WELTUNTERGANG am 21. Dezember?

Oder: DER GEHEIMNISVOLLE BERG BUGARACH

Wenn man den alten Maya-Kalender so interpretiert, wie das einige Leute tun, wird es (Anfang Dezember 2012) wohl langsam Zeit, den Weinkeller zu entstauben. Muss ja nicht gleich ein “Château Mouton Bestlage” sein, mit dem man sich über die letzte Stunde hinwegrettet, ein guter, bodenständiger Landwein tut’ s zur Not auch.

Ich selbst glaub natürlich nicht dran – an den Weltuntergang, meine ich. Iwo!

On va voir sagt der Franzose, man wird sehen! Faszinierend finde ich allerdings, dass gerade jener Berg von der Apokalypse verschont bleiben soll, der es mir seit langem angetan hat. Nein, ich meine jetzt nicht den Montségur – der von seiner Bedeutung her tatsächlich mit einer “Bestlage” verglichen werden kann -, ich meine den eher “bodenständigen” BUGARACH.

Aber ist er das wirklich? Bodenständig? On va voir …

(Foto HLK 2008, Bugarach + Wolken-Ufo)

Der Pic de Bugarach liegt In Südwestfrankreich, Departement Aude, Region Languedoc-Roussillon, genauer – im Bergland der wunderschönen Corbières. Mit seinen 1230 m ist er die höchste Erhebung dieses Landstrichs. Und – er hat tausend Gesichter! (s. nächstes Foto)

(Foto HLK Bugarach, 2009)

Stichtag “Weltuntergang”

Die am Fuß des Berges liegende gleichnamige Ortschaft Bugarach hat ungefähr 200 Einwohner. Und diese sind derzeit (Stand Dez. 2012) – verständlicherweise – not amused!
Sie rechnen – Zeitungsberichten zufolge – mit Zigtausenden Endzeitjüngern und Neugierigen, die dort pünktlich zum Stichtag “Weltuntergang” einfallen werden. Alle Zimmer sind ausgebucht und rund um den Berg haben die Sicherheitskräfte weiträumige Sperrungen angekündigt.

Also nicht traurig sein, liebe Leserin, lieber Leser, wenn Sie kein Zimmer mehr bekommen – ab in den häuslichen Weinkeller, Sie wissen schon … :-), dann noch ein spannendes Buch, und es kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder?

Dennoch stellt sich die Frage, was treibt all diese Leute an, die gerade ihre Koffer und Rucksäcke zu packen? Die Angst? Der Herdentrieb? Die Gaudi? Die Hoffnung auf Erlösung? Auf ein besseres Leben in einer anderen Dimension? Ritterromantik? Teufel, Tod und Drachen?

Berg auf Berg ab
Berg auf und Berg ab und Tal aus und Tal ein,
Es reiten die Ritter. Ta! Ta!
Und bläuen sich Beulen und hacken sich klein.
Es fliegen die Splitter. Ta! Ta!
Ein Ritter, auf seiner Prinzessin Geheiß,
Beut Drachen und Teufeln den Krieg.
Dara ta!
Wir schonen das Blut und wir sparen den Schweiß,
Gewinne auf ander und andere Weis
Im Feld und der Liebe den Sieg.
Dara ta!

Johann Wolfgang von Goethe

Ta Ta! Dara ta!

Aber was hat der BUGARACH damit zu tun? 

Die Geschichten, die sich um diesen Berg ranken, sind wirklich SEHR ALT –  und mehr als “abgehoben”. Da fliegen in der Tat die Splitter! 🙂 🙂 🙂

Stairway to heaven Es heißt, der markante Bugarach mit seinen steilen Flanken ähnele vom Aussehen her dem biblischen Berg Sinai, auf dem Gott zu Moses hinabstieg, um den Menschen seine Gebote zu überreichen. Allerdings ist die genaue Lage des biblischen Sinai-Berges gar nicht bekannt. Dennoch: Zumindest ähnelt der Berg, den man heute für den Sinai-Berg hält, stark dem Bugarach.

Ufo-Station … Auf dem BUGARACH soll sich ein Stützpunkt außerirdischer Mächte befinden. Werden die Aliens tatsächlich rechtzeitig am 21. Dezember eintreffen, um ihre gläubigen Jünger vor dem Weltuntergang zu retten? Es soll in der Vergangenheit zahlreiche Ufo-Sichtungen gegeben haben – ich selbst kann mit dem unwiderlegbaren Beweis aufwarten, dass sie ihre Raumschiffe überaus raffiniert hinter Wolken verstecken – s. mein Foto von 2009, ein Schnappschuss, der mir von Rennes-le-Château aus gelang. 🙂 🙂 🙂

Tor in eine andere Dimension?  Sprung im Raum-Zeit-Gefüge? Feen und Wichte? Karneval der Müller? Magische Hutmacher?

Zahlreiche Legenden um den Bugarach berichten auch von Feen und äußerst tüchtigen Zwergen – worunter auch die Wichte Bug und Arach zählen, die man in dieser Gegend verehrt haben soll.  Dann gibt es noch die Story von den 13 (!) ehemaligen Tempelrittern, die angeblich auf dem Bugarach spurlos verschwanden … vermutlich in eine andere Dimension – mit dem Gral im Reisegepäck!

L’Affaire de Bettex:  Angeblich spurlos verschwunden ist bis heute ein Schweizer namens Bettex, der Ende des 20. Jahrhunderts in den Ruinen des alten Châteaus von Bugarach eine Inschrift entdeckte. Der Mann nahm Verbindung zu dem berühmten Katharerforscher Deodat Roché auf und machte sich anschließend, im verzweigten Höhlensystem des Bugarachs, auf die Suche nach der verschollenen Bundeslade.

Überliefert sind auch sonderbare Karnevalsbräuche – Los Fecos genannt –, die von den Müllern der Gegend ausgingen und den Hutmachern von Bugarach  – die auf schwarze Melonenhüte spezialisiert waren. Die Müller und Hutmacher galten als die Hüter einer sehr alten Tradition. Noch heute wird der Fasching drei ganze Monate lang gefeiert. Die alten Rituale wurden jedoch von der Kirche verboten.

