CHRONISTEN, Augenzeugen und Parteigänger

Es gibt nicht viele Zeitzeugen, die in engem Kontakt mit den Katharern standen und deren Aufzeichnungen uns noch heute vorliegen, aber es gibt sie …

Caesarius von Heisterbach  – (ca. 1180 – 1240);  aus Köln oder aus der Nähe von Köln gebürtig), Zisterzienstermönch und Novizenmeister.

Von Heisterbach verfasste um das Jahr 1220 sog. Wundergeschichten – Zwiegespräche zwischen Mönch und Novize über die Irrtümer der Häretiker (Katharer). Er steht darin auf Seiten der Kreuzfahrer, legitimiert ihr Vorgehen. Aus seiner Feder stammt folgende Szene:

Als die Kreuzfahrer vor Béziers ihren geistlichen Anführer, den päpstlichen Legaten Arnold Amaury fragten, wie man denn die Katholiken von den Ketzern in der Stadt unterscheiden könne, soll seine Antwort gewesen sein:

“Schlagt sie alle tot, der Herr erkennt schon die Seinen!”

(Cäsarius von Heisterbach zu Füßen des heiligen Benedikt, Handschrift C 27 der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf.)

Wilhelm von Tudele  (Guillem de Tudèle; um 1200, ein in Navarra geborener Okzitanier.

Tudele gilt (nicht gesichert!) als Dichter des ersten Teils der Chanson de geste, dem Lied vom Kreuzzug, das er im Jahr 1212 in okzitanischer Sprache verfasst hat. Es handelt sich um 131 Tiraden. Er steht inhaltlich auf Seiten der Albigenser, hat im Jahr 1204 – auf der Hochzeit des Grafen Raymond VI. von Toulouse mit Eleonore von Aragón – den jungen Trencavel, den Vizegrafen von Carcassonne, kennengelernt und begegnet ihm später in seinem Werk mit großer Sympathie und Respekt. Tudele bedauert offen die Gräuel der Kreuzfahrer – nimmt aber dennoch die obersten Führer aus der Verantwortung.

Der Verfasser des 2. Teils der “Geste” (altfranzösisch) bleibt anonym. Er sieht sich im Gegensatz zu Tudele als Parteigänger Montforts und der Kreuzfahrer, ist streng gegen die Häretiker, sieht ihr Unglück als selbstverschuldet an.
Beide Teile des “Chanson de geste” sind unvollendet und unterscheiden sich nicht nur in der Aussage (Tendenz), sondern auch im Sprachstil.

Ein kleiner Auszug aus dem Chanson auf okzitanisch:

(Maestre Bernat, einer der Capitouls/Konsuln von Toulouse, hält eine Rede)

” … Qu` en Dieu ai esperansa que tost sian sobratz, que nos avem gran dreit ed els an los pecatz …”

Übersetzt: ” … Ich vertraue auf Gott, dass die Feinde sehr bald überwunden sein werden, denn wir haben volles Recht, und sie sind im Unrecht.

(Quellen Tudele betreffend: “Über die Entstehung und die Dichter der Chanson de la Croisade contre les albigeois” von Ludwig Kraack, Marburg, 1884; “Aristokraten und Poeten, Die Grammatik einer Mentalität im tolosanischen Hochmittelalter” von Jan Rüdiger,  Berlin 2001.)

Peter von Vaux-de-Cernay (um 1200, Zisterziensermönch der Abtei Vaux-de-Cernay)

Vaux-de-Cernay, ebenfalls Augenzeuge des Albigenserkreuzzugs, den er zeitweise begleitete, gilt als absoluter Parteigänger der Kreuzfahrer – ja, als “Propagandist Roms”.

Er ist der Verfasser der Historia Albigensis (die bis in das Jahr 1218 reicht). Das Werk ist chronologisch aufgebaut und in drei Teile gegliedert:  Häresie, Predigt- und Bekehrungsfeldzug, militärischer Kreuzzug.

Der Autor Gerhard E. Sollbach, der die “Historia Albigensis” ins Deutsche übertragen hat, schreibt auf der Rückseite seines Büchleins (Manesse Bibliothek der Weltgeschichte):

“Zu dieser erstmals in Deutsche übertragenen Chronik vom Beginn des 13. Jahrhunderts passt der Begriff ´finsteres Mittelalter` wie nur selten sonst: Was Pierre des Vaux-de-Cernay erzählt, schlägt düsterste Kapitel der abendländischen Kirchengeschichte auf und bringt die Begegnung mit wahrhaftigen ´Kindern der Finsternis` – auf seiten der Albigenser wie der Papsttreuen. Ein authentischer Bericht über einen Glaubenskrieg, in dem es keine Sieger gab, sondern nur Verlierer: kennzeichnend ist dabei die Vorstellung, der ´richtige Glaube` rechtfertige politische Unterdrückung und militärische Brutalität.”

Vaux-de-Cernay, der trotz seiner penetranten Parteilichkeit und Bigotterie ein sehr guter Beobachter der Belagerungen und Kämpfe, aber auch der Landschaften, Burgen und Städte war, sah in Simon de Montfort, dem Anführer der Kreuzfahrer (den er bereits auf dem 4. Kreuzzug kennengelernt hatte) den ewig strahlenden Helden:

In der Zwischenzeit kam der alleredelste Graf von Montfort eiligst aus Frankreich herbei …”.

An Raymond, dem Grafen von Toulouse, lässt er hingegen kein gutes Haar:

“Oh, was für ein seiner Sinne beraubter Mensch, oh, welch eine verachtenswerte Stumpfsinnigkeit des Verstands!

