Wer nichts erlebt hat, hat auch nichts zu erzählen!

Spannende Bücher entstehen nicht Schlag auf Schlag. Ob Belletristik, Fach- oder Sachbuch – hinter jeder Veröffentlichung stecken Arbeit, Durchhaltekraft, Leidenschaft – und Lebenserfahrung!

Täglich neu die Trägheit überwinden, für ein Thema brennen (ohne gleich an den Ruhm zu denken), fleißig recherchieren, plotten, aufschreiben, was geschrieben werden MUSS – weil es einen sonst umtreibt! – das ist das Leben, das mir seit 17 Jahren gefällt, das ich mir ausgesucht habe: Mein Doppelleben. Mein Schriftstellerdasein.

Nach inzwischen zehn veröffentlichten Romanen habe ich endlich auch – neben dem Zugewinn an Lebenserfahrung und Menschenkenntnis – die notwendige Gelassenheit erworben, mit dem Auf und Ab, den dieser Beruf mit sich bringt, umzugehen.

Von Terenz stammt der Satz: Nichts ist so schwierig, dass es nicht erforscht werden könnte. Das stimmt. Doch ohne interessante Begegnungen, Erlebnisse, Gespräche, Bücher und Reisen würde es mir schwerfallen, neue Geschichten zu schreiben.
Ich brauche aber auch genügend Zeit, um mit mir und meinen Romanideen allein zu sein. (Alleinsein ist nur traurig ohne Beschäftigung!)

Aber Achtung – Abstand halten!
Natürlich muss man all die tollkühnen, manchmal auch komischen Abenteuer des Lebens, die Fährnisse, Schicksalsschläge, Glückseligkeiten, die Hochs und Tiefs nicht nur erleben, sondern auch überleben (s. das Foto mit dem Reiter 🙂 ), damit man sie – mit einem gewissen Abstand – reflektieren und darüber schreiben kann. Denn, wohlgemerkt:

Die Hand, die die Feder hält, darf beim Schreiben nicht mehr zittern!
Mit anderen Worten: Man braucht einen zeitliche Distanz, bevor man sich etwas von der Seele schreibt. (Im anderen Fall wird eine Lamentatio daraus und der Leser merkt’s und wendet sich ab mit Grausen. 🙂 )

Wer nichts erlebt hat, hat auch nichts zu erzählen
– das gilt natürlich gleichermaßen für den Alltag, den Stammtisch, das wöchentliche Kaffeekränzchen, den Saunabesuch oder die Normandiereise mit meinen Freundinnen Anke und Anette!
Man muss ja nicht alles so ernst nehmen wie das Schreiben …

Santé und viel Spaß! 🙂

Viel Vergnügen beim Lesen meiner Romane wünscht

Helene L. Köppel

My fantasy is my castle

 

Link zu den Leseproben – hier geht’s lang!

 


 

 

 

 

 

 

 

VOLTAIRE und die “Affäre Calas”

Correspondance Voltaire

Als im Jahr 2008 nach intensiven Quellenstudien mein Roman über den Justizskandal “Jean Calas” erschien (Aufbau-Verlag, Berlin), bat mich die Voltaire-Stiftung in Bad Liebenwerda (Correspondance Voltaire) um einen Artikel für ihre Website.
Diesen Beitrag stelle ich nun – unter Verwendung eigener Toulouse-Fotos (2004) hier auf meiner Website ein:

UM WAS GING ES IM FALL CALAS:

JEAN CALAS, Tuchhändler und Hugenotte aus Toulouse wurde am 18. November 1761 vom Toulouser Capitoul für schuldig befunden, seinen Sohn umgebracht zu haben. Man warf ihm vor, er habe verhindern wollen, daß dieser zum katholischen Glauben übertritt. Am 10.3.1762 wurde Jean Calas bei lebendigem Leib aufs Rad geflochten, wo er starb. Voltaire erreichte in einer 3 Jahre dauernden europaweiten zäh und mit erheblichen finanziellen Mitteln geführten Kampagne, daß dieser abscheuliche Justizmord als solcher anerkannt werden musste und die Angehörigen Calas eine Entschädigung erhielten.

VOLTAIRE und die “Affäre Calas”  von Helene L. Köppel

Was soll man einem Menschen antworten, der einem sagt, dass er lieber Gott gehorche als Menschen und der sich folglich sicher ist, sich den Himmel zu verdienen, wenn er einen erwürgt?“, schreibt Voltaire im Artikel ‘Fanatismus’ seines Phiolosophischen Wörterbuchs. Diese Warnung bezieht sich auf die Fundamentalisten seiner Zeit –  im besonderen Maße aber auf den Fall des Hugenotten Jean Calas, für dessen Rehabilitierung er sich 1762 mit großer Zähigkeit und erheblichem finanziellen Engagement eingesetzt hat.
 

