins Deutsche übertragen von G.E. Sollbach.

Weis René, Die Welt ist des Teufels, Bergisch-Gladbach, 2003

Vogel, Christian: Die Bischöfe der Kirchenprovinz Narbonne zwischen Königtum und Papsttum während der Albigenserkriege 1179-1229, Magisterarbeit zur Erlangung des Grades Magister der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2002

Zeus, Marlies: Provence und Okzitanien im Mittelalter, Karlsruhe, 2007.

 

 *** Jean de Doat (17. Jh), Präsident der Chambre des comptes de Navarre, ließ auf Veranlassung Colberts systematisch notarielle und kirchliche Akten im Süden Frankreichs kopieren, die zuerst als “Fonds Doat” in die Königliche Bibliothek eingingen. Quelle: Balayé, 1988-91.

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Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch: Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
oder aber in meinen Historischen Romanen

2. Zeittafel zur Geschichte der Katharer

2. Zeittafel zur Geschichte der Häresie in Westeuropa
vom Jahr 1218 bis zum Jahr 1325

Im Foto die Katharerburg Puilaurens, die man aufgrund der Zinnen auch “Die Krone der Katharer” nennt:

1218 – Simon de Montfort wird bei der Belagerung von Toulouse getötet.
1219 – Kreuzzug des Prinzen Ludwig von Frankreich, Massaker von Marmande.
1220-1221 – Okzitanische Rückeroberung der Grafschaft Toulouse, Wiederherstellung der katharischen Kirche im Toulousain.
1221 – Dominikus stirbt. Raimond VI. stirbt.
1222-1249 – Raimond VII. Graf von Toulouse.
1223 – Rückeroberung von Carcassonne durch Raimond Trencavel, Wiederherstellung der katharischen Kirche in der Gegend von Carcassonne.
1224 – Amaury de Montfort wird besiegt, kehrt in die Ile-de-France zurück und tritt seine Rechte an die französische Krone ab.
1226 – Kreuzzug König Ludwigs VIII. Unterwerfung zahlreicher Vasallen Raimonds VII.
Katharerkonzil von Pieusse und Gründung des Bistums Razès.
Pierre Isarn, der Bischof des Bistums Carcassonne, stirbt in Caunes Minervois auf dem Scheiterhaufen.
Tod des Franz von Assisi.
1226-1270 – Ludwig IX. (der heilige Ludwig) König von Frankreich.
1227-1229 – Fehden von Cabaret und Limoux.
1227-1239 – Blutige vor-inquisitorische Mission Konrads von Marburg in Deutschland und Roberts le Bougre in Frankreich (Flandern, Burgund, Champagne).
1229 – Vertrag von Meaux-Paris. Ende des Kreuzzugs gegen die Albigenser.
Kapitulation Raimonds VII. Gründung der Universität von Toulouse, die den Dominikanern anvertraut wird, und Kodifizierung der antihäretischen Repression.
Carcassonne-Béziers und Beaucaire-Nïmes werden zu sénéchaussées der französischen Krone, d.h. ihrer direkten Verwaltung unterstellt.
Die katharischen Kirchen gehen in den Untergrund.
1232 – Auf Bitten Guilhaberts de Castres wird die Bergfestung Montségur “Kopf und Sitz” der verbotenen Kirche.
1233 – Gregor IX. setzt die Inquisition ein, die den Bettelorden anvertraut wird.
1234-1235 – Erhebungen gegen die Inquisition in Toulouse, Albi und Narbonne.
1239 – Am 13 Mai Scheiterhaufen auf dem Mont Aimé in der Champagne (180 Hingerichtete).
