Taulis, Belpuig und SOPHIA, die Weisheit …

Ein Pyrenäenerlebnis der besonderen Art

Am 17. September 2013 machte ich mich von Prades aus auf den Weg nach Marcevol, um dort für meinen Thriller “Salamandra” zu recherchieren und einige Aufnahmen zu machen. Danach ging es weiter bergauf, Kehre um Kehre – bis nach Taulis, einen nur 50 Einwohner zählenden, verschlafenen Ort, der mit der Jakobsmuschel wirbt. Doch leider war die Kirche, die ich mir hatte ansehen wollen, verschlossen. Auf der Weiterfahrt in Richtung Prunet et Belpuig kam es dann zu einer “Pyrenäen-Begegnung der unheimlichen Art”, die übel hätte ausgehen können. Ich zockelte bergauf und hielt sofort rechts an, als sich eine Bergziegen-Familie anschickte, die schmale Straße zu überqueren. Plötzlich kam ein irrer Lastkraftwagenfahrer von oben mit hoher Geschwindigkeit um die Kurve gebrettert. Direkt auf die Tiere zu. Ich rechnete schon mit dem Schlimmsten, doch das riskante Ausweichmanöver, das der Fahrer vollzog, gelang. Die armen Ziegen hingegen waren nach diesem Beinahe-Unfall unübersehbar fertig mit der Welt! Die Vorhut, die sich mit einem mutigen Satz in Sicherheit gebracht hatte, kauerte keuchend in den Felskuhlen auf der anderen Straßenseite, während die Nachzügler mitten auf der Straße liegenblieben, ebenfalls laut schnauften und sich nicht mehr vom Fleck bewegten. (Vielleicht dankten sie ja in diesem Moment dem “Hörnergott Cernunnos” für ihre Rettung, wer weiß! 🙂 )
Der Laster war längst in Richtung Tal verschwunden, ich stand und wartete. Aber ich hatte es nicht eilig. (Habe ich auf Reisen eigentlich nie.) Ich befürchtete nur, dass sich ein weiterer Irrer von oben auf den Weg ins Tal machen könnte. Aber alles blieb ruhig. Es dauerte seine Zeit (eine gute halbe Stunde) bis sich die Tiere vom Stress erholt hatten. Dass sich schließlich die Leitziege bei mir für meine Geduld bedankte, indem sie sich – in Fotopose! – direkt vor meinen Wagen stellte, bevor sie mit ihrer Entourage davonjagte, entschädigte mich für den Schrecken, den dieser unverantwortliche Fahrer uns eingejagt hatte.

Prunet et Belpuig – ein Besuch bei der “Heiligen Geistin”

Prunet-et-Belpuig ist eine ähnlich kleine Gemeinde wie Marcevol und Taulis. Alle drei Orte liegen in Südfrankreich, im Département Pyrénées-Orientales, in der Region Okzitanien. Belpuig gehört zum Arrondissement Prades und zum Kanton Le Canigou. Mein Ziel war die romanische Kapelle de la Trínité, von der ich gelesen hatte und deren Ursprung in der Mitte des 10. Jahrhunderts liegt.

Die Dreieinigkeit von Prunet et Belpuig: Vater, Sohn und “Heilige Geistin”



“Sophia, die Göttin der Weisheit und des Anfangs”, so heißt es, soll bereits vor der Schöpfung existiert haben und zwar “in der Finsternis des Chaos, das schwarz ist”. 
So erklärt es ein christliches Traktat aus dem 3. Jahrhundert mit dem Titel “Vom Ursprung der Welt”.
Sophia galt somit den Urchristen als die Repräsentation des Heiligen Geistes, der “auf dem Wasser schwebte” und “Licht in die Welt” brachte, als es “finster auf der Tiefe” war (Genesis, 1,1).

(Auch in Deutschland lässt sich eine “Heilige Geistin” finden, nämlich in Urschalling (Chiemsee). Sie wurde im Jahr 1923 entdeckt. Die Zeitschrift “efi” schrieb 2007 darüber: “Es ist eine Einladung zur Meditation über das weibliche Göttliche, Assoziationen zur göttlichen Weisheit – Sophia – liegen nahe.”)

