Hymnus an die Sonne von Arles

“Hymnus an die Sonne”

… ist ein Gedicht von Frédéric Mistral (1830 – 1914), worin er die “Goldene Sonne der Provence” rühmt. Der französische Dichter und Linguist schrieb seine Werke auf Provenzalisch und erhielt dafür im Jahr 1904 den Nobelpreis für Literatur. Das damit verbundene Preisgeld verwendete Mistral für den Ausbau der von ihm im Jahr 1896 gegründeten ethnographischen Sammlung im Museum Ariaten in Arles.
Mit dem letzten Vers dieses schönen Gedichtes möchte ich nun Sie einstimmen, mit mir einen Gang durch das im Sommer meist sonnendurchflutete Arles zu unternehmen:

Lass dein goldnes Feuer glühen,
Dass die Sorg’, die Schatten fliehen.
Glüh in deines Glanzes Wonne,
Lächle uns, o schöne Sonne!

Frédéric Mistral, aus “Hymnus an die Sonne”

Arles in der Antike

Nachdem mich bei meinem Aufenthalt im Jahr 2009 das südfranzösische Arles (Département Bouches-du-Rhône, ca. 50 000 Einwohner) zu meinem zweiten Thriller Blut.Rote.Rosen inspiriert hat, kommt man bei dieser alten Stadt, deren Wurzeln bis ins 10. Jh. v. Chr. zurückreichen, um ein Stück Geschichte nicht herum. Offiziell gegründet wurde Arles von den Griechen (den Phokäern aus Kleinasien) – ursprünglich ging diese Stadt aber aus der keltoligurischen* Handelssiedlung Ar Laith hervor.
Der antike Name von Arles lautete Arelate – (die Stadt in den Sümpfen).
Im Jahr 123 v. Chr. kam Arles unter römische Herrschaft (Provinz Gallia Narbonensis). Kein Geringerer als Gaius Julilus Caesar machte sie im Jahr 46 v. Chr. zur römischen Militärkolonie Colonia Julia Paterna Arelate Sextanorum. Mehr oder weniger gut erhalten aus dieser Zeit sind das Amphitheater (Arena) und die Reste der ehemaligen Thermen – beide ein Anziehungspunkt für Touristen. Vom römischen Forum, das sich im Stadtzentrum befand, existieren nur noch Spuren an einer Hauswand. Der ägyptische Obelisk aus dem Circus (der ehemaligen Rennbahn) schmückt heute, stolz und schlank, den Platz vor dem Rathaus, bzw. vor der Kathedrale Saint-Trôphime.

Arles war in der Antike aufgrund seiner Lage (am Ostufer der Rhône) eine wohlhabende Stadt: Die wichtigsten Handelsstraßen waren erreichbar: Hier kreuzte sich die Via Agrippa nach Lugdunum (Lyon) und weiter nach Augusta Treverorum (heute Trier) bis zur Colonia Claudia Ara Agrippinensium (heute Köln) mit der Via Aurelia, die Massilia (Marseille) mit Rom verband.

* vorrömische Bevölkerung im Rhônegebiet

Die Arena (Amphitheater) – das Highlight von Arles

“Das kleine Rom von Gallien” – so nannte man früher die Stadt Arles. Das Amphitheater aus dem 1. Jh. n. Chr. (aus der Epoche des Augustus*) gilt als beachtliches Beispiel römischer Ingenieurskunst. Es fasste über 20 000 Zuschauer und ist älter und größer als die Arena von Nîmes. Die Sitzplätze sind um das riesige Oval angeordnet. Es existieren dreißig Sitzreihen bis zu den Oberseiten der Eingangsbögen. Im Mittelalter hatte man diese Bögen mit Steinen blockiert und die Arena als befestigte Stadt benutzt. Dabei wurden die (damals kleinen) Häuser eng an eng in das zentrale Oval gepfercht. Erst zu Beginn den 19. Jh. erfolgte die Entfernung des Häusergewirrs im Inneren der Arena. Fortan benutzte man das Amphitheater für Stierkämpfe, kulturelle und folkloristische Veranstaltungen.
Hier, in der Arena, entdeckte man die berühmte Venus d’Arles, die sich heute im Louvre befindet, sowie andere Skulpturen.

* Augustus (Oktavian), 1. römischer Kaiser von 31 v. Chr. bis 14 n. Chr.; Alleinherrscher des Römischen Reiches.

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Der römische Obelisk und das Forum

Im ehemaligen Circus der römischen Stadt (Rennbahn) entdeckte man einen 15 m hohen ägyptischen Granit-Obelisken, der nun seit dem Jahr 1676 an der Place de la République steht, direkt vor dem Rathaus (Foto links).
Das sogenannte Forum war in den Städten des römischen Reiches ein zentraler Platz, der das politische, juristische, ökonomische und religiöse Zentrum des Orts bildete. Es entsprach dabei weitgehend der griechischen Agora.
Die Reste des ehemaligen Forums von Arles befinden sich an der noch heute stark frequentierten Place du Forum (Foto Mitte), wo sich auch eine Statue des Dichters Frédéric Mistral befindet.

Die Thermen des Konstantin

In der Antike stand Arles, was die Bedeutung betraf, mit Marseille (Massilia) im Wettstreit. Ihre Blütezeit erreichte die Stadt unter dem römischen Kaiser Konstantin*, der sie ausbaute und ihr den Beinamen Constantina gab. Durch seine Besuche “adelte” der Kaiser gewissermaßen die Stadt, die daraufhin – nach der Gründung von Konstantinopel – die Rolle einer zweiten Hauptstadt spielte.
Im Jahr 395 n. Chr. wurde Arles die Hauptstadt des römischen Galliens und wenige Jahre später sogar, anstelle von Trier, Regierungssitz des römischen Westreichs.  

* Kaiser Konstantin der Große war von 306 – 337 römischer Kaiser; ab dem Jahr 334 Alleinherrscher

Unten an der Rhône befinden sich die Überreste des antiken Badehauses, das auf Veranlassung von Kaiser Konstantin erbaut wurde. Diese Bäder, die es in allen römischen Städten gab (s. auch Rennes-les-Bains), wurden zur Körperpflege, zum Trainieren und für soziale Kontakte benutzt. Sie waren sowohl für Männer als auch für Frauen und teilweise sogar für Kinder zugänglich. Die Technik war aufwendig, das Wasser kam aus den römischen Aquädukten und die Temperatur wurde durch Holzöfen geregelt. Verziert waren die Badehäuser mit farbigem Marmor und Fresken. Der Eintritt war frei oder zumindest sehr billig.

(nachstehendes Foto: Nordapsis der Thermen)

Arles und die antike Totenallee (Alyscamps)

Das bereits in der Antike angelegte Gräberfeld, genannt Alyscamps, das schon Dante, van Gogh und Gauguin faszinierte, liegt an der ehemaligen Römerstraße Via Aurelia, am südöstlichen Rand der Altstadt. Zwischen den mehr oder weniger gut erhaltenen Resten zweier alter Kirchen reihen sich auf beiden Seiten einer fünfhundert Meter langen Platanen-Allee antike Steinsarkophage aneinander. Der Name Alyscamps kommt von Campi elissi (elysische Gefilde).

Das gallorömische Theater

Das gallorömische* Theater von Arles befindet sich ebenfalls in der Altstadt. Es war eine Art Open-Air-Theater, das ungefähr 10 000 Menschen fasste. Die im Halbrund angelegten Sitzplätze umgaben eine große Bühne mit mehreren Steinsäulen/Bögen. Ging es in der Antike um griechische Tragödien und Komödien (ludi Graeci), die man ins Lateinische übersetzte und dem jeweiligen römischen Publikumsgeschmack anpasste (ludi Romani), werden heute dort vorzugsweise Sommerkonzerte veranstaltet.

* Gallische und römische Kultur verbanden sich ab Mitte des 1. Jahrhunderts nach Christus zur gallorömischen Kultur.