Vernichtung der katharischen Kirche in Frankreich.
1242 – Attentat von Avignonet gegen die Inquisition, ausgeführt von Rittern aus Montségur, Signal für den Eintritt Raimonds VII. in den Krieg. Landesweite Aufstände.
1243 – Die Verbündeten Raimonds VII. werden geschlagen. Vertrag von Lorris. Beginn der Belagerung des Montségur.
1244 – Am 16. März Scheiterhaufen von Montségur (225 Opfer). Ende der organisierten katharischen Kirchen in Okzitanien. Neukonstituierung einer Hierarchie im lombardischen Exil. Systematisierung der Inquisition, ausgehend von deren Zentren in Carcassonne, Albi und Toulouse.
1249 – 80 katharische Gläubige werden auf Befehl Raimonds VII. in Agen verbrannt.
Tod Raimonds VII. Sein Schwiegersohn Alphonse de Poitiers, Bruder Ludwigs IX., wird sein Nachfolger.
1255 – Chabert de Barbaira übergibt Quéribus, die letzte Festung, die noch von den Geächteten gehalten wird.
1258 – Vertrag von Corbeil, der die Grenze zwischen den Königreichen von Frankreich und Aragon festlegt.
1268 – Sieg der Guelfen über die Gibellinen: Die Inquisition erhält in Italien freie Hand.
1270 Tod Ludwigs IX.
1271 – Jeanne de Toulouse und Alphonse de Poitiers sterben.
Die Grafschaft Toulouse wird dem Reich des französischen Königs angegliedert.
1278 – Scheiterhaufen in der Arena von Verona (200 Hingerichtete).
Vernichtung der katharischen Kirchen in Italien.
1280-1285 – Regelwidriges Vorgehen der Inquisition in Carcassonne und Albi; Komplott gegen die Archive der Inquisition in Carcassonne.
1295 – Pierre und Guilhem Authié stoßen zur okzitanischen Kirche in Italien.
1300-1305 – Bernard Délicieux und das “Wüten von Carcassonne”.
1300-1310 – Die Brüder Authié versuchen, die katharische Kirche wieder zu beleben.
1303 – Geoffroy d’Ablis wird in Carcassonne zum Inquisitor ernannt.
1307 – Bernard Gui wird in Toulouse zum Inquisitor ernannt.
1309 – Jacques und Guilhem Authié, Arnaud Marty, Prades Tavernier, Amiel de Perles, Philippe de Talairac und Raimond Fabre werden gefangen genommen und verbrannt.
Guilhem Bélibaste flieht auf die andere Seite der Pyrenäen.
1310 – Pierre Authié wird zusammen mit 17 Rückfälligen in Toulouse verbrannt.
1315 bis etwa 1330 – Franziskanische Spirituale und Beginen werden im Languedoc den Flammen überantwortet.
1318-1325 – Inquisitionsfeldzug des Bischofs von Pamiers, Jacques Fournier.
1325 – Guilhem Bélibaste wird in Villerouge-Termenès auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

IN SIEBENHUNDERT JAHREN …

Guilhem Belibaste gilt als der “letzte Katharer” – sein Abgang auf dem Scheiterhaufen gilt als “spektakulär”, denn er erfand das Bonmot In siebenhundert Jahren wird der Lorbeer wieder ergrünen.
Belibaste war Perfekt, aber KEIN perfekter Katharer, denn er tötete jemanden im Streit (bevor er fromm wurde) und er liebte die Frauen (auch noch, nachdem er fromm geworden war).

Und warum ausgerechnet Lorbeer?
Der Lorbeer galt zum einen als Siegeszeichen und Unsterblichkeitssymbol. Lorbeerblätter wurden aber auch dem Sonnengott Apoll geweiht – und die Katharer verehrten als Dualisten ihren Gott des Lichtes.