Jean Calas, ein bis dahin rechtschaffener, unbescholtener und geachteter Tuchhändler in Toulouse, gehörte zu den wenigen Reformierten der Stadt, die es zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatten. Er wurde gemeinsam mit seiner Familie angeklagt, seinen Sohn Marc-Antoine erhängt zu haben. Begründung des Gerichts: Marc-Antoine habe sich vom reformierten Glauben abgewandt, um zum Katholizismus überzutreten.

Eingangstür Rue des Filatiers 50

Inschrift Calas Rue des Filatiers 50

“Haus von Jean Calas wo der Leichnam seines Sohnes Marc Antoine am 13. Oktober 1761 aufgefunden wurde.”

Rue des Filatiers 50 Innenhof

Was genau geschah am 13. Oktober 1761 in Toulouse, in der Rue des Filatiers 50?

Lavaisse, ein junger Freund der Familie kommt zu Besuch. Jean Calas, seine Frau und seine Kinder laden ihn zum Abendessen ein. Man speist gemeinsam, unterhält sich über familiäre Dinge und über die “Altertümer auf dem Rathaus” (umstrittene Kunstwerke). Man lacht miteinander.

Doch die Familienidylle ist trügerisch …

Voltaire schreibt ein Jahr später über diesen Abend (er leiht seine Stimme der Ehefrau und Mutter):
“Da wir am Nachtische waren, steht dieses unglückliche Kind, ich meine meinen ältesten Sohn Marc-Antoine, von der Tafel auf und geht durch die Küche, wie es seine Gewohnheit war, hinweg. Die Magd sagt zu ihm: Frieren Sie, Herr Calas? Wärmen Sie sich hier!
Nichts weniger, antwortet er, ich bin im Gegenteil ganz erhitzt! Um ungefähr 9 3/4 Uhren nahm unser Besuch Abschied von uns, wir gaben unserem zweiten Sohn die Fackel, den Gast zu begleiten und den Weg zu weisen. Sie gingen miteinander hinunter. Im Augenblick aber, als sie drunten waren, hören wir lautes Geschrei und Lärm, konnten aber nicht unterscheiden, was man redete. Mein Mann lief hinzu, ich aber blieb zitternd auf der Galerie, ich durfte nicht hinunter gehen, ich wusste nicht, was es wohl sein möchte …”

Was es wohl sein möchte?

Marc-Antoine hängt tot am Türrahmen des im Keller befindlichen, väterlichen Kontors. Hat er sich umgebracht, weil man ihm, als Hugenotte, nach abgeschlossenem Jurastudium die Ausübung des Berufes verbot? Marc-Antoine war in den Wochen zuvor schwermütig gewesen.

Jean Calas, sein Vater, 64 Jahre alt – entsetzt, erschüttert –  weiß, wie man in Toulouse mit Selbstmördern verfährt: Sie werden mit dem Gesicht nach unten zum Richtplatz geschleift, man bewirft sie mit Steinen und hängt sie an den Galgen.
Diese Schmach will er seiner Familie und seinem toten Sohn ersparen.

Und nun begeht Jean Calas den größten Fehler seines Lebens:

Er beschließt, den Suizid als Mord hinzustellen:  Ein Fremder muss das Abscheuliche getan haben! Das ist für ihn, in dieser furchtbaren Stunde, die Wahrheit! Das Unglück spricht sich noch in der Nacht wie ein Lauffeuer herum und ruft die Bruderschaft der Weißen Büßer * auf den Plan, erbitterte Feinde der Hugenotten, fanatische katholische Glaubenswächter. Die Büßer, angetan mit weißen Kutten und langen spitzen Kapuzen mit Augenschlitzen, nutzen die Situation, um es den Hugenotten wieder einmal zu zeigen: Sie rotten sich zusammen, eilen zum Haus der unglücklichen Familie, schreien:

“Es  ist sein Vater und seine protestantische Blutsverwandtschaft, die ihn ermordet hat; er hat wollen katholisch werden, er sollte den folgenden Tag abschwören, sein Vater hat Hand an ihn gelegt und ihn erwürget. “

Die Gerichtsbüttel kommen. Die Stimmung heizt sich weiter auf. Die halbe Stadt läuft zusammen. Obwohl die katholische Magd ihren langjährigen Arbeitgeber und auch alle anderen Anwesenden entlastet, wird die gesamte Familie verhaftet, auch die Magd. Alle werden sie an “Eisen und Band” geschlossen, das Familienvermögen wird, wie es jahrhundertelang die Inquisition vorgemacht hat, eingezogen. Jean Calas klagt man des Kindesmordes an; den Hausgast Lavaisse bezichtigt man, Henker einer protestantischen Versammlung zu sein, “die jeden erwürgte, der die Religion ändern wolle”. Dies sei “die gewöhnliche Jurisprudenz der Protestanten”, heißt es in der Stadt. Gerüchte laufen von Haus zu Haus, von väterlichen Drohungen ist die Rede. Nicht wenige Leute bilden sich ein, Marc-Antoines gellende Stimme in der Nacht gehört zu haben.