Die Sache mit dem Karneval hat mich immer interessiert, doch über die Gründe des Verbots hüllt man sich vor Ort in Schweigen. Bei Emmanuel Le Roy Ladurie wurde ich schließlich fündig. In seinem Buch Karneval in Romans heißt es unter dem Stichwort “Limoux” (dieser Ort liegt ganz in der Nähe vom Buchgarach):

 

“Vom 16. bis 20. Jh. hat der Karneval des Languedoc (Montpellier, Limoux), ganz wie der römische, in völligem Einklang mit dem damaligen Katholizismus, die unglücklichen Juden oder Marranen der Gegend verspottet .

 

Logisch, dass da keiner drüber reden will.

(Fotos HLK, Limoux)

Natürlich darf auch Jules Vernes in dieser kuriosen Aufzählung nicht vergessen werden: Der berühmte französische Schriftsteller (1828-1905) gab dem Protagonisten seines 1896 erschienenen Romans “Clovis Dardentor” den Namen “Käpt`n Bugarach”.

Aber nun zu den FAKTEN
– und die haben tatsächlich mit dem Mittelalter (s. Goethe) und hier vor allem mit den KATHARERN zu tun!

BUGARACH und der Sentier Cathar: Einer der berühmten Katharer-Wege führte am Bugarach vorbei. Noch Ende des 13. Jahrhunderts, also lange nach dem Albigenserkreuzzug, gab es in dieser einsamen Gegend Katharer.

BUGARACH – Bougres: Bougres war einer der Schimpfnamen für die Katharer. (Die Katharer in Südfrankreich haben sich 1176 glaubensmäßig an die bulgarischen Bogomilen (Bougres) angeschlossen, s. auch meine Ausführungen unter Katharer.

BUGARACH – Nid d`Aigle: Die Katharer nannten den Bugarach Nid d`Aigle – Adlernest. Bis heute unvergessen ist der freche Ausspruch des berühmt-berüchtigten Katharer-Perfekten Pierre Authié: Der Leib Christi müsse längst von den (katholischen) Priestern aufgegessen sein – und wäre er so hoch wie der Nid d`Aigle!”

BUGARACH und der Montségur: Nach einer unbestätigten Quelle soll der Montségur (der heilige Berg der Katharer) auf den BUGARACH ausgerichtet gewesen sein; d.h. am Tag der Sommersonnenwende hätte – vom Montségur aus gesehen – das erste Sonnenlicht den Gipfel des Bugarach gestreift, bevor es in eine bestimmte Schießscharte des Donjons auf dem Montségur fiel.

(Foto HLK, Montségur)

BUGARACH und Saint-Polycarpe: Im 9. Jh gehörte der Ort Bugarach zur nahegelegenen Abtei Saint-Polycarpe. Hier soll es ein altes Oppidum aus vorrömischer Zeit gegeben haben. Ein römisches Aquädukt existiert noch heute. (s. nächstes Foto)

(Foto HLK, 2008) Saint-Polycarpe und das römische Aquädukt)

MIREPOIX – die Stadt der Belisama

Hinter dem Wort Mirepoix verbirgt sich nicht nur eine Art “Röstgemüse (s. Ende des Beitrags)”, sondern vor allem eine kleine pittoreske Stadt in Südwestfrankreich, in der die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.  (Departement Ariège, Region Midi-Pyrénées, ca. 3000 Einwohner).

Mittelalter pur. Betritt man die Altstadt, ziehen die malerischen, oft vorkragenden Fachwerkhäuser, aber vor allem die Holzarkaden und Lauben sofort alle Blicke auf sich. Rings um den Place Géneral Leclerc kann man es sich unter ihrem Schatten gutgehen lassen, einen Café trinken, ein Glas Rosé oder Blanquette aus Limoux … Mirepoix ist ein Wohlfühlort, aber es gibt dort auch einiges zu entdecken.

Wenn Sie Lust auf eine Reise in die Vergangenheit haben, dann folgen Sie mir bitte:

Mirepoix (Mirapiscem = Sieh den Fisch) trägt einen goldenen Fisch im Wappen, darüber drei geheimnisvolle Sterne, die auf vorchristliche Traditionen zurückgehen, in der Mirepoix von den Römern “Stadt des Lichts” genannt wurde.

Im Hochmittelalter beherbergte Mirepoix viele Katharer, darunter zwei der berühmt-berüchtigten Belissensöhne, nämlich Peire-Roger von Mirepoix (der Ältere und sein gleichnamiger Sohn, der Jüngere).  Sie waren die Herren der Stadt und bewohnten eine Burg, die – Der Turm – hieß. Auf ihrem Wappen befanden sich Fisch, Turm und Mondsichel.

Was hat es nun mit den Sternen und der Mondsichel auf sich?  Eine Hommage an die Mondgöttin Belissena (die keltiberische Astarte), als deren Abkömmlinge sich die Belissensöhne angeblich sahen?

Astarte mit der Mondsichel gilt als Vorläuferin von Maria, der Mutter Gottes. Als Stella Maris wird Maria ebenfalls mit Sternen abgebildet und balanciert oft auf der Mondsichel (nächstes Foto, Notre Dame, Paris). Im Gegensatz zu Astarte jedoch, die sich mit dem Mond krönt, tritt Maria die Mondsichel  – das Heidentum! – mit den Füßen und dokumentiert damit den Sieg über Astarte!

Dass sich hinter Belissena/Astarte die keltische Göttin Belisama verbirgt, liegt schon aufgrund der Namensähnlichkeit nahe. Belisama, die Gefährtin des Gottes Belenus (Abellio/der strahlende Apoll!), nannte man “die Strahlendeste, Leuchtendste”. Sie wurde mit der römischen Minerva gleichgesetzt und sowohl mit Licht  und Feuer, aber auch mit Seen und Flüssen (der Fisch!) in Verbindung gebracht.

