Vézelay – Wächterin des Geistes im Herzen Frankreichs

(Die Fotos können angeklickt und vergrößert werden)

Vézelay liegt im Burgund, auf einem Hügel im nordwestlichen Zipfel des Morvan, zwischen Avallon und Clamecy. Nach Auxerre sind es ungefähr 45 km.
In dieser Stadt rief Bernhard von Clairvaux am Ostersonntag des Jahres 1146 zum zweiten Kreuzzug auf, und zwar am gegenüberliegenden Hügel Asquins, wo sich Hundertausend Soldaten und Bauern versammelt hatten. An seiner Seite befanden sich Ludwig VII., seine Gemahlin Alienor und die Grafen von Flandern und Toulouse.
Im Jahr 1166 sprach hier Thomas Becket, als Erzbischof von Canterbury ins Exil vertrieben, den Bannfluch über König Heinrich II. aus. Dreißig Jahre später, im Jahr 1190 trafen sich zu Beginn des dritten Kreuzzugs König Philipp II. und Richard Löwenherz in Vézelay.

Die Geschichte von Vézeley geht auf eine Abtei zurück, die im 9. Jh von einem Fürsten, namens Girart de Roussilon gegründet wurde. Das ursprüngliche Kloster, das von Nonnen bewohnt wurde, musste nach der Plünderung durch die Normannen auf einen Nachbarhügel verlegt werden.
Die berühmte Basilika Sainte-Madeleine

…  wurde im 12. Jahrhundert erbaut (Hochromanik und Gotik); später jedoch durch Religionskriege und Revolution verwüstet. Im Jahr 1819 wurde die Basilika auch noch von einem Blitz getroffen und geriet anschließend völlig in Verfall – bis Prosper Mérimée (einer der Retter von Carcassonne) die Behörden auf den schlimmen Zustand aufmerksam machte. Ein weiterer Retter von Carcassonne, der damals 26jährige Architekt Viollet-le-Duc, wagte sich an die Restaurierung. Es gelang ihm, die Basilika zu retten und zu dem Schmuckstück zu machen, das sie heute ist.


Die Fassade soll allerdings nur ein Abglanz des mittelalterlichen Bauwerks sein, denn sie wurde von Le Duc nach alten Vorlagen völlig neu geschaffen. Seit 1979 ist die Basilika UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Schutzheilige Maria Magdalena

hat Vézelay zu einem bedeutenden Wallfahrtsort und Ausgangspunkt einer der Routen des Jakobsweges nach Santiago de Compostela gemacht. Der Name von Vézeley wurde so berühmt wie Rom und Jerusalem und die Stadt zählte 10 000 Bewohner. Doch was genau war der Auslöser des Hypes?

Ein Mönch namens Badillon war im 9. Jh nach Saint-Maximin gesandt worden, mit dem Auftrag, die Reliquien Maria Magdalenas zu holen, die dort verehrt wurden. Im Jahr 1037 stellte sie der damalige Abt Geoffroy erstmals an einem Festtag zur Schau. Sofort geschahen Wunder, deren Ruf sich verbreitete, und die Pilger strömten nur so herbei.
Im Jahr 1050 stellte ein päpstlicher Brief die Abtei unter den Schutz der damals noch “reuigen Sünderin”. Im Jahr 1096 veranlasste der damalige Abt Artaud den Bau der Basilika, die schon am 21. April 1104 eingeweiht wurde. Doch die Vézelayer selbst waren nur wenig “amused”, denn die Steuern waren kräftig erhöht worden. Sie rotteten sich zusammen und ermordeten den Erbauer. 🙂


Im 12. Jahrhundert war Vézelay dennoch das unangefochtene Zentrum des Magdalenenkultes, doch schon hundert Jahre später brach der Zustrom der Pilger ab, denn es hatte sich herumgesprochen, dass sich die “echten” Reliqiuen der Maria Magdalena nicht in Burgund, sondern in Saint-Maximin in der Provence befanden, wo man in einem Sarkophag den ganzen Körper der Maria Magdalena gefunden haben wollte.

Da machte sich im Jahr 1267 der Heilige Ludwig selbst auf den Weg nach Vézelay, um den Glanz und die Größe der Stadt zu schützen. Begleitet wurde er vom päpstlichen Botschafter und dieser erklärte die Reliquien der Maria Magdalena feierlich als echt. Aber die Pilger hatten schon den Weg nach Vézelay vergessen …
Die im 13. Jh. ansässigen Benediktiner wurden von Stiftsherren abgelöst, später fiel die Abtei den Verwüstungen der Hugenotten zum Opfer.