Die Romanische Madonna von Belpuig mit buddhistischer Fingerhaltung

Die Romanische Madonna von Belpuig trägt Rot, ein Zeichen des Alters der Figurine vermutlich aus dem 11./ 12. Jh., als es sich noch nicht durchgesetzt hatte, Maria im blauen Gewand als göttliche Himmelsmutter darzustellen.
Romanische Madonnen haben oft übergroße und mitunter weißbemalte Schutzhände, s. mein Artikel über Le Puy. Diese Hände werden “Hände des Lichts” genannt.
Die Romanische Madonna von Belpuig hingegen (rechts im Bild) tanzt diesbezüglich aus der Reihe:
Ihre merkwürdige Fingerhaltung – ein aufmerksamer Leser hat mich verständigt –  entspricht wohl dem Hongsasya-Mudra der Buddhisten –was nicht so abwegig ist, wie es sich anhört: Der Ursprung des Glaubens der christlichen Katharer (11.-13. Jh.) geht nachweislich auf den persischen Propheten Mani zurück, der im 3. Jh. n. Chr. das Denken von Zoroaster, Buddha und Jesus zusammengefasst hat.



Im Jahr 2015 entdeckte ich eine weitere Madonna mit einer ähnlichen Finger- oder Handhaltung (Daumen berührt Zeigefinger) und zwar in Ainsa, einer sympathischen nordspanischen Kleinstadt in der Provinz Huesca/Aragón, umgeben von herrlichen Felsformationen: Der alte Ortskern mit seinem Hauptplatz (Plaza Mayor) wurde als Kulturgut eingestuft. Die Romanische Madonna steht in der 1183 geweihten ehemaligen Kollegiatskirche Santa Maria.

Foto links – die Mudra-Geste (wie bei einer tantrischen Tänzerin)

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Versteckte Schätze: Taurinya – ein Abstecher zum (Mino-)Taurus”?

Nach meiner Besichtigung der Abtei Saint-Michel-de-Cuxa (im Jahr 2013) entschloss ich mich, mich vor der Rückfahrt nach Prades noch rasch im benachbarten Weiler Taurinya umzusehen (Département Pyrénées-Orientales in der Region Okzitanien, 5 km südlich von Prades).
Es war allein der Ortsname “Taurinya”, der mich neugierig machte. Ich fragte mich, ob dieser Ort eventuell in irgendeiner Beziehung zu einem Stier steht. (Taurus – Minotaurus*)
Mein erster Weg führte mich zur Kirche: Saint-Fructueux de Taurinya, die jedoch leider abgeschlossen war. Weit und breit niemand in Sicht.
Beim Umrunden der Kirche jedoch, bei dem ich (unbefugterweise, sorry!) kurz den Garten betrat, um wenigstens den Glockenturm ablichten zu können, stutzte ich. Da war doch was Auffälliges auf dem Kapitell zwischen den Zwillingsfenstern! Ich zoomte das Bild heran und entdeckte darauf – zu meiner freudigen Überraschung – tatsächlich jenen Stier, der diesem Ort seinen Namen gab!
Wenig später entdeckte ich auch noch am Ortsbrunnen einen prachtvollen Stierkopf, der allerdings sichtlich neueren Datums war.

* Der Minotauros (auch Minotaurus) ist eine Gestalt der griechischen Mythologie: ein Wesen mit menschlichem Körper und Stierkopf.

Fotos bitte anklicken zum Vergrößern!