Helene L. Köppel

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1. Zeittafel zur Geschichte der Katharer


(Foto Olaf Jacobskötter, Katharertaube in Minerve)

Katharer /Albigenser – bedeutende Ketzerbewegung im 12. und 13. Jahrhundert, hauptsächlich im Süden Frankreichs, aber auch in der Lombardei, in Flandern und in Deutschland (Köln).
Nach neuesten Schätzungen zählte eine halbe Million Gläubige zu ihren Anhängern. Enge Übereinstimmung in der Lehre mit den bogomilischen Kirchen in Bulgarien. Dreiteilung der Katharischen Kirche in Gemeinde – Parfait – Bischof. Trotz blutiger Verfolgung konnten sie sich in Südfrankreich bis ins 14. Jahrhundert halten.
Den Katharern/Albigensern schlossen sich große Teile des südfranzösischen Adels an. Seine Macht wurde nach dem Kreuzzugsaufruf von Papst Innozenz III. durch die Albigenserkriege (1209 – 1229) gebrochen und damit die Beherrschung Okzitaniens durch die Krone Frankreichs eingeleitet.

Kreuzzugsaufruf Innozenz` III: Voran, Ritter Christi! Voran ihr kräftigen Soldaten des Heeres Christi! Möge das allgemeine Wehklagen der heiligen Kirche euch aufrütteln, möge ein frommer Eifer, die eurem Gott angetane ungeheure Gewalttat (Attentat auf den päpstlichen Legaten Castelnau) zu rächen, euch entflammen! Das geschieht dadurch, dass ihr den Grafen von Toulouse und seine Helfer aus den Burgen treibt und ihnen das Land wegnehmt, auf dem die verklagten Häretiker durch katholische Bewohner ersetzt werden sollen, die nach der Lehre des rechten Glaubens, der auch der eure ist, in Heiligkeit und Gerechtigkeit öffentlich dienen mögen.
Gegeben im Lateran an dem VI. Tag der Iden des März im elften Jahr Unseres Pontifikats.