 Weitere Fotos der Basilika

Das berühmte Tympanon des Mittelportals aus dem 12. Jahrhundert musste nicht restauriert werden. Es ist Christus gewidmet, dessen ausgestreckte Hände den Heiligen Geist auf die zwölf Apostel übertragen.

Das Kirchenschiff selbst ist 62 Meter lang und 18 m hoch, von niedrigeren Seitenschiffen begleitet.

Wirkt es von außen gedrungen, überrascht das Innere der Basilika durch seine Helle und Luftigkeit.

Die Vorhalle wurde als Pilgerkirche Ende des 12. Jh angebaut. Ihre Weiträumigkeit (22 m lang, 23, 5 m breit und 19,5 m hoch) entsprach dem großen Pilgerzustrom dieser Zeit.

Das Kircheninnere

Schöne Kreuzrippen-
Gewölbe!

Die Kapitelle Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers in der Hand
Die Skulpturen zeigen Geschichten aus der Heiligen Schrift und dem Leben der Heiligen;
in Vézelay kann man aber auch heidnische Darstellungen entdecken: z.B. Entführung des Ganymed, sowie wilde Szenen aus der Hölle.

Überall an den Kapitellen Akanthusblätter – früher Hinweise auf versteckte Geheimnisse -,

aber auch Jagdszenen mit Pfeil und Bogen sind zu sehen.

Der Höhepunkt von Vézelay liegt in der Tiefe – die Krypta

Die unter dem Chor liegende Krypta stammt noch aus der karolingischen Zeit. Sie ist der älteste Teil der Basilika, im 12. Jh wurde jedoch der Boden 70 cm tiefergelegt und die Decke gestützt. Sie weist noch Spuren von Malerei auf.

In einem vergitterten Schrein (s. Foto oben) werden hier die Reliquien der Maria Magdalena aufbewahrt:

Das Kloster

Am äußeren Ende im südlichen Querschiff befindet sich der Kapitelsaal, der aus dem Anfang des 13. Jh stammt. Er trägt ein Kreuzgewölbe, das sich auf Kragsteine stützt, die ebenfalls mit Akanthusblättern verziert sind. Der Saal erhält sein Licht an der einen Seite durch rundbogige Fenster, auf der anderen Seite ist er mit einer Galerie des Kreuzganges durch rundbogige Öffnungen verbunden, die von Viollet-le-Duc erneuert wurden.

Es wurde schon dunkel, als ich im September 2015 die Basilika von Vézelay verließ – natürlich mit dem Versprechen, noch einmal wieder zu kommen …

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Prieuré de Serrabone

Grenzenlose Einsamkeit umgibt das hochgelegene Kloster Serrabone.

(Auf Katalanisch Serrabona, also “guter Berg”). Es liegt im französischen Département Pyrénées-Oriental (Region Languedoc-Roussillon), inmitten der Garrigue, am Fuße des Canigou, des Heiligen Berges der Katalanen.

Es handelt sich um eines der beeindruckendsten
französischen Klöster

der Romanischen Kunst.

 

Der Weg dorthin:

Zugang: A 9, Ausfahrt Perpignan Süd, dann N 116 in Richtung Prades, Andorra, nach Ille/Têt, Richtung Bouleternère über die D618, anschließend Richtung “Prieuré de Serrabone”.

Öffnungszeiten: Ganzjährig von 10-18 h, außer an Allerheiligen, Weihnachten, 1.1. und 1.5.

Die Säulen und Säulenköpfe des alten Eingangs sind aus rosafarbenem Marmor:

Näher betrachtet:

(Zum Vergrößern bitte anklicken!)

 

 

 

 

 

 

Wie alles begann:

Im Jahr 1083 errichten einige Gebietsherrn und Bauern der Umgebung eine kleine Kirche.
Im 12. Jh. zogen sich Augustinermönche dorthin zurück. Das erste Kirchlein wurde vergrößert, ein düsteres Gemäuer mit bläulichem Schieferdach folgte, dazu ein Karreeturm und ein Chor.

Aus Platzmangel entschied man sich für eine Art Galerie anstelle eines Kreuzgangs

Und diese Galerie, nach Süden gegen den Talgrund geöffnet, ist für mich eine Besonderheit, weil sie die bewaldeten Hänge des Aspres ringsum mit ins Bild nimmt und überdies Kapitelle aufweist, wie man sie nur selten findet.
Hier wandelten die Mönche – sie wussten, wo es schön war! 🙂

Eine bizarre Welt aus Stein und Marmor
tut sich in Serrabone auf, man kommt mit dem Staunen und Fotografieren kaum hinterher!

