Im Jahr 1210 nahmen die Kreuzfahrer unter Simon von Montfort auch die Katharer-Burg Puivert ein.
Diese Burg, die in einer wunderschönen Landschaft liegt, stand schon lange auf meiner Rechercheliste. Bei meinem ersten Besuch hieß es “Eintritt verboten”, denn es wurde gerade gefilmt. Ich musste unverrichteter Dinge umkehren und konnte Puivert später nur als “Schauplatz” im Mystery-Thriller “Die neun Pforten” mit Johnny Depp bewundern. Auch nicht schlecht …
Im Jahr 2009 unternahm ich einen zweiten Anlauf:
Im Vergleich zu anderen Katharer-Burgen, die wie Adlernester auf schwindelerregenden Felsen kleben, ist der Aufstieg nach Puivert leicht, denn die Burg thront auf einer relativ kleinen Anhöhe, inmitten einer weitläufigen Talsole.
Ein blankgefegter Himmel und ein überwältigender Duft nach Ginster, Thymian und Lavendel begleitete mich an diesem warmen Vorsommertag auf dem Weg nach oben. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge flogen und es wimmelte überall nur so von Eidechsen.
In Sichtweite mit Schneehauben bedeckte Pyrenäengipfel …
Der kleine See am Fuße der Ortschaft Puivert fand Eingang in meinen Roman “ALIX”.
Ein kurzer Auszug aus dem Roman, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts spielt.
“Villaine lachte auf. „Peire von Auvergnes Stimme hallt, wie Froschgequak im Sumpf erschallt!“
Ein Lächeln erhellte Alix` Augen. Auf ihre Nachfrage erklärte ihr der Spielmann, dass dieses
Spottlied am See von Puivert entstanden sei, in dem sich einzig die Berge und der Mond spiegelten …”
(Der Troubadour Peire von Auvergne lebte und wirkte im 12. Jh.)
Ein verwunschener See, in dem sich einzig die Berge und der Mond spiegelten ?
Der kleine See auf dem Foto, der sich heute am Ortsrand des Dorfes Puivert befindet, wurde erst vor ca. 40 Jahren von der Gemeinde geschaffen.
Im Mittelalter befand sich jedoch an gleicher Stelle ein viel größerer See – eine Art Schicksalssee: Als im Jahr 1279 der Seespiegel gesenkt werden sollte, brach der natürliche Damm und das Wasser floss nach Norden ab. Er überschwemmte und zerstörte das Dorf Puivert und andere in der Nähe liegenden Städte und Dörfer, wie z.B. Mirepoix. Sofort kam das Histörchen auf, die Dame in Weiß – die in Vollmondnächten bekanntlich auf vielen Burgen über die Zinnen tanzt und allerlei Schabernack treibt, soll bei dem Unglück eine Rolle gespielt haben. Wer weiß …
(Anmerk: Das Dorf Puivert wurde tatsächlich erst im 15. Jahrhundert wieder aufgebaut.)
Zurück zur Burg (s. Grundriss), die ihren Ruf vor allem den ruhmreichen Troubadouren verdankt, die sich hier im Mittelalter zu Dichter- und Sängerwettstreiten versammelten. Den Vorsitz hatte im 11. Jahrhundert die berühmte Adélaide von Carcassonne (1040 -1102, verheiratet mit Roger I. von Carcassonne), die eine große Schönheit gewesen sein soll.
... entre las catalans valens e las donas aviens,
dichtete z.B. Guiraut Riquier von Narbonne –
Minnedienst und Ruhm und Kraft, Höflichkeit und Huld gewähren, Ehre Geist und Wissenschaft, gastlich Reden und Verkehren, Liebesgunst und offne Hand, feine Bildung, offnes Wesen, all dem sichert den Bestand Katalonien, treu erlesen wo die Herrn so hoch an Mut und die Fraun so hold und gut!
(Nachdichtung von H.G. Tuchel).
