Minervois: Notre Dame du Cros – reich an Legenden

Als ich im Jahr 2002 meinen Roman “Marie – Die Erbin des Grals” schrieb, befasste ich mich auch mit Henry Boudet, dem ehemaligen Priester von Rennes-les-Bains und einem der Drahtzieher im Geheimnis von Rennes-le-Château. Bei meinen Recherchen hatte ich erfahren, dass Boudet sein Vikariat (1862-1864) in der Region Caunes-Minervois durchlief – und zwar in der abseits gelegenen, kleinen Kirche Notre Dame du Cros.
Fünfzehn Jahre später machte ich endlich einen Abstecher hierher. Meine Neugierde war ungebrochen! 🙂
Von Minerve kommend, führte mich eine abenteuerliche Schotterpiste nach ND du Cros. Für die holprige Fahrt wurde ich allerdings voll entschädigt:

Eine stille, grüne Oase erwartete mich, flankiert von steilen Felswänden und einer Quelle. Eine Atmosphäre zum Durchatmen und Loslassen …

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Notre-Dame-du Cros – ein altes Marienheiligtum und eine Wasserquelle?

Das passt sehr gut zusammen, denn im Mittelalter war man davon überzeugt, dass Quellen, Teiche und Brunnen Tore ins Jenseits darstellen, einen Zugang zu einer anderen (vielleicht göttlichen) Welt. Das Märchen von Frau Holle erzählt eine solche “Jungfrau-mit-Brunnen”-Geschichte. Frau Holle wird heute mit der alten Göttin Hulda gleichgesetzt – oder der Perchta, der Hel. Den Platz der alten Göttinnen hat längst die Jungfrau Maria eingenommen.

(Zwei weitere Beispiele für die Madonnenverehrung im Zusammenhang mit Brunnenheiligtümern: Notre Dame de Marceille, Ille-sur-Têt.)

Notre-Dame-du Cros – eigentlich ranken sich zuviele Legenden um diesen Ort:
In der ersten Legende geht der Ursprung der Kapelle auf das 6. Jahrhundert zurück, als eine Hirtin am Fuß der Klippe eine Quelle sprudeln sah und ihr krankes Kind daraus trinken ließ. Das Kind wurde sofort gesund. Daraufhin errichtete man als Zeichen der Dankbarkeit drei kleine Kapellen aus “trockenen Steinen”, die sogenannten “Capeletos”, und der Ort wurde fortan ein Wallfahrtsheiligtum.

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Notre-Dame-du-Cros – jenseits der Legenden

Gegründet um das Jahr 900, erste Beurkundung auf einer Bulle des Papstes im Jahr 1118,
Hinterlassenschaften aus romanischer Zeit,
Altar für die Heilige Marguerite um 1280,
Glockenweihe 1607,
Prozession mit der Bitte um Regen 1612,
diverse Restaurationen und feierliche Einsetzungen im 18. und 19. Jahrhundert.

Eine andere Legende spricht von einer Jungfrau, die in der Höhlung eines Felsens gefunden wurde, an der Stelle der heutigen Kapelle. Weil dieser Ort zu weit abgelegen war, transportierte man die kleine Statue nach Caunes. Aber in der Nacht darauf verschwand sie wieder, um in ihre Felsenhöhle zurückzukehren. Der Versuch, eine Kapelle vor Ort zu bauen, scheiterte: Die tagsüber ausgeführten Arbeiten wurden in der Nacht systematisch zerstört. Schließlich wurde ein Hammer aus rotem Marmor in die Luft geworfen – und er fiel genau auf die Stelle, an der heute Notre-Dame-du-Cros steht.
(Auch die Legende des Hammers findet sich oft in alten heidnisch-christlichen Heiligtümern. Viele in frühen christlichen Gräbern aufgefundene Thorshämmer erinnerten an das christliche Tau-Kreuz.)