Wieder daheim, machte ich mich im Netz auf die Suche nach Taurinya und die Kirche mit dem seltsamen Namen “Saint-Fructueux”: Ich fand heraus, dass dieses Gotteshaus aus dem 12. Jahrhundert stammt, später jedoch mehrmals umgebaut wurde. (Verlängerung des Hauptschiffes + 2 schmale Seitenschiffe). Der quadratische Turm wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut. Er ist 18 Meter hoch. Auf der zweiten und dritten Etage gibt es, wie man sehen kann, offene Fensterdurchbrüche. Die Kapitelle sind mit Pflanzen- und zoomorphischen- (tierähnlichen) Motiven) versehen – einschließlich jenes Stierkopfes, der auf den Namen des Ortes verweist. Voilà!
Benannt ist die Kirche nach dem Heiligen Fructueux von Tarragona, ( + 259 n. Chr.). Der ehemalige Bischof von Tarragona* gilt heute als einer der ältesten dokumentierten Märtyrer auf der Iberischen Halbinsel. Mit ihm wurden, auf Befehl von Kaiser Valerian (253-260 n. Chr.), auch seine beiden Diakone gefangen genommen und zur Verbrennung auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Vollstreckung erfolgte übrigens im Amphitheater von Tarragona (s. Foto unten). Es heißt, die drei Märtyrer seien nach ihrem Tod – gekrönt und in liturgischen Gewändern! – der dortigen christlichen Gemeinde und auch ihren Henkern erschienen, um ihnen Anweisungen für ihre Beerdigung zu geben. Gruselige Vorstellung!

* Tarragona ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Süden der spanischen autonomen Region Katalonien.


Magische Orte in der Umgebung: Boule d’Amont, Belpuig, Ille-sur-TêtPrieuré de Serrabone, Saint-Michel-de-Cuxa,

Saint-Michel-de-Cuxa – ein kultureller Mittelpunkt des Roussillons

Die Abtei Saint-Michel-de-Cuxa liegt malerisch am Fuße des sagenumwobenen Canigou

Drei Klöster sind für die katalanische Romanik von großer Bedeutung: Die Abtei von Serrabone, Saint-Martin-du-Canigou und Saint-Michel-de-Cuxa, wobei die berühmte Abtei Cuxa am leichtesten erreichbar ist, weil sie im Tal liegt, direkt am Fuße des Canigou-Massivs.
Auch von ihrer Größe her, sticht sie hervor.
(Tipp: Von der Stadt Prades aus ist die Abtei Saint-Michel-de-Cuxa über die D 27 in fünf Minuten erreichbar. (Prades ist bekannt durch die Musikwochen, die Pablo Casals (Exil-Katalane und Franco-Gegner) dort alljährlich abzuhalten pflegte.)

Abt Oliba – der geistige Vater Kataloniens

Bereits vor Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts entwickelte sich Saint-Michel-de-Cuxa (katalanisch Sant Miquel de Cuixà) zu einem religiösen und damit geistigen Mittelpunkt des Roussillons, wie man die historische Provinz im Süden Frankreichs bezeichnete (heute Pyrénées Orientales).
Die ursprüngliche Abtei wurde im Jahr 840 an den Quellen von Thuès (in den Schluchten des Têt) erbaut, oberhalb von Villefranche-de-Conflent. Nach einem großen Unglück (Überschwemmung mit Erdrutsch) fanden die überlebenden 36 Mönche im Haus eines gewissen Protasius in Cuixà eine neue Unterkunft.
Im Jahr 878 errichteten die Mönche hier ein neues Kloster, in dem sie nach den Regeln des Heiligen Benedikts lebten.
Ihre Glanzzeit erlebte die neue Abtei unter dem berühmten Abt Oliba (s. a. Ripoll). Oliba (* 971 in Besalú, † 1046 hier in Cuxa) war Graf von Berga, Abt verschiedener Benediktinerklöster und Bischof von Vic. Er wird heute als geistiger Vater Kataloniens angesehen.

