Einige Jahre nach der Erstausgabe meines Rennes-le-Château-Romans “Die Erbin des Grals” (2003, Rütten & Loening, Berlin), überließ mir ein guter Freund aus der Schweiz Kopien von 9 handschriftlichen Briefen aus dem Jahr 1911: Sehr persönliche, ja teils berührende Briefe, die Bérenger Saunière, der Priester von Rennes-le-Château, während seiner Strafversetzung, an „seine Marie“ schrieb.
Dass ich diese Briefe nicht nur ins Deutsche übersetzen, sondern sie irgendwann auch veröffentlichen würde, stand für mich außer Zweifel. Nichts macht mehr Spaß als das Schreiben von spannenden Büchern! Aber würde man den angedachten neuen Roman auch ohne große Vorkenntnisse lesen können? Ohne Insider-Wissen? Es gab eine Lösung: Die Rahmenhandlung (fiktiv) musste in Rennes-le-Château angesiedelt und eine verlässliche Erzählerin gefunden werden, die – Brief für Brief sozusagen – die Geschichte transportiert und bisweilen den Vorhang lüftet, hinter dem sich die Geheimnisse von Rennes verbergen. Für diese Rolle konnte ich mir niemand Geeigneteren vorstellen als Marie Dénarnaud selbst! (Schließlich hatte die “Erbin des Grals” auch im wahren Leben Saunières Briefe gehütet und damit für die Nachwelt aufbewahrt!)
Augenzwinkernd vorweg: Dass der Herzensbrecher und Feinschmecker Saunière (der sich selbst als Priester mit einer “Künstlerseele” sah) in seinem turbulenten Leben als Seelsorger den “Gral” fand, ist nicht gesichert, dass er als “findiger Geschäftsmann” Geld scheffelte und dabei bisweilen in den “Fettnapf” trat – nun, wer will es ihm heute noch verübeln!
Manchmal ein Narr zu sein, macht einen noch lange nicht zum Narren, meint Marie dazu. Recht hat sie!
“Und woher willst DU das alles wissen, schlaue Marie?”, fragt Henriette. Marie lacht auf. „Diese Antwort geht mir leicht von der Zunge, neugierige Henriette: Weil die schlaue Marie es immer verstanden hat, ihre Augen und Ohren offenzuhalten!”
Viel Vergnügen und gute Unterhaltung mit “Adieu, Marie! – Die Briefe”!
“ADIEU, MARIE!: Die Briefe” TASCHENBUCHAUSGABE 2024, 250 Seiten, VERLAG BoD, Norderstedt – ISBN 978-3-7597-9995-1
Quelle zu Abbé Boudet in der deutschen Übersetzung, mit Anmerkungen von OlafJacobskötter: “DIE WAHRE SPRACHE DER KELTEN und der Kromleck von Rennes-les-Bains”: ISBN 978-3-00-021219-2
LESERSTIMMEN und REZENSIONEN ZU: “DIE ERBIN DES GRALS“ NEUAUFLAGE “MARIE – DIE ERBIN DES GRALS”, 2019, BOD-PRINT + E-BOOK, 460 Seiten, ISBN 978-3-7494-5381-8)
Georg Hirschelmann – Mitteldeutsche Zeitung, 20. 3. 2004: … Haben Sie etwas gelernt? Vielleicht etwas vorgeführt bekommen: Wie man verbürgte Geschichte flott und sauber mit eigenem Erleben (Köppel hat einige Zeit in Südfrankreich recherchiert) und einiger Spekulation mixt und daraus ein spannendes Buch macht …
Lectures pour Tous – Lesezeit, La Voix, Luxemburger Wort, 26. 11. 2003 :… wer aber nach der Lektüre der virtuos erzählten Geschichte von der Erbin des Grals Freude daran hat, die Originalschauplätze zu besuchen – sie haben die Stürme der Zeiten bis zum heutigen Tag überstanden …
Nürnberger Nachrichten, 18./19.10.2003: Geschichtslehrer liegen voll daneben, wenn sie uns immer nur mit Daten, Namen und Ereignissen aus der Vergangenheit füttern. Romane müssen sie schreiben, Geschichten, die uns Geschichte miterleben lassen! Auch wenn es Tausende solcher Schmöker gibt, alte Zeiten ziehen immer. Eine schöne bunte Geschichte aus dem 19. Jahrhundert erzählt der Roman „Die Erbin des Grals
(E-book; TB + Printausgaben:“DIE ERBIN DES GRALS” Rütten & Loenig, Berlin 2003, 457 Seiten, Aufbau-Taschenbuch-Verlag, Berlin 2005, 459 Seiten,
NEUAUFLAGE “MARIE – DIE ERBIN DES GRALS”, 2019BOD-PRINT 460 Seiten, ISBN 978-3-7494-5381-8