Dass die drei genannten Chronisten die tatsächlichen Lehren der Katharer weitgehend verschwiegen hätten, um die katholischen Leser vor “Anfechtungen” zu bewahren, ist nicht haltbar, denn die “Leser” ihrer Berichte waren meist geistlichen Standes. Sie haben es einfach nicht besser gewusst!
Die vielen Irrtümer, Ungenauigkeiten, Verleumdungen, verzerrten Darstellungen und Schauermärchen jedoch, sollten sich für die späterer Katharerforschung noch lange Jahre als Problem erweisen …

Ai Tolosa! – Teil II.

Wie umfangreich die Ländereien des Grafen Raymond von Toulouse VOR dem Kreuzzug gegen die Katharer waren, zeigt die nachstehende Karte:

(Karte entnommen aus “Les Cathares, Chronologie de 1022 à 1321; Maurice Griffe, ISBN: 2-907854-14-3)

Erklärungen zur Karte:  Rosa – die Besitztümer/Ländereien der Grafen von Toulouse, Hellrosa – die Gebiete ihrer Vasallen/Lehnsnehmer/Verbündeten.  Grün – die Vizegrafschaften des Trencavel, Albi, Béziers und Carcassonne. Gelb-– die Ländereien des Königs von Aragón.

Die Verwandtschaftsverhältnisse waren kompliziert. Der gesamte Adel des Südens war mehr oder weniger miteinander verbandelt: Peter II. , der König von Aragón, war mit den Tolosanern verschwägert – und zugleich Lehnsherr des Vizegrafen Trencavel, jedoch nur die Stadt Carcassonne betreffend. Der Trencavel wiederum war ein Neffe Raymonds VI. von Toulouse (der Sohn seiner Schwester Adelaide von Toulouse) und sein Vasall, was Béziers betraf. (Die Lehnsrechte wurden stets auf Lebenszeit verliehen.)

UND NUN KOMMT DIE LILIE INS SPIEL:

König Philipp II. August (1165-1223), ; ein Kapetinger, hatte bereits am 3. Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems von Saladin teilgenommen. Er war Oberlehnsherr von Raymond VI. von Toulouse und zugleich sein Oheim (Onkel). Ein Umstand, der ihn ganze zehn Jahre zögern und zaudern ließ, dem von Rom geforderten Kreuzzug gegen die Katharer zuzustimmen. Als er jedoch befürchtete, Raymond von Toulouse und Peter II. von Aragón könnten einen pyrenäenübergreifenden Reichsverband schließen – Frankreich wäre damit vom Mittelmeer abgeschnitten gewesen – gab  er im Jahr 1208 dem Drängen des Papstes (Innozenz III.)  nach und beorderte seine Barone in den Süden.

(Philipp II. von Frankreich, Stahlstich, 1845, von Jacques Étienne Pannier.)

Die höchsten weltlichen Adligen auf französischer Seite, die für den König am Albigenserkreuzzug teilnahmen – Philipp selbst zog nicht mit in den Süden – waren der Herzog von Burgund, die Grafen von Nevers, Saint-Pol, Valence, sowie Peter von Auxerre  und Robert von Courtenay – Vettern von Raymond von Toulouse.

Der Chronist Wilhelm von Tudela spricht von 20 000 Rittern in glänzenden Rüstungen und mehr als 200 000 Fußsoldaten, die Kleriker und Bürger nicht inbegriffen. Diese Zahlen sind heute umstritten. Zeitgleich zog eine kleinere Armee unter dem Vorsitz des Erzbischofs von Bordeaux los; über ihren Verbleib schweigen die Quellen.

Als ihren weltlichen Heerführer bestimmten die Barone der Kreuzfahrer – jedoch erst nach der Eroberung von Carcassonne – Simon von Montfort, s. Teil I.


Der geistliche Heerführer des Kreuzzugs gegen die Katharer war von Anbeginn an der Abt von Citeaux, Arnold Amaury – auch “Abt der Äbte” genannt. Er entstammte der alten Familie von Narbonne. Als Haupt des Zisterzienserordens setzte er sich mit Eifer und großer Hartnäckigkeit für die Sache seiner Kirche ein. Die Okzitanier jedoch verspotteten ihn aufgrund seiner Eitelkeit: “Ara roda l`abelha” nannten sie ihn hinter seinem Rücken (“die Biene summt herum”) und sie forderten, dass er sich entweder für seinen Luxus oder seine Predigten entscheiden sollte.

(Im Bild Arnold Amaury, der “Abt der Äbte”)

Der größte Widersacher Raymonds von Toulouse war jedoch der Bischof seiner eigenen Stadt – Fulco von Marseille, später Fulco von Toulouse genannt, (um 1150 – 1231).

Der Zisterzienserabt Fulco (verheiratet und Vater von zwei Söhnen) war vor seiner geistlichen Laufbahn Troubadour gewesen. Er entwickelte sich zum erbitterten Feind der Grafen von Toulouse, verglich die Katharer mit Wölfen und die Rechtgläubigen mit Schafen. Dante versetzte Fulco in seiner Göttlichen Komödie in den Himmel der Venus. Fulco von Toulouse findet aber auch Erwähnung bei Nikolaus Lenau in dessen Versepos “Die Albigenser” (andere Bezeichnung für Katharer):

“Wie kam es, dass der frohe Troubadour Fulco sich hat gesellt dem Priesterorden, der Kirch Spür- und Hetzhund ist geworden, nachwitternd ohne Rast der Ketzerspur?”