Arles und die Kryptoportique

Den sog. Kryptoportikus (Cryptoportique) von Arles erreicht man über das Rathaus. Dort erhält man die Eintrittskarten für die Führungen, wobei auch Einzelerkundigungen möglich sind. Hier unten, tief im Bauch der Stadt, bewegt man sich gewissermaßen noch immer auf “römischem Grund und Boden”. Das riesige Gewölbe mit seinen Säulen, Kammern und Bögen erstreckt sich über zwei Ebenen. Es wurde seinerzeit zur Stabilisierung des damaligen Forums errichtet. Hier unten befanden sich aber auch die Unterkünfte der Sklaven. Die Kammern sind feucht und dunkel. Ungemütlich. Gruselig. Also der ideale Schauplatz für einen Thriller! 🙂

Kurzer Romanauszug:

Als ich feststellte, dass der Fremdenführer bei jedem einzelnen Säulenfragment innehielt und lang und breit die Stile und Ornamente erklärte, stahl ich mich davon und machte mich tapfer auf den Weg zu den Pforten des Hades. Bald verstummten die Stimmen hinter mir. Einzig das stetige Platschen der Wassertropfen begleitete mich. Ich hätte schwören können, dass die Werkstattlampen – nannte man sie nicht auch Krötenlampen? – heute noch düsterer brannten als gestern. Einige flackerten sogar nervös. Ich hoffte, sie hielten durch. Ich musste das auch. Plitsch. Platsch … Peinlich genau hielt ich mich an die Mitte des breiten Ganges, wenn mich nicht gerade eine Pfütze oder ein größeres Rinnsal daran hinderte. Mehrmals drehte ich mich um. Einmal weil ich einen kleinen Hund kläffen hörte. Ein andermal – mein Herzschlag beschleunigte sich – weil ich den Eindruck hatte, es folgte mir wer. Als ich ungefähr Zweidrittel des Weges hinter mich gebracht hatte, entdeckte ich die ersten Kreidemarkierungen. Mein Herz hämmerte. Ich öffnete meine Umhängetasche und tastete nach der Pistole und der Taschenlampe. Dann blieb ich stehen. Lauschte auf das stete Tropfen des Wassers und mein Atemgeräusch. Ich knipste die Taschenlampe an, doch sie zitterte so sehr in meiner Hand, dass die Schatten an den Wänden den reinsten Totentanz aufführten …

“Blut.Rote.Rosen”, von Helene Köppel, S. 218 ff

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Arles im Christentum – die Kathedrale Saint-Trophime

Bereits im 3. Jahrhundert wurde Arles Bischofssitz. Hier fand das erste Bischofskonzil Galliens statt und hier wurde der hl. Trophimus (der Legende nach ein Schüler des Apostels Petrus) zum ersten Bischof der Stadt geweiht. Er christianisierte die Provence. (Die Gebeine des Heiligen ruhen heute in der Kirche.) Hundert Jahre später bekam Arles ein Erzbistum.
Obwohl von Normannen, Westgoten und Sarazenen mehrmals erobert und zerstört, behauptete sich Arles; und als die Stadt ab dem Jahr 536 zum Frankenreich zählte, erkor man sie (im Jahr 879) zur Hauptstadt des Königreichs Burgund. Im Jahr 1033 kam Arles schließlich zum Heiligen Römischen Reich.
Ende des 11. Jahrhunderts war Arles mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in der Provence. Als “Königreich Arelat” war die Stadt unabhängig und zog viele religiöse Orden an. Weitere Kirchen wurden gebaut.
Im Jahr 1178 krönte man in der Kathedrale Saint-Trophime Friedrich Barbarossa (Rotbart) zum König von Burgund.
Im 13. Jahrhundert unterwarf sich Arles König Karl von Anjou, bis die Stadt im Jahr 1481 schließlich an Frankreich fiel.

Der romanische Teil der von der Antike beeinflussten Kathedrale (und ehemaligen Benediktiner-Abteikirche) Saint-Trophime wurde zwischen 1100 und 1150 erbaut. Bei ihrem Bau verwendete man Steine aus dem antiken Theater. Mitte des 15. Jahrhundert entstanden der Gotische Chor und weitere Umbauten. In Saint-Trophime versammelten sich früher die Wallfahrer, um gemeinsam von Arles aus nach Santiago de Compostela zu pilgern. Das prächtige Eingangsportal (Tympanon: Christus als Weltenrichter) stellt neben der etwas früher entstandenen Fassade der Abtei Saint-Gilles eine der schönsten Skulpturen in der Provence dar. Der Kreuzgang soll ebenfalls zu einem der schönsten der Provence zählen, halb romanisch, halb gotisch.

Das Rathaus, die Straßen und Gassen von Arles

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Arles und die Maler van Gogh und Picasso

Nahezu unzertrennlich sind zwei Namen für immer verbunden: Arles und Vincent van Gogh. Hier, unter der besonderen Sonne von Arles, hat der niederländische Maler innerhalb von fünfzehn Monaten (und ungeachtet seiner psychischen Probleme!) mehr als dreihundert Bilder gemalt. Die Terrasse des Cafés La Nuit, wo er sich oft aufhielt, malte er im September 1888. Das Gemälde ist mit Ölfarben auf Leintuch gemalt. Das “Gelbe Haus an der Place Lamartine”, in dem er damals wohnte, wurde im Zweiten Weltkrieg leider zerstört, aber er hat es ebenfalls gemalt.
Eine ähnliche Leidenschaft für die Sonne von Arles entwickelte Pablo Picasso. Neben dem Malen frönte er hier auch seiner Leidenschaft für Stierkämpfe, die damals in der Arena stattfanden. Eine erste Ausstellung seiner Bilder fand bereits im Jahr 1957 im Réattu Museum in Arles statt. Zu diesem Anlass schenkte Picasso 57 seiner Zeichnungen der Stadt.

Dass beide Maler auch von den Frauen der Stadt angetan waren, den schönen Arlesierinnen, beweisen zwei Gemälde, die sich in der Umsetzung des Motivs jedoch stark voneinander unterscheiden.

Arles – die Dächer

In Arles sind viele Epochen zu Hause. Die Stadt hat es jedoch geschickt verstanden, ihr antikes Erbe mit der südfranzösischen Leichtigkeit in Einklang zu bringen. Nach der bunten Fülle von Eindrücken und Bildern bezaubert selbst noch der Blick auf das hügelige Hinterland, die Rhône und die schlichten roten Dächer …

Arles bei Nacht

Merci beaucoup!

Museen in Arles

Das Museum Arlaten, im Palais de Laval-Castellane (16. Jahrhundert) gilt als die bedeutendste Sammlung zur provenzalischen Volkskunde. Es wurde von dem provencalischen Dichter Fréderic Mistral gegründet.
Das Museum Réattu zeigt u.a. Werke des Malers Jacques Réattu – sowie Bilder von Picasso und anderen berühmten Malern.
Das Antikenmuseum von Arles (Musée départemental Arles) behandelt die Geschichte der Besiedlung von der Frühgeschichte bis zum Ende der Römerzeit.

Traditionelle Feste in Arles

1. Mai – “Fest der Gardians”, der Hirten der Camargue. Sie ziehen auf Pferden durch die Stadt; Wahl des neuen Hochmeisters der Brüderschaft der Gardians. Alle drei Jahre findet an diesem Tag die Wahl der neuen “Königin von Arles” statt. Der Tag endet mit einem Spektakel in der Arena, wo die Gardians ihre Reiterkünste zeigen.

23. Juni, Johannisfest: Fackeln werden vom Canigou-Berg gebracht; volkstümliche Tänze; Laternenumzug mit “Farandole” in der Arena, Blockflöten, Querpfeifen, Trachten, Folkloretänze.

Ende Juni bis Anfang Juli: diverse Festumzüge und Vorführungen in der Arena; Wettrennen der Stierhüter der Camargue auf ungesattelten Pferden: “La course de Satin”.

Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung:

Abtei Montmajour ( 5 km nordöstlich), 10. Jh.; die Stadt Béziers, das keltische Oppidum Enserune oder Saint-Gilles du Gard.

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“Abkehr”, Thriller (Romanschauplätze: Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Marokko
“Adieu, Marie! – Die Briefe” (Historisch: Rennes-le-Château-Roman 2)

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Saint-Polycarpe (Aude) und der versteckte Balken

Saint-Polycarpe – die ehemalige Klosterkirche der Benediktiner liegt in der gleichnamigen Ortschaft Saint-Polycarpe, im Département Aude in Frankreich, östlich von Limoux. Als Wehrkirche ausgebaut, ist sie seit 1913 als Monument historique klassifiziert.
Die dazugehörige Abtei wurde im 8. Jahrhundert von Atala, einem spanischen Adligen, gegründet. Ab dem 12. Jahrhundert gehörte sie zu den benachbarten Abteien von Lagrasse und Alet. Man erzählt sich, dass die Mönche von Saint-Polycarpe einen sehr schlechten Ruf hatten. Erst der letzte Abt schaffte es, ihrem schändlichen Treiben einen Riegel vorzuschieben. Die Gemeinschaft existierte dennoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, dann wurde sie verboten. Nur ein Mönch blieb übrig, angeblich um das Kloster zu verteidigen. Er wurde schließlich von seinem Gärtner ermordet. (Also ist der Mörder tatsächlich immer der Gärtner! 🙂 )
Heute, nach einem Brand, ist die idyllisch gelegene Abtei eine Ruine. Der Kreuzgang wurde abgebaut und stückweise verkauft. Ein Teil war für den Garten eines Barons namens Bich bestimmt.

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Der Heilige Polycarpe und die Abteikirche von Saint-Polycarpe

Der Heilige Polycarpe gilt als “apostolischer Vater”, was bedeutet, dass er die Apostel aus der Zeit von Jesus noch persönlich kannte. Er soll vom Apostel Johannes zum Bischof von Smyrna eingesetzt und von den Römern hingerichtet worden sein. Sie nannten ihn den Zerstörer der alten Götter.
Die restaurierte romanische Abteikirche von Saint-Polycarpe geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Es handelt sich um einen einschiffigen Bau, dem im Westen ein massiver Turm vorgesetzt ist, welcher im Untergeschoss den Narthex (Vorhalle) der Kirche bildet. Das Eingangsportal wurde im 17. Jh. umgestaltet. Ein Besuch dieser Kirche lohnt sich: Sie besitzt nämlich zwei Altäre, deren Tischplatten auf Steinsäulen mit karolingischem Basrelief stehen – wie auch jener Altar im benachbarten Rennes-le-Château, als im Jahr 1865 Abbé Bérenger Saunière dort eintraf, die Deckplatte abnahm und in der Aushöhlung einer der Steinsäulen einige Pergamente entdeckte.