An den Körben der Kapitelle groteske Fabeltiere …

Schier unerschöpflich
scheint die Phantasie des Bildhauers von Serrabone gewesen zu sein, dessen Kunstwerke mich an den rätselhaften “Meister von Cabestany” erinnern. Wer weiß, vielleicht waren Schüler des berühmten Künstlers hier am Werk?

Überall geflügelte Engel und Dämonen,
Greifen, Sphingen, Affen, Maurenköpfe,
Löwen, ein Zentaur, der einen Hirsch jagt …

Gerank, stilisiertes Blüten- und Blattwerk …

Doch das war erst der Anfang …

während das Kirchenschiff eher düster und schlicht erscheint –

es stammt aus dem 11. Jahrhundert, ergänzt vom Querschiff und dem nördlichen Seitenschiff aus dem 12. Jahrhundert  –

betritt man bald die sogenannte “Tribüne” aus rosa Marmor und staunt nur noch …

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Tribüne aus rosa Marmor

Zehn Säulen und zwei rechteckige Pfeiler tragen sechs quadratische Joche mit Kreuzgratgewölbe. Wie auf dem Foto zu erkennen, ist die Fassade dieser Empore kunstvoll verziert, man nennt sie eine

Stickerei in Stein


(Zum Vergrößern bitte anklicken!)

Zwei Seraphine mit gekreuzten Flügeln begrüßen die Gäste. Auch hier wieder Greife, Adler und Löwen – aber auch grimassenschneidende Menschen, wie der Mann, dem offenbar was über die Leber gelaufen ist. 🙂

 

Der Mann mit dem schiefen Maul

Der  Bläser mit dem Horn
Der Bläser erinnert an die Zeit der Troubadoure.

 

(Zum Vergrößeren bitte anklicken!)

 

 

 

Zum Schluss noch einige Aufnahmen aus dem Klostergarten:

Der Klostergarten von Serrabone

Heiligenkraut (Santolina) ist eine
Pflanzengattung aus der Familie der Korbblütler. Der botanische Name ist aus dem lateinischen “sanctus” für heilig und “linum” für Flachs abgeleitet.

 

Ein Highlight zum Abschied – meine schöne

Serrabone-Rose:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

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Pyrenäen- und andere Türme

(Beget, Kirche von Sant Cristófol (12. Jahrhundert),  La Garrotxa, Katalonien, Spanien )

(Arques, Wohnturm,  Departement Aude)

(Carcassonne, Kathedrale St. Nazaire, Näheres hier!)

(Colllioure, St. Vincent, Näheres hier! Thematisiert in mehreren Romanen, wie z.B. “Blut.Rote.Rosen” und “Die Affäre C.”

(Cuixa, Sant Miquel de Cuixà, Benediktinerkloster in den Pyrénées-Orientales)

(Ille-sur-Têt, St. Etienne, Pyrenées-Orientales, Näheres hier!)

(Marcevol: Das Priorat von Marcevol befindet sich auf einer Hochebene, über dem Têt-Tal. Die umliegende Landschaft ist wunderschön, im Norden der “Roc del Maure”, im Westen der Pic de Pau, 1025 m, im Süden der legendäre Berg der Katalanen, der Canigou. Thematisiert in “Salamandra” (2015)

(Taurinya, nahe Prades,  Eglise St. Fructueux de Taurinya.)

 

(Cabestany, Näheres hier klicken)

(Figueras, Katalonien, in der Nähe des Dali-Museums gelegen)

(Elne, Roussilon, Näheres hier!)(Puivert, Aude, Näheres hier klicken!)

(Aussichtstürme in der Nähe von Narbonne, Katharer-Denkmal)

(Santa-Pau, Katalonien)

(Brouilla, Roussillon)

(St-Genis-des-Fontaines, Roussillon, Näheres hier!)

(Perillos, Geisterstadt in Südfrankreich, Pyrenées-Orientales)

(Villerouge-Termenes, im Innenhof dieser Burg wurde 1321 Wilhelm Bélibaste, der letzte Katharer, verbrannt)

 

Ort: Ainsa (Prov. Huesca), Turm der Kollegiatskirche Santa Maria), Foto HLK 2015

Avignon, Papstpalast-Türme (Foto HLK 2015)