ZUM ABSCHLUSS von “AI, Toulouse, Teil II”, noch ein kleiner Auszug aus meinem Roman “ALIX”

“Rot, gold und weiß. Die Farben des Kreuzzugs leuchteten schon von weitem, die mitgeführten Fahnen, Wimpel und Standarten gingen in die Tausende. Unaufhaltsam bewegte sich der Zug durch das Land der Katharer. Hinter der riesigen Schar der Geistlichen und Edelleute, zogen die Ritter und Waffenknechte einher, angetan mit schweren Ringelpanzern, begleitet von ihren Knappen – ein Wald von Lanzen und prächtigen Wappenschildern …

Gott will es!, schallte es mehrmals am Tag aus allen Kehlen, immer dann, wenn die Einpeitscher des Abtes von Citeaux – rhetorisch besonders begabte Prediger – das Feindbild in schwärzesten Farben ausmalten. Die Farben des Kreuzzugs …

Simon von Montfort gab das prächtigste Bild von allen ab, die an der Spitze ritten: Groß, stattlich, ein Bart so schwarz wie der des Apostels, welcher Jesus verriet, ein leuchtend roter Wappenrock – auf der Brust der weiße Löwe seines Hauses …

Bischof Fulco, der Vierte im Bunde, lachte spöttisch. Er war in seiner Jugend Troubadour gewesen und hatte die Rosenwangen der Damen gepriesen, bevor er sich die Tonsur scheren ließ …” (Seite 418 ff)

Das Rad des Schicksals nimmt seinen Lauf …

 

 

 

DAS PERSONALTABLEAU der Kreuzfahrer gegen die Albigenser kann auf einer Autoren-Homepage wie dieser natürlich nur unvollständig aufgezeigt werden. Weitergehende Informationen oder Quellenangaben finden Sie in seriösen Sachbüchern oder im Anhang meines o.g. Romans.

Auf den Auslöser des Kreuzzugs, den päpstlichen Legaten Peter von Castelnau, werde ich gelegentlich noch einmal eingehen … es gibt da nämlich eine merkwürdige Begebenheit, die näher betrachtet werden sollte …

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Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch: Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
oder aber in meinen Historischen Romanen

Ai Tolosa! – O weh Toulouse!

Historische Einführung (copyright HLK)

Im Süden Frankreichs (Okzitanien) hinterließen zahlreiche Völker ihre Spuren: Kelten, Griechen, Römer, Westgoten, Sarazenen. Im Hochmittelalter ist Okzitanien ein loser Zusammenschluss von Grafschaften, Herzogtümern und Lehnsstaaten – jedoch mit einer eigenständigen Sprache, dem sog. »Oc«* (verwandt mit dem heutigen Catalan). Es herrschen Freizügigkeit, Toleranz und die Paratge: Eine vergleichbare Ehre und Würde für alle Menschen. Frauen dürfen Handel treiben und ihre Meinung kundtun. In den Städten entwickeln sich erste Bürgerrechte (Konsulate nach römischem Vorbild). Zwei Dynastien prägen das Land: Die Grafen von Toulouse und die Familie Trencavel, die Vizegrafen von Albi, Carcassonne, Béziers und des Razès. Auf ihren Burgen und Minnehöfen herrscht die ritterliche Galanterie, Troubadoure gehen ein und aus, singen von der Fin Amour, der reinen Liebe.

* Die sog. langue d`oc, die Sprache der Troubadours, wurde im Mittelalter nicht nur im Midi, im Süden Frankreichs, sondern auch in weiten Teilen Europas gesprochen und verstanden (“Oc” bedeutet “Ja”). Sie war der nordfranzösischen langue d`oil (oui – “Ja” ) gleichgesetzt, wurde nach der Annexion des Languedoc jedoch verdrängt, wird aber heute wieder an den Schulen und Universitäten gelehrt. (Quelle Karte: //villageampus83.blog.lemonde.fr/files/ocoil.gif)

(Foto HLK, Capitouls von Toulouse, 18. Jh, Musée d`Augustin, 2004)

Dass in Okzitanien auch die Wiege der Troubadoure steht, der Minnehöfe und der Fin Amour, der reinen Liebe, wen verwundert das?

Doch es ist längst nicht alles Gold, was glänzt: In relativ guter Nachbarschaft stehen sich zwei christliche Kirchen gegenüber: Die der Katharer (Abweichler vom herkömmlichen Glauben) und die der römisch-katholischen Kirche – wobei letztere, weil zunehmend korrupt, ständig an Einfluss verliert. In Scharen zieht es die Menschen zu den friedfertigen boni christiani, den Katharern, bis sich Papst Innozenz III. zum Handeln gezwungen sieht und den Kreuzzug predigt: » … nehmt ihnen ihre Länder weg, damit katholische Einwohner an die Stelle der vernichteten Ketzer treten können.

Philipp II. August, der König von Frankreich und Oberlehnsherr von Toulouse, beordert einflussreiche Barone in den Süden. Im Jahr 1209 versammeln sich die ersten Kreuzfahrer bei Lyon. Béziers ist ihr Ziel, die Parole lautet: »Tötet sie alle (Katharer, Juden, Katholiken), Gott wird die Seinen schon erkennen!«
Noch im gleichen Sommer wird die Festungsstadt Carcassonne belagert und eingenommen. Der Kapetinger gilt als aufbrausend, energisch, wenig gebildet, jedoch politisch geschickt. Er trägt wesentlich zur Stärkung des Königtums und zur Kontinuität des kapetingischen Hauses in Frankreich bei.