Zum Vergleich – einer der beiden Stützsteine des alten Altars der Kirche Sainte-Marie-Madeleine von Rennes-le-Château, den der Pfarrer während der Restauration entfernen und später im Außenbereich anbringen ließ. (Die Inschrift “Mission 1891” wurde erst später, also zu diesem Zeitpunkt angebracht.)

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Die Reliquienbehälter der Heiligen Polycarpe und Benoît (Benedikt).

Die alten Fresken

Saint-Polycarpe – die berühmten Gemälde von Annel Auriac, 17. Jahrhundert

An der linken Wand befindet sich ein riesiges allegorisches Gemälde, das den Heiligen Polykarp und den Heiligen Benedikt darstellt, die bei der Kreuzigung assistieren. Es ist das Werk eines Malers aus Limoux (Annel Auriac), aus dem 17. Jahrhundert.

Zum Buch mit Schwert: Die aufgeschlagene Seite besagt: L =1 = Buch Leviticus (das 3. Buch des Pentateuch) Seite 1 = Kein Schwert kommt über euer Land.

Das Gemälde rechts trägt den Titel “Die drei Marien am Grab”. Es zeigt Maria Magdalena mit leuchtendem Heiligenschein, rotem Gewand, Salbgefäß und merkwürdiger “Kniehaltung”. Das Bild stammt vom selben Maler aus Limoux, Annel Auriac, 17. Jahrhundert. Während Maria, die Mutter Jesu, hier kaum mehr in Erscheinung tritt, und Maria, die Frau des Klopas, das Gesicht in Richtung Golgatha-Kreuze abwendet, scheint Maria Magdalena bereits in die Zukunft zu schauen: Sie umfasst mit beiden Armen das angezogene rechte Knie und verhält sich, als sei das leere Grab für sie schon Vergangenheit. Sieht sie bereits die Szene im Garten Gethsemane vor sich, die sich wenig später abspielt? Als sie auf Jesus trifft und ihn zuerst für den Gärtner hält? (Schon wieder Gärtner?) Jesus verbietet ihr, ihn zu berühren: Noli me tangere! Worauf Maria Magdalena ihr Knie nun vor Jesus beugt … (s. Gemälde rechts unten)

Eines lässt sich auch hier in Saint-Polycarpe nicht leugnen: In Südfrankreich wird Maria Magdalena ganz besonders verehrt!

In allen Regionen stößt man auf ihr geweihte Kirchen, Klöster sowie Statuen, die sie darstellen sollen. Dies geht vermutlich auf eine mittelalterliche Legende zurück, in der Maria Magdalena nach dem Tod von Jesus aus Palästina flüchtete. “Zusammen mit ihrer Schwester Martha, ihrem Bruder Lazarus, der reichen Jüngerin Maria Salome, der frommen Maria Jakobi, dem Apostel Maximus und dem mumifizierten Leichnam der Heiligen Anna (Mutter Marias), bestieg Maria Magdalena ein ruderloses Boot. Die Meeresströmungen brachten die Flüchtlinge zur Küste Südfrankreichs nach Marseille”.* Ein Reliquiar der Kirche Saint-Maximin-la-Sainte-Baume (Département Var), wo auch der Totenkopf der Heiligen Maria Magdalena aufbewahrt wird, stellt diese Szene dar.
In Béziers, in der Kapelle der Blauen Büßer, hängt ein großes Gemälde von der Überfahrt der Maria Magdalena. Und in Rennes-le-Château (s. oben) war der Priester geradezu ein Fan dieser Heiligen. (Basrelief unterhalb des Altars, Glasfenster, Statue; “MM”-Initialen an den Wänden, Tour Magdala usw.)

* Quelle: Charland, P.V., “Les Trois legends de Madame Saincte Anne”, Charland & Co., Montréal 1898, S. 209

Die Glasfenster

Der geheimnisvolle Balken von Saint-Polycarpe

ist so versteckt angebracht, dass man ihn beim Eintritt in die Kirche glatt übersieht. Er befindet sich nämlich in ganzer Länge unterhalb der Ballustrade und damit direkt über dem Kopf des Besuchers (Taschenlampe mitbringen!)
Weder in Saint-Polycarpe noch im Netz oder in den Reiseführern wird auf diesen interessanten Balken aufmerksam gemacht. Die Bemalung stammt aus dem Spätmittelalter; ich selbst vermute anhand der Bekleidung einzelner Figuren (Kopfbedeckung und Pumphosen) das 15./16. Jh. Über die Zeichnungen hinaus, die Szenen aus der Heiligen Schrift (oft aus der Offenbarung des Johannes) zeigen, gibt der Balken bis heute Rätsel auf: Befand er sich schon immer dort, nahezu unsichtbar im Eingangsbereich der Kirche?
Wer hat ihn bemalt und warum? Handelt es sich vielleicht um eine “Strafarbeit” für einen ganz besonders lasterhaften Bruder? 🙂 Niemand weiß es!

In meinem Historischen Roman “Sancha – Das Tor der Myrrhe”, der in großen Teilen in diesem Kloster spielt (Romanbeginn: “Die Worte des Abtes von Saint-Polycarpe waren stets von großer Klarheit …”) habe ich mich intensiv mit diesem Balken beschäftigt und eine eigene Entstehungsgeschichte erfunden. Vielleicht kommt sie ja der Wahrheit gefährlich nahe … 🙂

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Saint-Polycarpe – Die Abstellkammer

Bei meinem zweiten Besuch in Saint-Polycarpe im Jahr 2017 (einige Fotos stammen aus dem Jahr 2006) hatte ich beim Eintritt das Glück, auf eine alte Dame zu treffen, die sich um die Kirche kümmerte und stolz darauf war, mir alles zeigen zu dürfen. Zum Schluss führte sie mich sogar in die Abstellkammer, was mich, ganz ehrlich, besonders freute, denn dort entdeckt man – nach meiner Erfahrung – interessante, aber auch oft kuriose Sachen …

Eine besondere Rolle in “Sancha – Das Tor der Myrrhe” spielt ein altes Aquädukt, das das ehemalige Kloster Saint-Polycarpe im Mittelalter mit Wasser versorgte …

Mit einem lustigen Schnappschuss, der ganz in der Nähe gelang, schließe ich diesen Artikel und bedanke mich herzlich für Ihr Mitkommen nach Saint-Polycarpe!

Am Rande ein, zwei Tipps:
Empfehlenswert ist auch der Besuch der in der Nähe liegenden Abtei Saint-Hilaire, wo sich die Grablege der berühmten Trencavel-Grafen aus Carcassonne befindet.
Auch Alet-les Bain sollte man gesehen haben.
Und natürlich Rennes-le-Château sowie Rennes-les-Bains, wo schon die Römer gebadet haben …
Zum Schluss gönnen Sie sich zur Erfrischung ein Glas Blanquette in Limoux!
Und zum Einstieg in die Geschichte des Katharerlandes lege ich Ihnen meine Historischen Romane ans Herz: Die Töchter des Teufels.

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Romanschauplatz Rocamadour – wichtige Etappe auf dem Weg nach Compostela

Rocamadour, der Einsiedler Amadour und die wundersame Kapelle

Rocamadour (auch Roc-Amadour oder lateinisch: Rupes Amatoris), ist eine französische Gemeinde mit ungefähr 600 Einwohnern im Département Lot in der Region Okzitanien. Hier treffen die historischen Provinzen Querzy und Périgord aufeinander. Der berühmte Wallfahrtsort liegt auf einer Steilklippe oberhalb des Alzou-Tals und im Naturpark Causses du Querzy.
Die Ursprünge der Wallfahrt reichen bis in die vorchristliche Zeit zurück (Verehrung der Göttin Sulevia/Kybele).
Als im Jahr 1166 ein unverwester Leichnam in einem alten Grab an der Schwelle der Marienkapelle gefunden wurde, glaubte man den legendären Einsiedler Amadour gefunden zu haben. Amadour soll mit Martialis von Limoges* Mitte des 3. Jahrhunderts nach Gallien gekommen und sich als Einsiedler unter dem Felsen niedergelassen haben. Angeblich hat er aus einem Baumstamm eine Marienfigur geschnitzt, die seitdem in Rocamadour verehrt wird. (Eine andere Legendenfassung erzählt von einem aus Ägypten gekommenen Einsiedler.)
Berichte über verschiedene Wunder, die sich hier ereignet haben sollen, machten Rocamadour weltweit bekannt. Auch der Heilige Ludwig, König von Frankreich (1226-1270), seine Brüder und seine Mutter Blanche von Kastilien machten sich im Mai 1244 auf eine Pilgerfahrt nach Rocamadour.
Weitere bekannte Wallfahrer waren der heilige Dominikus, der heilige Bernhard von Clairvaux und der Philosoph Raimundus Lullus.