Bayeux – Kathedrale, Foto HLK 2012

Privatkapelle Caroxta, Foto HLK 2014

Castalajud, Maurenburg, Foto HLK 2014

Cuenca – Kathedrale, Foto HLK 2014

Dijon – Notre Dame de Dijon (thematisiert in “Talmi”) Foto HLK 2009

Castellar d`en Hug – Ortskirche, Foto HLK 2015

Eunate, Foto HLK 2015

Saint-Gilles, Basilika, Foto HLK 2009

Huerta – Kloster (thematisiert in “Salamandra), Foto HLK 2014

Llo – Église Saint-Fructueux aus dem 12. Jahrhundert, als Monument historique klassifiziert. Foto HLK 2014

Castillo de Loarre (Provinz Huesca), Foto HLK 2015

Madrid, Dach der Kathedrale, Foto HLK 2014

Maja de Montcol, Foto HLK 2014

Die Felstürme von Mallos de Riglos, Foto HLK 2015

Die Reste des Donjons von Montaillou, Foto HLK 2015

Der Mont Saint-Michel, Foto HLK 2012

Die Templerburg Monzon, Foto HLK 2014

Notre Dame de Corail, Eremitage, Foto HLK 2014

Rouen – Kathedrale, Foto HLK 2014

Veules (Normandie), Foto HLK 2012

Nuria (Pyrenäenheiligtum, 2000 m hochgelegen), Foto HLK 2015

Kloster Santa Maria de Obara, Foto HLK 2015

Orcival, Basilika, (Auvergne), Foto HLK 2009

Paris – ohne Worte 🙂

Kloster Saint-Polycarpe, thematisiert in “Sancha”, Foto HLK 2008

Pontaubert (Dep. Yonne), Foto HLK 2015

Pruit – Katalonien, Foto HLK 2015

Puente la Reina, Foto HLK 2015

Puilaurens, Katharerburg, Foto HLK 2010

Puivert – Katharerburg, Foto HLK 2009

Kloster Serrabonne, Foto HLK 2014

Taulis, Pyrenäen, Foto HLK 2014

Ripoll – Kirchturm, Foto HLK 2014

Rocamadour – Heiligtum (Auvergne), thematisiert in “Talmi”, Foto HLK 2009

Romagne (nahe St. Emilion), Foto HLK 2015

St. Emilion bei Nacht, Foto HLK 2015

Taurynia – Pyrenäen, Foto HLK 2014

Termes – Katharerburg, Foto HLK 2014

Thuret – Auvergne, Foto HLK 2009

Troyes – Magdalenenkirche, Foto HLK 2015

Vilajoan, Foto HLK 2014

Zaragoza – Turm der Magdalenenkirche, Foto HLK 2014

Zaragoza – Maurenburg, Foto HLK 2014

Beziers, Magdalenenkirche, Foto HLK 2009

St. André (nahe Collioure), Foto HLK 2009

Carcassonne Foto HLK 2009

Le Puy, Foto HLK 2008

Tour Magdala, Rennes-le-Château, Foto HLK 2008; thematisiert in “Marie” und “Esclarmonde”Montségur – Katharerburg, Foto HLK 2008

Saint-Sernin, Toulouse, HLK 2004

Usson, Katharerburg, Foto HLK 2010

Arles – Saint Trophime, Foto HLK 2009

Notre-Dame de Marceille, bei Limoux, Foto HLK 2006

Saissac – Ruine des Donjon, Foto HLK 2009

 

Viel Vergnügen beim Betrachten – und vielleicht auch mal vor Ort, in den Pyrenäen!

Helene L. Köppel

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Ille-sur-Têt und König David

Ille-sur-Têt (auf Katalanisch Illa) ist eine lebendige französische Gemeinde im Département Pyrénées-Orientales in der Region Languedoc-Roussillon. Der Ort hat ca. fünftausend Einwohner und liegt am Fuße der Pyrenäen, südlich der Têt, etwa 25 km westlich von Perpignan – und mitten im Zentrum des Pfirsichanbaus.
(alle Fotos HLK, 2013 bzw. 2008)

Unübersehbar ist die Kirche St. Etienne, 17. Jh. Sie steht im Ortszentrum, auf dem Platz ihrer romanischen Vorgängerkirche, von der es kaum noch Spuren gibt. Nur der imposante Turm (ein sog. “lombardischer” Turm) stammt noch aus dem Mittelalter und evtl. verschiedene Skulpturen, die man im Außenbereich der Kirche wieder angebracht hat, z.B. dieses alte Sonnensymbol:

Tausendfünfhundert Gläubige haben Platz in diesem Gotteshaus: Ein Schiff mit zwölf Kapellen und Seitenaltären.