Für immer verloren gegangen …

Von der einst kostbaren Ausstattung aus Olibas Zeit ist leider nur wenig erhalten geblieben. Einige Bruchstücke vom Skulpturenschmuck der Empore (die noch großartiger als die von Serrabone gewesen sein soll!) existieren jedoch noch. Ihre Reste finden sich heute im Haupteingang der Kirche der Abtei Cuxa.
Der Altartisch aus Marmor wurde irgendwann in einem alten Haus in der Nachbarschaft der Abtei entdeckt, wo er zweckentfremdet als Boden des Balkons diente.
Für immer verloren gegangen ist leider auch ein Großteil des Kreuzgangs aus dem 12. Jahrhundert. Er wurde nach Amerika verkauft. Heute kann man ihn im New Yorker Cloisters Museum bewundern. Zwei der abtransportierten Arkadengänge konnten wieder rekonstruiert werden, wobei man sich an den Kapitellen der Abtei von Serrabone orientierte, weil es sich bei beiden Klöstern und die gleiche Werkstatt gehandelt hat.

Zusammen mit Sant-Pere-de Rodes (Spanien/Katalonien),
ist Saint-Michel-de-Cuxa einer der leuchtenden Beispiele der vorromanischen Baukunst.

Maurisch-mozarabische Anklänge

Im Kircheninneren fehlt es nicht an maurisch-mozarabischen Mauerdurchbrüchen, wie man unschwer an den charakteristischen Hufeisenbögen erkennen kann.

Die vorromanische Krypta mit der Kapelle der Heiligen Jungfrau der Krippe…

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Magische Orte in der Umgebung: Boule d’Amont, Belpuig, Ille-sur-Têt, Prieuré de Serrabone, Taurinya


Palau-del-Vidre – eine Madonna geht auf Reisen!

Palau-del-Vidre ist eine kleine französische Gemeinde in der Region Okzitanien, ungefähr 15 Kilometer über die D 914 von Collioure entfernt. Der Ort liegt im Tal des Flusses Tech.
Bekannt ist Palau-del-Vidre für seine Glasbläser, die hier (traditionell seit dem Mittelalter) ihre Kunst zeigen. Alljährlich im August findet in Palau-del-Vidre das internationale Festival “Les Arts du Verre” statt, zu dem Glasbläser aus ganz Europa anreisen.
Zu einiger Berühmtheit hat es auch die Kirche Saint Marie de L’Assomption (12. Jahrhundert) gebracht. Nicht zuletzt wegen einer außergewöhnlichen Madonnenstatue – die (unter meiner Mitwirkung) im Jahr 2017 auf Reisen ging, um in Österreich ausgestellt zu werden.

Aber dazu später mehr …

Palau-del-Vidre hatte ich schon vor zwanzig Jahren kennengelernt, doch bis ich die Kirche Sainte Marie de l’ Assomption betreten und die von mir seit langem gesuchte Madonna zu Gesicht bekam, war Geduld angesagt.
Viel Geduld …

Im Mai 2009 dann – nach einer sieben Jahre langen, aufwändigen Restaurierung der Kirche, des Vorplatzes und des halben Ortes, für die eine kleine Gruppe passionierter Bürger gesorgt hatte – hoffte ich erneut auf mein Glück, doch vergebens.
Immerhin entdeckte ich nun ein neues Schild mit neuen Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 17 – 18 Uhr, Freitag 11 – 12 Uhr.
Ein Blick auf meine Uhr: Es war zwar Freitag, und bereits 12.30 Uhr!
Am Montag stand ich um 17 Uhr erneut auf der Matte – mit demselben Ergebnis: Kirche zu und weit und breit niemand in Sicht!
Ich wartete. (Schließlich ticken die Uhren in Frankreich mitunter etwas anders …) Ich wartete … Nach einiger Zeit wurde ein Mann auf mich aufmerksam, den ich bereits vom Sehen kannte (er restauriert in seiner Garage alte Stühle!).
Nun warf auch er einen irritierten Blick auf das Schild und die geschlossene Tür, dann schickte er mich kurzerhand in die Mairie, also ins Rathaus.

Netter Empfang im Bürgermeisteramt. Eifriges Nicken einer jungen Sekretärin: “Pas de problème, Madame, selbstverständlich können Sie die Kirche besichtigen!”
Vorfreudig nahm ich im Vorzimmer Platz. Wartete. Es folgten zwei, drei Telefonate in meiner Angelegenheit, und irgendwann wurde eine weitere Sekretärin herbeigerufen, die sich “tout de suite” der Sache annahm und ebenfalls zum Telefon griff.