Zu Belisama gibt es eine heiße Spur: Im Departement Ariège (wo auch Mirepoix liegt) entdeckte man eine lateinische Inschrift folgenden Inhalts:

Minervae Belisamae sacrum Q(uintus) Valeriu[s] Montan[us e]x v(oto) [s(uscepto)]

Keltischer Abellion:

Tatsächlich sind nicht wenige Orte in der Umgebung nach Belisama/Belenus benannt: Belesmes, Blesmes und Blismes; und man weiß heute auch, dass sich auf dem Gipfel des Pic du Saint-Barthélemy (der Tabor der Pyrenäen, in der Nähe des Montségur gelegen) ein Abeillo-Heiligtum befand, zu dem die alte Katharer-Straße führte.

Mirepoix und die Katharer …

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts waren die Herren von Mirepoix und die meisten ihrer 36 Mitherren entweder selbst Katharer oder Anhänger bzw. Beschützer dieser Häresie. In der Stadt Mirepoix existierten nachweislich 50 Katharer-Häuser, in denen Diakone und Parfaits ausgebildet wurden. Ein Diakon namens Mercier “hielt Hof”; ein anderer bat im Jahr 1204 den Burgherrn inständig darum, die Festung Montségur wiederherstellen zu lassen – was bemerkenswert ist, weil es um diese Zeit überhaupt noch keine gewaltsamen Übergriffe auf die Katharer gab. (Allerdings zogen bereits päpstliche Legaten durch die Lande, die kräftig Stimmung gegen die Katharer machten.) Unterstützung fand der Diakon bei Esclarmonde, der Vizegräfin von Foix, die 1204 das katharische Consolamentum erhielt, also in die Reihen der Perfekten aufgenommen worden war.  Zwei Jahre später – 1206 – sprach sich Esclarmonde auf einem Katharerkonzil, das in Mirepoix stattfand, erneut für den Ausbau der Burg Montségur aus.

(Foto Olaf Jacobskötter, Katharertaube)

(Foto HLK 2009, Rathaus von Mirepoix)

Belissensohn – ein Ehrentitel?

Noch einmal zurück zu den Belissensöhnen, die noch heute ein Mysterium umgibt. Es heißt, sie stammten ursprünglich – wie Esclarmonde – aus dem (benachbarten) Grafengeschlecht Foix. Doch der Herr von Saissac, Erz-Katharer, Onkel und Vormund des Vizegrafen Trencavel von Carcassonne, galt ebenfalls als Belissensohn …

Nach einer zusammenhängenden, verifizierten Genealogie der Belissen-Adelslinie suche ich seit langem. Sie ist entweder verlorengegangen oder es scheint sie nie gegeben zu haben. Daher ist die Frage erlaubt, ob der Adelstitel “Belissensohn” nicht nur eine Art Auszeichnung war. Ein Ehrentitel für mutige Faidits wie Pierre-Roger von Mirepoix? Vielleicht dreht es sich aber auch nur schlicht darum, dass die Belissen-Familie die alte Manichäer-Lehre vom Licht in der Dunkelheit (Dualismus) bis in ihre Zeit hinein bewahrt hat.

Kein Wunder, dass sich die Esoteriker aller Länder seit langem leidenschaftlich mit den Belissen beschäftigen, ihnen allerlei Geheimbündeleien andichten und sie in den obersten Gralshimmel versetzen.

(HLK Mirepoix 2009, Sparrenköpfe am Haus des Konsuls)

(letztes Foto – in der Mitte der Heilige Mauritius)

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Saint-Genis-des-Fontaines

Der beschauliche Ort Saint Genis des Fontaines (2800 Einwohner) liegt ca. 17 Kilometer von Spanien entfernt, am Fuße der Albères-Berge –  also zwischen Pyrenäenausläufern und Meer (Côte Vermeille).

Die Kirche mit ihrem lombardischen Turm, ist absolut sehenswert. Sie gehört zu einer vor dem Jahr 819 gegründeten ehemaligen Benediktinerabtei. Der Neubau wurde im Jahr 1153 eingeweiht.

Mir kam es bei meinem ersten Besuch – bei dem es nicht blieb! – auf den berühmten “Türsturz” an, von dem ich gelesen hatte, und von dem es hieß, er sei der erste seiner Art in ganz Frankreich. Dieses Basrelief stellt tatsächlich die früheste plastische Darstellung romanischer Kunst dar. Es ist aus  Marmor, 2,40 m breit  und 0,75 m hoch.

Zum genaueren Betrachten des Türsturzes von Saint-Genis-des-Fontaines  eine  weitere Abbildung, die ich eingescannt habe (aus  Les Symboles, mémo gisserot, Editions Jean-Paul Gisserot, 2008):

In der Mitte (in einer Mandorla) ein segnender Christus – Majestas Domini -, flankiert vom griechischen Alpha und Omega und getragen von zwei Engeln. Seitlich je drei Apostel. Die Umrahmung: mozarabische Palmettenornamentik.

Im Juni 2013 hatte ich dann eine bessere Kamera dabei und versuchte selbst mein Glück:

Die Werkstatt dieses Türsturzes soll im spanischen Teil der Pyrenäen gelegen haben. Ähnliche, wenngleich jüngere Werke finden sich nämlich im benachbarten St. André, in Arles-sur-Tech und im ehemaligen Kloster zu Roda. (Beiträge zu St. André und Arles-sur-Tech folgen)

Die nachträglich (um das Jahr 1020) eingefügte Inschrift des Basreliefs lautet: ANNO VIDESIMO QUARTO REGNANTE ROTBERTO REGE WILLELMUS GRATIA DEI ABBA ISTA OPERA FIERI IUSSIT IN ONORE SCI GENESII CENOBII QUE VOCANT FONTANAS.

Übersetzt: “Im vierundzwanzigsten Jahr der Regentschaft des Königs Robert befahl Guillaume, Abt von Gottes Gnaden, dass dieses Werk geschaffen werde zu Ehren des heiligen Genis (Genesius), genannt “von den Quellen”.