Wie viele alte Kirchen (z.B. Limoux NDdM) – hat man auch den Vorgängerbau von St. Etienne in der Nähe eines Brunnens errichtet. Das deutet auf ein noch viel älteres, heidnisches Heiligtum hin (Brunnenheiligtum?), das sich dort einst befand.
Der “Font de la Vila”
ist noch heute zu besichtigen.

Am Eingangstor und auf den Stufen rosa Marmor, der aus dieser Gegend stammt und zwar aus Bouleternère. Fassade und Pfeiler sind aus Granit von Nefiach.

Innen und Außen ist viel Barock zu sehen. Nachstehend der Heilige Etienne (Stefan). Die roten Säulen sind aus Marmor von Caunes.

Dieses prachtvolle Fenster zeigt das Wappen/ die Flagge von Ille-sur-Têt:

Zur Baugeschichte: Die Stadtgemeinschaft von Ille-sur-Têt erhob im 17. Jahrhundert, zur Bauzeit dieser Kirche, eine eigene Steuer, um die nötigen Gelder zusammenzubringen. Verschiedene BRUDERSCHAFTEN (Sanchbrüder) – sowie Einzeltestamente von Mäzenen aus dem Bürgertum – trugen ihr Scherflein zum Bau bei.

Das Gemälde Kreuzabnahme, im nächsten Foto links, scheint eine Replik des Malers Tournier zu sein (?), das Original hängt in Toulouse.

Nachstehend einer der vielen Altäre:

König David

Und hier stieß ich auf eine ganz außergewöhnliche, vergoldete Figur, die David mit der Harfe darstellt. Der zweite König von Juda und Israel (nach König Saul), soll ein großer Sänger und Dichter gewesen sein (Psalmen). Er lebte um 1000 vor Christus.

(Anmerk.: Eine vergleichbare Statue steht in Jerusalem in der Nähe von Davids Grab auf dem Zionsberg. Diese wurde aber erst 2008 erstellt. )

Dass hier, wie in vielen Orten Kataloniens, Sanch-Prozessionen in der Karwoche stattfinden (in Ille-sur-Têt am Gründonnerstag!), davon zeugt auch dieses große Outragekreuz mit den Folterwerkzeugen. Im Hochmittelalter nannte man sie “Die Schwarzen Kreuze”.

Besondere Verehrung scheint in Ille-sur-Têt der berühmte Pfarrer von Ars zu erfahren, mit bürgerlichem Namen Jean Marie Vianney. Sein Leben wurde von dem französischen Autor Georges Bernanos (1888-1948) beschrieben, dem mit seinem Debütroman “Die Sonne Satans” der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Bernanos galt fortan als Vertreter des neuen theologischen Romans. Seine Stoffe beschäftigen sich mit der Stellung des Menschen zwischen Gut und Böse, zwischen göttlicher und teuflischer Macht. Das Buch wurde verfilmt.

Auch ein deutscher Autor – Walter Nigg –  hat sich mit dem Pfarrer von Ars beschäftigt:Von Reise zu Reise bewahrheitet sich für mich eines immer mehr: In Südfrankreich muss man in alle Ecken gucken, selbst in die finstersten! Hilfreich ist dabei eine kleine Taschenlampe, denn die Lichtschalter in den alten Kirchen befinden sich oft an den ungewöhnlichsten Stellen.

Auch in Ille-sur-Têt hat sich meine Neugierde ausgezahlt:  In der Nische einer abseits gelegenen, dunklen Seitenkapelle entdeckte ich eine der ROMANISCHEN MADONNEN  (Schwarze Madonnen), denen ich seit Jahren hinterherlaufe. Von ihrer Existenz in St. Etienne hatte ich nichts geahnt. Umso größer war natürlich meine Freude.

Ein alter Kult

Später fand ich heraus, dass in Ille-sur-Têt ein alter örtlicher Kult der NOSTRA SENIORA DE LA LLUNA existierte (Lluna = Mond) – vielleicht in Verbindung mit dem schon erwähnten Brunnenheiligtum?


Die Herrin vom Mond also. Eine Mondgöttin? Ganz sicher ein Hinweis auf ältere Glaubenskulte in der Gegend, s. auch meinen Artikel über Mirepoix – die Stadt der Belisama. Heute haben die alten Göttinnen keine Daseinsberechtigung mehr. Für sie balanciert längst munter die Muttergottes auf der Mondsichel, z.B. in Paris, Notre Dame:

Die Orgelpfeifen

Die wohl größte (und älteste) Sehenswürdigkeit in der Umgebung von Ille-sur-Têt sind die sog. Orgues: Es handelt sich um Sandsteinfelsen aus dem Pliozän im Tertiär. Der Fluss Têt hat das Material aus den Pyrenäen hier abgelagert. Die Orgues sind – wie die alten Götter –  dem Untergang geweiht, denn die Erosion hält noch immer an:

Danke für die Aufmerksamkeit!