Nun ja, ich kürze an dieser Stelle ab: Malheureusement, Madame, la clé a disparu!” Tja, wenn der Kirchenschlüssel verschwunden war! 🙂
“Ce n’est pas grave!”, sagte ich lächelnd. “Höhere Gewalt!”.
Schließlich vereinbarten wir einen festen Termin für Mittwoch.
Ich freute mich, ungelogen!

Am Mittwoch stiefelte ich direkt ins Rathaus, wo mir die kleine Tochter des Bürgermeisters mit einigen lustigen “Turnübungen” die obligatorische französische Wartezeit vertrieb. 🙂
Endlich war es soweit: Mit strahlendem Lächeln präsentierten mir die beiden Sekretärinnen des Bürgermeisters den wiederaufgefundenen Schlüssel.
“Unsere Kirche beherbergt viele Schätze”, erzählten sie mir unterwegs, “zwei gotische Altarbilder aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, ein Altarbild aus der Renaissance, einen berühmten Tabernakel, seltene Gegenstände – darunter eine geheimnisvolle, sich öffnende Jungfrau.”
Ich war gespannt wie selten zuvor, denn der Autor Ean Begg, von dem ich den Tipp mit der geheimnisvollen Madonna hatte, beschrieb diese Figur folgendermaßen:

Eine Schwarze Madonna in der Pfarrkirche, in einer Mauernische in etwa 4 Meter Höhe. Einzigartige “Vièrge Ouvrante”, Madonna, die sich öffnet, um eine bärtige Figur in ihrem Inneren zu enthüllen. Das Kind sitzt auf ihrer linken Schulter.”

Zuerst ein Blick auf das weitere interessante Interieur in dieser Kirche …

Bitte anklicken zum Vergrößern!

„Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“ 🙂
(Katharina von Siena):

Die Madonna von Palau-del-Vidre


Wie vom Autor Begg beschrieben, stand das Ziel meiner “Begierde” – nach der jahrelangen Restaurierung der Kirche – wieder in ihrer angestammten Mauernische, gute vier Meter hoch über dem Altar.
Die Autorin Chr. Mulack (“Maria, die Geheime Göttin”, s. 64), beschreibt diese seltenen Figuren folgendermaßen:

“Die Vièrge-ouvrante-Figuren entstanden zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert. Im geschlossenen Zustand stellen sie die jungfräuliche Gottesmutter mit dem Kind auf dem Arm dar, geöffnet enthüllen sie Gott-Vater, Sohn und Heiligen Geist im Leib der Jungfrau.
Die Vorstellung, dass die männliche Dreifaltigkeit in der Jungfrau enthalten ist, weist in vorchristliche Jahrhunderte zurück, die ebenfalls die jungfräuliche Gottesmutter als Urheberin männlicher Gottheiten kennt.“

Ihre Zerstörung wurde von den Priestern von Palau del Vidre geschickt vereitelt …

” … Madonnen dieses Typs, die auch die Trinität einbeziehen, sind sehr selten. Weltweit gibt es nur noch dreizehn Exemplare.
Das hat seinen Grund: Die römisch-katholische “Mutterkirche” – trotz ihres Namens von Männern dominiert – hatte diese Art von Darstellung auf ihrem Konzil von Trient (1545-1563) verboten und sogar die Zerstörung der angeblich häretischen Figuren angeordnet. 
Die Priester von Palau-del-Vidre wussten “ihre” Madonna jedoch gut zu verstecken. Im Jahr 1648 wurde sie wiederentdeckt, in einer Nische über dem Retable des Heiligen Sebastian. 