Richter des Toulouser Gerichts

Das Urteil

Am 9. März 1762 sprechen die Richter mit einer Mehrheit von acht zu fünf Stimmen Jean Calas schuldig und verurteilen ihn zum Tode durch das Rad. Sein jüngster Sohn Pierre wird auf Lebenszeit aus Frankreich verbannt, die Töchter ins Kloster gesteckt, die anderen Angeklagten werden freigesprochen. Weil Jean Calas auch nach dem Urteil kein Geständnis ablegt, kommt die Folter zum Einsatz.

Mit Feuer bringt man seine Zehen und Finger zum Platzen und enthäutet sie. Doch Jean Calas bleibt standhaft.

Seine letzten Worte waren: “Ich habe die Wahrheit gesagt, ich sterbe unschuldig …” Danach zerschlug ihm der Henker mit einer Eisenstange Knochen und Rückgrat, um ihn aufs Rad flechten zu können, wo Calas noch so lange litt, bis man ihn gnädigerweise erwürgte. Seine Asche wurde in alle Winde zerstreut.

Die Rolle der Justiz im Fall Calas

Zwar war das Strafverfahren für ganz Frankreich seit dem Jahr 1670 durch die Ordonnance Criminelle einheitlich geregelt, in der Praxis sah es jedoch anders aus. Die “Capitouls” (Konsuln) von Tolouse – einige gehörten der oben genannten Bruderschaft der Weißen Büßer an  – waren die Richter der ersten Instanz. Das Strafrecht des Ancien Régime kannte keine Gewaltenteilung. Es sah keinen Anwalt für den Angeklagten, auch keine Gegenüberstellung mit den Zeugen vor. Stattdessen machte das Gericht vom sogenannten Monitoire Gebrauch, ein Aufruf zur Denunziation an jedermann. Vermutungen, Erzählungen vom Hörensagen – alles absolut geheim – wurden in Viertel- und Achtel-Beweisen umgemünzt, addiert, so daß aus 4 Viertel-Beweisen ein ganzer Beweis wurde! Jean Calas erhielt auch keine Abschriften über diese Aussagen.
Das Todesurteil stützte sich also auf reine Indizien und mehr oder weniger fingierte oder zurechtgebogene Zeugenaussagen.

“Auf diesen Wahn hat man das Urteil gegründet”, kommentierte Voltaire dies später. Die einzige Möglichkeit, das Urteil aufheben zu lassen, bestand für Calas darin, den königlichen Gerichtshof, das sog. Parlement, anzurufen, doch dieses – erzkatholisch und erzkonservativ – stützte sich einzig auf die “Fakten” aus der ersten geheimen Verhandlung. Unter solchen Bedingungen hatte der Hugenotte Jean Calas keine Chance auf eine gerechte Verhandlung.

Die Rolle der römisch-katholischen Kirche und der Weißen Büßer

Obwohl es keinen Beweis gab, dass Marc-Antoine Calas je die Absicht hatte, konvertieren zu wollen, nutzte die katholische Kirche die Gelegenheit, indem sie Gerüchte streute, ihre “eigenen Wahrheiten” verbreitete, den Pöbel aufputschte – ja, sogar veranlasste, dass Marc-AntoinDie Büsser heute - imme rnoch aktiv!e Calas als Katholik (der er nicht war!) und Märtyrer begraben wurde.
Die Weißen Büßer hielten ein feierliches Hochamt für den Jungen ab, errichten ihm ein prächtiges Grabmal, auf das man sein Bildnis stellte, mit einem Palmzweig in der Hand.
“Das Wort Kindesmörder und – was noch schlimmer war – Hugenotte ging in der ganzen Provinz von Mund zu Mund”, schreibt Voltaire in seinem Philosophischen Wörterbuch.

Was Jean Calas` Verurteilung und Hinrichtung noch beschleunigte, war, so Voltaire, die Nähe zu dem berüchtigten Fest, das die Toulouser jährlich zum Andenken an die Niedermetzelung der viertausend Hugenotten feierten (200-Jahr-Feier, 1562-1762!).
Die fanatischen Büßer erklärten dabei öffentlich, das Schafott, auf dem man Calas rädern werde, würde die größte Zierde des Festes sein, und die Vorsehung hätte dieses Schlachtopfer beschert, damit es der heiligen Religion dargebracht werden konnte.