(Gemeint ist der Kapetingerkönig Robert der Fromme; ein Gemälde, das ihn zeigt, hängt in der Bibliothèque nationale de Paris):

Die Epitaphe mit Inschriften neben dem Eingang zur Abteikirche Saint Genis …

Links vom Eingang zwei Epitaphe, zum einen zur Erinnerung an den verstorbenen Klosterbruder Berenguer (+ 1307) und seiner Schwester Mathia; zum anderen an einen gewissen Dulce de Mont-Roig (+1271)

Rechts zwei weitere Epitaphe, die an den Klosterbruder Miguel Mesner (+1307) erinnern und an Ramon de Pollestres.

Der heutige Kreuzgang stimmt mit dem, der im 13. Jahrhundert neu erbaut wurde, nur weitgehend überein, wie man gleich hören wird …

Im Jahr 1507 wurde das Kloster Saint-Genis dem Kloster Montserrat angeschlossen. Die letzten Mönche verließen es jedoch erst im 18. Jahrhundert, in den Jahren der französischen Revolution, worauf die ursprüngliche Abteikirche 1846 zur Gemeindekirche Saint-Michel wurde.

Jetzt zum Schicksal des Kreuzgangs:

Bis zum Jahr 1913 blieb der mittelalterliche Kreuzgang weitgehend erhalten, obwohl er unter zwei bis drei Besitzern aufgeteilt war, die darin Wohnungen eingerichtet hatten und Landwirtschaft betrieben. Dann jedoch begab er sich unfreiwillig auf Wanderschaft:

DIE dreiteilige ODYSEE des Kreuzgangs von Saint-Genis-des-Fontaines  

Teil I – auf hoher See

Erste Auflösungserscheinungen zeigten sich ab dem Jahr 1913: Das Brunnenbecken, das den Hof des Kreuzgangs zierte, wurde verkauft. Lange Zeit wusste man nicht, wohin, bis man es wiederentdeckte – und zwar im Kreuzgang von Saint-Michel de Cuxa, der – wie übrigens auch der Kreuzgang von Collioure – nach Amerika verkauft und dorthin verschifft worden war.

Teil II – aus eins mach zwei

Elf Jahre später, im Jahr 1924, erwarb der geschäftstüchtige Antiquitätenhändler Paul Gouvert den (brunnenlosen) Kreuzgang von Saint-Genis, um damit das Heim eines vermögenden Schlossbesitzers zu verschönern. Dabei brachte er das Kunststück fertig, aus dem einen Kreuzgang zwei kleinere zu machen. Das zweite Objekt ging an das  Philadelphia Museum of Art. Am Schluss des lukrativen Deals überließ Gouvert großmütig (und sich vermutlich die Hände reibend) zwei Arkaden dem Louvre.

Teil III  – die glückliche Rückkehr

Erst als sich der private Eigentümer im Jahr 1982 einverstanden erklärte, “seinen” Kreuzgang an den Staat zu verkaufen, kam der “Stein” (im wahrsten Sinne des Wortes) wieder ins Rollen. Bei den Demontagearbeiten entdeckte man auf den Steinen der Säulen bestimmte Setzvermerke, die die Echtheit des Kreuzgangs und seine Herkunft bestätigten. Ähnliche Vermerke befanden sich auch auf den beiden Arkaden im Louvre, die daraufhin ebenfalls demontiert und nach Saint-Genis zurückgebracht wurden. Kopiert wurden lediglich die in den USA befindlichen Teile. Die gesamte Restaurierung des Kreuzgangs von Saint Genis wurde erst 1994 abgeschlossen.

 Interessante Säulenkapitelle aus verschiedenfarbigem Marmor …

Der weiße Marmor kommt aus der Gegend von Ceret, der roséfarbene aus Villefranche de Conflent und der schwarze aus Baixas.

Nun einige Impressionen aus dem Inneren der Kirche:

  Eine der hochverehrten Monserrat-Madonnen:Wer sich hinter der nächsten Figur verbirgt, erschließ sich mir leider bis heute nicht …

Der Heilige Judas – in der Ecke stehend:

Mein Favorit in Saint-Genis ist eine mannshohe Schwarze Witwe (Nostra Senyora Dels Dolors – schmerzensreiche Jungfrau) – die schönste, die mir bislang in den Kirchen Südfrankreichs begegnete …

… thematisiert in “Die Affäre C.” (Thriller, E-book)

Auszug: “Sieh nur, Sandrine, die ersten Schwarzen Witwen”, raunte mir Henri unauffällig zu. Und tatsächlich: Wie von Zauberhand waren sie aufgetaucht, halbmannshohe Puppen in Trauer gekleidet, das Haupt verhüllt mit einer Spitzenmantille, sieben silberne Schwerter auf der Brust aufgenäht … “Nostra Senyora Dels Dolors. Unsere schmerzensreiche Frau … Vor einem Antiquitätengeschäft in der Rue St. Vincent stand eine besonders schöne Witwe, eingerahmt von zwei weißen Stehlampen und zusätzlich mit einem Spot in Szene gesetzt. Wir traten näher. Ein schmales, edles, sehr junges Gesicht unter der schwarzen Mantille, die Hände zum Gebet gefaltet, jedoch mit auffällig rot gefärbten Lippen. Vor ihr, auf einem schwarzen Polster liegend, der tote Jesus, ihr göttlicher Sohn. “Dass man die Muttergottes schminkt und als Witwe verkleidet, habe ich noch nirgends gesehen”, sagte ich. “Es handelt sich nicht um die Muttergottes, auch wenn man den Anschein erweckt.” Henri senkte seine Stimme. “In Wirklichkeit steht hier Maria Magdalena, die um ihren Gatten Jesus trauert. Der Tod eines Kindes macht schließlich keine Mutter zur Witwe!”