Philipp II. August empfängt einen päpstlichen Legaten. Illumination aus den Grandes chroniques de France, um 1335. (British Library, London)

 

Im Foto oben: Die Belagerung von Béziers in Bild und Ton (anlässlich der 800-Jahr-Gedenkfeier im Jahr 1209)

Carcassonne – oppidum gallicum – ist die größte mittelalterliche Festungsstadt Europas, 24 km nördlich von Limoux, an der Straße vom Mittelmeer zum Atlantik gelegen. Im 12./ 13. Jahrhundert besitzt sie zwei Vororte, Saint-Michel und Saint-Vincent, wird von Konsuln mitregiert und ist Sitz bedeutender Katharerbischöfe.

Simon von Montfort (um 1164-1218) ein ehrgeiziger Graf aus Paris (Ile-de-France), Sohn des Grafen von Montfort d’Amaury und der Gräfin von Leicester, übernimmt das Erbe des jungen, blonden Trencavel (der in seinem eigenen Kerker stirbt) – und setzt sich zugleich an die Spitze des Heeres. Unbarmherzig verfolgt er die Katharer Okzitaniens und bringt mit Feuer und Schwert das Land in seine Gewalt.

Über das Schicksal der Städte Béziers und Carcassonne erfahren Sie mehr in meinen Romanen “Alix: Das Schicksalsrad” und “Sancha: Das Tor der Myrrhe” E-book (Amazon/Kindle, Taschenbuch in allen Buchhandlungen bestellbar, oder über Amazon)

Kurzer Textauszug aus “Alix: Das Schicksalrad”:

“Im Unterschied zu den weißen Gewändern der Manichäer, die als Vorläufer der Katharer gelten, kleideten sich die Perfekten, als Wanderer aus einer anderen, fremden Welt, in dunkelblaue oder schwarze wallende Röcke, die die Gefangenschaft ihrer göttlichen Seelen im irdischen Kerker des Körpers symbolisieren sollten. An ihrem Gürtel hing, gut sichtbar für alle, der kupferne Behälter mit dem Evangelium des Johannes. Die beiden Gegenspieler des aus der Stadt gejagten Bischof Bérenger, der von jedermann geachtete Katharerbischof von Carcassonne, Bernhard von Simorre, bleich vom Fasten, das hagere Gesicht bartlos, dafür das schlohweiße Haar glatt bis auf die Schultern fallend, und sein um Jahre jüngerer Stellervertreter, Peter Isarn, verbeugten sich tief vor dem Vizegrafen un seinem Oheim. In ihrer Begleitung befand sich ein gutes Dutzend weiterer Perfekte, darunter auch zwei Frauen.

“Nehmt Platz, ´Gute Leute`!” Der Kämmerer Aaron wies auf die lange Bank, die für gewöhnlich Bittstellern vorbehalten war. “Sénher”, begann Isarn, “nach dem, was mit Bischof Bérenger geschehen ist, woran wir Katharer keinen Anteil haben, liegt es uns am Herzen, mit Euch über die Predigt zu sprechen, die der Anlass für Bérengers üble Vertreibung aus der Stadt war. Wie ernst müssen wir diesen Kreuzzug nehmen? Viele Menschen sind beunruhigt.”

(Foto HLK, Béziers 2009)

ZWEI JAHRE SPÄTER – der Kreuzzug gegen die Katharer hat schon mehr als zwanzigtausend Tote gekostet – geht es längst nicht mehr nur um Religion:

Die reiche und prachtvolle Stadt  T O U L O U S E * (seinerzeit nur mit Byzanz vergleichbar) ist das Ziel Montforts, seiner Vasallen, Hintermänner – und der eifernden Bischöfe. Doch die Stadt, in der 12 Capitouls mitregieren (vom Volk gewählte Stadträte), wird hervorragend verteidigt. (z.B. öffnet man Kirchen zur Unterbringung auswärtiger Soldaten; die Stadtmiliz – Bürger aus den 12 Stadtteilen – bewacht die Stadtmauern, reiche Bürger leisten bewaffneten Dienst zu Pferde.)

(Foto HLK, Rathaus von Toulouse, 2004)

* Im 12. Jahrhundert zählte der Toulouser Hof zu den zivilisieresten Stätten des Abendlandes.

Graf Raymond VI. von Toulouse (1156-1222) – nach dem König von Frankreich der wohl mächtigste Seigneur der Christenheit – wird von Rom, weil er sich hartnäckig weigert, die Ketzer in seinen Ländern auszuliefern – mehrfach exkommuniziert, enteignet und öffentlich gezüchtigt, s. Abbildung vor dem Portal der Abteikirche in Saint-Gilles-du-Gard:

Graf Raymond und sein Sohn gleichen Namens besitzen jedoch höchst einflussreiche Verbündete. Einer von ihnen ist Peter II., der stolze König von Aragón, den man aufgrund seiner Frömmigkeit auch “El Catholico” nennt.

Zur Festigung seiner eigenen Territorien und Bündnisse in Okzitanien hat Peter seine beiden Schwestern, die Infantinnen Leonora und Sancha, mit den beiden Grafen von Toulouse verheiratet.

Die Lager formieren sich. Graf Raymond spricht vor seinen Leuten: “Ich weiß mit Gewissheit, dass der Feind unseren Untergang plant. Er wird seine Armeen immer wieder gegen unsere Mauern schleudern. Er will uns aushungern …” Die Tolosaner antworten ihm: “Greifen wir ihn an, Herr! Ihr habt, dank Gott, genügend Verbündete, und auch wir sind bewaffnet. Das wird für den Sieg reichen. Führt die Sache, Herr, zu einem guten Ende, bevor die Feinde Wind von unserem Plan bekommen und die Flucht ergreifen.”