»Als ich Bérenger Saunière kennenlernte«, vertraute Marie im Frühjahr 1886 ihrem Tagebuch an, … »den Mann, der mich zur Mitwisserin eines unbegreiflichen Geheimnisses werden lassen sollte, war ich gerade achtzehn Jahre alt …«
Wie die Zeit vergeht! Heute, am 12. August 1920, feiert Marie ihren zweiundfünfzigsten Geburtstag – und Bérenger ist schon drei Jahre tot. Um ihren Festtag nicht allein verbringen zu müssen, hat sie ihre langjährige Freundin Henriette nach Rennes-le-Château eingeladen. Henriette hat das Herz auf dem rechten Fleck. Mit Henriette kann Marie über fast alles reden. Doch wie redet man über Ereignisse, die einen selbst in den Grundfesten erschüttert haben? Marie wird sich, bei aller Vertrautheit, vorsehen müssen. Aus leidvoller Erfahrung weiß sie, dass ein einziges unbedachtes Wort Folgen nach sich ziehen kann. Sie braucht nur zurückzudenken, etwa an Bérengers Beichtvater, der sogar für einige Zeit im Irrenhaus saß. Und einer reicht, findet Marie noch immer, grundgütiger Himmel! Faust und Pomponnette schlagen an … Maries Herz klopft schneller. Sie nimmt die Schürze ab, zupft an der weißen Bluse mit der Hohlsaumstickerei am Kragen, streicht den grauen Rock glatt. Dann eilt sie aus dem Haus, die Tür hinter sich zuschlagend. Und wahrhaftig – Henriette ist schon in Sicht, umkreist von den aufgeregten Hunden. „Huhuu!“ Marie schwenkt die Arme und eilt ihr entgegen. Henriette lässt den Tragkorb von den Schultern gleiten und winkt zurück. Dann nimmt sie ihren Strohhut ab. Es ist der von früher, erkennt Marie beim Näherkommen, der mit den rot- und schwarzlackierten Kirschen. Und schon liegen sich die beiden Frauen in den Armen und drücken sich die obligatorischen „Bises“ auf die Wangen. Welch eine Freude!“, sagt Marie; ihre Augen leuchten. Schwer atmend meint Henriette, der Aufstieg nach Rennes habe sie fraglos einiges an Kraft gekostet. Gleichwohl strahlt auch sie – um nach dem Gratulieren sogleich Maries schlanke Taille zu bewundern: „Tadellos, ma chère! Wie gelingt dir das nur!“ Marie schmunzelt. „Und du? Du hast dich doch auch kaum verändert!“, sagt sie fröhlich. Frohgemut machen sie sich auf den Weg hinauf zur Orangerie, wo Marie vorhin schon für das Kaffeetrinken eingedeckt hat. Der Kies knirscht unter ihren Füßen … Doch als Marie feststellt, dass Henriette kaum Schritt mit ihr halten kann und beim Plaudern noch immer schwer atmet, bleibt sie im Parkschatten vor einer der Bänke stehen, damit sie sich hinsetzen kann. Sie selbst nutzt die Pause, um die Hunde für ein paar Stunden in den Zwinger zu sperren. „Eine Frage, meine Liebe“, sagt Henriette, als Marie sich wieder bei ihr einfindet. „Du verwendest die Rufnamen der alten Hunde? Aus Gewohnheit? Oder hat das Saunière so verfügt?“ „Mon Dieu, du bist von hier, du kennst das doch!“, antwortet Marie mit einer wegwerfenden Handgebärde. „In Rennes geht es immer um die Gegensätze und die Tradition: Faust, so schwarz wie der Pudel, der sich in einen Teufel verwandelt, mit dem er dann einen Pakt eingeht – und Pomponnette, so weiß wie ein unschuldiges Gänseblümchen. Aber, unter uns – pst! –, es soll auch ein berühmtes Lokal in Paris geben, das diesen Namen trägt, und …“, Marie schnappt nach Luft. Vor lauter Freude über ihren Besuch hat sie viel zu schnell geredet. „Und Tradition ist eben die Weitergabe des Feuers!“, setzt sie gewichtig hinterher. „Das ist von Jean Jaurès!“ „Jaurès? Den sie in Paris erschossen haben?“ Marie nickt.„Als er vor dem Krieg warnte, ja. Vor einem schrecklichen Völkermord. Und hat er nicht recht behalten?“
“In der verfallenden Dorfkirche von Rennes-le-Château fand Abbé Saunière Ende des 19. Jahrhunderts einen Schatz!”