Hier eine Aufnahme vom Juni 2013:

Sie altert nicht, sie wird von Jahr zu Jahr schöner! 🙂

Um wen es sich bei der schönen Witwe von Saint-Genis mit den roten Lippen auch immer handelt – Maria Magdalena fand ich ganz in ihrer Nähe, und zwar auf einem Gemälde …

Und ein weiteres Mal auf einer Kreuzweg-Station:

Einer der Altäre – und nachstehend ein wunderschöner, alter Taufstein, natürlich romanisch, aus dem 12. Jahrhundert:


Noch eine letzte Anmerkung zu “Saint Genis” – es handelt sich um den Heiligen Genesius von Rom (um 305). Er war ein christlicher Märtyrer und galt als Patron der Schauspieler, Künstler, Tänzer und Spielleute. Deshalb wird er in der Kunst oft mit einem Saiteninstrument, mit einer Maske oder einem Taufstein dargestellt.

Puivert – ein berühmter “cour d’amour”

Im Jahr 1210 nahmen die Kreuzfahrer unter Simon von Montfort auch die Katharer-Burg Puivert ein.

Diese Burg, die in einer wunderschönen Landschaft liegt, stand schon lange auf meiner Rechercheliste.  Bei meinem ersten Besuch hieß es “Eintritt verboten”, denn es wurde gerade gefilmt. Ich musste unverrichteter Dinge umkehren und konnte Puivert später nur als “Schauplatz” im Mystery-Thriller “Die neun Pforten” mit Johnny Depp bewundern. Auch nicht schlecht …

Im Jahr 2009 unternahm ich einen zweiten Anlauf:

Im Vergleich zu anderen Katharer-Burgen, die wie Adlernester auf schwindelerregenden Felsen kleben, ist der Aufstieg nach Puivert leicht, denn die Burg thront auf einer relativ kleinen Anhöhe, inmitten einer weitläufigen Talsole.

Ein blankgefegter Himmel und ein überwältigender Duft nach Ginster, Thymian und Lavendel  begleitete mich an diesem warmen Vorsommertag auf dem Weg nach oben. Bienen, Hummeln und Schmetterlinge flogen und es wimmelte überall nur so von Eidechsen.
In Sichtweite mit Schneehauben bedeckte Pyrenäengipfel …

Der kleine See am Fuße der Ortschaft Puivert fand Eingang in meinen Roman  “ALIX”.

Ein kurzer Auszug aus dem Roman, der zu Beginn des 13. Jahrhunderts spielt.

“Villaine lachte auf. „Peire von Auvergnes Stimme hallt, wie Froschgequak im Sumpf erschallt!“
Ein Lächeln erhellte Alix` Augen. Auf ihre Nachfrage erklärte ihr der Spielmann, dass dieses
Spottlied am See von Puivert entstanden sei, in dem sich einzig die Berge und der Mond spiegelten …”

(Der Troubadour Peire von Auvergne lebte und wirkte im 12. Jh.)

Ein verwunschener See, in dem sich einzig die Berge und der Mond spiegelten ?

Der kleine See auf dem Foto, der sich heute am Ortsrand des Dorfes Puivert befindet, wurde erst vor ca. 40 Jahren von der Gemeinde geschaffen.

Im Mittelalter befand sich jedoch an gleicher Stelle ein viel größerer See – eine Art Schicksalssee:  Als im Jahr 1279 der Seespiegel gesenkt werden sollte, brach der natürliche Damm und das Wasser floss nach Norden ab. Er überschwemmte und zerstörte das Dorf Puivert und andere in der Nähe liegenden Städte und Dörfer, wie z.B. Mirepoix. Sofort kam das Histörchen auf, die Dame in Weiß – die in Vollmondnächten bekanntlich auf vielen Burgen über die Zinnen tanzt und allerlei Schabernack treibt,  soll bei dem Unglück eine Rolle gespielt haben. Wer weiß …

(Anmerk: Das Dorf Puivert wurde tatsächlich erst im 15. Jahrhundert wieder aufgebaut.)

Zurück zur Burg (s. Grundriss), die ihren Ruf vor allem den ruhmreichen Troubadouren verdankt, die sich hier im Mittelalter zu Dichter- und Sängerwettstreiten versammelten. Den Vorsitz hatte im 11. Jahrhundert die berühmte Adélaide von Carcassonne (1040 -1102, verheiratet mit Roger I. von Carcassonne), die eine große Schönheit gewesen sein soll.

... entre las catalans valens e las donas aviens,
dichtete z.B. Guiraut Riquier von Narbonne –

Minnedienst und Ruhm und Kraft, Höflichkeit und Huld gewähren, Ehre Geist und Wissenschaft, gastlich Reden und Verkehren, Liebesgunst und offne Hand, feine Bildung, offnes Wesen, all dem sichert den Bestand Katalonien, treu erlesen wo die Herrn so hoch an Mut und die Fraun so hold und gut!

(Nachdichtung von H.G. Tuchel).

Jahrzehnte später brach selbst die berühmte Eleonore von Aquitanien (1122-1204) zu einer großen Dichterversammlung nach Puivert auf. (Im Bild ihre Sterbebüste)

Bei diesen Wettstreiten um die besten Minnelieder und -gedichte ging es, wie am Beispiel ersichtlich, vielfach um die höfische Liebe, die fin amour – insgesamt jedoch um eine ganz bestimmte Lebenseinstellung, die ihre Vorlagen aus der arabischen Kultur nahm und im 12. Jahrhundert im Süden Frankreichs ihren Höhepunkt erreichte.

Im nächsten Foto der große Ehrenhof der Burg Puivert, wo auch die Ritterspiele stattfanden.  Er maß 80 x 50 Meter.

Der Französische Kampf, d.h. die ernsthaften Lanzenturniere wurden irgendwann verboten. Die harmlosen Lanzenstechen – auch Scharlachturniere genannt – fanden aber weiterhin statt. Die Damen erwählten sich ihren Favoriten, übergaben ihm ihr Band, das der stolze Ritter an seine Lanze steckte.