  • Martial von Limoges (auch Martialis) war gemäß der Überlieferung der Katholischen Kirche der erste Bischof von Limoges.

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In meinem Psychothriller “Talmi” macht sich eine Handvoll “Gralsforscher” auf die Suche nach den mysteriösen Cagoten. Auf ihrer Reise besuchen sie auch Rocamadour …
Nachstehend ein kleiner
Romanauszug:

Über die berühmte Wallfahrtsstätte Rocamadour, im Hoch-Quercy gelegen, wäre viel zu berichten gewesen, hätte es den Gralsforschern an diesem Tag nicht an Schwung gefehlt. Wir waren zu müde und zu faul …, schrieb Lisa Söllner in ihr Tagebuch. “Irgendwie erschöpft …” Daher folgten nur ein paar kurze, Rocamadour nicht wirklich gerecht werdende Zeilen, die andererseits für den vorliegenden Fall kaum Relevanz besaßen. Der Vollständigkeit halber soll Söllners Eintrag dennoch hier seinen Niederschlag finden:

Im Heiligtum, kühn an einen 150 Meter hohen Felsen gehängt”, schrieb sie, entdeckt man in einer sogenannten ‘wunderwirkenden Kapelle’ eine wild aussehende, vor allem von Compostela-Pilgern hochverehrte Schwarze Madonna, einer ägyptischen Bastet Göttin nicht unähnlich, wie Nigel meinte; sie wird schwer bewacht, steht hinter Glas. Der Heilige Amadour (Zöllner Zachäus? Nachlesen!!!), dessen Gebeine hier begraben sind, soll die Jungfrau aus einem Baumstamm geschnitzt und sie in die Gruft der hiesigen Göttin Sulevia = Kybele (!) gestellt haben. Außerhalb des Heiligtums, hoch über unseren Köpfen, um ein Haar hätten wir es übersehen, steckte mitten im Fels ‘La Durandal’, das berühmte, leider heute völlig verrostete Rolandsschwert. (Es kommt ebenfalls im Atta Troll zur Sprache – ist das nicht verrückt?) Erwähnenswert ist auch eine wundersame Glocke aus dem 9. Jahrhundert, die bei Seenot immer dann von selbst läutete, wenn die Matrosen die Schwarze Madonna von Rocamadour anflehten. O Wunder über Wunder!” 😉 😉 😉
Hinter die letzte Bemerkung hatte Lisa drei augenzwinkernde Smilies gesetzt.
Ein Nachtrag bezog sich auf die Schwarze Madonna: “Im französischen Reiseführer nachgelesen – Die ursprüngliche Madonna aus Zedernholz galt als gestohlen. Man hat sie 1794 in einem alten Archiv wiederentdeckt. Zu Pfingsten sollte sie aufgrund ihres wilden Aussehens (!) auf dem Place du Martouret verbrannt werden. Die Figur stand bereits in Flammen, als man ein Geheimfach entdeckte, in dem sich ein Pergament befand. Doch auch dieses wurde zu Asche, noch bevor jemand einen Blick darauf hatte werfen können. Wie schade!!!

Die “wunderwirkende” Marienkapelle von Rocamadour
und die Schwarze Madonna “Notre Dame de Rocamadour”

Die bedeutendste der sieben Kirchen, die sich im “Heiligen Bereich” von Rocamadour befinden, ist die Marienkapelle, die direkt über der Krypta des Heiligen Amadour steht. Die heute dort verehrte Madonna stammt vermutlich 9. Jahrhundert. Sie ist aus Walnussholz geschnitzt, ungefähr 66 cm hoch und steht gut geschützt hinter Glas über dem Altar. Repliken (z.B. die nachstehenden Aufnahmen aus dem Jahr 2006) zeigen sie im unbekleideten Zustand.
Folgende Wunder werden ihr zugeschrieben: Sie erweckt ungetaufte Babys wieder zum Leben, verleiht Fruchtbarkeit, befreit Gefangene und beschützt Seeleute. (Foto unten, Schiffe). Im Jahr 1534 befestigte der Seefahrer Jacques Cartier auf dem Mast seines nach Kanada segelnden Schiffes als Schutz vor Unwettern die Fahne der Madonna von Rocamadour.
Ein Benediktiner schrieb im 12. Jahrhundert die ersten Wunderberichte nieder.

Erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch die Basilika Saint-Sauveur in Rocamadour, die – gemeinsam mit der Krypta – seit 1998 als Teil des Weltkulturerbes der UNESCO “Jakobsweg in Frankreich” ausgezeichnet ist. Daneben gibt es noch drei weitere Kapellen: St. Jean-Baptiste, St. Blaise, St. Anne und St. Michel.


Die Schwarze Madonna von Rocamadour wurde verehrt und zugleich gefürchtet: Angeblich soll sie im 8. Jahrhundert “die Ungläubigen überall” in die Flucht geschlagen haben. Im Jahr 1212 brachte sie der Legende nach den Heeren von Aragon, Kastilien und Navarra den Sieg von Navas de Tolosa.
Und kein Geringerer als Simon von Montfort (1164-1218), Graf aus der Île-de-France, später zeitweise Vizegraf von Béziers und Carcassonne, Herzog von Narbonne und Graf von Toulouse, machte sich als Heerführer des Albigenserkreuzugs (nachdem seine Soldaten das halbe Land verwüstet, die Ölbäume der Katharer entzwei geschlagen und die Weinstöcke herausrissen hatten) auf den Weg nach Rocamaour – wo er vor der Madonna auf die Knie sank und um seinen Seelenfrieden bat.

(s. a. “Sancha – Das Tor der Myrrhe”, Seite 148)
Unterhalb des Altars soll sich ein alter Druidenstein befinden.

Es gibt auch ein Insignum der Schwarzen Madonna von Rocamadour (links oben), wo sie auf einem Thron sitzt und in der Hand ein mit Lilien verziertes Zepter hält (so die Beschreibung). Das Insignum ist von einer Mandorla* umgeben.
Solche Abzeichen und Medaillen wurden im Mittelalter in der Rue de la Mercerie in Rocamadour hergestellt und an die Pilger verkauft, die es – neben der Jakobsmuschel – an ihren Hut oder ihr Gewand hefteten.

*Mandorla (ital. für “Mandel”) ist ein Begriff aus der Kunstgeschichte und bezeichnet eine Aura (Aureole) rund um eine ganze Figur. Von Ausnahmen abgesehen sind Mandorlen Christus vorbehalten.

Hochzeit in Rocamadour – und zugleich Nagelprobe? 🙂

Rocamadour – die Gartenanlage mit einer Statue, die vielleicht (?) an die Göttin Sulevia* erinnern soll, einer Totengottheit (Kybele), der in grauer Zeit Menschen geopfert wurden.
(Wobei die überkreuzten Arme auch an das Machtsymbol der Pharaonen erinnern.)

Rocamadour – zur “blauen Stunde” im Dorf, das unterhalb des Heiligtums liegt

Hier schmiegen sich die mittelalterlichen Häuser von Rocamadour an die steilen Abhänge über der Schlucht des Flusses Alzou.
Die Besucher können entweder die Große Treppe zum Heiligtum (Sanctuaire) hinaufsteigen – oder aber, ganz bequem, einen Personen-Aufzug nach oben nehmen.

Mit einem letzten Foto, das “Rocamadour bei Nacht” zeigt, bedanke ich mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!

Einige Hinweise zum Schluss:

Sehenswert ist auch die Basilika Saint-Sauveur, die zusammen mit der Krypta seit 1998 zum Weltkulturerbe “Jakobsweg in Frankreich” zählt.
Ein Museum mit sakraler Kunst (zahlreiche Reliquienschreine, Gemälde und Statuen).
Ein Zentrum für geistliche Musik, das Konzerte ausrichtet.
Eine Burg aus dem 14. Jahrhundert, die sich auf dem Gipfel des Berges befindet. Auf diesem Plateau wurde 2013 ein Campingplatz für jugendliche Pilger und Pfadfinder eröffnet (400 Plätze)
In der Umgebung von Rocamadour ist der Dolmen de Magés zu finden.
Weitere Sehenswürdigkeiten: Raubvogelschutzzentrum, Affenwald, Taubenturm.