Voltaire – das Gewissen Frankreichs – schaltet sich ein

Voltaire ist 68 Jahre alt und krank, als er von der Affäre Calas hört. Zunächst von der Schuld des Jean Calas überzeugt, beginnt er bald zu zweifeln. Er untersucht den Fall und stellt fest, dass eine solche Verschwörung unmöglich sei: “Wie hätte der Vater, selbst mit starker Beihilfe anderer, seinen Sohn an beide Flügel einer Türe auf dem untersten Stockwerk aufhängen können, ohne gewaltigen Kampf und Widerstand, ohne greulichen Tumult?”


Voltaire besitzt einflussreiche Freunde

Er ruft ein Komitee ins Leben, das ihn bei seinen Bemühungen um eine Revision unterstützt. Er will gewinnen – und zugleich die Ehre der Familie Calas wiederherstellen. Er verpflichtet Anwälte und – das Wichtigste! – er setzt ersmals in der Geschichte das ein, was heute eigentlich die PresseBrief der Witwe Calas in deutscher Überseztung übernehmen sollte:

Voltaire stellt die Öffentlichkeit her!

Er verfasst sog. Denk- und Schutzschriften im Namen der Witwe Calas und ihrer Söhne und verschickt sie auf eigene Kosten in halb Europa (auch in Deutschland). Sein Vorhaben gelingt: Endlich nimmt sich der König des Falles an und rehabilitiert die Familie Calas. Am 9.3.1765 verkündet der Kronrat posthum die Unschuld von Jean Calas. Im September 1762 antwortete Voltaire auf die Frage, warum er sich für eine Wiederaufnahme des Verfahrens im Fall Calas einsetzte: “Weil sich sonst keiner darum gekümmert hat.”

Voltaire hat zum einen die Richter angeklagt, auf das unsägliche Monitoire verwiesen (s.o.) –  und er hat den Blick auf England gerichtet, das damals bereits die Religionsfreiheit garantierte. Die Hauptschuld für diesen Justizskandal sah er jedoch bei den Fanatikern, der katholischen Kirche, den Weißen Büßern von Toulouse  – und dem “Geschrei des rasenden Pöbels”, dem unaufgeklärten, ungebildeten Volk.
(Voltaire: “… es ist nicht alles verloren, wenn man das Volk in den Stand setzt, zu merken, dass es einen Geist hat.”)

Was bleibt?

Dass Voltaire am Beispiel Calas für eine umfassende Strafrechtsreform eintrat und England, wo Gerichtsverhandlungen nicht geheim waren, als glühendes Beispiel hinstellte, hat in Frankreich dafür gesorgt, dass der Willkür der Richter ein Riegel vorgeschoben wurde.

“Unser Ziel muss sein, die Fanatiker um ihren Einfluss zu bringen!”

Dass sich Voltaire 1763 in seiner Schrift “Über die Toleranz” (Traité sur la tolérance) vehement für Religionsfreiheit aussprach und nachwies, dass Jean Calas vor allem ein Opfer des Fanatismus wurde, ist für uns alle Verpflichtung, wachsam zu sein.

Voltaire hat die Affäre Calas für die Fortführung seines eigenen Kampfes gegen Fanatismus und Aberglauben benutzt. Dabei setzte er auf Vernunft, Toleranz und Bildung – und auf öffentlichen und freien Zugang zu allen Informationen – hohe Güter, die auch heute, im 21. Jahrhundert, von uns gehegt, beschützt und verteidigt werden müssen.

Helene Luise Köppel

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Fotos: Helene L. Köppel privat

Quellen:

Authentische Briefe welche das traurige Schicksal der reformierten Familie Calas zu Toulouse nach der Wahrheit vor Augen legen”, aus dem Französischen übersetzt, 1762, 44 S. (in Privatbesitz Helene L. Köppel)

Albert Gier/Chris E. Paschold”, Voltaire. “Die Toleranz-Affäre”, Bremen, 1993

“Voltaire – Über die Toleranz, 1763, in: “Recht und Politik”, Hg. und Nachwort von Günther Mensching, Frankfurt/M. 1978

Zitate:

Voltaire “Für Wahrheit und Menschlichkeit”, Stuttgart 1939
Voltaire “Korrespondenzen aus den Jahren 1749 bis 1760, Leipzig 1978
Voltaire ” Philosophisches Wörterbuch, Leipzig 1984

Belletristik:

Helene L. Köppel, “Die Affäre Calas”, Berlin 2008; “Die Affäre C.”, 2013, Taschenbuch u. E-book

Neuauflage 2013 “Die Affäre C.”, Taschenbuch und E-book:

Anmerkung:

* Weiße Büßer von Toulouse: Diese Bruderschaft wurde Anfang des 13. Jahrhunderts in Toulouse gegründet, um das Kreuzfahrerheer im Kampf gegen die Katharer zu unterstützen; 1614 Neugründung; sieben eigene Häuser in Toulouse, relativ unabhängig von der römisch-katholischen Kirche; am Gründonnerstag zog die Bruderschaft in stundenlanger Prozession durch die Stadt.