Der Sieger solcher Reiterstechen a plaisance – also mit relativ ungefährlichen Waffen –  bekam nach italienischem Vorbild oft ein wertvolles Scharlachtuch zur Belohnung und obendrein eine Goldmünze. Der zweite und dritte Preis konnte eine Armbrust oder ein Schwert sein. Der letzte zog unter dem Gekichere der aufgeputzten Ritterfräuleins mit einem Schwein unterm Arm von dannen …

Der Ehrenhof von Puivert war im Mittelalter von einer hohen Ringmauer geschützt, die von Türmen flankiert war.Etwas abenteuerlich fand ich die eiserne Treppe (nächstes Foto), die über zwei Etagen in den Donjon – den Wohnturm – führt:

In der ersten Etage eine schöne Kapelle mit gotischer Spitzbogen-Nische:

Im zweiten Stockwerk dann der berühmte Salle des musiciens, in dem die Schlusssteine des gotischen Kreuzrippengewölbes Musiker und ihre Instrumente zeigen: Drehleier, Psalter, Zither, Tambourin, Laute und Dudelsack.

Während an den Steinen noch immer der Zahn der Zeit nagt, offeriert man den Besuchern die nachgebauten alten Musikinstrumente, natürlich unter Glas.

Sonderbare Blicke!  

Am Tag meines Besuches befand ich mich eine ganze Weile mutterseelenallein im Saal der Troubadoure, konnte mich also selbst von der tollen Akustik überzeugen – na ja, offenbar habe ich dann etwas zu laut das Se Canta* gesungen, denn als ich den Saal verließ, warfen mir zwei Neuankömmlinge recht sonderbare Blicke zu! 🙂

Die ältesten Teile der Burg stammen aus dem 12. Jahrhundert, andere aus dem 13. und 14. Jahrhundert.

Puivert und die Katharer:

Die adelige Familie von Puivert, die im 13. Jahrhundert auf dieser Burg lebte, war katharischen Glaubens. Bernard und Alpais von Congost erhielten beide das Consolamentum (Geistweihe) auf der Festung Montségur. Ihre Tochter Saissa wurde am Fuße des Montségur als Ketzerin verbrannt.

(Überall auf der Burg hingen herrliche Tapisserien (Repliken) mit Gralsmotiven, Einhörnern usw.)

Simon von Montfort, der Anführer der Kreuzfahrer, nahm Puivert im Herbst 1210 nach nur drei Tagen Belagerung  ein und richtete großen Schaden an.

Er übergab die Burg Thomas de Bruyères, dessen Wappen man noch heute dort finden kann: Ein Löwe mit gespaltenem Schwanz:

Die Weiße Dame ist mir – trotz fleißigen Herbeisingens – nicht untergekommen auf Puivert, dafür liefen mir auch im Ehrenhof ständig kleine Eidechsen über den Weg: Man hat mir erzählt, sie würden als Träger verstorbener Seelen gelten. Da fiel mir natürlich wieder das große Unglück ein, das hier einst stattfand …

* Se Canta, auch bekannt als Se Chanto oder Aqueras Montanhas, ist ein altes okzitanisches Lied (später Protestlied gegen die Vernachlässigung der Region). Es wird in meinem Roman “Alix – Das Schicksalsrad” gesungen.  Zum Hineinhören:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel

Saint-Gilles du Gard

Ein stiller Ort in Okzitanien

Im Mai/Juni 2009 führte mich meine Recherchereise auch nach Saint-Gilles du Gard. (Département Gard, Region Okzitanien)
Es war mein zweiter Besuch in diesem stillen Ort, nachdem beim ersten Mal die Besichtigung der berühmten Abteikirche nicht möglich war.

 

Im 11. Jh war die Basilika Saint-Gilles eine der meist besuchten Pilgerstätten neben Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela – was an der Verehrung des Heiligen Aegidius (Saint-Gilles) lag. 

Der Heilige, der auch in der Legenda aurea erwähnt wird, hat hier im 8. Jahrhundert gelebt und gewirkt. Er entstammte einer berühmten Athener Familie, war ein Freund der Armen und tat sich durch Wunder hervor. Schon zu Lebzeiten galt er als heilig.

Und so soll er ausgesehen haben, der Heilige Aegidius oder Gilles:

 

Die nördliche u. südliche Mauer der BASILIKA stammen aus dem 12. Jh, wie auch die gesamte Portalanlage.  Ihre Gliederung – vom römischen Triumphbogen inspiriert, wie auch die Anordnung der Säulen, Figuren, Friese,  verdeutlicht, wie sehr die Kunst der Provence dem antiken Erbe verpflichtet war.

 

Während der Religionskriege wurde der zerstörte Chor aufgegeben. Die Reste des romanischen Schiffes wurden – von der Höhe der Arkaden ab – um 1650 zu einer Kirche im spätgotischen Stil ausgebaut.
Im Inneren sind viele Sehenswürdigkeiten aus dem 18. u. 19. Jh. zu bestaunen.

Mich interessierte vor allem die KRYPTA (Romanrecherche für “Alix – Das Schicksalsrad”)
Steil ging es hinunter:

 

Königlicher Empfang: Der Heilige Ludwig (Ludwig IX, Kapetinger):

 

Unzählige dunkle Ecken und alte Grablegen  – der Ort, in dem die Pilger im Mittelalter für gewöhnlich die Nacht verbrachten, bevor sie am nächsten Morgen weiterzogen …

 

Natürlich ruhen hier auch die Gebeine des Saint-Gilles …

 

Sein Steinsarg wurde 1865 von Abbé Goubier wiederentdeckt. Er trägt folgende Inschrift:

IN H TML QI
C B AEGD

“In hoc tumulo quiescit corpus beati Aegidii” – In diesem Grab ruht der Körper des glückseligen Aegidius.

Sofort nach seinem Tod im Jahr 732 pilgerten die ersten Gläubigen aus aller Herren Länder hierher. Saint-Gilles du Gard wurde Zwischenstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela.

Der Zugang zu einem alten Brunnen (evtl. heilige, heidnische Quelle):

 

Nachstehend die sog. Äbte-Treppe, mit der es natürlich eine Bewandtnis hat:

 

Diese Treppe wurde im Jahr 1220 aus einem bestimmten Grund angelegt, nämlich um Klerikern einen eigenen Zutritt zum Grabmal des päpstlichen Gesandten Peter von Castelnau zu verschaffen – dessen Ermordung im Jahr 1208 den Anlass zum Kreuzzug gegen die Katharer gab.