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“Abkehr”, Thriller (Romanschauplätze: Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Marokko
“Adieu, Marie! – Die Briefe” (Historisch: Rennes-le-Château-Roman 2)

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Limoux (Aude) – und die rätselhafte Kapelle der Augustiner

Limoux, eine kleine, quirlige Gemeinde in Südfrankreich, liegt am ausgeuferten Flussbett der Aude, ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Carcassonne. Die Geschichte der Stadt geht bis auf das Jahr 844 zurück, als Karl der Kahle Limoux der nahegelegenen Abtei Saint-Hilaire übertrug. Im 10. Jahrhundert zählte Limoux zur Grafschaft des Razès. Im 13. Jahrhundert – der Zeit der Katharer – wurde der Ort von Simon de Montfort eingenommen, dem Anführer des Albigenserkreuzzuges. Montfort übergab Limoux seinem treuen Ritter Lambert de Thury. Im Jahr 1296 zählte Limoux dann zur französischen Krone. Dies nur kurz zur Geschichte …

Limoux und die Blanquette
Ein Glas dieses exzellenten Schaumweins in einer der gemütlichen Bars auf der Place de la République sollte man sich schon gönnen, wenn man Limoux besucht. Hier ist nämlich die Heimatstadt der Blanquette, erfunden von den Mönchen der benachbarten Abtei Saint-Hilaire, und gekeltert aus einer Gutedeltraube, die hier wächst.

Übrigens: In Limoux serviert man Ihnen die Blanquette gerne mit einem kleinen Teller Grieben, d.h. ausgelassenem Schweinespeck!

Limoux und sein Karneval
Die Stadt ist nicht zuletzt durch ihre Karnevalsumzüge berühmt geworden, wobei sich hier die Saison über zwei Monate erstreckt. Von Mitte Januar bis Mitte März finden an jedem Samstag und Sonntag spektakuläre Umzüge statt, bei denen man auch die geheimnisvollen weißen Pierrotkostüme bewundern kann.
Die Traditionen, in denen früher die örtlichen Müller eine Rolle spielten, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Leider ging es dabei nicht immer “lustig” zu!
Emmanuel le Roy Ladurie schreibt über den Karneval von Limoux folgendes:

“Vom 16. bis 20. Jahrhundert hat der Karneval des Languedoc (Montpellier, Limoux), ganz wie der römische, in völligem Einklang mit dem damaligen Katholizismus, die unglücklichen Juden oder Marranen* der Gegend verspottet …”

*Marranen: Spanische Juden und Muslime, die unter Zwang zum Christentum bekehrt wurden.

Doch nun zum eigentlichen “Schatz” von Limoux – der rätselhaften Augustiner-Kapelle

Der Bettelorden der Augustiner, benannt nach dem Kirchenvater Augustinus von Hippo, wurde im Jahr 1244 in Rom gegründet. Erste Mönche kamen bereits im Jahr 1306 nach Limoux, wo der Orden rasch an Ansehen und Bedeutung gewann: Eine Kirche wurde gebaut, ein Kloster und eine Schule errichtet – sowie jene kleine “Kapelle des Ordens der Augustiner”, die äußerlich heute ein eher bescheidenes Dasein fristet – eingequetscht zwischen zwei neueren Häusern.
Das Altarbild, der Hochaltar und die Kanzel stammen noch aus dem Jahr 1695 und stehen seit 1970 unter Denkmalschutz.

Kurzbeschreibung des Portals:

Direkt über dem Eingang verläuft ein schöner Fries mit Akanthusblättern. Die beiden Heiligenfiguren oberhalb der Fabeltiere zeigen (rechts) Barbara mit dem Turm, (links ?). Im steinernen Schnitzwerks des Giebelfeldes befindet sich, getragen von zwei Engeln, ein Wappen mit der Christuskrone und zwei brennenden Herzen.
Dem ersten Portal folgt ein zweites aus Holz, das die lateinische Inschrift trägt: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS EST – und damit an eine der Inschriften vor der Eingangstür der Magdalenenkirche in Rennes-le-Château erinnert: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS VOCABITUR.

Diese (unvollständigen) Inschriften stammen aus zwei verschiedenen Quellen, besagen aber ungefähr dasselbe: “Mein Haus ist ein Bethaus … ihr aber habt’s gemacht zu einer Räuberhöhle.

Folgen Sie mir nun ins Innere der rätselhaften Kapelle, die mit ihren farbenprächtigen Wandbemalungen und Gemälden nicht wenige Parallelen zur Dorfkirche Sainte Marie-Madeleine in Rennes-le-Château aufweist, und zugleich an die Basilika Notre-Dame-de-Marceile (nahe Limoux) erinnert.

Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden, (bei Interesse unabdingbar!)

Die nächsten drei Fotos

Fußbodenmosaik mit herrlichen Fünfzack-Sternen, die aber auch Lilien darstellen können.
Säulen aus rotem Marmor aus Caunes, Goldverzierungen, kniend die Heilige Philomena mit dem Anker
Bunte Wandbemalung, Fenster Maria Himmelfahrt, Wappen mit Freimaurersymbolen, Monogramm “BS”, Silberdisteln als Symbol für Kraft

Der Höhepunkt in der Augustiner-Kapelle von Limoux
ist das Altarbild eines anonymen Malers.
– Der Versuch einer Deutung –

Die Fotos können durch Anklicken vergrößert werden!

Erst als ich meine Fotografie aus dem Jahr 2006 (links) daheim bearbeitete, erkannte ich, dass es sich bei dem Gemälde hoch oben im Altarbild, um eine Kreuzigungsdarstellung handelt – und um die Geschichte des Heiligen Augustinus (354-430 n. Chr.). Erleuchtet vom Heiligen Geist, der als Taube über ihm schwebt, widerfährt dem römischen Bischof und Kirchenlehrer sein wahres Bekehrungserlebnis. Er legt Bischofsmütze und Stab ab, kniet nieder und unterwirft sich Christus.
Doch es befindet sich noch jemand auf diesem Bild: Eine junge Frau, die ihr Kind stillt. Spontan denkt man an die Mutter Gottes mit dem Jesuskind – nur nicht in diesem Kontext, also sitzend vor ihrem erwachsenen gekreuzigten Sohn, den sie zeitgleich als Kind auf dem Schoß hält.

Leben und Tod als Gegenpol?

Was hat sich der unbekannte Maler, der wohl im Auftrag der Mönche arbeitete, dabei gedacht? Gewiss hatte er sich zuvor eingehend mit dem Heiligen Augustinus befasst. Demzufolge wusste er, dass Augustinus in Karthago eine langjährige Verbindung zu einer Konkubine unterhielt, die ihm einen Sohn gebar, den er “Adeodatus” nannte (“Der von Gott gegebene”). Kenntnis hatte der Maler bestimmt auch darüber, dass sich Augustinus zeitweise der “ketzerischen” Lehre der Manichäer anschloss. Die Manichäer waren strenge Dualisten*, die an die widerstreitenden Kräfte von Gut und Böse glaubten, von Geist (Gott) und Materie, von Licht und Finsternis. Die demzufolge auch Leben und Tod als Gegensatz sahen. Und gerade dies spiegelt das rätselhafte Gemälde für mich wider: Leben und Tod als Gegenpol – wie eben auch das Göttliche und das Weltliche. Und in diesem Sinne kann auch die Darstellung der eher schlichten jungen Mutter mit Kind als weltliches Pendant zur Mutter Gottes mit dem Jesuskind gesehen werden.
Dass für den Künstler der Heilige Augustinus die wohl wichtigste Person auf dem Gemälde war, bezweifelt vermutlich niemand, trägt er doch als einziger einen Heiligenschein.

*Dualismus: philosophisch-religiöse Lehre von der Existenz zweier Grundprinzipien des Seins, die sich ergänzen oder sich feindlich gegenüberstehen (z. B. Gott – Welt; Leib – Seele)

Die Türme

Der Heilige Augustinus soll einmal über sich selbst geschrieben haben: “In deinen Augen, Herr, mein Gott, bin ich mir zum Rätsel geworden!” (Conf. X 33,50).
Rätselhaft ist auch der Fensterausschnitt auf dem obigen Altargemälde, der den Blick freigibt auf einen sich hinaufschlängelnden Weg und eine Stadt mit vielen Türmen.

Handelt es sich um Jerusalem? Gut möglich. Sogar sehr wahrscheinlich, wobei Augustinus auch hier die Gegenpole erkannte: Jerusalem verstand er als “Reich der caritas”, der Liebe, Babylon hingegen als “Reich der cupiditas”, der Habsucht und Geldgier.

Auch im Rätsel von Rennes-le-Château, (unweit von Limoux) stoßen wir auf einen auffälligen Turm: Den Tour Magdala, erbaut vom damaligen Pfarrer Bérenger Saunière. Maria Magdalena, eine frühe Anhängerin von Jesus, stammte bekanntlich aus Magdala (Migdal).
Migdal (hebräisch) bedeutet wie Magdala (aramäisch) Turm, Wachturm, Zitadelle – aber auch Fischturm: Migdal Nunayya). Nun, Migdal liegt am Westufer des fischreichen See Genezareth. Das Fischsymbol in der christlichen Tradition kennt heute jeder. Der Blick auf die Türme im Altarbild könnte zugleich ein Blick auf die Türme von Magdala sein. Das Große und das Kleine …

Links: Dieses dramatisch anmutende Gemälde, auf dem eine verzweifelte Maria Magdalena das Kreuz wie einen rettenden Turm umarmt, hängt ebenfalls in der Kapelle der Augustiner.