Doch schon bald heißt es Ai Tolosa! (Chanson 132,26 ff)

Der Kampf um Toulouse ist thematisiert in meinem Roman:

“SANCHA – Das Tor der Myrrhe”Es handelt sich um einen eigenständig lesbaren Roman, der sich jedoch zeitlich an das historische Geschehen, das in “ALIX” beschrieben wird, anschließt.

Fortsetzung HIER KLICKEN …

 

 

 

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Wie es zum Kreuzzug gegen die Katharer kam und wie alles endete, erfahren Sie auf den nachstehenden Seiten
z.B. Zeittafel zur Geschichte, Teil 1
oder Zeittafel der Geschichte, Teil 2,
Empfehlenswert auch: Ein Streifzug durch die Katharerzeit.
Der Kampf um Toulouse: “Ai Tolosa,1”, und “Ai Tolosa 2”.
Die Geheimen Schriften, Scripta secreta
Die Katharer und ihr Glaube an die beste aller Welten”
AD 1215: Die Proklamation des “Leibhaftigen”
Alles über den Kampf um den Montségur
Finale am Montségur
“Ein ketzerisch Lied”
oder aber in meinen Historischen Romanen

Carcassonne – die Retter

Meinen historischen Roman ALIX – Das Schicksalsrad habe ich drei Männern gewidmet, die Carcassonne vor dem endgültigen Verfall bewahrt haben.

Es sind dies:

 Eugène Viollet-le Duc

Eugène Emmanuel Viollet le Duc:
1814-1879, französischer Architekt, Restaurator mittelalterlicher Kirchen und Kathedralen, gilt – gemeinsam mit Prosper Mérimée als Begründer der historischen Denkmalpflege im Frankreich des 19. Jahrhunderts. Rekonstruktion und Restauration Carcassonnes. Weitere Objekte: Kathedralen in Toulouse, Amiens, Clermont-Ferrand und Lausanne, sowie Profanbauten. Seine Arbeiten sind allerdings nicht unumstritten.

Jean-Pierre Cross-Mayrevieille

Jean-Pierre Cross-Mayrevieille:
Bürger Carcassonnes, wird als Retter Carcassonnes bezeichnet, richtete 1836 die Aufmerksamkeit der Regierenden auf die zerfallenden Bauwerke. 1840 Beginn der Wiederherstellungsarbeiten an der Kathedrale St. Nazaire; später – nach Streichung der Mittel – erneute Intervention.

Prosper Mérimée

Prosper Mérimée:
1803-1870, Rechts- und Sprachwissenschaftler, Senator, Schriftsteller, arbeitete in verschiedenen Ministerien in Frankreich (Marine, Handel usw.), 1834 Inspektor für historische Denkmäler; reiste durch Frankreich auf der Suche nach restaurierungswürdigen Denkmälern; 1844 Aufnahme in die Académie Francaise; für seine Verdienste mit dem Kreuz der Ehrenlegion ausgezeichnet. Berühmt auch für seine Novellen.

Von Viollet le Duc existiert ein Buch aus dem Jahr 1888 “La Cité de Carcassonne” (Aude) mit schönen Aufrisszeichnungen, die er während der Restaurierung der verschiedenen Türme angefertigt hat.

Es wurden ca. 1300 Arbeiter benötigt, schreibt Le Duc, um die Barbakanen und Außenforts (19 Türme!), die Innenforts (34 Türme!),  die Tore, die Kathedrale und das Schloss – das Palatium der ehemaligen Vizegrafen (10 Türme!) – sorgfältig herzurichten. Nicht wenige Arbeiter waren stolz darauf, die Stadt des ruhmreichen Raymond-Roger Trencavel wieder mit aufbauen zu dürfen.

Viollet Le Duc hat sich auch intensiv mit den ehemaligen Verteidigungsanlagen beschäftigt:

 

 

My fantasy is my castle

Frühe Scheiterhaufen auch in Deutschland?

Auch in Deutschland loderten die Scheiterhaufen, um – wie es im Johannes-Evangelium heißt – die vertrockneten Rebzweige vom Weinstock Jesu zu verbrennen. Nach Hildegard von Bingen* traten erstmals im Jahr 1140 Häretiker in Erscheinung, und zwar in Köln. Später wurden dort sogar Katharerschulen gegründet, die von einer Anzahl angesehener Bürger besucht wurden. Die Lehrer dieser Schulen, sog. “doctores”, sollen ihrer “feurigen Beredsamkeit” wegen (Borst) in hohem Ansehen gestanden haben. Über ihren Glauben befragt, erklärten sie, dass ihre Religion “seit der Zeit der Märtyrer bis heute verborgen geblieben ist und sich in Griechenland und anderen Ländern erhalten hat.”

Einer der Gründe für das Überlaufen vieler Menschen zu den Katharern war, dass sich die römisch-katholische Kirche seit dem 11. Jahrhundert über die Hälfte des dortigen Grund und Bodens angeeignet hatte. (Die rheinischen Erzbischöfe waren zugleich Reichsfürsten und nur dem König unterstellt.)

Im Jahr 1145 – in diesem Jahr tauchte zum ersten Mal das Wort “Katharer” auf * – wurde der erste Scheiterhaufen in Köln errichtet, wobei der Pöbel, der das Schauspiel nicht erwarten konnte, unter Gejohle in die Räume eindrang, in denen die Katharer noch verhört wurden. Man zerrte sie ins Freie und stieß sie in die Flammen. (Einer der Katharer wurde “Bischof” genannt, was darauf schließen lässt, dass es in Köln bereits eine etablierte Kirche der Häretiker gab.)