Castelnau, mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, war von Papst Innozenz III. beauftragt worden, die Katharer in Südfrankreich zu bekehren. Als er jedoch erfuhr, dass ihm der Graf von Toulouse seine Unterstützung verweigerte, exkommunizierte er ihn und verfluchte ihn mit folgenden Worten:

Der Christenheit zur Schmach verleiht Ihr öffentliche Ämter an Juden

und haltet es mit den Feinden des wahren Glaubens.

Wer Euch beraubt, hat gut getan;

wer Euch tödlich trifft, wird gesegnet sein!

 

Doch im nasskalten Morgennebel des vierzehnten Januar 1208 wurde Peter von Castelnau selbst tödlich getroffen! Seine Begleiter hatten sich gerade bereit gemacht, über den Fluss zu setzen, als sich von hinten ein schneller Reiter näherte und mit aller Kraft eine Lanze in den Rücken des Legaten schleuderte. Im Todeskampf, so erzählte Rom später, soll sich Castelnau, noch einmal aufgebäumt und gerufen haben: „Gott vergebe dir, wie ich dir vergebe!“

 

Das nächste Foto zeigt Castelnaus Grablege, die wie gesagt, auch über die geheime Äbte-Treppe erreichbar war. Seine Gebeine sollen sich noch bis Mitte des 16. Jahrhundertes hier befunden haben, später wurden sie angeblich von den Hugenotten verbrannt.

 

Nach Castelnaus Tod rief Papst Innozenz III. zum Kreuzzug gegen die Katharer auf und forderte die vollständige Unterwerfung des Grafen von Toulouse – sowie als Unterpfand für seinen guten Willen seine sieben wichtigsten Festungen und die nördlich von Montpellier gelegene Grafschaft Melgueil. Raymond sollte sich verpflichten, die Häretiker mitsamt ihrem Besitz den Kreuzfahrern auszuliefern, und alle Juden aus ihren Ämtern zu entlassen.

Was keiner erwartet hatte, traf ein:
Der Graf von Toulouse – obwohl er stets seine Unschuld beteuerte! – streckte die Waffen und stimmte einer öffentlichen Unterwerfungszeremonie zu (was er später allerdings schwer bereute!)

So kam es, dass im Jahr 1208 die halbe Welt nach Saint-Gilles – den Schauplatz des Attentats auf Peter von Castelnau – pilgerte, um einer bösen Demütigung beizuwohnen, die sich auf den Stufen der Basilika und vor seinem Grab abspielte:

 

 

(Nachfolgend Romanauszug aus “ALIX” – Das Schicksalsrad, Copyright HLK):

“Der Platz vor der Basilika des Heiligen Ägidius war schwarz von Menschen.

Mit nacktem Oberkörper und bloßen Füßen stand der Tolosaner vor der breiten Treppe, um auf die Legaten Roms, die Erzbischöfe und Bischöfe zu warten. Als sie kamen, trugen sie Ruten in ihren Händen. Sie geleiteten ihn zur mittleren der drei roten Portaltüren hinauf, die ins Innere der Basilika führten. Auf ein Zeichen hin begannen sie ihn zu züchtigen, bis ihm das Blut den Rücken hinablief. Kein Klagelaut war zu hören, doch im stolzen Antlitz des weißhaarigen Grafen stand die Abscheu vor diesem entwürdigenden Ritual.Als sie ihn genug geschlagen hatten, hießen sie ihn sowohl auf den Leib Christi als auch auf diejenigen Heiligenreliquien schwören, die sie in goldenen Kistchen und Schreinen mit sich führten. Raymond von Toulouse gelobte mit lauter Stimme, fortan den Befehlen der Heiligen Römischen Kirche in allem zu gehorchen, und anerkannte die fünfzehn Anklagepunkte, die man gegen ihn vorgebracht hatte.

Doch damit war es noch nicht vorüber. Gleich einem Halfter, legte man ihm eine weiße Stola um den Hals und zerrte ihn unter weiteren Rutenhieben wie ein wildes Tier in die Krypta hinunter, wo der ermordete Peter von Castelnau lag. Dort musste er sich entkleiden und dem toten Legaten seine Verehrung erweisen. Auch das vollbrachte der Tolosaner mit großer Würde.”

 

Peter von Castelnau wurde zeitgleich zum “heiligen Märtyrer erklärt” und noch heute scharen sich Pilger und Touristen um sein Grab.

 

Zuletzt noch einige Fotos:

Ein prachtvoller alter Stützpfeiler …

 

 

Eine Statue der heiligen Agnes – von der man im allgemeinen sagt, dass kein Bildnis einer Heiligen älter sei, als das ihre.

Und eine Romanische Madonna – über deren Entdeckung (sie stand in einer dunklen Nische und ich hätte sie um ein Haar übersehen) ich mich besonders gefreut habe, weil ich mich seit Jahren für diese “Schwarzen Madonnen”, wie man sie auch nennt, interessiere:

 

 

Man nennt sie Mutter Gottes von Nuria. Es handelt sich um eine Katalanische Arbeit, jedoch um eine Replik. Das Original, das sich hoch oben in den Pyrenäen, im Santuari de la Mare de Déu de Núria befindet, soll dereinst Saint-Gilles geschnitzt haben.

 

Et voilá – ein prachtvoller Schlussstein  am Ende meines Artikels über den heute “stillen Ort” Saint-Gilles du Gard:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Helene L. Köppel
My fantasy is my castle

LESEN hält wach – garantiert!

 

Interessiert auch an Arles?  “Hymnus an die Sonne von Arles”

Saissac – in den Schwarzen Bergen

Nachdem in meinem Roman “ALIX – Das Schicksalsrad” Bertrand von Saissac, der Onkel und langjährige Vormund des Vizegrafen von Carcassonne, eine nicht unwichtige Rolle spielt, bin ich während meiner Vorort-Recherchen auch nach Saissac gefahren, um Ausschau nach seiner ehemaligen Burg zu halten.