Übrigens, auch die Heilige Barbara (Portal am Eingang) wird stets mit einem Turm dargestellt. Doch dahinter steckt eine andere Geschichte …

Ein weiterer Deutungsversuch in Sachen Altargemälde, anhand einer lateinischen Inschrift:
“HINC LACTOR AB UBERE”

Unterhalb des kleinen Fensters befindet sich eine lateinische Inschrift, die neugierig macht: HINC LACTOR AB UBERE. Übersetzt heißt dies: “Ich nähre mich an ihrer Brust”. Es soll sich um eine mariologische* Aussage handeln. Bedeutet dies, dass es sich bei der stillenden Jungfrau (auch Isis wurde früher so gezeigt) um eine “Maria-Lactans-Darstellung” handelt? Um einen Hinweis des unbekannten Malers auf den Heiligen Bernhard von Clairvaux (1090-1153), den berühmten Kreuzzugsprediger? Der Legende nach war Bernhard von Maria mit einigen Tropfen Milch “erquickt” worden, worauf ihm eine “honigfließende Beredsamkeit” zuteil wurde.
Ein Zusammenhang besteht: Bernhardt von Clairvaux folgte der Prädestinationslehre* des Kirchenvaters Augustinus.

*Die Mariologie (die Lehre von Maria) ist ein Teilbereich der katholischen Dogmatik, die sich mit Maria, der Mutter Jesu befasst.
** Die Prädestination ist die Lehre von der Vorherbestimmung als Gottes unabänderlicher Ratschluss.

Der Isis-Knoten –
Ein letztes klärungsbedürftiges Detail auf dem Altargemälde

Ein letzter Blick noch auf den Lendenschurz des Gekreuzigten: Diese auffällige Knotenart war bereits bei den Ägyptern als heiliges Symbol bekannt. Man nennt ihn heute den “Isis-Knoten”. Er stellt in der Kunst eine Allegorie für das Heilige dar. Viele berühmte Maler griffen bei ihren Kreuzigungsdarstellungen darauf zurück, z.B. Caravaggio (“Kreuzabnahme”). Auch Maria Magdalena (Bild rechts) wird in der Kunst manchmal mit dem Isis-Knoten um den Leib dargestellt.

Eine kleine Schlussbemerkung

“Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle”, hat Albert Einstein einmal gesagt. Die südfranzösischen Kirchen stecken voller Geheimnisse, voller Mystik, und das Spannende daran ist, dass sich jeder Besucher selbst am Versuch einer Deutung beteiligen kann, wenn er das möchte.
Zum Schluss noch zwei eher stimmungsvolle Fotos aus Limoux, mit denen ich mich herzlich für Ihr Interesse bedanken möchte!


Weitere magische Geschichten über Limoux? 

Die Mönche der Abtei Saint-Hilaire und die Blanquette de Limoux

Limoux (Aude) – und die Madonna ohne Kopf

Zusätzliche Quellen:
Rennes-le-château-archive com
Emmanuel Le Roy Ladurie, Die Bauern des Languedoc, Stuttgart 1983
//symboldictionary.net/?p=531

LESEN hält wach, garantiert!
“Abkehr”, Thriller (Romanschauplätze: Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Marokko
“Adieu, Marie! – Die Briefe” (Historisch: Rennes-le-Château-Roman 2)

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Das keltische Oppidum Ensérune, die Via Domitia – und der Kanaltunnel von Malpas

Das alte Oppidum Ensérune – seine Geschichte und die Geschichte seiner Wiederentdeckung

Inmitten einer brettflachen Umgebung liegt auf einem langgestreckten und mit Zypressen reich bestückten Hügel das ehemalige Oppidum Ensérune – das im Altertum einige Bedeutung besaß.
Heute ist der Ort, westlich von Béziers gelegen – eine Art Freilandmuseum – eine historische Sehenswürdigkeit, denn Ensérune gilt als typisches Beispiel für die in der Eisenzeit begehrten Siedlungsstätten.

Von hier oben, auf 120 Meter Höhe, hatten die Kelten, die Ensérune ursprünglich besiedelten, einen ausgezeichneten Panoramablick über das umliegende Land. Ensérune beherrschte die Landenge zwischen dem Etang de Vendres und dem Etang von Capestang, lag also an einer wichtigen Verkehrsachse, auf der schon in grauer Zeit zahlreiche Völkerwanderungen stattfanden. So zogen hier auch die Volksstämme der sog. “Urnenfelderkulturen” vorüber. Später die Iberer und Kelten.

Kleiner Rundgang durch die Archäologische Stätte

Zum Vergrößern bitte anklicken!

Herkules, Hannibal – und dann die Römer

Der Legende nach soll die ursprüngliche Straße, die an Ensérune vorbeiführt, der antike Weg gewesen sein, den Herkules bei seiner 10. Arbeit benutzte, als er das Vieh von Geryon aus Erytheia (Cadiz, Spanien) holte und zurück nach Mykene (Peloponnes, Griechenland) brachte.

Während des Zweiten Punischen Krieges*, um das Jahr 218 v. Chr., marschierte hier Hannibal vorüber, auf dem Weg über die Pyrenäen nach Italien. In seiner Begleitung fünfzigtausend Soldaten, neuntausend Reiter und siebenunddreißig Schlachtelefanten.

* Der Zweite Punische Krieg wurde von 218 v. Chr. bis 202 v. Chr. zwischen den Römern und den Karthagern (lateinisch Punier) ausgetragen.

Die “Via Domitia” – die erste Römerstraße in Gallien

Hundert Jahre nach Hannibal erschien der römische Prokonsul Domitius Ahenobarbus auf der Bildfläche, der Narbonne gründete.
Domitius baute die vorhandene alte Straße aus, die später seinen Namen erhielt: “Via Domitia”.
Danach war hier der Teufel los: Ob Eroberer, Händler oder Menschen auf der Flucht, alle nutzten diese Straße: Westgoten, Sarazenen, Franken und etappenweise auch Santiago-Pilger.
(Karte rechts: Wikipedia)

Irgendwann wurde Ensérune aufgegeben. Vermutlich nach und nach. Der Grund dafür ist nicht bekannt.
Um das Jahr 1248, also im Hochmittelalter, wurde schließlich auch der riesige Teich aufgegeben, der unterhalb des Hügels inmitten von Feldern und Weingärten lag. Das Areal, das heute ausschaut wie ein überdimensionaler Strahlenstern, senkt sich auffällig zur Mitte ab, was an den Abzugsgräben liegt, deren Wasser ein unterirdischer Kanal zum einstigen Etang von Capestang leitet. (Foto unten)

Ensérune – die Wiederentdeckung der verschwundenen Stadt im Jahr 1915


Dass Ensérune – ein Hügel mit nur 750 Meter Länge und 150 Meter Breite – eine alte Geschichte hat und ein “Vorposten Galliens” war, beweist auch der Reichtum der vielen ausgegrabenen Funde: Grabbeigaben aus der Eisenzeit, Eisenschwerter und andere Waffen, attische Vasen, römische Amphoren, medizinische Instrumente, Bronzestatuetten und -schmuck, Münzen
Gegraben wurde hier ab dem Jahr 1915, und zwar auf Veranlassung des damaligen Grundeigentümers, der eigentlich nach seltenen Pflanzen suchte – und plötzlich im Dickicht eine unter den Sedimenten verborgene Stadt entdeckte, die in ihrer Blütezeit acht- bis zehntausend Einwohner beherbergte.
(Foto links unten, das kleine Museum)

Ensérune und seine Vorratshaltung


Die ersten Menschen, die auf Ensérune siedelten, hausten wohl verstreut in einfachen Hütten. Erst in der zweiten Besiedlungszeit, die bis 220 v. Chr. dauerte, entstand eine richtige Siedlung mit engen Gassen und schlichten Steinhäusern – darunter aber auch Bauten nach griechisch-römischem Vorbild mit Säulengalerien. Ringsum zog sich ein Zyklopenmauerwerk. An den Hängen hat man Terrassengärten angelegt.
Doch je mehr Menschen sich hier niederließen, umso wichtiger wurde die Bevorratung. Auf dem markierten Rundweg durch die archäologische Stätte kann man noch die alten Silos für das Getreide sehen, zur Hälfte in den Boden eingegraben. Aufgrund der problematischen Wasserversorgung auf dem Hügel hatte man ein ganzes System an Zisternen angelegt. Über 40 Regenspeicher wurden bislang entdeckt, der größte 5 Meter tief.

Der Kanal-Tunnel von Malpas

Für den Fall, dass es auch Sie irgendwann nach Ensèrune verschlägt:

Grüßen Sie bitte den netten Esel von mir 🙂 – und besuchen Sie auch den in der Nähe gelegenen Kanaltunnel von Malpas am Canal-du-Midi!
Der Tunnel – eine der Meisterleistungen von Riquet* – führt unter dem Hügel von Ensérune hindurch. Er gilt als der erste gebaute Kanaltunnel weltweit.

* Pierre-Paul Riquet (1609-1680) war der Erbauer des 240 km langen Canal-du-Midi, der die Stadt Toulouse mit dem Mittelmeer verbindet.

Ahoi, und danke für Ihre Begleitung!