1. Zeittafel zur Geschichte der Häresie in Westeuropa
vom Jahr 1000 bis zum Jahr 1218

1000 – Häretische Gemeinschaften entstehen quer durch Europa.
1022 – Erster Scheiterhaufen der Geschichte: Zwölf Domherren brennen in Orleans.
1025 – Weitere Scheiterhaufen in Turin, Toulouse und in Aquitanien.
1119 – Papst Calixtus II. klagt in Toulouse die Ketzer an und exkommuniziert sie.
1135 – Scheiterhaufen in Liége. Erste Erwähnung katharischer Gemeinschaften mit einer bischöflichen Hierarchie.
1145 – Missionszug Bernhard v. Clairvaux` in das Gebiet von Toulouse und Albi. Bernhard verflucht den Ort Verfeil. Der Missionszug scheitert.
1157 – Konzil in Reims gegen die Häresie.
1163 – Scheiterhaufen in Köln.
1165 – Konferenz in Lombers, im Albigensergebiet. Gegenüberstellung beider Lehren.
1167 – Katharerkonzil in St. Felix-de-Caraman, im Lauragais; 4 katharische Bischöfe werden ordiniert, anwesend Bischof Niketas aus Bulgarien.
Festlegung und Ausweitung der katharischen Kirche in Frankreich. Wechsel auf die radikal-dualistische Seite des Glaubens.
1178 – Einige Waldenser-Gruppen wenden sich plötzlich gegen die Katharer.
1181 – Papst Alexander III. ruft zum ersten Kreuzzug auf, unter der Leitung von Heinrich von Clairvaux. Der Kreuzzug erweist sich als Fehlschlag.
1198 – Neuer Papst in Rom: Innozenz III. Er klagt die Ketzer an, entsendet zwei Legaten Gui (Guido) und Rainer nach Okzitanien.
1202 – Neuer päpstlicher Legat Peter von Castelnau, Ausweitung der Vollmachten der Legaten.
1204 – Berufung des Abtes von Citeaux, Arnaud Amaury, der weitere Äbte für den Predigtdienst gegen die Katharer verpflichtet,
unter ihnen Fulco, den späteren Bischof von Toulouse; erfolgloser Versuch, König Philipp II., zu einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Häretiker in Okzitanien zu bewegen;
Konferenz in Carcassonne; Peter II. von Aragon schließt Bündnis mit Raymond VI. von Toulouse (Treffen in Millau).
1206 – Das „Predigtwerk Jesu Christi“ des Dominikus (Wanderprediger) zeigt wenig Wirkung. Gründung des Klosters Prouille für bekehrte Katharerinnen.
1207 – Innozenz III. fordert König Philipp erneut auf, das Schwert gegen die Katharer einzusetzen; er verspricht den Ablass aller Sündenstrafen,
sowie materielle Gewinne aus den konfiszierten Gütern von Häretikern.
Der Versuch Castelnaus, ein antihäretisches Bündnis mit Graf Raymond von Toulouse zu schließen, scheitert. Raymond VI. wird exkommuniziert,
Interdikt über sämtliche Ländereien; König Philipp II. steht militärischem Eingreifen noch immer skeptisch gegenüber.
1208 – Mord am Legaten des Papstes, Peter von Castelnau, in der Nähe von Saint-Gilles-du-Gard (kirchliche Rechtfertigung für den Kreuzzug);
Papst zieht Raymond VI. von Toulouse zur Verantwortung, überzieht den europäischen Adel mit Anklageschriften gegen ihn, Appelle zur Teilnahme am geplanten Kreuzzug;
Kreuzzugsprediger in allen europäischen Städten und Fürstenhöfen.
1209 – Beginn des Albigenserkreuzzuges. Schauprozess gegen Raymond VI. in St. Gilles-du-Gard; Massaker von Béziers; Eroberung von Carcassone; Tod des Grafen Raymond-Roger Trencavel.
Simon de Montfort wird neuer Graf von Carcassone. Die Burgen des Cabaret werden erfolglos belagert.
1210 – Belagerung und Eroberung von Minerve. 140 parfaits brennen.
Eroberung von Termes und Puivert.
Erste Belagerung von Toulouse, Verhängung des Interdikts.
1211 – Belagerung von Lavaur: größte Hinrichtung okzitanischer Ritter.
Schlacht von Castelnaudary. Ermordung neu hinzugekommener Kreuzfahrer durch den Grafen von Foix.
Scheiterhaufen von Les Cassès: 94 Ketzer brennen.
1212 – Simon de Montfort erobert das Quercy, das Agenais, das Comminges.
Belagerung von Moissac. Castelsarrasin ergibt sich und Rhedae wird eingenommen. Toulouse soll isoliert werden.
Penne-d-Albigeois widersteht den Angriffen.
1213 – Peter II. von Aragon greift ein, nachdem ihn sein Schwager, Raymond VI. von Toulouse um Beistand gebeten hat. September:
Schlacht von Muret. Tod von Peter II. von Aragon. Wilde Flucht der okzitanischen und aragonesischen Truppen.
Fünfzehntausend Tote bleiben zurück.
1215 – Viertes Laterankonzil. Raymond VI. von Toulouse wird seiner Ländereien beraubt. Investitur Simon von Montforts.
Gründung des Ordens der Dominikaner.
Besetzung von Toulouse. Montauban wird erobert.
1216 – Beginn der Befreiungskriege und Rückeroberung einiger verlorener Gebiete durch Raymond VI. von Toulouse und Sohn.
Innozenz III. stirbt. Honorius III. wird Papst.
1218 – Aufstand von Toulouse. Rückkehr Raymonds VI. und seines Sohnes, Raymonds VII. Wilde Kämpfe um die Stadt. Montfort fällt. Sein Sohn Amaury wird sein Nachfolger.
Raymond VI. und sein Sohn nehmen Toulouse wieder in Besitz. Die katharische Kirche bekommt erneut Aufschwung.