(aus: H.L.Köppel, Ausstellungskatalog d. Jüd. Museums, Hohenems)

Acht Jahre später verlässt die “Geheime Göttin” Südfrankreich und geht auf Reisen …

Die Vorgeschichte zu dieser Reise:

Im Oktober 2016 erreichte mich das Schreiben einer Kuratorin aus Wien, die auf einen anderen Artikel auf meiner Website aufmerksam geworden war, der sich mit den nicht weniger rätselhaften “Schwarzen Madonnen” beschäftigt:

Sehr geehrte Frau Köppel,
ich arbeite gerade an einer Ausstellung über die weibliche Seite Gottes. Unsere Ausstellung wird zwar in erster Linie dem Judentum gewidmet sein, möchte jedoch auch das Christentum und den Islam einschließen.
Ich bin bei der Recherche auf Beiträge von Ihnen gestoßen …

Ich schrieb zurück und machte die Dame auf die Vièrge Ouvrante (und das freundliche Bürgermeisteramt) in Palau-del-Vidre aufmerksam.
Im Januar 2017 kam die Erfolgsmeldung aus Wien:

Dank Ihres netten Emails sind wir jetzt tatsächlich in Kontakt mit der Gemeinde von Palau-del Vidre und haben bereits informelle Zusagen, dass wir die wunderbare Jungfrau für unsere Ausstellung ausborgen können …”

Über die bevorstehende Reise der Madonna habe ich mich natürlich sehr gefreut – aber auch über die Bitte, die man nun an mich herantrug, eine Objektbeschreibung für den Ausstellungskatalog beizusteuern. Nachstehend das Ergebnis:

Bitte anklicken zum Lesen!

Und hier – voilà – die weitgereiste Madonna aus Palau-del-Vidre, hinter Glas stehend, in der Ausstellung im Jüdischen Museum Hohenems (30. April bis 8. Oktober 2017)

An dieser Stelle nochmals vielen herzlichen Dank an Sabrina und Catherine, die netten Sekretärinnen des Bürgermeisters!

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Magische Orte in der Umgebung:

Collioure, Santa Maria del Vilar, Kloster Fontfroide, Saint-André de Sorède, Boule d’ Amont, Cabestany, Canal-du-Midi, Elne, Ille-sur-Têt, Marcevol, Saint-Michel-de-Cuxa, Taurinya,

Die Abtei Saint-André-de Soréde – und die Tiere aus der Hölle

Die Abtei Saint-André-de Soréde

Saint–André ist eine kleine französische Gemeinde im Département Pyrénées-Orientales in der Region Okzitanien. Sie gehört zum Arrondissement Céret und zum Kanton La Côte Vermeille, liegt etwa 16 Kilometer von Perpignan und 11 Kilometer von Collioure entfernt.
Bereits gegen Ende des 8. Jh. gründete hier der spanische Abt Miron ein Kloster, das er dem Heiligen Andreas widmete. Schon im Jahr 823 erhielt Miron eine schriftliche Bestätigung von Ludwig dem Frommen (778-840), einem Sohn Karls des Großen, die das Recht beinhaltete, seine Äbte frei zu wählen. Im Jahr 1789, während der französischen Revolution mussten die letzten Mönche das Kloster verlassen. Alle Besitztümer, auch der Kreuzgang, wurden abgebrochen, verkauft und teilweise in anderen Abteien der Umgebung weiterverwendet. Der Kreuzgang von Saint-André hatte nicht das Glück einer späteren Rekonstruktion, wie etwa die Abteien von Saint-Génis-des-Fontaines und Saint-Michel-de-Cuxa.

Von der ehemaligen Abtei ist heute nur die gleichnamige Abteikirche erhalten. Sie hat ihre Wurzeln im Jahr 820 n. Chr., wurde jedoch bereits hundert Jahre später durch einen Neubau aus großen Flusskieseln in der “Fischgrat-Technik” ersetzt. (In der römischen Technik des Opus spicatum)
Bei einer erneuten Erweiterung im 11. Jahrhundert blieben lediglich der untere Teil der Mauern und die Absiden erhalten.


Ein schönes Beispiel, wie die Baumeister im 11. Jahrhundert einen alten Türrahmen in ein schönes Fenster verwandelten, kann man am Foto unten links sehen!