LEGENDE? WAHRHEIT?
Schon als ich im Jahr 2003 den ersten deutschsprachigen Roman über Rennes schrieb, stand eines für mich außer Zweifel:
Über diesen südfranzösischen Ort (im Département Aude gelegen) kann man beständig seine Website füllen, Filme drehen – oder aber Bücher schreiben!🙂
BÜCHER? Vielleicht sogar einen zweiten Roman über Rennes? Gedacht, getan? Nun, so einfach war es nicht …
Die Vorgeschichte
Vor einigen Jahren hatte ich von “persönlichen Briefen” erfahren, die der Priester Bérenger Saunière während einer Strafversetzung im Jahr 1911 “seiner Marie” schrieb. Und schon damals hatte sich die Idee in meinem Kopf eingenistet, diese Briefe irgendwann ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Dass ich für das neue Projekt wieder Marie Dénarnaud an Bord holen würde (die Ich-Erzählerin in meinem ersten Roman über Rennes), stand außer Frage, schließlich war Marie es gewesen, die diese Briefe bis zu ihrem Tod im Jahr 1953 gehütet hat. Doch erst nach der Veröffentlichung meines Thrillers “Abkehr” konnte ich mich mit “Marie 2”, wie mein Arbeitstitel hieß, näher befassen. Nun wurden Saunières Briefe ins Deutsche übersetzt, Zusammenhänge recherchiert, neue Hinweise, Namen und Orte überprüft. Das eigentliche Schreiben brauchte die Reifezeit, die es immer braucht, bis alles passt – ganz im Gegensatz zur Titelsuche, denn Saunières Grußformel am Ende seiner Briefe lautete nicht selten: “Adieu, Marie!”
Die aktuellen Cover der beiden Romane
Die Protagonisten in der Geschichte von Rennes-le-Château
Roman 1 – “Die Erbin des Grals”(Ausgaben 2003, 2005 und neu 2019 + E-book) Text auf der Rückseite des Schutzumschlages:
Am Rande der Pyrenäen ruht der Gralsschatz: von den Merowingern zusammengetragen, von den Katharern versteckt und von einem besessenen Abbé aufgespürt …
In ihrem faszinierenden Roman enthüllt Helene Luise Köppel eines der tiefsten Geheimnisse des Abendlandes, auf dessen Spur sie intensive Recherchen wie glückliche Zufälle führten.
Die Anfänge der unglaublichen, aber verbürgten Geschehnisse in dem versteckten südfranzösischen Ort Rennes-le-Château, die den ehrgeizigen Landpfarrer Bérenger Saunière fast den Verstand und ganz gewiss das Leben kosteten, reichen bis zu den Katharern, den Merowingern und schließlich zu Jesus selbst zurück.
Als Saunière im Jahr 1886 einen unermesslichen Schatz findet und von da an ein Leben in Luxus führt, gibt es eine Zeugin: seine Haushälterin und Geliebte Marie Dénarnaud. Die Last ihres Mitwissens treibt sie dazu, alles heimlich aufzuschreiben.
Roman 2: “Adieu, Marie – Die Briefe” (Ausgabe 2024; auch E-book) Die Handlung spielt im Jahr 1920, also drei Jahre nach Saunières Tod.
