Klappentext
»Etwa ein Jahr nach dem Tod meines Mannes wollte ich in der Kirche von Montaillou zur Beichte gehen. Als ich vor Pierre Clergue kniete, sagte er zu mir, dass er in der Welt keine Frau kenne, die ihm soviel bedeute wie ich …«
(Béatrice de Planissoles, Zeugenaussage im Jahr 1320)
Um den ketzerischen Sumpf im Pyrenäenvorland endgültig trockenzulegen, lädt der Bischof von Pamiers die ehemalige Kastellanin von Montaillou vor. Die noch immer schöne und lebenslustige Béatris soll ihren früheren Geliebten, den Pfarrer Pierre Clergue, belasten. Er gilt als »Wolf im Schafspelz«, weil er als Katholik ketzerische Thesen vertritt und ein Netz von Günstlingen über die Gegend gespannt hat.
Wird es dem Bischof gelingen, das aus Béatris herauszupressen, was sie so geschickt vor ihm zu verbergen sucht?
Nach einer wahren Geschichte, die sich im 14. Jh in einem abgelegenen Winkel der Pyrenäen zugetragen hat.
Kurze Leseprobe
Car greu es pros dona c’adés
hom calque drut no li.n devi.
Eine Frau kann kaum edel sein,
wenn man ihr nicht stets irgendeine
Liebesbeziehung zuschreiben kann.
(Raimon Vidal de Besalú, 13. Jh, Troubadour)
(Montaillou, im Jahr des HERRN 1297)
Ich war Anfang zwanzig und zum vierten Mal schwanger, als ich am Sonnwendtag auf die Wehrplattform des Donjons stieg, um von oben einen Blick auf die Wiese der Comba del Gazel zu werfen, die zu dieser Zeit geradezu übersät war von blauem Enzian und gelben Lilien. Mit einem Mal hörte ich hinter mir ein Geräusch. Ich drehte mich um und blickte in die schwarzen Wieselaugen von Raymond Roussel, dem Verwalter unserer Burg. Er trug ein weißes Leinenhemd und grüne Beinlinge, an denen Hundehaare hingen. Unbemerkt hatte er sich die Wendeltreppe heraufgeschlichen.
»Steigt Ihr mir nach, Raymond? Oder was sucht Ihr hier oben«, fragte ich ihn mit fester Stimme.
Er blieb auf der letzten Stufe stehen, druckste eine Weile herum. Dann jedoch meinte er, er müsse mit mir reden. Es sei ernst.
Ich erschrak. »Geht es um meinen Gemahl? Kam ein Reiter aus Foix? Es ist ihm doch nichts zugestoßen?«
Er schüttelte den Kopf, und dann brach es aus ihm heraus: »Lasst uns nicht um den heißen Brei herumreden, Donna Béatris. Dass man Euch die Knaben wegnahm, war Unrecht. Euer Gemahl hätte Euch das nicht antun dürfen. Und es sind doch auch seine Söhne! Tag um Tag, Stunde um Stunde, musste ich zusehen, wie Ihr unglücklicher wurdet. Dabei seid Ihr noch so jung, und der Herr … nun, er hat die Fünfzig schon überschritten. Außerdem lässt er Euch ständig allein, ist in Geschäften unterwegs.«
Ich runzelte die Stirn. »Ihr sprecht in Rätseln, Raymond!«
»Nun, jeder in Montaillou weiß, dass Eure Familie zu den Guten Christen hält, nicht wahr? Wir beide haben ähnliche Wurzeln. Ich gehöre ebenfalls zu den Katharern, insgeheim.«
Ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. In ganz Montaillou wäre es niemandem in den Sinn gekommen, mit mir über die Glaubensvorstellungen meiner Familie zu reden. Privates aus der Vergangenheit war tabu. Weder die Benets, noch die Rives oder gar die Clergues hätten sich so weit hervorgetraut. Ich fühlte mich den Dörflern zwar zugehörig, aber ich war für sie die Kastellanin, wurde von ihnen respektiert.
»Weshalb erzählt Ihr mir das, Roussel? Ihr wisst doch, es ist gefährlich, darüber zu reden.«
Roussel war ganz blass geworden und seine Hände zitterten. »Es fällt mir auch nicht leicht, Euch ohne Vorbereitung mein Ansuchen zu unterbreiten, aber ich tu’s, weil Euer Gemahl erst in einer Woche zurückkehrt: Lasst uns zusammen die Burg verlassen und uns in der Lombardei offen den Katharern anschließen!«
»Was?« Ich traute meinen Ohren kaum. »Seid Ihr verrückt geworden«, herrschte ich ihn an. »Habe ich Euch je einen Anlass gegeben, zu denken, ich wollte mit Euch fliehen? Überdies bin ich wieder schwanger. Was würde da wohl mit meinem ungeborenen Kind.«
Raymond Roussel sah mich mitleidig an. »Mit Verlaub, Donna Béatris, hat es Euch Euer Vater nicht erklärt, dass die Seelen von Männern und Frauen durch neun Körper wandern, bis sie einen Guten Christen finden und durch ihn das ewige Heil erlangen?«
Für einen Herzschlag dachte ich, der Mann sei wirklich verrückt geworden. Doch dann strömten die Worte nur so aus mir heraus: »Was Ihr erzählt, ist heller Unsinn, Roussel! Wie sollte der Geist eines gerade verstorbenen Mannes oder einer toten Frau durch den Mund einer Schwangeren in den Körper ihres Ungeborenen gelangen.«
Er lachte ein unfrohes Lachen und behauptete danach allen Ernstes, dass der Geist über jeden beliebigen Teil des Körpers in eine Frau eindringen könne. Dabei sah er so … durchgeistigt aus, als wenn ihm der Engel Gottes persönlich in der Nacht diese Botschaft überbracht hätte.
»Nein, nein, das kann ich nicht glauben«, parierte ich. »Warum sprechen dann die Kinder nicht sofort nach der Geburt, wenn sie doch eine alte Seele haben?«
»Gottes Ratschluss ist unergründlich, Donna Béatris«, entgegnete Roussel. Offenbar war dem Engel Gottes nichts Entsprechendes eingefallen. »Denkt über meinen Vorschlag nach. Verweilt nicht länger auf einer Burg, in der man keine Guten Christen duldet.«
»Weshalb hält es dann Euch hier, Roussel«, spottete ich, »wenn Ihr doch ein Guter Christ seid? Niemand hindert Euch in die Lombardei zu ziehen.«
»Ich bin nur Euretwegen noch da, Donna Béatris. Ich habe seit langem auf einen günstigen Zeitpunkt gewartet, um mit Euch zu reden. Ich kann Euch nur den einen Rat geben: Packt Eure Habseligkeiten und folgt mir. In der Lombardei seid Ihr in Sicherheit.« Unbeweglich wie eine Statue stand er da und versperrte mir den Treppenabgang.
Liebe Leserinnen und Leser,
An dieser Stelle lade ich Sie auch herzlich ein, mich auf meinem Weg hinauf zur Burgruine zu begleiten!
Haben Sie Ihre Wanderschuhe parat? 🙂
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