Helene L. Köppel

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Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
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Pérouges

Ein guter Freund, Markus Menzendorff, hat mich vor Jahren auf Pérouges aufmerksam gemacht, einen auf einem Hügel gelegenen kleinen Ort – ca. 30 km von Lyon entfernt – der sich hervorragend als Zwischenübernachtungs-Station auf der Reise nach Südwestfrankreich eignet. Seine mittelalterliche Prägung macht dieses Dorf immens reizvoll und ich schlendere seitdem immer wieder gerne durch die Gassen – auf der Suche nach Inspirationen und neuen Entdeckungen!

Es überrascht wohl niemanden, dass Pérouges als Kulisse für “Die drei Musketiere” und andere Filme herhalten musste.


Alte Bauart: Die Steine sind gegenständig aneinandergereiht – wie Körner in den Ähren.

Entdeckt in der Kirche St. Madeleine: Eine – aufgrund ihrer mürrischen Darstellung – faszinierende Madonna aus dem 14. Jahrhundert; das Kind hingegen hat der Künstler mit einer lustigen Pinocchio-Nase ausgestattet.

Achtung zwei Warnhinweise:
1. Kopfsteinpflaster! Man sollte solides Schuhwerk tragen, wenn man in Pérouges herumschlendert!
2. Suchtgefahr! Naschkatzen kommen voll auf ihre Kosten (Spezialität knusprige Galettes, die mit Kirschsoße und Sahne serviert werden)

(Autorin, satt, müde, glücklich)

Béziers

In Memoriam Béziers …

 

Im Mai 2009 lernte ich Béziers näher kennen, eine südfranzösische Stadt, die in meinem historischen Roman ALIX – Das Schicksalsrad eine Rolle spielt.

Ai! Tolosa e Provença e la terra d` Argença, Besers et Carcassei:

Com vos vi et c`us vei!

O weh! Toulouse und Provence,
Und auch ihr, Land an der Argens,
Béziers und Carcassonne:
Wie habe ich euch gesehen,
wie muss ich euch jetzt sehen!

Bertrand Sicard de Marvéjols,
Troubadour, um 1200

 

 

Béziers (ca. 80 000 Einwohner) liegt auf einem Karsthügel über dem Fluss Orb. In vorrömischer Zeit existierte hier ein keltisches Oppidum; in römischer Zeit eine wichtige Etappenstation auf der Via Domitia. Im Hochmittelalter herrschte der berühmte Vizegraf von Albi und Carcassonne, Raymond-Roger Trencavel (1185-1209) mit seinen Konsuln über die wohlhabende Stadtrepublik: Ein junger Mann mit blondem Haar, wie er beschrieben wird, freigiebig, gebildet und tolerant. Als Vasall des Grafen von Toulouse beschützte er sowohl die Juden als auch die Katharer.

 

 

Wilhelm von Tudéla schreibt über den jungen Trencavel:

“Er ist überaus christlich gesinnt … Aber er ist jung, hélas, und zu gutgläubig. Er lacht mit seinen Leuten, ist mit seinen Rittern gut Freund und dabei kaum wie ein Gebieter.” (Chanson 15, 1 ff.)

 

Von seinem einst stolzen Schloss in Béziers ist leider nur ein kümmerlicher Rest erhalten geblieben:

 

In Béziers gab es im Mittelalter aber nicht nur viele Katharer, sondern auch eine große jüdische Gemeinde – und die Geschichte, dass sich Raymond-Roger Trencavel vor dem Einfall der Kreuzfahrer mit einem Großteil dieser Juden davonmachte, um sie in Carcassonne in Sicherheit zu bringen. Vergebens, wie man heute weiß …

 

 

Im nächsten Bild sehen Sie eine der festlich geschmückten Gassen mit dem Wappen des Trencavel (schwarze Hermeline)

 

Vor 800 Jahren …

Am 22. und 23. Mai 2009 durfte ich an den Feierlichkeiten zum 800sten Gedenken an die Belagerung der Kreuzfahrer aus dem Norden Frankreichs teilnehmen.