Am 5. August 1163 wurden dort vor dem Judenfriedhof ungefähr ein Dutzend Menschen verbrannt, die man cathari nannte. Sie waren zuvor Opfer der flämischen Verfolgung gewesen und hatten in einer Scheune in Köln Zuflucht gesucht. Unter ihnen befand sich erneut ein sog. Erzketzer, also vermutlich ein Perfekt oder Bischof.

In Bonn wurde zur gleichen Zeit “ein Katharer mit seinen Gefährten” auf den Scheiterhaufen geschickt, und aus Mainz ungefähr 40 Ketzer aus der Stadt gejagt.

In meinem Katharer-Roman “Alix – Das Schicksalsrad” gehe ich auf die schreckliche Geschichte von Köln kurz ein:

“Eleonore erzählte dem Mädchen vom Schicksal einer jungen Katharerin, die vor vierzig Jahren in der deutschen Stadt Collonia den Tod, und damit die Erlösung fand. ‘Man stellte sie mit ihren Freunden auf den Scheiterhaufen`, berichtete sie. ‘Sie hatten ihren Glauben nicht verleugnet, wie wir es heute oft tun, sondern mutig erklärt, dass sie lieber sterben würden, als sich zu verbergen. Die Unschuld und Schönheit der jungen Frau jedoch erweckte das Mitleid der Henkersknechte. Noch unversehrt zogen sie sie aus den Flammen und versprachen, ihr im Falle des Widerrufs einen guten Ehemann zu verschaffen, oder, wenn sie das nicht wollte, sie in ein Kloster zu bringen. Die junge Frau willigte scheinbar ein und wartete in aller Ruhe ab, bis die Freunde tot waren. Dann bat sie ihre Wächter, ihr den ‘Verführer der Seelen` zu zeigen, wie sie sich ausdrückte. Die Männer führten sie zum Leichnam ihres Lehrers, eines gewissen Arnold. Dort angekommen, löste die junge Frau plötzlich ihre Fesseln, bedeckte ihr Gesicht mit ihren Kleidern und warf sich auf seine Überreste, um mit ihm zu verbrennen … `Inés war entsetzt stehengeblieben. ‘Sie hat sich freiwillig dem Feuer ausgesetzt?` Ein paar Schneeflimmer, die der Wind von den Bäumen trieb, ließen sich auf ihrer Nase nieder. Unwirsch wischte sie sie fort. Eleonore, selbst weißbestäubt, nickte. Sie erklärte dem Mädchen, dass der katharische Glaube zwar nach außen tolerant, nach innen jedoch eisenfest und unbeugsam sei. ‘Ihr seht an diesem Beispiel auch, dass es grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Kirchen gibt, und dass es nicht darum geht, zu hoffen, dass wir eines Tages reumütig in den Schoß der römisch-katholischen Kirche zurückkehren. Wir sind keine verirrten Schafe! In diesem Glaubensstreit werden wir nicht nachgeben, Inés, so wie auch die Juden nie ein Jota von ihrem Glauben aufgeben werden.`”

“Als sie später neben Eleonore im Hof saß, drängte es sie, ein weiteres Mal auf diese schaurige Begebenheit zurückzukommen. ‘Aber vielleicht haben die beiden sich so sehr geliebt, dass sie ihm deswegen in den Tod gefolgt ist`, wagte sie einzuwenden. ‘Das mag sein, meine Kleine, die Liebe ist in der Tat eine starke Macht`, antwortete Eleonore von Saissac gelassen. ‘Der Weg, den dieses junge Mädchen ging, ist jedoch einer der wichtigsten katharischen Pfade, um zur Erlösung und ins Paradies zu gelangen. Seht, die physische Welt um Euch herum, sie ist nichtig und eitel. Zur Befreiung der Seele aus ihrem unwerten menschlichen Körper bedarf es der wahren christlichen Hochzeit – der Vereinigung der Seele mit dem Parakleten, dem Heiligen Geist! Nichts anderes hat diese Frau getan, indem sie freiwillig die Welt verließ, ihren Freunden nacheilte. Aber es gibt noch einen anderen, weniger grausamen Weg zum Ziel: Es ist das Consolamentum, die Geist-Taufe. Sie macht aus einem einfachen Anhänger des katharischen Glaubens einen Perfekten, der jedoch fortan gezwungen ist, bis zum Tod ein heiligmäßiges Leben zu führen.` ‘Nach Eurer Meinung hat also Gott alles Unsichtbare – wie auch die Seele – geschaffen, während der Teufel …`’Wir nennen es das böse Prinzip`, liebe Inés.’   ‘Während das böse Prinzip alles Sichtbare – wie auch die Körperhüllen – erschuf?` ‘Richtig. Das erklärt die dauernde Gegensätzlichkeit des Guten und des Bösen in der Welt. Aber grübelt nicht so sehr über diese verwickelten Dinge nach, meine liebe Tochter. Niemand, schon gar nicht Raymond-Roger (Anmerk: Der Vizegraf von Carcassonne, den Inés heiraten wird), erwartet, dass Ihr Eurem Glauben entsagt oder gar bei einem katharischen Perfekten in die Lehre geht`, meinte Eleonore energisch. ‘Als zukünftige Vizegräfin sollt Ihr uns nur verstehen! Versucht dennoch, nach unseren sieben Tugenden zu leben, als da sind Demut, Wahrheitsliebe, Güte, Vertrauen, Großmut und Heiterkeit … ein größeres Geschenk könnt Ihr Eurem Gatten zur Hochzeit nicht machen.
‘Aber das sind doch nur sechs Tugenden`, warf Inés ein.
Eleonore lächelte. “Die letzte ist nur für die Perfekten bestimmt. Die Keuschheit braucht Euch nicht zu belasten, meine Liebe!`”

 

(Aus: ALIX – Das Schicksalsrad, Copyright HLK, Link s. unten)

 

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(Bild aus www.heiligenlexikon.de)

* Zurück zu Hildegard

Hildegard von Bingen (geb. 1098), gilt als die bedeutendste Vertreterin der hochmittelalterlichen Frauenmystik. Sie predigte im späteren Alter ebenfalls gegen die Katharer, und zwar sowohl in Mainz, als auch in Köln:

“Denket um, Gottes Gericht naht, ihr werdet seinem Richterspruch nicht entgehen!”