Kurzer Textauszug aus “Adieu, Marie – Die Briefe”
Den Blick auf die Kassette gerichtet, beißt sich Marie auf die Unterlippe. Allmählich fühlt sie sich wie eine Maus vor der Falle, die Katze im Rücken. Aber was tun, um sich nicht mit der lieben Henriette zu überwerfen? „Du bist ja wie besessen von dieser Frage“, sagt sie lächelnd, nur einen leisen Vorwurf in der Stimme …
Saint-Polycarpe – die ehemalige Klosterkirche der Benediktiner liegt in der gleichnamigen Ortschaft Saint-Polycarpe, im Département Aude in Frankreich, östlich von Limoux. Als Wehrkirche ausgebaut, ist sie seit 1913 als Monument historique klassifiziert. Die dazugehörige Abtei wurde im 8. Jahrhundert von Atala, einem spanischen Adligen, gegründet. Ab dem 12. Jahrhundert gehörte sie zu den benachbarten Abteien von Lagrasse und Alet. Man erzählt sich, dass die Mönche von Saint-Polycarpe einen sehr schlechten Ruf hatten. Erst der letzte Abt schaffte es, ihrem schändlichen Treiben einen Riegel vorzuschieben. Die Gemeinschaft existierte dennoch bis Mitte des 19. Jahrhunderts, dann wurde sie verboten. Nur ein Mönch blieb übrig, angeblich um das Kloster zu verteidigen. Er wurde schließlich von seinem Gärtner ermordet. (Also ist der Mörder tatsächlich immer der Gärtner! 🙂 ) Heute, nach einem Brand, ist die idyllisch gelegene Abtei eine Ruine. Der Kreuzgang wurde abgebaut und stückweise verkauft. Ein Teil war für den Garten eines Barons namens Bich bestimmt.
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Der Heilige Polycarpe und die Abteikirche von Saint-Polycarpe
Der Heilige Polycarpe gilt als “apostolischer Vater”, was bedeutet, dass er die Apostel aus der Zeit von Jesus noch persönlich kannte. Er soll vom Apostel Johannes zum Bischof von Smyrna eingesetzt und von den Römern hingerichtet worden sein.Sie nannten ihn den Zerstörer der alten Götter. Die restaurierte romanische Abteikirche von Saint-Polycarpe geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Es handelt sich um einen einschiffigen Bau, dem im Westen ein massiver Turm vorgesetzt ist, welcher im Untergeschoss den Narthex (Vorhalle) der Kirche bildet. Das Eingangsportal wurde im 17. Jh. umgestaltet. Ein Besuch dieser Kirche lohnt sich: Sie besitzt nämlich zwei Altäre, deren Tischplatten auf Steinsäulen mit karolingischem Basrelief stehen – wie auch jener Altar im benachbarten Rennes-le-Château, als im Jahr 1865 Abbé Bérenger Saunière dort eintraf, die Deckplatte abnahm und in der Aushöhlung einer der Steinsäulen einige Pergamente entdeckte.
Zum Vergleich – einer der beiden Stützsteine des alten Altars der Kirche Sainte-Marie-Madeleine von Rennes-le-Château, den der Pfarrer während der Restauration entfernen und später im Außenbereich anbringen ließ. (Die Inschrift “Mission 1891” wurde erst später, also zu diesem Zeitpunkt angebracht.)
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Die Reliquienbehälter der Heiligen Polycarpe und Benoît (Benedikt).
Die alten Fresken
Saint-Polycarpe – die berühmten Gemäldevon Annel Auriac, 17. Jahrhundert
An der linken Wand befindet sich ein riesiges allegorisches Gemälde, das den Heiligen Polykarp und den Heiligen Benedikt darstellt, die bei der Kreuzigung assistieren. Es ist das Werk eines Malers aus Limoux (Annel Auriac), aus dem 17. Jahrhundert.
Zum Buch mit Schwert: Die aufgeschlagene Seite besagt: L =1 = Buch Leviticus (das 3. Buch des Pentateuch) Seite 1 = Kein Schwert kommt über euer Land.