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Rennes-les-Bains (Aude) – die Römer und der merkwürdige Abbè Boudet

“Wie im Einschnitt einer unreifen Frucht lag das langgezogene, etwas düstere Rennes-les-Bains unter ihnen, als sie nach einer guten Stunde Fahrt dort ankamen …”

(Aus “Talmi” v. H. L. Köppel, S. 307 ff)

Fotos bitte zum Vergrößern anklicken!

Romanschauplatz Rennes-les-Bains

Rennes-les-Bains liegt im Aude-Gebiet, im Tal des Flusses Sals, 48 km südlich von Carcassonne und 20 km von Limoux entfernt. Der malerische Ort, keltisch-römischen Ursprungs, lag im Mittelalter im Herzen des Katharerlandes. Er ist berühmt geworden als “Badeort der Römer”*, aber auch als “Schwesterstadt” des 3 km entfernten Bergnestes Rennes-le-Château – und nicht zuletzt aufgrund des rätselhaften Buches seines früheren Pfarrers Henri Boudet (1837-1915): “Die wahre Sprache der Kelten und der Kromleck von Rennes-les-Bains”. Ein Buch, das nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1886 von der Fachwelt als “unseriöse und urkomische Schrift” bezeichnet wurde. Zwischen den Zeilen jedoch blitzt das “Geheimnis einer lokalen Geschichte” auf.
Ich selbst kenne Rennes-les-Bains seit mehr als zwanzig Jahren. Der Ort ist zum Schauplatz in meinem Historischen Roman “Marie – die Erbin des Grals”** geworden und fand auch Eingang in meinen Thriller “Talmi”.

___________________

* Im Jahr 121 v. Chr. besetzten die Römer dieses Gebiet, das den Namen “Gallia Togata” oder “Gallia Narbonnensis” erhielt.
** Die Geschichte der Marie Denarnaud, Haushälterin und Geliebte des benachbarten Priesters von Rennes-le-Château; Einfluss von Boudet auf Saunière etc.

Rennes-les-Bains und die Region “Rhedesium”

Die Region des sogenannten “Rhedesiums” (später Razès genannt) ist sehr alt: Iberer, Kelten, Griechen, Römer, Westgoten und Karolinger haben hier ihre Spuren hinterlassen.
Der Name “Rennes” wurde sowohl von Rennes-le-Château als auch von Rennes-les-Bains übernommen, um an den Aufenthalt einer Königin (fr: reine) zu erinnern. Um welche es sich gehandelt hat, weiß man nicht mehr: Zur Auswahl stehen Blanche de Castile und Blanche de Bourbon, die unglückliche Frau von Peter dem Grausamen. Vermutlich war es letztere, die auf ihrem Weg nach Puilaurens, zu ihrer Hochzeit, hier noch einmal badete.
Bis zum 18. Jahrhundert war Rennes-les-Bains unter dem Namen “Les Bains de Monferan” (Die Bäder von Monferan/Montferrand) bekannt. Montferrand ist ein Dorf auf einem Hügel im Nordwesten. Ausgrabungen haben dort eine gallorömische Fundstätte ans Tageslicht gebracht. Doch Rennes-les-Bains hat Montferrand den Rang abgelaufen. (Antike Dokumente beziehen sich aber immer auf Monferan/Montferrand.)

Der Kopf der keltischen Quellgöttin Damona?

Ein besonderes Überbleibsel vermutlich aus Keltischer Zeit befand sich noch im Jahr 1992 (oder 1972?) an der Ostwand des Pfarrhauses. Abbé Boudet hat den Kopf dort anbringen lassen, nachdem er ihn östlich von Rennes-les-Bains entdeckt, wohl mit der Spitzhacke vom Sockel geschlagen und mitgenommen hatte. Der Fundort, ein uraltes Quellheiligtum, war unter dem Namen “Pla de las Brugos” bekannt: “Hexenplatz”. Hier wurde früher vielleicht die keltische Göttin Damona verehrt. Die Ähnlichkeit (Frisur) mit Abbildungen dieser Göttin ist frappant.
Dass Boudet den steinernen Kopf kurzerhand in “Tête de l’homme” umbenannte – “Kopf eines Mannes” – sollte Jahrzehnte später den Gerüchtetopf in halb Europa zum Aufwallen bringen: Die einen mutmaßten, es handle sich um die Abbildung von Jesus Christus, der hier irgendwo begraben sei, andere sahen in ihm den Kopf des Merowingerkönigs Dagobert II.

Für einige Zeit befand sich der halbverwitterte Kopf noch – neben vielen Fundstücken aus der Römerzeit – im örtlichen Museum. Doch dieses existiert heute leider nicht mehr. Schade eigentlich!

Rennes-les-Bains und die Römer

Unzählige Münzen und archäologische Funde, darunter auch antikes Glas, beweisen, dass das Heilbad Rennes-les-Bains bei der römischen Kolonie COLONIA NARBO MARTIUS** äußerst beliebt war. Ein ehemaliger Priester (Antoine Delmas) hat im Jahr 1709 einen Bericht über Rennes-les-Bains verfast, in dem er die Ruinen der römischen Thermalbäder beschreibt (heute verschwunden) und auch auf die Funde näher eingeht. Er berichtet von Münzen aus Gold, Silber und Bronze, u.a. von Domitianus, Justitian, Gordianus, Tiberius, Julius Caesar, Claudius, Gratianus etc. Auch Statuetten von römischen Kaisern und den Göttern Jupiter und Mercurius wurden gefunden, sowie römische Lampen, Mosaikböden, alte Instrumente, gallo-römische Amphoren und Fragmente von Statuen. Ein weiterer Pfarrer und Archäologe, der Rennes-les-Bains in dieser Zeit besuchte, berichtete über mehr als 400 Gold- und Silbermünzen aus der Römerzeit, die er in der Gegend gefunden haben will. Es wurde hier also schon früher fleißig gesucht und gegraben. Sogar ganz offiziell: So erhielt ein gewisser Henri-Paul Elie im Jahr 1857 die Silbermedaille der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Toulouse) für seine Entdeckungen in Rennes-les-Bains: Zwei Räder und diverse Fragmente eines bronzenen Streitwagens, die auf dem Gebiet der Gemeinde entdeckt wurden.
Mit seinen neun Quellen und unterschiedlichen Wassertemperaturen lag Rennes-les-Bains in einer der ersten Provinzen, die überhaupt von den Römern besetzt wurden. Das Teilstück einer ihrer Straßen ist noch auffindbar. Von Montferrand aus führt der Weg, der mit großen Quaderpflastern belegt ist, rechts in den Wald. Vermutlich handelt es sich um einen Abschnitt einer einst großen Straße, die Carcassonne mit der katalanischen Küste verband und über den Col Saint Louis, wie der Passübergang heute heißt, führte.

** – ein Gebiet, das dem heutigen Languedoc und der Provence entspricht.

Die römischen Bauwerke in Rennes-les-Bains (ohne Gewähr!)

“Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis,
das die größten Umstürze verursachen könnte!”

Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe” – Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum?

Bereits antike Autoren wie Strabo, Prokopios von Caesarea oder Pomponius Mela (der in der Nähe des Bugarachs eine alte Goldmine verortete) zeigten ein auffälliges Interesse an der Umgebung der beiden Rennes. Und fast immer ging es um Gold und wertvolle Schätze. Oder um ein Geheimnis. Der Autor Labouisse-Rochefort (1778-1852) schreibt z.B. in seinem Buch Voyage à Rennes-les-Bains (Reise nach Rennes-les-Bains) von einem vom Teufel bewachten Schatz in der Nähe des Château de Blanchefort*. (Ruine Blanchefort s. Foto oben). Und folgt man einer alten örtlichen Legende, so geht es um drei Tore: Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe, drei geheime Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum.
Gefunden hat sie bislang niemand.

Es war aber Abbè Henri Boudet (1837-1915), der wohl berühmteste Priester von Rennes-les-Bains, der – gemeinsam mit seinem Kollegen Bérenger Saunière – die Schatzsuche kräftig anheizte. Dass bereits ein Zeitgenosse, der Priester R. P. Vannier, über ihn sagte: “Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis, das die größten Umstürze verursachen könnte”, lässt die Menschen bis heute aufhorchen, nachdenken und spekulieren. Manchmal schreiben. Und manchmal graben, in alten Büchern oder vor Ort.
In Boudets Buch “La Vraie langue celtique: et le cromleck de Rennes-les-Bains”, das im Jahr 1886 veröffentlicht wurde, spielt u.a. der benachbarte Berg Serbairou eine Rolle. Dort fand er vermutlich nicht die gesuchten drei Tore, auch nicht “das Grab Christi”, wie manche Autoren es ihm unterstellen, sondern einen riesigen “Kromleck”. (Mit Cromlech bezeichnet man im Kreis angeordnete aufrecht stehende Steine, also Menhire.)
Entdeckte der passionierte Wanderer ein keltisches Quellheiligtum auf dem Berg? Einen Platz, an dem sich die Druiden versammelten – “die gelehrten Mitglieder des Neimheid”, wie Boudet selbst schreibt? Ausgeschlossen ist dies nicht. Vielleicht hat es sich ursprünglich um eine auf natürliche Weise entstandene Felsformation gehandelt, der die Kelten für ihre Zeremonien weitere Menhire beigesellten. Überall um Rennes-les-Bains gibt es ja diese auffälligen Steine, aber eben auch zahlreiche Schluchten, Höhlen, Grotten und Stollen, wo man Schätze vermutet. Selbst aufgelassene Minen hat man entdeckt, in denen z.B. Gagat abgebaut wurde (für Jett-Schmuck).
Immerhin was Glänzendes! 🙂