 

 

 

ESCLARMONDE von Foix – die Jeanne d’Arc des Südens

ESCLARMONDE von Foix – Historisch

ESCLARMONDE („Licht der Welt“, französisch: éclair du monde) – die Vizegräfin von Foix (Südfrankreich, Ariège) war eine Katharerin, eine geweihte Perfekte – ja, die wohl berühmteste katharische Perfekte überhaupt. Noch heute wird sie die “Große Exclarmonde” genannt, manchmal liebevoll “princesse cathare”, und mitunter auch “Jeanne d’Arc des Südens”.

Geboren um das Jahr 1180 (?) als Tochter des Grafen Roger Bernard I. von Foix und dessen Ehefrau Cecile von Béziers, lagen mütterlicherseits ihre Wurzeln im Hause Trencavel (Carcassonne/Béziers). Sie liebte zeitlebens ihren temperamentvollen Bruder Raimond-Roger von Foix*, im Volk auch “der Zänker” genannt.
Esclarmonde war verheiratet mit dem Seigneur Jourdain III. von L’Isle-Jourdain. Die beiden hatten fünf Kinder.

Nach dem Tod ihres Mannes – um das Jahr 1200 – schloss sich Esclarmonde den Katharern an. Im Jahr 1204 erhielt sie aus der Hand des berühmten Katharerbischofs Guilhabert de Castres das Consolamentum (die Geisttaufe), womit sie in die Gemeinschaft der Perfekten (weiblich Perfektas) aufgenommen wurde.

Als Katharer parfaite gehörte Esclarmonde im Jahr 1207 der Konferenz von Pamiers an (auch Konferenz von Montréal genannt), einem der letzten friedlichen Wortgefechte zwischen Katholiken und Katharern.
Hier wurde sie von Dominikus von Guzmán** zum Schweigen und zum Bedienen ihres Spinnrockens angehalten. Es stehe einer Frau nicht an, hatte sich der katholische Bußprediger ereifert, sich in einem theologischen Disput zu äußern.

Esclarmonde

Esclarmonde eröffnete zahlreiche Häuser für Katharer-Frauen, bildete junge Mädchen aus, war verantwortlich für die Einrichtung von Schulen und Krankenhäusern in der ganzen Region, u.a. in den Pyrenäen, in Dun und in der Stadt Pamiers. Auf ihre Initiative hin wurde die Festung auf dem Montségur ausgebaut, auf die sich später die Elite der katharischen Theologen zurückzog.
Im Jahr 1208 wurde von Innozenz III. der Albigenserkreuzzug ausgerufen.

Der Montségur wurde 1243/1244 ein Jahr lang von den Kreuzfahrern belagert und dann erobert.

Ihr Testament – 28. Dezember 1229
Über den genauen Zeitpunkt ihres Ablebens war lange nichts bekannt. Heute weiß man, dass das Testament der “Ermessindis … comitissa Fuxensis ac vicecomitissa Castro-bono” datiert ist auf den 28. Dezember 1229 – auf ihrem Totenbett.

Ein Irrtum – oder eine Verwechslung?
Dass sie am 16. März 1244 den großen Scheiterhaufen bestieg, der am Fuße des Montségur errichtet worden war, ist eine Legende – vielleicht eine Verwechslung mit Esclarmonde von Pereille, der blutjungen Tochter des damaligen Verteidigers des Montségur, die sich freiwillig in die Flammen stürzte.

Nachstehend ein Foto, das die “Große Esclarmonde” als Göttin Diana zeigt, die mit dem Speer ihren Glauben verteidigt:

Anmerkungen:

*Ramon-Roger von Foix (1167-1223), Graf von Foix, genannt der Zänker oder der Liebhaber; Bruder von Esclarmonde, stritt bis zu seinem Lebensende unbeirrt für die Sache des Südens; eifriger Beschützer der Katharer, selbst aber kein Häretiker. Seine Ehefrau Philippa von Aragón-Moncade (1170-1222) hing dem waldensischen Glauben an. Kinder Cecilie, Roger-Bernhard, Esther.

**Dominikus von Guzmán: – später Der Heilige Dominikus, (1170-1221), Gründer des Predigerordens der Dominikaner, reiste – barfuß wie die Katharischen Perfekten – mit seinem Bischof Diego durch Okzitanien, um die Katharer umzustimmen, weil er erkannte, dass die übliche Predigt aufgrund des prunkvollen Auftretens der katholischen Prälaten wenig erfolgreich war. Er gründete ein Kloster für bekehrte Frauen in Prouille, als Gegenpol zu den Frauenhäusern der Katharer, in denen auch katholische Mädchen eine Ausbildung erhielten.