Das Gemälde rechts trägt den Titel “Die drei Marien am Grab”. Es zeigt Maria Magdalena mit leuchtendem Heiligenschein, rotem Gewand, Salbgefäß und merkwürdiger “Kniehaltung”.Das Bild stammt vom selben Maler aus Limoux, Annel Auriac, 17. Jahrhundert.Während Maria, die Mutter Jesu, hier kaum mehr in Erscheinung tritt, und Maria, die Frau des Klopas, das Gesicht in Richtung Golgatha-Kreuze abwendet, scheint Maria Magdalena bereits in die Zukunft zu schauen: Sie umfasst mit beiden Armen das angezogene rechte Knie und verhält sich, als sei das leere Grab für sie schon Vergangenheit. Sieht sie bereits die Szene im Garten Gethsemane vor sich, die sich wenig später abspielt? Als sie auf Jesus trifft und ihn zuerst für den Gärtner hält? (Schon wieder Gärtner?) Jesus verbietet ihr, ihn zu berühren: Noli me tangere! Worauf Maria Magdalena ihr Knie nun vor Jesus beugt …(s. Gemälde rechts unten)
Eines lässt sich auch hier in Saint-Polycarpe nicht leugnen: In Südfrankreich wird Maria Magdalena ganz besonders verehrt!
In allen Regionen stößt man auf ihr geweihte Kirchen, Klöster sowie Statuen, die sie darstellen sollen. Dies geht vermutlich auf eine mittelalterliche Legende zurück, in der Maria Magdalena nach dem Tod von Jesus aus Palästina flüchtete. “Zusammen mit ihrer Schwester Martha, ihrem Bruder Lazarus, der reichen Jüngerin Maria Salome, der frommen Maria Jakobi, dem Apostel Maximus und dem mumifizierten Leichnam der Heiligen Anna (Mutter Marias), bestieg Maria Magdalena ein ruderloses Boot. Die Meeresströmungen brachten die Flüchtlinge zur Küste Südfrankreichs nach Marseille”.* Ein Reliquiar der Kirche Saint-Maximin-la-Sainte-Baume (Département Var), wo auch der Totenkopf der Heiligen Maria Magdalena aufbewahrt wird, stellt diese Szene dar. In Béziers, in der Kapelle der Blauen Büßer, hängt ein großes Gemälde von der Überfahrt der Maria Magdalena. Und in Rennes-le-Château (s. oben) war der Priester geradezu ein Fan dieser Heiligen. (Basrelief unterhalb des Altars, Glasfenster, Statue; “MM”-Initialen an den Wänden, Tour Magdala usw.)
* Quelle: Charland, P.V., “Les Trois legends de Madame Saincte Anne”, Charland & Co., Montréal 1898, S. 209
Die Glasfenster
Der geheimnisvolle Balken von Saint-Polycarpe
ist so versteckt angebracht, dass man ihn beim Eintritt in die Kirche glatt übersieht. Er befindet sich nämlich in ganzer Länge unterhalb der Ballustrade und damit direkt über dem Kopf des Besuchers (Taschenlampe mitbringen!) Weder in Saint-Polycarpe noch im Netz oder in den Reiseführern wird auf diesen interessanten Balken aufmerksam gemacht. Die Bemalung stammt aus dem Spätmittelalter; ich selbst vermute anhand der Bekleidung einzelner Figuren (Kopfbedeckung und Pumphosen) das 15./16. Jh. Über die Zeichnungen hinaus, die Szenen aus der Heiligen Schrift (oft aus der Offenbarung des Johannes) zeigen, gibt der Balken bis heute Rätsel auf: Befand er sich schon immer dort, nahezu unsichtbar im Eingangsbereich der Kirche? Wer hat ihn bemalt und warum? Handelt es sich vielleicht um eine “Strafarbeit” für einen ganz besonders lasterhaften Bruder? 🙂 Niemand weiß es!