Eine dritte Legende, entnommen aus La minerve française, aus dem Jahr 1918, wurde von E. de Jouy berichtet: “Eine fromme Frau, die von Fieber und Durst gequält wurde, wagte es nicht, ihre Hände in die Mulde des Brunnens von Notre-Came-Du-Cros zu tauchen, um ihren Durst zu stillen. Sie rief die Jungfrau an und ein Becher kam aus dem Felsen. Sie trank und wurde geheilt. Seitdem haben Tausende von Menschen mit Fieber durch ihre Heilung die fiebersenkende Wirkung des Bechers von Cros bezeugt. Niemand konnte bislang erklären, aus welcher Materie dieser wundersame Becher besteht. Er soll aus einem unbekannten rötlichen Material sein (Anmerkung: der rote Marmor von Caunes?) und auf der Rückseite Zeichen tragen, die niemand entziffern konnte. Als Pilger versuchten, etwas davon wegzunehmen, glaubte der damalige Kaplan von Cros, der Abt Jaffus, ihn schützen zu müssen, indem er ihn mit einem silbernen Brustpanzer überziehen ließ.

Der Becher von Cros – eine Art Heiliger Gral? 🙂
Interessant finde ich in diesem Zusammenhang die Beschreibung der im Kloster San Juan de la Pena befindlichen Grals-Replik, die ebenfalls aus rötlichem Stein gefertigt ist (in diesem Fall aus Achat und mit Goldmonturen gesichert). Auch hier spricht man von einer mysteriösen Inschrift: “Es gibt eine arabische Beschriftung, deren Interpretation unsicher ist …” Welcher Becher sich zeitweise in ND du Cros befand, kann heute niemand mehr sagen. Der Abt Jaffus scheint sein Geheimnis mit ins Grab genommen zu haben. Dass Henry Boudet diese Legende kannte und vor Ort Nachforschungen betrieb, ist für mich jedoch so gut wie sicher. Er war Priester, er wurde von seinen Zeitgenossen als “Gelehrter” betrachtet, er beschäftigte sich ausgiebig mit alten Sprachen, Legenden und Archäologie …

Eine letzte, nicht weniger kuriose Legende erzählt von einem Feuer, das “am Dienstag, dem 30. Juni” aus dem Marmorsteinbruch kam und sich in “schwindelerregender Geschwindigkeit” seinen Weg zum Heiligtum bahnte. Es gab kaum Hoffnung, dass die Kapelle unversehrt bleiben würde. Doch am Mittwochmorgen blieb das Feuer auf wundersame Weise stehen – direkt vor dem Steinkreuz – dem “Cros” – das traditionell den Eingang zum Heiligtumshügel markiert.
Anmerkung: In den Jahren, in denen Henry Boudet sein Vikariat hier absolvierte, wurde das “Cros” durch eine Statue ersetzt. (Quelle: Sabina Marineo, Die verborgene Kirche des Grals)

Notre-Dame-du-Cros – Die Romanische Madonna
Im Kircheninneren fallen einem der prächtige rotgemaserte Marmor ins Auge, viele vergoldete Holzelemente und gemalte Leinwände – sowie die verschiedensten Marien-Darstellungen,
darunter auch die “wahre” Notre-Dame-du-Cros: eine kleine Romanische Madonna aus dem 12. Jahrhundert.

Hinweise für Wanderer und Bergsteiger:
In der Nähe von Notre-Dame-du-Cros befindet sich ein 16,6 Kilometer langer Rundweg. Er führt durch einen schönen Wald, vorbei an herrlichen Aussichtspunkten. Es gibt Wildblumen und auch Tiere lassen sich blicken. Aufgrund der Steigung und Distanz ist die Strecke jedoch als schwierig einzustufen. Die Route ist von März bis November zugänglich, Hunde sind erlaubt. Für passionierte Kletterer gibt es hier einen geologischen Canyon, eine felsige Schlucht und zum Klettern ausgestattete Felswände.

Vielen Dank für Ihr Interesse!




Das Wunder von Rieux-Minervois:
Sainte-Marie – und die eigenartige Siebenzahl

Es waren mal wieder die Werke des Meisters von Cabestany, die mich im Juni 2017 auch in das kleine Dorf Rieux-Minervois, und dort in die Kirche Sainte-Marie geführt haben. Äußerlich auf den ersten Blick anspruchslos – ein siebeneckiger Mittelturm und nur wenige Fenster –, reißt man erstaunt die Augen auf, wenn man das Gebäude betritt. Ein in Südfrankreich einzigartiger Rundbau liegt vor einem, mittig der Altar. Sieben stolze Pfeiler tragen die Arkaden, die ihrerseits die Kuppel stützen: Das Wunder von Rieux-Minervois!