Der gleichnamige malerische Ort mit vielen Fachwerkhäusern liegt im Herzen der Montagne Noire, (die Schwarzen Berge), d.h. im Nordwesten von Carcassonne. Die Burgruine steht etwas unterhalb auf Terrassen vor einer wirklich außerordentlich schönen Landschaft, die am Horizont von der Pyrenäenkette begrenzt wird.

Im Dorf selbst existieren noch zwei Türme aus dem 12. Jahrhundert, die evtl. die tatsächlichen Überrreste der Festung des Bertrand von Saissac sind. Man weiß es nicht genau … Nachstehend der “Tour Carré”:

… und der “Tour Grosse”

Auf dem Weg zur großen Burganlage kommt man an der (teils) romanischen Kirche vorüber:

Zwei hübsche Engel im Inneren des Gotteshauses weisen den Weg – wohin auch immer:

Die imposante Burganlage, die – wie gesagt – etwas unterhalb des Ortes liegt, taucht erstmals im Jahr 960 in den Schriften auf: Der Bischof von Toulouse vermachte sie seinerzeit dem Grafen von Carcassonne, der sie ab dem 11.Jh. mächtigen Vasallen belehnte.


Vor dem Kreuzzug gegen die Albigenser (1209) gehörte der Ort dem oben genannten Bertrand von Saissac. Der durchsetzungsfähige und -bereite Bertrand ist insbesondere wegen seiner Intervention bei der Wahl des Priors von Alet bekannt: Er zögerte nicht, den verstorbenen Abt wieder auszugraben, seine Leichnam auf den Abt-Thron zu binden, um – unter dem Vorsitz einer Leiche – die Wahl eines seiner Freunde durchzusetzen. (Näheres zu diesem unglaublichen Vorfall im Roman “Alix: Das Schicksalsrad”).

Im Jahr 1209 ergaben sich die Lehnsherren von Saissac den Kreuzzüglern und wurden enteignet, vorübergehend zu Gunsten von Bouchard de Marly und ab 1234 von Lambert de Thurey. Ab dieser Zeit war die Lehnsherrschaft Saissac auf mehrere Co-Prinzen aufgeteilt: ein Teil wurde von Ludwig IX. den „gesetzlosen“ Lehnsherren von Saissac zurückgegeben. Danach ging Saissac von Hand zu Hand.


Wen wundert`s, dass man auch einen Schatz in Saissac gefunden hat! Bei Arbeiten in der Gemeinde kam 1979 ungefähr 2000 Deniers, die auf 1250 – 1270 datiert wurden, ans Tageslicht. Fast alle Münzen sind auf die königliche Autorität zurückzuführen, was die Machtübernahme der Kapetinger-Zentralverwaltung in der Region Languedoc bezeugt.
Die seit Mitte des 18.Jh. teilweise zerstörten Burg-Gebäude wurde nach und nach aufgegeben. Darüber hinaus wurden sie 1862 durch Schatzsucher weiter beschädigt.

In einem kleinen Museum (Light-Show) ist für die Besucherkinder der glitzernde Schatz der Burgherrin Eleonore von Saissac ausgestellt …

Saissac und die Katharer 

Im Jahr 1195 gab es in Saissac eine starke Katharergemeinschaft. Bertrand von Saissac schützte die Häretiker, notfalls auch mit Gewalt. Er hatte berühmte Troubadoure zu Gast, wie Raimon von Miraval und Peire Vidal, die ebenfalls der Häresie nahestanden.

Noch heute erinnert man sich im Dorf an Bertrand von Saissac:

 

Damit auch Sie den Burgherren näher kennenlernen –  ein kleiner Auszug aus “Alix: Das Schicksalsrad”:

“Bertrand von Saissac, sonst geplagt von allerlei Gebrechen, vor allem Schmerzen in den Gelenken, stürzte in heller Aufregung in das Schlafgemach seines Neffen. “Mein guter Raymond”, rief er, “steht auf, soeben kam ein Bote aus Montpellier. Es geht um Eure Braut!” Er überreichte dem jungen Trencavel einen Brief, dessen Siegel bereits erbrochen war. Obwohl Saissac die Vormundschaft längst abgegeben hatte, besaß er noch immer das unumschränkte Vertrauen seines Neffen.

Bereits bei den ersten Zeilen wurde der Vizegraf blass. Als er das Schreiben zu Ende gelesen hatte, gab er es zurück. Dann stand er auf, strich sich das blonde Haar hinter die Ohren: “Jhesu Crist! Ist es zu fassen?”, sagte er leise. “Die Desponsatio ist geplatzt? Meine Braut hat Montpellier mit unbekanntem Ziel verlassen, gemeinsam mit ihrer Stiefschwester Marie? Ein halbes Jahr vor der geplanten Hochzeit?”

“So steht es geschrieben!” Saissacs Gesicht war wie versteinert …”

 

 

Etwas später – Saissac zu seinem Neffen Raymond-Roger Trencavel:

“Raymond, ich habe mir die Sache noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ein Verlöbnis ist bindend. Es stellt einen Vertrag dar, dessen Verletzung eine schwere Buße nach sich zieht. Wilhelm von Montpellier hat diesen Vertrag mit eigener Hand unterzeichnet. Obendrein ist der Brief, den seine Witwe schickt, eine einzige Beleidigung. Ihr seid Oberlehnsherr über mehr als sechzig Ritter und diese alte Ränkeschmiedin bietet Euch die jüngere Schwester Eurer Braut wie ein Stück Vieh an, so als ob ein Trencavel jederzeit auch mit der zweiten Wahl vorlieb nehmen müsse. Wilhelm hätte das nie zugelassen, ja er würde sich vor Scham im Grabe herumdrehen, wüsste er davon! Dahinter steckt niemand anderer als …”

 

 

Tja, wer steckt wohl hinter dieser Intrige?

Lesen Sie selbst! Viel Spaß!