Die kleinen Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Romanik pur in Saint-André

Mauerwerk und Dekoration in der Kirche Saint-André sind charakteristisch für die Frühromanik des 11. Jahrhunderts, wobei der marmorne Türsturzbalken über der Eingangstür große Ähnlichkeit mit dem prachtvollen Türstock der benachbarten Kirche Saint-Genis-des Fontaines aufweist. Dieser konnte durch seine Inschrift datiert werden: Er stammt aus dem Jahr 1019/1020 – und war damit wohl das Vorbild für den Türsturzbalken der Kirche in Saint-André. Beide Balken zeigen mittig einen thronenden Christus – mit segnender Hand und dem Buch des Lebens – in einer Mandorla. Es gibt jedoch etliche Abweichungen in der Ausführung der beiden Kunstwerke: Der Türsturz in Saint-Genis erscheint strenger, naiver in der Darstellung – aber zugleich fast “hoheitsvoll”. Der Türsturz in Saint-André (hier fehlt die Inschrift!) kommt plastischer herüber, irgendwie natürlicher, menschlicher. Die Anzahl der dargestellten Apostel und Seraphime unterscheidet sich ebenfalls, wie auch der florale Schmuck, Palmetten genannt.
Wer immer diese Steinmetze waren, wie immer es sich verhielt:
Die herrlichen Skulpturen und Kunstwerke von Saint-André – die man heute im MUSEE D`ART ROMAN besichtigen kann (direkt neben der Kirche) – versetzen jeden Interessierten jählings ins 12. Jahrhundert – dem Höhepunkt der romanischen Kunst.
Ich selbst erinnerte mich bei meinem Besuch im Jahr 2008 spontan an die Bildwerke in der Prieuré de Serrabone oder an die Arbeiten aus der Werkstatt des Meisters von Cabestany.

Romanischer Altartisch in Saint André – und alte Fresken

Der Altartisch aus Marmor ist rundum mit aneinander gereihten, halbkreisförmigen und schräg geschliffenen Reliefen geschmückt. Die Dekoration stammt vermutlich aus Spanien; sie könnte von Byzanz her liturgische Bedeutung gehabt haben. Vom 9. – 11. Jh. wurden derartige Altartische in Narbonner Werkstätten fast serienmäßig hergestellt. Eine karolingische Elfenbeinarbeit (Eigentum der Kathedrale von Narbonne), soll als Vorlage gedient haben.

Islamische Kunst in Saint André

Die historischen Provinzen Roussillon und Katalonien waren im 10. und 11. Jahrhundert in Kontakt mit den islamischen Gebieten Spaniens. Junge Katalanen standen damals nicht selten als Söldner im Dienst arabischer Prinzen, bevor diese als Unterworfene (während der Reconquista*) selbst Tribut zahlen mussten. Das war die Zeit, in der mitunter kostbare Stücke christlichen Kirchen zum Kauf angeboten wurden, die sie dann oft im sakralen Bereich einsetzten.
Beispiele hierfür: Der Hostienbehälter aus Elfenbein von Narbonne, das silbernes Tintenfass von Brouilla (in der Nähe von Saint–André) oder der Mantelstoff der Madonna von Thuit.
Absolut rätselhaft ist jedoch noch heute die Islamische Stele aus dem 13. Jahrhundert, die während einer Restauration im Mauerwerk von Saint-André entdeckt wurde. (Maria wird auch im Koran als jungfräuliche Mutter Jesu erwähnt).

*Die Reconquista dauerte vom Jahr 722 (Schlacht von Covadonga) bis zum Jahr 1492 (Eroberung Granadas) und bezeichnet die Zeit der Rückeroberung der von Mauren besetzten Gebiete auf der iberischen Halbinsel durch die Christen.

Die Simioten – “Tiere aus der Hölle”

Bei den im Außenbereich der Kirche von Saint André angebrachten Tiere (vergleichbar mit Exemplaren aus der Abtei von Arles-sur-Tech), handelt es sich um sog. Simioten – in der katalanischen und pyrenäischen Mythologie als “teuflische Kreaturen” bekannt, die Affen ähneln. Andere Quellen sprechen von “fressenden Löwen”.