Die Lage von Rieux-Minervois

Rius de Menerbés, wie der Ort auf okzitanisch heißt, liegt zu Füßen der Montagne Noire am Argent-Double, einem Nebenfluss der Aude, mitten im Weinbaugebiet Minervois, etwa 25 Kilometer (Fahrtstrecke) nordöstlich von Carcassonne. Acht Kilometer weiter findet sich das Städtchen Caunes-Minervois.

Zur Historie

Obwohl bereits in gallorömischer Zeit besiedelt, entstand Rieux-Minervois erst um das Jahr 1000, als hier ein castrum, der Vorläufer der heutigen Burg, erbaut wurde. Im 12. Jh. gehörte das ganze Gebiet den Grafen von Minerve, die ihre Besitztümer jedoch während der Albigenserkreuzzüge (s. meine Historischen Romane “Alix” und “Sancha”) verloren, weil sie auf Seiten der Katharer standen.
Simon de Montfort, der militärische Anführer des Albigenserkreuzzuges, ließ im Hauptort Minerve, im Juni 1210, den ersten Scheiterhaufen errichten. 180 Parfaits brannten in der Cesse-Schlucht. Ein weiterer Grund für den Hass gerade auf Minerve lag aber auch, so lächerlich es klingt, an der herausragenden Qualität der dort angebauten Weine. Sie waren vor allem dem Bischof von Narbonne (geistlicher Anführer des Kreuzzugs) ein Dorn im Auge.
Das Minervois gilt als eines der ältesten Weinbaugebiete Frankreichs.

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Die Baugeschichte der Kirche Saint-Marie

liegt weitgehend im Dunkeln. Zwar existiert eine Urkunde aus dem Jahr 1079, doch passt dieses Datum nicht zum vorhandenen Gebäude, das in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert wird – in die Zeit der “Großen Ketzerei” – wie man die Häresie der Katharer nannte. Es war aber auch die Zeit, als die Marienverehrung auf ihren Höhepunkt zusteuerte.

 

Hatten die Tempelritter ihre Hände im Spiel?

Man weiß bis heute nicht, wer die außergewöhnliche Heptagon-Kirche von Rieux-Minervois einst in Auftrag gab. Bei oktogonalen oder runden Kirchenbauten (Vorbild die Grabeskirche in Jerusalem) denkt man oft an den Orden der Tempelritter. Es existieren in diesem Fall jedoch keine entsprechenden schriftlichen Dokumente. Noch immer ist alles offen …

Die besondere Architektur

Das Heptagon (Siebeneck) im Innern der Kirche wird umgrenzt von vier mächtigen gemauerten Pfeilern und drei Säulen, die einander abwechseln, wobei zwei Pfeiler unmittelbar nebeneinander stehen. Der Innenraum schließt nach oben ab mit einer erhöhten Kuppel, die sich allmählich aus dem – nicht ganz exakt gemauerten – Siebeneck entwickelt. Der Umgang hat ein rundum verlaufendes Gewölbe, das die seitlichen Schubkräfte der zentralen Kuppelkonstruktion abfängt.
Der Grundriss eines solchen Gebäudes –  außen 14-seitig, innen 7-seitig – sei, so heißt es, recht schwierig zu berechnen. Einfacher wären ein Oktogon (z.B. Aachener Dom) oder ein Sechzehneck (Tomar). Bei der runden Temple Church in London, die, wie Tomar, tatsächlich von den Templern in Auftrag gegeben wurde, endet der Rundbau des Erdgeschosses im Inneren z.B. in einem sechseckigen Obergeschoss.

Eine weitere Besonderheit in Rieux-Minervois besteht darin, dass das Gebäude ursprünglich im Äußeren wie im Inneren quasi “richtungslos” war, auch keine geostete Apsis besaß, so dass man meinen möchte, der Bauherr spielte hier mit dem Thema der “Unendlichkeit”.

 

 

Was steckt denn nun hinter der eigenartigen Siebenzahl?