Ein Zufall oder Absicht?

Das Massaker fand jedoch ursprünglich am 22. Juli 1209 statt, am Tag der Heiligen Maria Magdalena. Der Chronist des Albigenserkreuzzugs, der Zisterziensermönch Pierre des Vaux-de-Cernay, schreibt darüber:
“Die mehrfach genannte Stadt Béziers wurde 1209 am Tag der heiligen MM (22. Juli) eingenommen. Wie wir zu Beginn dieses Buches ausgeführt haben, behaupten die Häretiker, dass die heilige MM die Konkubine Christi gewesen sei.”


Hier die Einladung zum Festakt:

 

 

Das Hotel, in dem ich untergebracht war, lag im Stadtzentrum; alle Veranstaltungsorte waren fußläufig erreichbar. (Ich kann das Haus wärmstens empfehlen).

 

Kaum, dass der Koffer ausgepackt war, ging es los: Die ersten Böllerschüsse waren zu hören:

DIE BELAGERUNG VON BEZIERS WURDE NACHGESPIELT!

 

Auf der breiten Straße, direkt vor dem Hotel, war ein bunter Mittelaltermarkt aufgebaut:

 

 

… auf dem allerlei Kurioses zu sehen und zu hören war:

 

 

Dualismus … (augenzwinkernd!)

 

Operationsbestecke anno dazumal …


Das okzitanische Kreuz

Und überall gelb auf rot das okzitanische Kreuz – das Wappen der Grafen von Toulouse, die im Mittelalter (12./ 13. Jh) zu den ruhm- und einflussreichsten Fürsten des Südens zählten, verwandt und verbündet mit dem Vizegrafen Trencavel.

 

Selbst auf der “Satteldecke” für den Hund zu sehen:

 

 

Einer der tapferen Verteidiger der Stadt
– nun völlig erschöpft! 🙂

 


Der eigentliche Festakt


fand bei Einbruch der Dunkelheit statt und zwar vor der berühmt-berüchtigten Magdalenenkirche, in der im Jahr 1209 die Einwohner Schutz vor den hereinbrechenden Horden der Kreuzfahrer suchten – und ein schreckliches Ende fanden.

“Tötet sie alle (Katholiken, Katharer, Juden) – Gott wird die Seinen schon erkennen!”

(Arnaud Amaury, Zisterzienserabt und
und Geistlicher Anführer der Kreuzfahrer)

 

 

Schon ab 20 Uhr wuchs die Besucherschlange und sie wurde länger und länger …

 

 

Erst spät ging es los, wie immer in Frankreich! Die Kirche war mit großen weißen Tüchern abgehängt und eine Licht-Show zeigte das mittelalterliche Geschehen:

 

 

“Se Canta …”

Als zum Schluss die Kapelle “Oc” das alte okzitanische Lied Se Canta spielte, fielen gute tausend Stimmen ein:
Die Bitterois (wie man die Leute von Béziers nennt) sangen dieses Lied nicht zuletzt im Gedenken an Raymond-Roger Trencavel – und sie taten dies mit Hingabe und Leidenschaft, was nicht nur mich zu Tränen rührte …

 

 

“Dejos ma fenèstra, l a un auselon,

tota la nuèch canta, canta sa cancon …

Se canta, que cante, Canta pas per ieu,

Canta per ma mia, Qu`es al luèn de ieu.