Zum Vergleich die beiden Simiots, die ich 2015 in Arles-sur-Tech fotografiert habe:

Vielen Dank für Ihr Interesse!

Magische Orte in der Umgebung von Saint André

Collioure, Elne, Santa Maria del Vilar, Saint-Genis-des-Fontaines, Abtei Fontfroide, Elne, Cabestany, Palau-del-Vidre

Das einstige Jupiter-Heiligtum von Sant Ferriol

Sant Ferriol ist ein kleines Dorf in der Provinz Girona und der Autonomiegemeinschaft von Katalonien, Spanien.
Ich hatte gelesen, dass es hier, auf einem der umliegenden Berge (sieben Kilometer bergauf in engen Serpentinen!), nicht nur eine verwunschene alte Einsiedelei, sondern auch einen alten römischen Kultplatz geben soll.
(Das Santuario de Sant Ferriol wurde später zu einem der Schauplätze in meinem Roman Salamandra.)

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Der Heilige Ferriol

In der kleinen Wallfahrtskirche wird der Heilige Ferriol verehrt, der mit seinem Schwert und seiner Bekleidung einen römisch-martialischen Eindruck macht – und die Spenden seiner Besucher auch gleich selbst einsammelt.
Bei diesem Heiligen handelt es sich um Ferreolus von Uzès (520 – 581 n. Chr.). Ferreolus war von 553 bis 581 Bischof von Uzèz*. Als Bischof gründete er das Kloster Ferréolac und unternahm den Versuch, die Juden seiner Diözese zum Christentum zu bekehren. Das gute Verhältnis, das er zu den Juden Septimaniens** pflegte, führte jedoch zu seiner zwischenzeitlichen Absetzung durch Childebert I.*** Nach seiner Rückkehr ins Bischofsamt setzte Ferriol seine Bemühungen um die Christianisierung der Juden fort. Widerspenstige verwies er jedoch der Stadt.
Die Eltern des Heiligen stammten übrigens aus dem Umkreis der Merowinger, seine Mutter soll eine Tochter des Frankenkönigs Chlotar I. gewesen sein. Seine Schwester Tarsitia wird ebenfalls als Heilige verehrt.

*Uzès liegt ungefähr 40 km von Avignon entfernt (wo die Römerspuren noch allgegenwärtig sind).
** Septimanien war das einzige Gebiet in Gallien, das der fränkischen Eroberung nach der Schlacht bei Vouillé (507) standhielt.
*** Childebert I. war der viertälteste Sohn des merowingischen Frankenkönigs Chlodwig I., der dritte aus dessen Ehe mit Chrodechild. Bei der Reichsteilung von 511 erhielt er das Teilreich mit dem Königssitz Paris und regierte bis zu seinem Tod. (Quelle Wiki)

Die Suche nach dem ehemaligen Kultplatz der Römer

war leichter als befürchtet, denn der Platz, an dem einst ein Tempel des obersten römischen Gottes Jupiter stand, befand sich an der höchsten Stelle des Berges. Jupiter (deutsch seltener Jovis) ist der Name der obersten Gottheit der römischen Religion, der mit seinen Blitzen entweder strafte oder aber (der Feuerwagen des Phaeton) die Welt vor Unheil bewahrte.
Jupiter entspricht dem griechischen „Himmelsvater“ Zeus.

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Die versteckte Einsiedelei Sant Ferriol wurde bei meinem Besuch im Jahr 2014 von einer netten jungen Familie bewohnt und bewacht, nebst einigen schwarzen Eseln. Im Sommer ein Paradies, im Winter – oder bei schlechtem Wetter – schwer erreichbar, aufgrund der extrem steilen und unbefestigten Straße.


Abschließend noch eine Aufnahme von der herrlichen Umgebung, in der sich das hochgelegene Heiligtum befindet …

Vielen Dank für Ihr Interesse!