Helene L. Köppel

Boule d’Amont und die Gekreuzigte Frau

Boule d’ Amont

Auf meiner Pyrenäenreise im Jahr 2013 verschlug es mich u.a. in den kleinen Ort Boule d’Amont  (Département Pyrénées-Orientales, Nähe Prades). Dieser Ort war bereits in der Jungsteineit bewohnt. In der Nähe gibt es Dolmen und Menhire.
Die im Ortskern stehende Pfarrkirche Saint-Saturnin stammt aus dem 11. Jahrhundert, sie wurde 1972 in das Zusatzverzeichnis der Monuments historiques eingetragen.

In dieser Kirche entdeckte ich sonderbare Dinge – doch alles der Reihe nach. Zuerst treten Sie bitte ein …

Beginnen wir mit Gott Vater, der sich hier im Kopfschmuck des Sol invictus zeigt. Auf Sonnensymbole trifft man in den Pyrenäen häufig.

Auch Maria, die Himmelskönigin, wird in Südfrankreich gern als Sonnenkönigin dargestellt – hier mit Strahlenkranz und prachtvollen Ohrgehängen:

Die “üblichen Verdächtigen” (Antonius von Padua, St. Germaine usw.), die man in fast allen Kirchen Frankreichs findet, stelle ich in diesem Beitrag nicht vor, dafür die berühmte und hochverehrte “Madonna von den Treppen” – (die ich an diesem Tag vergeblich im Kloster Marcevol gesucht hatte; die Madonnen befinden sich leider nicht immer dort, wo sie eigentlich hingehören).

Aber da war sie nun endlich, in Boule d`Amont, gut gesichert hinter Glas:

(Nachstehend oder besser “sitzend”: Notre Dame de las Gradas, 11. Jh, romanische Sitzmadonna, Foto HLK.)

Eine weitere spannende Entdeckung in Boule d`Amont:

Jahrelang suchte ich nach ihr, deshalb freute ich mich unbeschreiblich, als ich im Juni unverhofft auf sie stieß:

“Notre Dame de Vie” (Unsere Frau vom Leben)

Ich wusste, dass es sie gab, doch wo? Das Vertrackte bei meiner Suche war gewesen, dass auch etliche Romanische Madonnen diesen Namen tragen, z.B. in Villefranche de Conflent. Mein Interesse galt aber einer ganz besonderen “Dame vom Leben”, einer ländlich-rustikalen Pyrenäenmadonna – wie ich sie nun zufällig in Boule d`Amont fand.

Die Figur mutet androgyn an. Spontan erinnerte ich mich an die Offenbarungsrede auf dem Nag Hammadi-Papyrus, in der eine weiblich-männliche Allgöttin spricht:
“Ich bin das Haupt des Alls, die ich vor einem jeden da bin .. ich bin es, der das Wasser hervorsprudeln ließ”

(s. auch “Die Affäre C.“)

Mein Interesse an dieser Madonna hängt – wie soll es anders sein – mit meiner Arbeit zusammen, der Schriftstellerei – und hier insbesondere der Cagotenforschung (Cagots = eine noch im 19. Jh verachtete Pyrenäenpopulation). Mein dritter Thriller “Talmi” beschäftigt sich im historischen Part mit diesen Cagoten. Deshalb möchte ich hier nichts verraten. Es war jedenfalls ein unbeschreibliches Gefühl für mich, als ich die Inschrift unter den Füßen dieser sonderbaren Madonna entdeckte:
Notre Dame de Vie.


Und nun zur Gekreuzigten Frau:

Es gibt sie, die Gekreuzigten Frauen, aber ich selbst hatte noch kein Abbildnis vor Ort gesehen. In den meisten Fällen handelt es sich wohl um die Heilige Kümmernis  (auch St. Wilgefortis genannt). Vom eigenen Vater (König) gezwungen, einen Heiden zu heiraten, erflehte sich die junge Christin von Gott einen Bart. Ihr Wunsch ging in Erfüllung – worauf der wütende König sie ans Kreuz nageln ließ. Soweit die Legende.

Ergänzend ist zu sagen, dass die Heilige Kümmernis in der Mythologie als Nachfahrin einer keltischen Baumgöttin gesehen wird, die einst am Querholzbaum gebunden im Wald hing – was jedoch die Kirchengeschichte nur ungern zugibt.