*****

ESLCARMONDE von Foix – im Roman

Mein Erstling ESCLARMONDE erschien 2002 im Aufbau-Verlag, Berlin, unter dem Titel “Die Ketzerin vom Montségur”. Das Buch hielt sich über zehn Jahre auf dem Buchmarkt und war lange Zeit nur noch antiquarisch erhältlich. Nach der Rechterückgabe im Jahr 2013 habe ich den Stoff überarbeitet, zuerst als E-book und im Jahr 2018 als Print-Neuausgabe herausgebracht. Der Roman ist eigenständig zu lesen – steht jedoch, historisch gesehen, an dritter Stelle meiner Sonderedition KATHARER-Romane:
ALIX – SANCHA – ESCLARMONDE – RIXENDE – BÉATRIS – MARIE.

“ESCLARMONDE – Die Ketzerin vom Montségur 
Kurzer Romaninhalt:

Es lebe der Gott der Liebe! Im Jahr 1244 schreibt Bertrand von Blanchefort, den sicheren Tod vor Augen, ein Testament, in dem er seine Geschichte erzählt – ein Leben im Zeichen grausamster Verfolgung von Christen durch Christen und der verbotenen Liebe zu einer Ketzerin.

Ein Kreuzritterheer zieht im 13. Jahrhundert im Namen des Papstes seine blutige Spur durch Südfrankreich. Das Land ist gespalten in Katholiken und Katharer. In dieser grausamen Zeit begegnen sich die Katharerin Esclarmonde und der Tempelritter Bertrand. Ihre Liebe steht unter einem schlechten Stern, denn beide sind durch ein Keuschheitsgelübde gebunden.
Als Bertrand Jahre später unter Einsatz seines Lebens den legendären Schatz des Salomon in Sicherheit bringen soll, trifft er Esclarmonde auf der Festung Montségur wieder, und sie erleben eine Liebe, die über jeden Zweifel erhaben ist.

(440 Seiten, TASCHENBUCH, E-BOOK UND KINDLE UNLIMITED)

ESCLARMONDE – Kurze Leseprobe:

” … Wie selbstverständlich hatte sich die Schwester des Grafen, jene Esclarmonde, von der bei der Papstaudienz die Rede gewesen war, manches Mal zu uns gesellt. Sieh an, das also ist eine Ketzerin, hatte ich bei mir gedacht, als ich ihr vorgestellt wurde. Die Vizegräfin war im Gegensatz zu ihrem Bruder hochgewachsen, schlank und besaß einen federnden Gang, an dem ich sie schon von weitem erkannte, wenn sie mir auf den Gängen der Burg begegnete. Zwar war sie höflich und neigte anmutig den Kopf mit den dunklen, schweren Flechten, wenn ich sie grüßte, aber sie verhielt sich ausgesprochen zurückhaltend mir gegenüber, bei manchen Gelegenheiten schien es sogar, als ob sie mich ablehnte. Nun, das konnte ich ihr nicht verübeln, schließlich war ich rechtgläubiger Tempelritter und sie Katharerin. Ich selbst ging ihr nach einer Weile aus einem bestimmten Grunde lieber aus dem Weg: mehr als einmal hatte sie Erklärungen meinerseits ausgesprochen spöttisch kommentiert, und das ist eine Eigenschaft, die ich bei den Frauen ganz und gar nicht ausstehen kann …”

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel

Das baut auf …

“Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in kleinen Dingen … “, schrieb einst Wilhelm Busch. Da hat er recht!

Als ich heute Morgen, noch leicht verschlafen, meine Mails öffnete und las, fiel der Novemberblues – je dunkler die Tage, desto trüber die Laune! – mit einem Mal in sich zusammen – so sehr freute ich mich über die Zeilen eines Lesers aus Hamburg, für die ich mich an dieser Stelle auch nochmals schriftlich herzlich bedanken möchte!

Herr Nix hat mir die Erlaubnis erteilt, seinen Brief hier im Wortlaut abzudrucken:

“Hallo, Frau Köppel,

so, jetzt muss ich es Ihnen endlich mal schreiben [habe etwas Zeit].

Vor einer Weile bin ich durch einen Zufall auf Ihr Buch Das Gold von Carcassone gestoßen. Ein Freund spielt für sein Leben gern ein Brettspiel gleichen Namens … und ich wollte wissen, was hinter der interessanten Verpackung steckt. Tja, und dabei stieß ich auf das genannte Buch.

Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen und war und bin von der Geschichte und dem Stil fasziniert. Die Orte, die Personen, die Handlungen … alles wirkte sehr lebendig/real.

Nun ist es so, dass ich durch häufige Schulwechsel recht große Geschichtslücken angesammelt habe … beispielsweise ist das Thema Inquisition in Frankreich völlig an mir vorbei gegangen.

Mit Ihrem Büchlein haben Sie also mir neben einer spannenden Geschichte aus dem Mittelalter auch einen tollen Einblick in die Zeit der Inquisition und der Katharer geboten … was mich nun so dermaßen interessiert hat, dass ich mit meiner Frau für den kommenden Mai eine Woche Urlaub an den Schauplätzen in Südfrankreich gebucht habe.

Dazu muss man wissen, dass ich weder Sonne sonderlich mag noch gern verreise. Sie sehen, Sie haben etwas bewegt in mir … und dafür danke ich Ihnen!

Viele Grüße aus Hamburg, Dietmar Nix”

 

Hier geht es zum Roman – der inzwischen neu aufgelegt wurde:
RIXENDE – Die Geheimen Worte
 
494 Seiten, Taschenbuch BOD, E-book Amazon Kindle

 

 Vielen Dank für Ihr Interesse! 

 

 

Deus vult – Gott will es!

HISTORISCHE EINFÜHRUNG

Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon erkennen! Nach der Ermordung des päpstlichen Legaten Pierre de Castelnau marschiert im Jahr 1209 ein großes Kreuzfahrerheer in den bis dahin unabhängigen Süden Frankreichs (Okzitanien), um die “Erstgeborenen des Satans”, wie Rom die Katharer bezeichnet, auszurotten. DEUS VULT – GOTT WILL ES! Zum ersten Mal kämpfen Christen gegen Christen – wobei ein Teil der Kreuzfahrer aus Deutschland kommt. Innerhalb weniger Wochen werden die befestigten Städte Béziers und Carcassonne mit kaum vorstellbarer Brutalität erobert, das Umland verwüstet.
Zwei Jahre später hat der Kreuzzug gegen die Katharer schon mehr als 20 000 Tote gekostet und es geht nicht mehr ausschließlich um Religion. Die reiche und kulturell hochstehende Grafschaft Toulouse ist jetzt das Ziel der Barone und Prälaten des Nordens. Simon von Montfort, der militärische Befehlshaber der Kreuzfahrer, wirft sich mehrfach gegen die Mauern von Toulouse, kämpft aber auch gegen die Feigheit seiner eigenen Barone und Ritter, die ihn oft vor Ablauf der vereinbarten Zeit verlassen. Sein Feind und Gegenspieler, Raymond, der Graf von Toulouse – in der Vergangenheit mehrfach von Rom exkommuniziert und als Ketzerfreund gedemütigt – weigert sich standhaft, Montfort Truppen zuzuführen und zugleich die Katharer aus seinen Ländereien zu vertreiben. Raymond VI., nach dem König von Frankreich der wohl mächtigste “Seigneur der Christenheit”, stützt sich bei seiner Verteidigung auf ergebene Vasallen und einflussreiche Verbündete wie den König von Aragón, Peter II., an dessen Treue zu Rom kein Zweifel besteht. Doch nicht der Kreuzzug oder die Übernahme der reichen Ländereien des Südens durch die Franzosen beenden die Große Ketzerei – es ist die Inquisition.

 

ZU BAND I:

ALIX – Das Rad des Schicksals

Kurzbeschreibung:
Eine faszinierender Roman um Liebe und Leidenschaft, Ehre, Verrat und Macht – vor dem Hintergrund großer Geschichte – dem Kreuzzug gegen die Katharer, 558 Printseiten

Kurzer Inhalt:

D`Amors es tots mos cossiriers …“
„All meine Gedanken gelten der Liebe ..
.“

Südfrankreich 1202: Im lebensfrohen, toleranten Okzitanien dreht sich das Rad des Schicksals. Päpstliche Legaten ziehen durchs Land. Sie predigen den Kreuzzug gegen die „Brutstätte der Häresie“, die Katharer.
In dieser unruhigen Zeit wird die blutjunge ALIX von Montpellier von ihrer Mutter nach Cahors verschachert, an den Hof des für seine Grausamkeit berüchtigten Fürstbischofs Bartomeu. Ihre um ein Jahr jüngere Schwester Inés soll an ihrer Stelle den im Volk beliebten Trencavel heiraten, den Vizegrafen von Carcassonne und Béziers – einen jungen, blonden Mann, von dem es heißt, er lache mit seinen Rittern und Knechten und sei ihnen kaum wie ihr Gebieter.
Lange kämpft Alix gegen das ungerechte Schicksal und ihren geistlichen Widersacher an. Als sie vergilbte Pergamente findet und den wahren Grund für ihre Gefangenschaft entdeckt, bereitet sie ihre Flucht vor. Ihr Weg führt sie nach Carcassonne, das bereits im Visier der anrückenden Kreuzfahrer steht.
Neben all den verwirrenden Ereignissen, die in den folgenden Jahren auf die junge Frau einstürmen, muss sie auch mit ihren Gefühlen ins Reine kommen, denn Alix liebt ausgerechnet den Gemahl ihrer Schwester. Und ihr Todfeind, der Fürstbischof von Cahors – einer der Finanziers der Kreuzfahrer – sinnt auf Rache.
(Printausgabe 2009, „Das Schicksalsrad“ – nur im Bundle mit einem gleichnamigen Spiel aus der Carcassonne-Reihe erhältlich; jetzt jedoch als Amazon/Kindle-Ebook:

Viel Freude beim Lesen wünscht

Helene L. Köppel – –

 

 

Zeitgenössische Kurzgeschichten

Aus einem “Schreibspaß” heraus (E-writers-Forum///www.ewriters.eu/) entstand im Mai 2013 folgende Kurzstory:

 

DER INNERE SCHWEINEHUND

(c) Helene Luise Köppel

Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich“, säuselt es aus dem Radio. Charly knirscht mit den Zähnen. War das auf ihn gemünzt? Wundern würde es ihn nicht!

Ein Blick auf die Uhr und er hievt sich schwerfällig aus dem Sessel seiner Großmutter. Die Federn des honiggelben Ungetüms ächzen unter seinem Zwei-Zentner-Zwanzig-Gewicht. Wie sagte der Kneuers Sepp immer? „Deine Jahresringe nehmen stündlich zu!“

Jahresringe? Charly grinst. Fette Blutwurst, fette Haxen, Leberkäsesemmeln. Tagein, tagaus. Seit Omas Tod. Als ob er es nicht besser wüsste. Kein Wunder, dass sich keine Sau für ihn interessierte und er den November-Blues mitten im Juni bekam. Zur Unzeit. Un-Zeit – was für ein Wort! Un-heimlich dick mit der Zeit ist er geworden.

Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich“, summt Charly noch draußen auf dem Korridor, wo die alten Dielen unter seinem Gewicht hörbar stöhnen. Er öffnet die Tür zum Treppenhaus und klemmt wie immer vorsichtshalber Omas hellgrauen Stöckelschuh dazwischen. Mit dem zweiten hat sich der Kater kürzlich davongemacht. Beide sind seitdem spurlos verschwunden. „Kein Schwein ruft mich an, keine Katz interessiert sich für mich …“

Der erste Treppenabsatz ist geschafft. Charly keucht. Die verdammten Knie. Ein Geeiere sondergleichen, vor allem abwärts. Un-heimlich weh tat das! Er musste abnehmen. Un-bedingt!

Er sieht es schon von weitem: Aus dem Briefkasten spitzt ein rosafarbener Umschlag!!!

Charly leckt sich die Unterlippe. „Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich …“ pfeift er, schließt den Kasten auf, holt den Umschlag raus, studiert genüsslich die Adresse. Er grinst, denn er hört bereits den Sepp von oben kommen.

Der keckert bei Charlys Anblick. „Isolde“, schreit er ins Treppenhaus hinauf, während er auf die gestochen scharfe Handschrift auf dem Umschlag stiert, „unser Nachbar hat Post! Ein Briiief! Ein Liebesbriiief!“

Charly hört, wie Isolde vor Freude quietscht.

Sepp boxt Charly in die Seite. „Hab ich recht?“, flüstert er. “Sag schon, Alter! Spuck`s aus!”

Charly zuckt geheimnisvoll die Achseln und wedelt mit dem Umschlag. „Ein Kavalier genießt und schweigt“, sagt er unbestimmt und macht sich wieder auf den Weg nach oben. Die Knie schmerzen, aber irgendwie fühlt er sich beschwingt.

In der Küche reißt er den Umschlag auf, nimmt die leeren Blätter heraus, starrt sie eine Weile entgeistert an, schüttelt über sich selbst den Kopf, und steckt sie dann – er ist schließlich kein Papierverschwender – in einen der fünf rosafarbenen Umschläge, die er vor zwei Tagen mit verstellter Schrift an sich selbst adressiert hat. Dann macht er sich wieder seufzend auf den Weg nach unten, um zum Postamt zu laufen, das sich neben dem Fitness-Center befindet. Vielleicht schaffte er es ja heute, den inneren Schweinehund zu überlisten, damit sich auch mal wieder ernsthaft jemand für ihn interessierte.


Das im Text erwähnte Lied “Kein Schwein ruft mich an … ” stammt von Max Raabe (1992)