In meinem Historischen Roman “Sancha – Das Tor der Myrrhe”, der in großen Teilen in diesem Kloster spielt (Romanbeginn: “Die Worte des Abtes von Saint-Polycarpe waren stets von großer Klarheit …”) habe ich mich intensiv mit diesem Balken beschäftigt und eine eigene Entstehungsgeschichte erfunden. Vielleicht kommt sie ja der Wahrheit gefährlich nahe … 🙂
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Saint-Polycarpe – Die Abstellkammer
Bei meinem zweiten Besuch in Saint-Polycarpe im Jahr 2017 (einige Fotos stammen aus dem Jahr 2006) hatte ich beim Eintritt das Glück, auf eine alte Dame zu treffen, die sich um die Kirche kümmerte und stolz darauf war, mir alles zeigen zu dürfen. Zum Schluss führte sie mich sogar in die Abstellkammer, was mich, ganz ehrlich, besonders freute, denn dort entdeckt man – nach meiner Erfahrung – interessante, aber auch oft kuriose Sachen …
Eine besondere Rolle in “Sancha – Das Tor der Myrrhe” spielt ein altes Aquädukt, das das ehemalige Kloster Saint-Polycarpe im Mittelalter mit Wasser versorgte …
Mit einem lustigen Schnappschuss, der ganz in der Nähe gelang, schließe ich diesen Artikel und bedanke mich herzlich für Ihr Mitkommen nach Saint-Polycarpe!
Am Rande ein, zwei Tipps: Empfehlenswert ist auch der Besuch der in der Nähe liegenden Abtei Saint-Hilaire, wo sich die Grablege der berühmten Trencavel-Grafen aus Carcassonne befindet. Auch Alet-les Bain sollte man gesehen haben. Und natürlich Rennes-le-Château sowie Rennes-les-Bains, wo schon die Römer gebadet haben … Zum Schluss gönnen Sie sich zur Erfrischung ein Glas Blanquette in Limoux! Und zum Einstieg in die Geschichte des Katharerlandes lege ich Ihnen meine Historischen Romane ans Herz: Die Töchter des Teufels.
Limoux, eine kleine, quirlige Gemeinde in Südfrankreich, liegt am ausgeuferten Flussbett der Aude, ungefähr zwanzig Kilometer südlich von Carcassonne. Die Geschichte der Stadt geht bis auf das Jahr 844 zurück, als Karl der Kahle Limoux der nahegelegenen Abtei Saint-Hilaire übertrug. Im 10. Jahrhundert zählte Limoux zur Grafschaft des Razès. Im 13. Jahrhundert – der Zeit der Katharer – wurde der Ort von Simon de Montfort eingenommen, dem Anführer des Albigenserkreuzzuges. Montfort übergab Limoux seinem treuen Ritter Lambert de Thury. Im Jahr 1296 zählte Limoux dann zur französischen Krone.Dies nur kurz zur Geschichte …
Limoux und die Blanquette Ein Glas dieses exzellenten Schaumweins in einer der gemütlichen Bars auf der Place de la République sollte man sich schon gönnen, wenn man Limoux besucht. Hier ist nämlich die Heimatstadt der Blanquette, erfunden von den Mönchen der benachbartenAbtei Saint-Hilaire, und gekeltert aus einer Gutedeltraube, die hier wächst.
Übrigens: In Limoux serviert man Ihnen die Blanquette gerne mit einem kleinen Teller Grieben, d.h. ausgelassenem Schweinespeck!
Limouxund sein Karneval Die Stadt ist nicht zuletzt durch ihre Karnevalsumzüge berühmt geworden, wobei sich hier die Saison über zwei Monate erstreckt. Von Mitte Januar bis Mitte März finden an jedem Samstag und Sonntag spektakuläre Umzüge statt, bei denen man auch die geheimnisvollen weißen Pierrotkostüme bewundern kann. Die Traditionen, in denen früher die örtlichen Müller eine Rolle spielten, reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Leider ging es dabei nicht immer “lustig” zu! Emmanuel le Roy Ladurie schreibt über den Karneval von Limoux folgendes:
“Vom 16. bis 20. Jahrhundert hat der Karneval des Languedoc (Montpellier, Limoux), ganz wie der römische, in völligem Einklang mit dem damaligen Katholizismus, die unglücklichen Juden oder Marranen* der Gegend verspottet …”
*Marranen: Spanische Juden und Muslime, die unter Zwang zum Christentum bekehrt wurden.