Eine Frage bleibt wohl für immer offen – Die goldene Kümmernis, die in Boule d’Amont ausgestellt ist, trägt KEINEN BART – hängt aber dennoch am Kreuz. Eine französische Variante der Legende? Nun, vielleicht bekomme ich es eines Tages noch heraus!

Diese gruselige Story kann man übrigens auch in der Märchensammlung der Gebrüder Grimm nachlesen: “Die Frau Kümmernis”.

 

Der österreichische Dichter, Avantgardist, Naturforscher und Sprachkundler Bodo Hell ( geb. 1943 in Salzburg ) hat ein Gedicht über die Kümmernis geschrieben, das ich irgendwann zufällig in “KUNSTUNDKULTUR” gefunden habe.

Ein kleiner Auszug:

Frau Kümmernis
wie schön gewandet stehst du da
samt deinen güldnen Schuhen,
die Hände flach ans Holz gespießt
hast keine Zeit zum Ruhen …”

Ich danke herzlich für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel

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Der rätselhafte Meister von Cabestany

(Alle Fotos HLK 2009/2013)

Niemand weiß, wer sich hinter ihm verbirgt. Einig ist man sich heute, dass er ein hochbegabter Bildhauer des Romanischen Mittelalters war (12. Jh), mit einer außergewöhnlichen Spannbreite, was sein Schaffen betrifft. Als Herkunftsort vermutet man die kleine französische Gemeinde Cabestany, nahe Perpignan. Hier existiert seit einigen Jahren ein modernes Museum – eine Art Forschungszentrum –, das seine Werke angemessen und geschmackvoll präsentiert.

Als ich mich im Jahr 2009 im Kloster St. Hilaire (Aude) aufhielt, traf ich zum ersten Mal auf diesen Künstler. Denn dort befindet sich der berühmte Sarkophag des Heiligen Saturnin – ein Spätwerk des Meisters von Cabestany. Ungewöhnlich fand ich damals die vielen neugierigen Tier- und Maskenköpfe zwischen den Beinen der Figuren. Ein Hinweis auf die Kräfte des Bösen, auf das Tier, das in jedem Menschen steckt?

War der Meister von Cabestany ein seltenes Naturtalent? Oder ging er irgendwo in die Lehre?

Es ist denkbar, dass er sich während seiner Schaffenszeit an unterschiedlichen Baustellen aufhielt. Das 12. Jahrhundert war ja bekanntlich eine Epoche des Ausbaues der Klöster und Pilgerstraßen, aber auch des beginnenden Kathedralbaues – Bollwerke gegen die sich ausbreitende Katharer-Häresie.

Vielleicht hat der Meister von Cabestany seine Kunstfertigkeit sogar im nahen Toulouse erworben, als seinerzeit unzählige Bildhauer die berühmte Basilika  St. Sernin ausgestalteten. (Das imposante Gotteshaus wurde um die Mitte des 12. Jahrhunderts fertig.)

Dass man den Meister von Cabestany heute zeitlich einordnen kann – und zwar in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts – ist einem Zufall zu verdanken: Auf dem Schmuckbogen der in der Nähe von Cabestany gelegenen Abtei Lagrasse, den er ebenfalls geschaffen hat, sind die Namen zweier Äbte eingemeißelt: Wilhelmus und Rotbertus, die im Jahr 1157 bzw. 1167 amtierten.

Das nachstehende Foto entstand in Barcelona, im Museu d`Art de Catalunya. Der Künstler wurde dort nicht genannt, doch mein Verdacht erhärtete sich, als ich in der Woche darauf in Cabestany den großen Pferdekopf sah. Die Ähnlichkeit kann meines Erachtens nicht geleugnet werden.

Ein Exportschlager aus dem Mittelalter?

Der immens fleißige Meister von Cabestany (mehr als 120 Werke werden ihm inzwischen zugeordnet) arbeitete stets mit dem Stein, der in seiner Umgebung vorkam (z.B. mit dem weißen Marmor von Ceret). Überall in Katalonien (Südfrankreich/Nordspanien) kann man seine Werke entdecken – vorzugsweise entlang der zahlreichen Pilgerstraßen nach Santiago de Compostela.

Überraschenderweise lassen sich aber auch in der Toskana (San Antimo bei Siena) Werke von ihm finden, z.B. die außergewöhnlichen Löwenfiguren des Meisters.

Was genau war nun der Meister von Cabestany?