Boudet, der bereits von seinen Zeitgenossen als Gelehrter betrachtet wurde, beschäftigte sich jedoch nicht nur mit keltischen Monumenten und uraltem Wissen, sondern auch mit alten Sprachen, d.h. er suchte nach Ähnlichkeiten des Südfranzösischen mit der keltischen Sprache. Leider hat er sein Buch in einer “codierten Sprache” ** verfasst, d.h. er bediente sich eines gewissen Jargons, der einem als Laien das Lesen und Verstehen erschwert. Aber gerade das scheint die Fantasie vieler Menschen bis heute anzuregen. Es ist ein seltsames Buch, in dem Boudet aber ganz offen den Zweck der Aufwendungen ankündigt: “Durch die Interpretation eines in einer fremden Sprache gebildeten Namens in das Geheimnis einer lokalen Geschichte eindringen …”
Nun, es darf fröhlich weiter gerätselt werden!
In seinem Buch gibt Boudet aber auch wertvolle Hinweise auf sehenswerte Kirchen in der Umgebung, wie z.B. Notre-Dame-de-Marceille und Notre-Dame-du-Cros.
Beide Kirchen besitzen ebenfalls heilkräftige Quellen, sind reich an Mythen und Legenden und einen Besuch wert!

___________________________________________________________________

*Herkunftsort eines gleichnamigen Templer-Großmeisters, s. Foto oben
**Boudets “codierte Sprache” weist Ähnlichkeit mit der vom Schriftsteller Jonathan Swift entwickelten “punischen Sprache” auf. Die punische Verschlüsselung ist einem Wortspiel ähnlich.

Die neun Quellen von Rennes-les-Bains

Schon seit Jahrtausenden geniesen die Menschen heißes Quellwasser. Die alten Römerthermen von Rennes-les-Bains sowie das alte Thermalgebäude wurden aufgegeben, aber die 9 Quellen, 5 warme (von 37-40°) und 4 kalte, sprudeln hier noch immer.
Es gibt inzwischen ein neues Thermalschwimmbad, das eine natürliche Temperatur von 33 ° hat, und auch ein Jacuzzi und einen Hammam anbietet.
Unten am Fluss kann man sich jederzeit gratis unter die warme Dusche legen.
Kleiner Hinweis: Um an dieser exponierten Stelle zu baden, steht man auch gerne mal in der Sals Schlange! 🙂



“Les Bains Doux” – eine der warmen Quellen ( 37° ) entspringt beim ehemaligen Thermalgebäude

Fotos zum Vergrößeren anklicken!

Die Gärten der Königin, elegante Kurgäste und eine “Liebesquelle”

In den “Gärten der Königin” (Foto unten links) entspringt eine warme Quelle direkt im Fluss Sals.
Das mittlere Foto nimmt uns mit in eine Zeit, in der die eleganten Kurgäste aus aller Welt in Rennes-les-Bains weilten. Es gab ein Grand Hôtel!
Rechts unten werfen wir einen Blick auf die romantische “Fontaine des Amours”, eine weitere (allerdings kalte) Quelle mit Kaskaden, die etwas außerhalb von Rennes-les-Bains liegt, in Richtung Bugarach.

(Eine bestimmte Szene in meinem Roman “Talmi” spielt an der “Fontaine des Amours.)

Rennes-les-Bains hat viele Gesichter, zuviele?


Zuviel geht eigentlich gar nicht, wenn man in Südfrankreich auf Reisen ist!
Mal ist Rennes-les-Bains ein verrücktes südfranzösisches Nest, in dem sich neben sympathischen Alt-Hippies auch allerlei Forscher und Schriftsteller treffen, die sich mit vielfältigen Themen befassen, darunter, wie ich, auch mit der Geschichte der Katharer.
Die “Rennologen-Gemeinde” findet man zuverlässig auf dem schattigen Platanenplatz, meist vor dem Lokal “Chez Willi” sitzend, wo es – pst! – die besten Pizzen Frankreichs gibt … Wasserfreunde und Kinder hingegen lieben die Sals, die im Sommer auch zum Angeln und Fischen einlädt. Für Wellness sind die Quellen und Bäder da. Höhlenforscher, Wanderer und Kletterer – oder aber Schatzsucher! – zieht es in die umliegenden Berge und Wälder, z.B. zu den “Schwankenden Steinen” (Foto oben) und anderen Naturschönheiten. Auch Kunstfreunde kommen hier auf ihre Kosten, die Klöster und Kirchen in der Umgebung sind sehenswert. Und mitunter schreien hier des Abends die Pfaue, die oben auf den Hängen gehalten werden. Aber daran gewöhnt man sich schnell.
Noch was: Donnerstags und Samstags ist Markttag (auch regionale Produkte). Und in der Saison finden auf dem Marktplatz manchmal Konzerte statt.
Und dann steppt hier der Bär! 🙂

Das stille Gesicht von Rennes-les-Bains

Ein Gesicht von Rennes-le-Bains ist still. Sehr still.
Man entdeckt es am frühen Morgen, wenn die Katzen umherstreunen und nur das Rauschen der Sals zu hören ist. Dann bin ich oft auf den Beinen und streife mit meiner Kamera durch die menschenleeren Gassen …

Rennes-les-Bains – ganz, ganz still

Auf dem Friedhof hinter der Kirche liegen – einträchtig nebeneinander – die alten Familiengräber der “üblichen Verdächtigen in der Causa Rennes-le-Château & Rennes-les-Bains”. Mögen sie in Frieden ruhen!

Henri Boudet selbst liegt im benachbarten Ort Axat begraben, neben seinem Bruder Edmond.
Auf seiner Grabplatte, die einige unleserliche Inschriften aufweist, hat der Steinmetz das geheimnisvolle Buch des Priesters verewigt, für dessen Druck Boudet aus eigener Tasche mehr als 5000 Goldfranc aufgewendet haben soll. Der Erfolg blieb aus, einige hundert Bücher wurden als Geschenke an interessierte Priester verteilt, zwei gingen nach England (Oxford University und an Königin Viktoria), die Restauflage hat man auf Drängen des damaligen Bischofs vernichtet.
Die steinerne Ausgabe trägt die Aufschrift: “IXOYS” (= Ichthys), also die bekannten Anfangsbuchstaben der fünf griechischen Wörter für: Jesus Christos Gottes Sohn Erlöser.
Das einzig Seltsame dabei ist, dass der Steinmetz anstelle des Buchstaben (Y)psilon ein (I)ota verwendet hat – was natürlich ein allerletztes Rätsel aufwirft! 🙂

Vielen Dank für Ihre Begleitung durch die aufregenden Zeiten von Rennes-le-Bains!

NEU im Jahr 2024:
Im Jahr 2024 hat Helene L. Köppel die damaligen Vorgänge in Rennes-le-Château noch einmal aus einem anderen Blickwinkel unter die Lupe genommen
und nach ihrem Roman “Marie – die Erbin des Grals” ein Sequel geschrieben – also eine Fortsetzung, die im Jahr 1920 spielt:
“Adieu, Marie! Die Briefe”.
Die erstmals ins Deutsche übersetzten privaten Briefe des Priesters (ergänzt durch weitere Dokumente)
gewähren interessante neue Einblicke in die historisch verbürgten Ereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Rennes-le-Château.

Weitere spannende Orte in Südfrankreich können Sie hier entdecken! Eintritt frei!

Alphabetisch geordnet:
Albi, Alet-les-BainsArles, Arques, Arreau/Cagoten, AvignonBéziersBoule d’Amont, Cabestany, Canal-du-MidiCarcassonne, Campagne sur Aude, Collioure,  Collioure-EremitageElneEnsérune, Fontfroide, Galamus-Schlucht, Ille-sur-Têt, Limoux1,  Limoux2, Limoux3Marcevol, Minervois: ND du Cros, Mirepoix, Montaillou, Montségur, ND de Marceille, Palau-del-Vidre, Pérouges, Prieuré de Serabonne, Puivert, Puy-en-Velay, Rennes-les-Bains, Rennes-le-ChâteauRennes-le-Château/Presse/FotosRieux-Minervois, Rocamadour, Saint-André, Saint-Genis-des-Fontaines, Saint-Gilles-du-Gard, Saint-Guilhem-le-Désert, Saint-Hilaire, Saint-PolycarpeSylvanès, Saissac, Santa-Maria del Vilar.  Serres, Taurinya, Toulouse, 

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“Abkehr”, Thriller (Romanschauplätze: Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Marokko
“Adieu, Marie! – Die Briefe” (Historisch: Rennes-le-Château-Roman 2)

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