Arcos de la Frontera –
“und eine Reise, die ans Paranormale grenzt”
Arcos de la Frontera (Provinz Cádiz) gehört wohl zu den schönsten “Weißen Dörfern” in Andalusien. Die Häuser der denkmalgeschützten Altstadt kleben, eng aneinander geschmiegt, hoch über dem Rio Guadalete auf einem Felsrücken. Gegründet von den Iberern, hatten auch die Karthager und die Römer (“Arco Briga”) das spektakuläre Panorama und die strategisch günstige Lage zu schätzen gewusst.
In der verwinkelten und teils recht steilen Altstadt gibt es in den mit Orangenbäumen gesäumten Straßen und Gassen viel zu sehen, z.B. prachtvolle alte Adelshäuser und am höchsten Punkt des Ortes die Burg Castillo de Arcos. Doch darüber später mehr.
Hier geht es um die Kirche San Pedro, die einst auf den Überresten einer maurischen Burganlage errichtet wurde. (Die Bauzeit reichte vom 15. bis ins 18. Jahrhundert.)
Im eher düsteren Inneren des Gebäudes stößt man auf viel barockes Gold – aber auch auf Makabres: Die Zurschaustellung von Mumien. Dabei handelt es sich nicht um ägyptische Mumien, wie sie in der Renaissancezeit und im Barock in Europa heißbegehrt waren (u.a. zur Herstellung der damaligen Mode-Arzneidroge “Mumia”). In Arcos de la Frontera werden zwei “Ganzkörper-Reliquien” ausgestellt, in mehr oder weniger unverwestem Zustand. (Die “Unverweslichkeit” wird in der römisch-katholischen Kirche seit dem Mittelalter als Zeugnis für die Heiligkeit des Verstorbenen gesehen.)
Arcos de la Frontera
– und die “verrückten Mumien”
Erst nach meiner Rückkehr aus Cádiz im Oktober 2022 erfuhr ich Näheres über die in San Pedro ausgestellten Mumien. Ich stieß im Netz auf Antonio Barea Alvarado aus Arcos de la Frontera. Señor Alvarado empfiehlt in einer teils launigen, aber zutiefst ehrlichen und aufschlussreichen Abhandlung allen Reisenden, die “die faden Ausflüge satt haben”, einmal eine etwas andere Reise anzutreten, eine Reise, die ans Paranormale grenzen würde, wie er schreibt:
“Wir müssen nur nach Arcos de la Frontera gehen und unsere Schritte zur Pfarrei San Pedro lenken, wo sich ein Fenster zur Welt der Toten öffnet …
Antonio Barea Alvarado //arcosenelrecuerdo.blogspot.com/2016/08/
Ich empfehle Ihnen, die Tour an einem hellen Morgen zu beginnen, sich von den weiß getünchten Häusern von Arcos blenden zu lassen und lange durch die Stadt zu laufen, bis Sie die Kirche von San Pedro erreichen … Beim Betreten der Kirche betreten wir das Königreich der Dunkelheit, denn es gibt kaum Fenster. Die einzige Helligkeit finden wir in den Kerzen und im schwachen Schimmern des Goldschmucks … Die Reise ins Jenseits werden wir uns für das Ende aufheben … Neben dem Eingang zur Hauptkapelle befinden sich im unteren Teil zwei prächtige barocke Altaraufsätze. Der Heilige Victor und der Heilige Fructuosus erwarten uns liegend, in ihren besten Kleidern, als kämen sie gerade von einem Fest und würden sich ausruhen. Es heißt, dass sie 1768 aus Rom kamen. Dort ruhten sie jahrhundertelang in den Katakomben von San Calixto, bis sie von Papst Clemens XIII. an Manuel Simón Ayllón aus Arca verschenkt wurden, der sie in sein Dorf brachte …”
“Hier wurden sie geschminkt und in Szene gesetzt: Edelsteine, Brokate, getrocknete Blumen, Seide und Gold, dazu die beiden Altaraufsätze voller süßlicher Zierleisten, Rocailles und Girlanden. Alles, um uns in die harte Realität des Todes zu locken. Vielleicht waren sie einst kostbare Schätze, Objekte der Anbetung. Heute sind sie nur noch zwei Mumien. Sie sehen lächerlich, ja sogar erbärmlich aus. Sie sind mit Juwelen beladen und wie verweichlichte Soldaten gekleidet, die in einer Operette auftreten wollen. Im Laufe der Zeit hat sich die Botschaft des Heiligen Victor und des Heiligen Fructuosus verändert. Für die Menschen sind sie keine Sieger des Glaubens mehr, keine Helden, die verehrt werden. Jetzt sind sie Verrückte, die Kinder zum Weinen bringen, und die meisten Menschen wenden sich ab. Heute erinnern sie uns (wie so viele barocke Gemälde) daran, dass die Zeit nicht umsonst vergeht, dass irdischer Reichtum wertlos ist. Ihre fleischlosen Knochen und ihr getrocknetes Blut in luxuriösen Behältnissen sind ein guter Beweis.“
Antonio Barea Alvarado
Zu den beiden Heiligen:
San Victor: Märtyrer um 305 n. Chr., Ort des Martyriums: Rom
San Fructuosus: Einsiedler um 642 – 715 n. Chr. in Segovia, Spanien
Danke für Ihr Interesse!
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