Ein Berufsbildhauer? Ein einzelner Steinmetz mit herausragender Begabung? Oder gar ein Architekt (im Sinne von Anführer) – der womöglich in der Diözöse Narbonne eine große Werkstatt besaß und viele Gehilfen beschäftigte, die alle nach seinen Vorgaben arbeiteten?
Letzteres lässt sich nicht ausschließen – und es ist eine Vorstellung, die mir gefällt.
Für mich steht fest, dass der Beruf des Meisters von Cabestany zugleich seine Passion war, und dass seine Fantasie keine Grenzen kannte!
(Fotos Flötenspieler, die wie Oktobusse aussehen, Fries.)

Eine letzte These …

Nachdem sich viele seiner Werke in den bedeutendsten Benediktinerklöstern befinden, könnte der Meister von Cabestany auch ein frommer Mönch gewesen sein, der sich der Bildhauerei verschrieben hatte.  (Im nächsten Bild das berühmte Agnus Dei des Künstlers.)

Zu meiner Überraschung stellte ich bei meinem Museumsbesuch in Cabestany ( im Juni 2013) fest, dass sich der Meister von Cabestany auch mit dem Glauben der Katharer (Dualismus: die Lehre der zwei Welten) befasst hatte, denn er verwendete für den “Gefallenen Engel” (Luzifer) ausnahmsweise schwarzen Marmor.

(Das Original dieses außergewöhnlichen Kunstwerks befindet sich angeblich in Rieux-Minervois, L’Assomption-de-Notre-Dame).

Je länger ich mich mit dem unbekannten Meister beschäftigte, desto mehr faszinierten mich seineBildwerke, die er übrigens nie signiert hat. Dennoch sind sie selbst für einen Laien relativ leicht zuzuordnen: Oft bohrt er Löcher in die meist mandelförmigen Augen. Die Hände hingegen sind extrem lang – wie die der Romanischen Madonnen. Und überall tauchen diese eigentümlichen, surrealistisch anmutenden Friese auf, mit ihren Tier- und Maskenköpfen.

Nachstehend ein gelungener Widderkopf …

und immer wieder Engel …

Eine kleine Provokation?

Äußerst selten wird in der Kunst die Jungfrau Maria in einer MANDORLA dargestellt, wie man jenen mandelförmigen Rahmen um ihren Körper nennt. Üblicherweise thront nur Christus selbst (als Pantokrator oder Majestas domini) in solchen Mandorlen.
Lag der Grund für diese Abweichung in der glühenden Marienverehrung, die das 12. Jahrhundert auszeichnete?

Das Original befindet sich wie auch der “Gefallene Engel” in Rieux-Minervois.

Begeistert haben mich auch die zahlreichen Ornamente, Blüten und Blumen, die sich der Meister von Cabestany ausgedacht hat.
Hier ein immer wiederkehrendes Motiv, das mir besonders gefällt:

Das Schlüsselwerk des Künstlers …

befindet sich nicht im Museum, sondern in der Pfarrkirche von Cabestany (hinter dem Museum): Der berühmte Tympanon des Meisters!
Er ist wie die meisten seiner Arbeiten aus weißem Marmor gefertigt (im oberen Teil leider beschädigt).
Ursprünglich befand er sich wohl vor dem Haupteingang der Vorgängerkirche.
Auch hier wieder die Madonna in der Mandorla, wie man sie in Rieux-Minervois findet.

Der Tympanon birgt ein kleines Geheimnis:

Rechts und links neben dem segnenden Christus – mittig mit Bart und Schriftsatz (Hinweis auf das Neue Testament?) – stehen der Apostel Thomas und die Jungfrau Maria. Der “ungläubige Thomas” hält einen Gürtel mit mandelförmigen Symbolen in der Hand, den er der Legende nach von Maria erhalten hat.

So weit, so gut. Nur – woher hat dies der Meister von Cabestany gewusst?

Die Legenda aurea*, in der diese Begebenheit steht, ist jünger als der Bildhauer. Mehr als hundert Jahre!

Nun, der Meister von Cabestany kann es uns nicht erzählen. Er hat sich dem Schweigen verschrieben und verbleibt bis auf weiteres im Dunkel der Geschichte!

*Legenda aurea: Verfasser ist der Dominikaner Jacobus de Voraigne (1230-1298)

ERGÄNZUNG 20. NOVEMBER 2014:
Das Kloster von Sant Pere de Rodes (Katalonien), das ich im September 2014 aufsuchte, gehört zu einem der berühmtesten Baudenkmälern Kataloniens. Hier befindet sich ebenfalls ein Werk des Meisters von Cabestany:

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und lade Sie nun nach Rieux-Minervois ein, um dort weitere Kunstwerke des Meisters zu entdecken!

 Helene L. Köppel