Der Festumzug am nächsten Morgen

Am nächsten Morgen wälzte sich ein farbenprächtiger (und lautstarker) Umzug durch die festlich geschmückte Stadt:

 

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Präludium zu einem Roman

Präludium zu einem Roman

  • oder wie „Die Affäre Calas“ entstand

Als mir vor vier Jahren in einem Antiquariat eine der Schutz- und Denkschriften Voltaires zum „Fall Calas“ in die Hände fiel und ich sehr betroffen war, als ich diese Zeilen las, dachte ich lange über Zufälle nach und darüber, ob es stimmt, dass sich bestimmte Themen ihre Schriftsteller aussuchen. Nach Albigenserkreuzzug (Die Ketzerin vom Montségur), Gralsverschwörung (Die Erbin des Grals) und Inquisition (Das Gold von Carcassonne), nun auch noch Hugenottenverfolgung, fanatische Bußbruderschaften, religiöse Intoleranz?

Eigentlich hatte ich einmal etwas „Leichtes, Lockeres“ schreiben wollen, ein Buch, hinter dem kein großes Anliegen stand. Ich legte das kleine graue Heftchen zur Seite.

Doch damit war es nicht abgetan. Wohl wissend, dass aus einem Schneeball eine Lawine werden kann, kaufte ich mir die Werke Voltaires. Es schadet nichts, alles über die Familie Calas und den Mann zu wissen, der sich seinerzeit für eine Wiederaufnahme des Falles eingesetzt hat, sagte ich mir, vielleicht schreib ich die Geschichte später einmal auf. Ja, später.

 

Voltaire fesselte mich. Er schrieb „leicht und locker“ (dazu zeitlos, amüsant, ironisch, pointiert), bekämpfte in seinen Schriften aber auch „mit der ganzen Kraft seiner Empörung“ (Gier/Paschold) den religiösen Fanatismus. Als ihn jemand fragte, weshalb er sich für den Fall Calas eingesetzt hätte, antwortete er: „Weil sich sonst keiner darum gekümmert hat!“

Sollte ich (ohne mich je mit ihm vergleichen zu wollen, oder zu können) mit meinen Worten erzählen, dort einsteigen, wo mich die Wut gepackt hatte, wo es weh tat?

Ich entschloss mich dazu. Mit Voltaires Traité sur la tolérance im Reisegepäck fuhr ich nach Collioure, einem der späteren Schauplätze meines Romans, las Voltaires Abhandlung noch einmal in aller Ruhe, im Schein einer kalten Ostersonne, verstand, weshalb man ihn „das Gewissen Frankreichs“ nannte. In der Nacht zuvor, die Karfreitagsprozession von Collioure: Dröhnende Trommelschläge, Büßer mit hohen spitzen Hüten, laute Schreie, versteckte Augen hinter Kapuzenschlitzen… Unheimlich, ja suggestiv war die Stimmung, die über Collioure lag, schrieb ich später.

Eine Recherchereise weiter, auf der Zugfahrt nach Toulouse, war der Plot bereits entwickelt, die Affäre Calas in eine weitgehend fiktive Gegenwartshandlung eingebunden. Auch die Zugfahrt würde im Roman eine Rolle spielen.

(Foto priv. Capitouls – die Ratsherren von Toulouse, die das Urteil sprachen.)

In La ville rose angekommen – so nennt man die Stadt ihrer roten Backsteinhäuser wegen -, gewährte mir der Konservator des Augustiner-Museums am einzigen Ruhetag der Woche eine Privatführung. Er machte mich auch auf die Symbolsprache des Malers Nicolas Tournier aufmerksam, der zu seiner Zeit für die Büßer gearbeitet hatte.

Nicht ahnend, dass ich eines einzigen Fotos wegen meinen Plot noch einmal umschreiben würde, fuhr ich zurück. Bei der Vergrößerung der Aufnahme (Portalwappen der Büßer von Toulouse) entdeckte ich eine geheimnisvolle Inschrift, worauf ich neue Fäden in ein bereits gewebtes vielschichtiges Muster zog, die ihrerseits eine Tempoanpassung erforderlich machten – gewissermaßen von andante zu presto

Aus der Geschichte eines der rätselhaftesten Kriminalfälle des 18. Jahrhundert entwickelte sich ein Thriller: “Die Affäre C.”

Helene Luise Köppel