Kurzinhalt:
Südfrankreich am Ausgang des 13. Jahrhunderts
Fünfzig Jahre nach dem Fall der Bergfeste Montségur flammt die Ketzerei wieder auf. Katharische Missionare bringen es fertig, dass sich ganze Pyrenäendörfer erneut bekehren, darunter das berüchtigte Montaillou. In den reichen Städten Albi und Carcassonne dulden gutsituierte Bürger (Gelehrte, Händler, Handwerker und Zunftmeister) sowie gewählte städtische Konsuln großmütig den „häretischen Glauben“, dem vor allem das Gesinde anhängt.
Es kommt zu tumultartigen Szenen und Zusammenstößen mit dem „sanctum officium“, der unbarmherzigen Inquisition in Gestalt der Dominikaner. Die im bürgerlichen und kanonischen Recht äußerst bewanderten Mönche beabsichtigen mit der Verleumdung und Verhaftung der Honoratioren nicht zuletzt, an ihr Vermögen zu kommen. Die mit den Dominikanern rivalisierenden Franziskaner stellen sich in diesem Kampf überraschenderweise hinter die Bürger, die alles daransetzen, ihre schwer erkämpften kommunalen Rechte und Freiheiten zu bewahren.
Noch immer ist Rom aber auch hinter dem Schatz der Katharer her, mit dem sich vier parfaits in einer der Nächte vor der Eroberung des Montségur von einer hohen Steilwand abgeseilt hatten. Die Gerüchte um den Schatz und sein Versteck wollen kein Ende nehmen. Besteht er aus Gold und Silber? Handelt es sich um den Gral, um seltsame Schriften, oder muss der Schatz als uraltes Geheimnis spirituell verstanden werden?
Die Inquisition von Carcassonne schöpft einen Verdacht. Aber der Hüter der „Geheimen Worte“ scheint unauffindbar.
Kurze Leseprobe
Von solchem Glanz bezwungen, wich mein Mut,
Und schier entrückt, mein Auge, schlug ich nieder …
Dante, Die Göttliche Komödie
Fulco von Saint-Georges verstand Nikolaus von Abbéville immer weniger, der auf ein baldiges Autodafé drängte und Bonifatius’ schriftliches Urteil nicht abwarten wollte.
»Wenn wir die Leute von Albi allesamt auf den Scheiterhaufen schicken«, sagte er ernst, »so bestätigen wir damit nur das Vorurteil der Katharer, dass diese Welt die Hölle sei und wir – die römische Kirche – die Synagoge Satans! Wir spielen ihnen geradezu in die Hände und erschaffen uns ständig unsere Ketzer selbst!«
»Schwätzerei! Bonifatius steht im Wort. Unser Delegierter hat ihm schließlich nicht nur unsere Sicht der Dinge überbracht, sondern zugleich gutes Geld«, antwortete ihm Abbéville mit wütend funkelnden Augen, und er untermalte seine zynischen Worte mit einer eindeutigen Handbewegung. »Ich habe mich überreden lassen, das ´Schöne Feuer` nicht vor dem Christfest anzuzünden, doch jetzt sind alle Feierlichkeiten vorüber. Weshalb also noch warten? Nach meiner Rückkehr von Toulouse müssen die Ketzer brennen. Glaubt Ihr wirklich, Bruder Fulco, dass sich der Papst auf die Seite Aimeric Fabris gestellt haben könnte, eines Laien? Da kann ich nur lachen!«
Nach einem erneuten Einwurf Saint-Georges’, dass es dennoch sicherer sei, das schriftliche Urteil in Händen zu haben, bevor man zur Tat schritt, und dass man sich zumindest den Fall Calveries nochmals genauer ansehen müsse, wurde Abbévilles Stimme ziemlich schrill.
»Ihr mit Eurem Calveries! Jetzt reicht es mir, Bruder! Früher war man nicht so zimperlich, da hat man einen, der von sich behauptete, er sei der Heilige Geist, einfach in einen mit Werg ausgestopften Weidenkorb gesteckt und noch in der gleichen Stunde auf dem Marktplatz angezündet. Nun kann der Verrückte ja nichts für seinen wirren Kopf, der Ketzer aber hat sein Schicksal selbst in der Hand. Wie steht bei Johannes geschrieben: Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie in das Feuer, und sie muss brennen. Ist nicht das Feuer eine besondere Freude Gottes und das geeignete Mittel, den Weizen von der Spreu zu reinigen?«
Da fasste sich Fulco von Saint-Georges ein Herz. Er stand auf, sah Abbéville fest ins Gesicht und sagte:
»Wir behaupten zwar, es sei Gottes Wille, all diese Leute auf den Scheiterhaufen zu schicken. Es stehe so geschrieben, sagen wir Kirchenleute im Brustton der Überzeugung. Doch ist es wirklich Sein Wille, auch Unschuldige zu verbrennen? Bruder Nikolaus, wir dienen längst nicht mehr Gott. Und ich wage das, was ich insgeheim befürchte, kaum auszusprechen: Missbrauchen wir vielleicht Seinen Namen, um unsere Interessen durchzusetzen?«
Saint-Georges war zu weit gegangen. Er wusste es im gleichen Augenblick, als er in Abbévilles Augen sah. Abbéville fixierte seinen Verweser lange und sagte dann leise und scharf:
»Euer Handwerk ist die Inquisition, Bruder Fulco, doch Euer Kopf scheint vollgestopft mit philosophischen Sentenzen, und Ihr tragt zudem äußerst gefährliche Gedanken mit Euch herum. Ihr beschmutzt mit durch nichts zu beweisende Vorwürfe Euer eigenes Nest. Eure Stellung gebietet Euch aber mit allen Mitteln – ich betone, mit allen Mitteln – die Reinheit des Glaubens aufrechtzuerhalten! Nichts weiter. Auch die Hoffart ist dem Herrn ein Gräuel. Sollte tatsächlich der eine oder der andere unserer Inhaftierten nicht der Ketzerei schuldig sein, so ist ihm dennoch der Vorwurf zu machen, dass er seine Pflicht vernachlässigt hat. Kein Band der Verwandtschaft, keine persönliche Freundschaft dient als Entschuldigung für die Verheimlichung der Ketzerei. Hört also endlich mit Euren Jeremiaden auf. Habt Ihr mich verstanden?«
Es hatte keinen Sinn, Abbéville verstand ihn nicht, wollte ihn nicht verstehen.
Leserstimmen
Atmosphärisch dicht geschriebener, spannend aufbereiteter Mittelalter-Roman, der einen ausgezeichneten Einblick in die damalige Zeit bietet. Hervorheben möchte ich – neben den fein gezeichneten Charakteren auch derjenigen Personen, die tatsächlich involviert waren -, den ausführlichen Anhang mit Erklärungen. Aufgrund seiner Authentizität und des angenehmen Schreibstils der Autorin war dieser Roman für mich ein außergewöhnlich schönes Leseerlebnis.
(494 Seiten, E-book)
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