Aber sie geißelte zugleich die Lasterhaftigkeit und Faulheit des eigenen Klerus`, sein Leben in Saus und Braus:

” … Ihr solltet das Fundament der Kirche bilden, aber ihr zieht euch in die Höhle eurer Bequemlichkeit zurück. Ihr solltet eine Feuersäule bilden und dem Volk den rechten Weg zeigen, aber ihr täuscht euch selbst, indem ihr sagt, wir haben keine Zeit zum Predigen.”

(Quelle: Walter Nigg, Heilige und Dichter, Zürch, S. 131)

Anmerkungen*:  Der Begriff “Katharer” stammt (nach Michel Roquebert) aus dem Mund eines deutschen Mönchs namens Eckbert von Schönau. “In der Volkssprache sei dies, so Eckbert, der Name für die Ketzer Germaniens, während sie in Flandern piphles und in Gallien tisserands (Weber) hießen.”

Carcassonne – oppidum gallicum

Carcassonne – oppidum gallicum

heißt die größte mittelalterliche Festungsstadt Europas, 24 Kilometer nördlich von Limoux, an der Straße vom Mittelmeer zum Atlantik gelegen. Mit “oppidum” haben die Römer ihre befestigten Landstädte bezeichnet.


(Foto HLK)

Die Altstadt mit ihren 52 Türmen, auch Cité genannt, liegt innerhalb einer abgeschlossenen Festung auf einem Felsen, umspült vom Fluss Aude, der sie von der “Neustadt”, dem modernen Carcassonne, trennt.
Noch im 12. Jahrhundert hatte Carcassonne zwei Vororte, Saint-Michel und Saint-Vincent, die sich eng an die Cité anschlossen, diese wurden im 13. Jahrhundert dem Erdboden gleichgemacht, weil sie bei der aktiven Verteidigung der Stadt störten.


(Foto – HLK)

Im Mittelalter war Carcassonne wohlhabend und den Katharern wohlgesonnen .

 

Zur Zeit des Vizegrafen Trencavel (Anfang 13. Jh) besaß Carcassonne 16 Burgvogteien. Die Vasallen lebten jeweils in einem eigenen Turm oder einem eigenen Haus, von wo aus sie Überwachungsdienste leisteten.  Dafür erhielten sie ein Lehen außerhalb der Cité und sonstige Privilegien. Carcassonne erzielte Einkünfte aus Länderein, Lehnsrechten und Zöllen, und aus seinem Salzmonopol. Es existierte ein eigenes vizegräfliches Salzhaus.

(Foto HLK – Carcassonne Narbonner Tor)

Mein 1. Carcassonne-Roman trug in der Hardcoverausgabe den Titel: “Die Geheimen Worte”, in der späteren TB-Ausgabe: “Das Gold von Carcassonne”:

“Hütet die Geheimen Worte, wenn Ihr sie findet, dort im Steinernen Walde”, flüsterte die Frau geheimnisvoll …

 

 

Zum historischen Hintergrund des Romans:

In den letzten Jahrzehnten der Großen Ketzerei, wie man die Katharer-Häresie nannte, Ende des 13. Jahrhunderts, billigte Rom, dass die Inquisition in Carcassonne (Dominikaner) willkürlich einflussreiche Bürger einkerkerte, folterte und ihres Vermögens beraubte. Einer dieser angesehenen Bürger war der Tuchhändler Castel Fabri. Obwohl er “vorsorglich” sein Totenbett von sechs Franziskanern bewachen ließ, erfolgte posthum eine Anklage wegen Ketzerei.

Im Foto zu sehen: Der gefürchtete runde Turm der Inquisition in Carcassonne, der einzige Turm, der seinerzeit einen Kamin besaß – zum Erhitzen der Folterwerkzeuge:

(Foto HLK – Inquisitionsturm)

Auszug aus dem Roman, Seite 25:

“Zur gleichen Zeit, im runden Turm der Justiz, in dessen Gewölbe sich – an paarweise angebrachten Haken – die Säcke aus Tierhäuten befanden, in denen die Prozessunterlagen gegen die Häretiker aufbewahrt wurde. Der Inquisitor von Carcassonne und Albi, Nikolaus von Abbéville, ein großer, stämmiger Mann mittleren Alters, stürmte mit dem ersten Sonnenstrahl in die Zelle seines Schreibers. Nachdem er dort einige Zeit unruhig auf und abgeschritten war, fasste er einen – wie es sich bald herausstellen sollte – folgenschweren Entschluss. “Fébus, setzt einen Brief auf an den Prior unseres Klosters zu Albi, Fulco von Saint Georges …”


(Foto HLK – Carcassonne – Ausblick)

Die Namen der Inquisitoren, die im Roman auftreten, sind  überliefert: Fulco von Saint Georges (dem man u.a. Beziehungen zu bestimmten Frauen in Carcassonne vorwarf); und der o.g. Nikolaus von Abbéville, ein Mann von unbeugsamer Härte, den das wütende Volk von Carcassonne einst von der Kanzel jagte und mit Steinen bewarf.