Jahrzehnte später brach selbst die berühmte Eleonore von Aquitanien (1122-1204) zu einer großen Dichterversammlung nach Puivert auf. (Im Bild ihre Sterbebüste)
Bei diesen Wettstreiten um die besten Minnelieder und -gedichte ging es, wie am Beispiel ersichtlich, vielfach um die höfische Liebe, die fin amour – insgesamt jedoch um eine ganz bestimmte Lebenseinstellung, die ihre Vorlagen aus der arabischen Kultur nahm und im 12. Jahrhundert im Süden Frankreichs ihren Höhepunkt erreichte.
Im nächsten Foto der große Ehrenhof der Burg Puivert, wo auch die Ritterspiele stattfanden. Er maß 80 x 50 Meter.
Der Französische Kampf, d.h. die ernsthaften Lanzenturniere wurden irgendwann verboten. Die harmlosen Lanzenstechen – auch Scharlachturniere genannt – fanden aber weiterhin statt. Die Damen erwählten sich ihren Favoriten, übergaben ihm ihr Band, das der stolze Ritter an seine Lanze steckte.
Der Sieger solcher Reiterstechen a plaisance – also mit relativ ungefährlichen Waffen – bekam nach italienischem Vorbild oft ein wertvolles Scharlachtuch zur Belohnung und obendrein eine Goldmünze. Der zweite und dritte Preis konnte eine Armbrust oder ein Schwert sein. Der letzte zog unter dem Gekichere der aufgeputzten Ritterfräuleins mit einem Schwein unterm Arm von dannen …
Der Ehrenhof von Puivert war im Mittelalter von einer hohen Ringmauer geschützt, die von Türmen flankiert war.Etwas abenteuerlich fand ich die eiserne Treppe (nächstes Foto), die über zwei Etagen in den Donjon – den Wohnturm – führt:
In der ersten Etage eine schöne Kapelle mit gotischer Spitzbogen-Nische:
Im zweiten Stockwerk dann der berühmte Salle des musiciens, in dem die Schlusssteine des gotischen Kreuzrippengewölbes Musiker und ihre Instrumente zeigen: Drehleier, Psalter, Zither, Tambourin, Laute und Dudelsack.
Während an den Steinen noch immer der Zahn der Zeit nagt, offeriert man den Besuchern die nachgebauten alten Musikinstrumente, natürlich unter Glas.
Sonderbare Blicke!
Am Tag meines Besuches befand ich mich eine ganze Weile mutterseelenallein im Saal der Troubadoure, konnte mich also selbst von der tollen Akustik überzeugen – na ja, offenbar habe ich dann etwas zu laut das Se Canta* gesungen, denn als ich den Saal verließ, warfen mir zwei Neuankömmlinge recht sonderbare Blicke zu! 🙂
Die ältesten Teile der Burg stammen aus dem 12. Jahrhundert, andere aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
Puivert und die Katharer:
Die adelige Familie von Puivert, die im 13. Jahrhundert auf dieser Burg lebte, war katharischen Glaubens. Bernard und Alpais von Congost erhielten beide das Consolamentum (Geistweihe) auf der Festung Montségur. Ihre Tochter Saissa wurde am Fuße des Montségur als Ketzerin verbrannt.
(Überall auf der Burg hingen herrliche Tapisserien (Repliken) mit Gralsmotiven, Einhörnern usw.)
Simon von Montfort, der Anführer der Kreuzfahrer, nahm Puivert im Herbst 1210 nach nur drei Tagen Belagerung ein und richtete großen Schaden an.
Er übergab die Burg Thomas de Bruyères, dessen Wappen man noch heute dort finden kann: Ein Löwe mit gespaltenem Schwanz:
Die Weiße Dame ist mir – trotz fleißigen Herbeisingens – nicht untergekommen auf Puivert, dafür liefen mir auch im Ehrenhof ständig kleine Eidechsen über den Weg: Man hat mir erzählt, sie würden als Träger verstorbener Seelen gelten. Da fiel mir natürlich wieder das große Unglück ein, das hier einst stattfand …
* Se Canta, auch bekannt als Se Chanto oder Aqueras Montanhas, ist ein altes okzitanisches Lied (später Protestlied gegen die Vernachlässigung der Region). Es wird in meinem Roman “Alix – Das Schicksalsrad” gesungen. Zum Hineinhören:
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Helene L. Köppel