Mit Zahlen hat man früher nicht nur gerechnet, man maß ihnen auch eine symbolische Bedeutung zu. Die Kirche von Rieux-Minervois liegt zudem auf dem Jakobsweg – und ist zugleich eine Marienkirche. Handelt es sich hier vielleicht um einen alten Initiationsort der Baumeister – wie in der Kirche Santa Maria de Eunate, die ebenfalls auf dem Jakobsweg liegt, jedoch einen achteckigen Grundriss aufweist?
Diese These gefällt mir, zumal der Umgang (Wandelgang) im Inneren darauf hinweist, dass man ihn früher entweder kontemplativ durchschritt oder ihn sogar tanzend durchmaß. 

Wir könnten es hier aber auch mit den “Sieben Säulen der Weisheit” zu tun haben, deren Verkörperung die Jungfrau Maria ist: Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen! (Spr. Salomo 9,1).

Fest steht:
Weisheit zu erlangen ist wohl genauso schwer wie das Errichten eines solchen Gebäudes!

Die Siebenzahl spielt aber nicht zuletzt auch eine Rolle in der Apokalypse des Johannes.

 

 

Der rote Marmor aus dem Minervois

Das Minervois (hier besonders Caunes-Minervois) ist berühmt für seinen “roten Marmor”, der jedoch unterschiedliche Färbungen aufweist: blassrosa, braunrosa und blutrot. Dieser Marmor wurde z.B. auch am Hof des Sonnenkönigs (Ludwig XIV) für die Ausschmückung von Versailles verwendet und man findet ihn noch heute in vielen sakralen Bauten in Südfrankreich. Bis zum 19. Jh. stellte der Abbau, die Bearbeitung und der Verkauf von Marmor für das Minervois-Gebiet einen wichtigen Wirtschaftszweig dar.

Aber nun zu einigen Werken des Meisters von Cabestany

Dem Meister selbst zugeschrieben wird die “Maria in der Mandorla” von Rieux-Minervois, wie sie, von Engeln begleitet, mit geschlossenen Augen himmelwärts fährt. Eine ähnliche Mandorlen-Abbildung findet sich auch auf dem berühmten Tympanon in der Pfarrkirche in Cabestany. Mit Mandorla (ital. für “Mandel”) wird eine Glorie oder Aura rund um eine ganze Figur bezeichnet. Mandorlen sind einzig Christus und Maria vorbehalten.

Näheres zum rätselhaften Meister von Cabestany und seiner Werkstatt: hier klicken!

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Zwei Tipps am Rande (später mehr)!

Falls es Sie einmal ins Minervois verschlägt, kosten Sie nicht nur den exzellenten Wein, der dort angebaut wird, machen Sie sich auch auf die Suche nach dem “Dolmen des Fados”.
(Ein kleiner Hinweis: Sollten Sie ihn nicht sofort entdecken, achten Sie bitte auf das ohrenbetäubende “Geschrei” der Zikaden, die sich im Gelände rings um den Dolmen befinden! )

Eine weitere interessante Entdeckung!

Die Allée couverte von Saint-Eugène (auch die Allée Couverte von Laure Minervois genannt) ist die drittgrößte Megalithanlage in Südfrankreich. Sie stammt aus der Zeit des Übergangs von der Kupfer- zur Bronzezeit und wurde um 1920 ausgegraben. Sie liegt in der Gemeinde Laure-Minervois in einem Hain aus Aleppo-Kiefern.

Aus dem Wiki-Netz: Innerhalb eines 1992 restaurierten niedrigen Cairns von 25 m Durchmesser, der aus Platten und Trockenmauerwerk besteht, liegt die über 14 Meter lange, in drei Abschnitte unterteilte Kammer des Galeriegrabes. Der Zugang ist weniger als zwei Meter breit, während die durch zwei seitlich aufgestellte Platten zweigeteilte Kammer zwischen drei und vier Metern breit ist. Die Kammer besteht aus 8, vollständig die Höhe erreichende und einigen niedrigeren Platten. Die plattenlosen Bereiche, besonders auf der Westseite, sind aus Zwischenmauerwerk. Die Decksteine sind nicht erhalten und auch der Zugang ist weitgehend zerstört. Der restaurierte Tumulus besteht aus Bruchsteinen. Dieses Galeriegrab ist seit 1931 als Monument historique klassifiziert.

Viel Vergnügen – und Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Helene Köppel