(Foto HLK – Kathedrale Saint-Nazaire)

Während die Inquisitoren in Carcassonne Dominikaner waren, war ihr Haupt-Gegenspieler in dieser Zeit Franziskaner gewesen: Kein Geringerer als Bernhard Délicieux, der mit den führenden Geistern seiner Zeit, z.B. Raimundus Lullus, in Kontakt stand.
Bernhard Délicieux bekämpfte offen die Inquisition und übernahm die Verteidigung des Castel Fabri.

(Foto HLK – Carcassonnes Gassen)

Die Wut der Bürger von Carcassonne

Eine erste Verschwörung der Konsuln von Carcassonne und mehrerer führender Geistlicher im Jahr 1285 hatte die Vernichtung der Inquisitionsprotokolle zum Ziel. Die Verschwörung wurde entdeckt, die Urheber bestraft (jeweils 30 Jahre Gefängnis). Der „Volksaufstand“, den der Franziskaner Bernhard Délicieux mit seinem Eintreten für Gerechtigkeit hervorrief, wird noch heute „rage carcassonnaise“ (die Wut der Carcassonner Bürger) genannt.

Ein Gemälde von Jean-Paul Laurens (1838-1921) zeigt den Franziskaner Délicieux bei einer seiner Verteidigungsreden vor der Inquisition:

Vorort-Recherche

Während der Recherche für meine Carcassonne-Romane habe ich mehrere Wochen in Carcassonne gelebt – und mir dabei auch das “passende Anwesen” für die Familie Fabri gesucht: 


Für das Küchenpersonal der des Tuchhändlers Fabri entdeckte ich im Chateau
comtal – im vizegräflichen Grafenschloss – zwei für meine Zwecke  geeignete Protagonisten …


Darunter die wohlgenährte Köchin Benete (rechts im Bild), die im Roman gerne die Backen aufbläst, um danach die Luft geräuschvoll wieder auszustoßen:  “Mit dem Wind, den man selber macht, Herr Fabri, ist das Schiff nicht zu segeln!”

“Unheimlich” inspirierend fand ich auch die nächtlichen Gassen in Carcassonne:

 

Hierzu ein weiterer Romanauszug, Seite 144 :

Natürlich, geht nur”, sagte Fulco von Saint-Georges versonnen. “Ich folge Euch im Abstand von zehn Schritten, damit Euch nichts geschieht. Schließlich weiß man nie, welcher Schatten einem in der Dunkelheit begegnet.”

 

Mein 2. Carcassonne-Roman “ALIX: Das Schicksalsrad” spielt, zeitlich gesehen, genau hundert Jahre vor “RIXENDE: Die Geheimen Worte”

Kurzer Romanauszug:

Doña Agnès war in heller Aufregung. Ausgerechnet am Vorabend von St. Dionysius hatte ihr ein Bote die bevorstehende Ankunft des Vizegrafen Trencavel gemeldet. Der Zeitpunkt konnte nur als ein böses Omen betrachtet werden, rief man den Heiligen Dionysius doch für gewöhnlich bei Gewissenspein und Seelennot an. Der Trencavel musste Tag und Nacht geritten sein, anders war sein vorzeitiges Erscheinen nicht zu erklären. Jetzt, wo Bartomeu nicht mehr als Ratgeber an ihrer Seite stand, war der Herrin von Montpellier recht mulmig zumute. Augenblicklich wies sie ihre Mägde an, das Silber zu putzen und alles für einen würdigen Empfang herzurichten.

In der Nacht vor der Ankunft des Trencavels tat sie kein Auge zu; ihre Zweifel, das Richtige veranlasst zu haben, indem sie Alix dem Bischof überantwortete, statt den von Wilhelm unterzeichneten Kontrakt mit Carcassonne einzuhalten, waren gewachsen. Natürlich war Inés leichter zu beeinflussen als die widerspenstige Alix, da hatte Bartomeu wohl recht, aber schließlich saß längst einer seiner Gewährsleute in Carcassonne, der ihn über alle ketzerischen Umtriebe unterrichtete. Was hoffte er eigentlich, von Inés zu erfahren? Höchstwahrscheinlich nichts, es war ihm nur um Alix gegangen, um Alix!

Sei’s drum, dachte sich Doña Agnès, als der Tag heraufdämmerte und sie sich noch immer auf ihrem Lager hin und her wälzte, ich darf mir vor allem Bartomeu nicht zum Feind machen! Wer weiß, wie es hier in Montpellier weiterging, mit diesen eigenwilligen Konsuln, die ihren Plan, sie doch noch abzusetzen, einfach nicht aufgeben wollten … Und wenn sich Inés dem Trencavel von ihrer besten Seite zeigte, dann stand der geplanten Hochzeit nichts im Wege.


Auch DANKE muss einmal gesagt werden:

Alle Stellen in Frankreich, an die ich mich um Auskünfte gewandt hatte  – sei es in Carcassonne, Toulouse, Albi, Paris … haben mir freundlich weitergeholfen. Im Fall meiner Carcassonne-Romane möchte ich besonders das Centre d’Etudes Cathares/René Nelli hervorheben – aber auch die Verwaltung des Klosters Fontfroide.

(Foto HLK – Mauern von Carcassonne)

 

 Viel Freude beim Lesen!

Helene L. Köppel

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