Doch nun zum eigentlichen “Schatz” von Limoux – der rätselhaften Augustiner-Kapelle
Der Bettelorden der Augustiner, benannt nach dem Kirchenvater Augustinus von Hippo, wurde im Jahr 1244 in Rom gegründet. Erste Mönche kamen bereits im Jahr 1306 nach Limoux, wo der Orden rasch an Ansehen und Bedeutung gewann: Eine Kirche wurde gebaut, ein Kloster und eine Schule errichtet – sowie jene kleine “Kapelle des Ordens der Augustiner”, die äußerlich heute ein eher bescheidenes Dasein fristet – eingequetscht zwischen zwei neueren Häusern. Das Altarbild, der Hochaltar und die Kanzel stammen noch aus dem Jahr 1695 und stehen seit 1970 unter Denkmalschutz.
Kurzbeschreibung des Portals:
Direkt über dem Eingang verläuft ein schöner Fries mit Akanthusblättern. Die beiden Heiligenfiguren oberhalb der Fabeltiere zeigen (rechts) Barbara mit dem Turm, (links ?). Im steinernen Schnitzwerks des Giebelfeldes befindet sich, getragen von zwei Engeln, ein Wappen mit der Christuskrone und zwei brennenden Herzen. Dem ersten Portal folgt ein zweites aus Holz, das die lateinische Inschrift trägt: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS EST – und damit an eine der Inschriften vor der Eingangstür der Magdalenenkirche in Rennes-le-Château erinnert: DOMUS MEA DOMUS ORATIONIS VOCABITUR. Diese (unvollständigen) Inschriften stammen aus zwei verschiedenen Quellen, besagen aber ungefähr dasselbe: “Mein Haus ist ein Bethaus … ihr aber habt’s gemacht zu einer Räuberhöhle.“
Folgen Sie mir nun ins Innere der rätselhaften Kapelle, die mit ihren farbenprächtigen Wandbemalungen und Gemälden nicht wenige Parallelen zur Dorfkirche Sainte Marie-Madeleine in Rennes-le-Château aufweist, und zugleich an die Basilika Notre-Dame-de-Marceile(nahe Limoux)erinnert.
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Die nächsten drei Fotos
Fußbodenmosaik mit herrlichen Fünfzack-Sternen, die aber auch Lilien darstellen können. Säulen aus rotem Marmor aus Caunes, Goldverzierungen, kniend die Heilige Philomena mit dem Anker Bunte Wandbemalung, Fenster Maria Himmelfahrt, Wappen mit Freimaurersymbolen, Monogramm “BS”, Silberdisteln als Symbol für Kraft
Der Höhepunkt in der Augustiner-Kapelle von Limoux ist das Altarbild eines anonymen Malers. – Der Versuch einer Deutung –
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Erst als ich meine Fotografie aus dem Jahr 2006 (links) daheim bearbeitete, erkannte ich, dass es sich bei dem Gemälde hoch oben im Altarbild, um eine Kreuzigungsdarstellung handelt – und um die Geschichte des Heiligen Augustinus (354-430 n. Chr.). Erleuchtet vom Heiligen Geist, der als Taube über ihm schwebt, widerfährt dem römischen Bischof und Kirchenlehrer sein wahres Bekehrungserlebnis. Er legt Bischofsmütze und Stab ab, kniet nieder und unterwirft sich Christus. Doch es befindet sich noch jemand auf diesem Bild: Eine junge Frau, die ihr Kind stillt. Spontan denkt man an die Mutter Gottes mit dem Jesuskind – nur nicht in diesem Kontext, also sitzend vor ihrem erwachsenen gekreuzigten Sohn, den sie zeitgleich als Kind auf dem Schoß hält.
Leben und Tod als Gegenpol?
Was hat sich der unbekannte Maler, der wohl im Auftrag der Mönche arbeitete, dabei gedacht? Gewiss hatte er sich zuvor eingehend mit dem Heiligen Augustinus befasst. Demzufolge wusste er, dass Augustinus in Karthago eine langjährige Verbindung zu einer Konkubine unterhielt, die ihm einen Sohn gebar, den er “Adeodatus” nannte (“Der von Gott gegebene”). Kenntnis hatte der Maler bestimmt auch darüber, dass sich Augustinus zeitweise der “ketzerischen” Lehre der Manichäer anschloss. Die Manichäer waren strenge Dualisten*, die an die widerstreitenden Kräfte von Gut und Böse glaubten, von Geist (Gott) und Materie, von Licht und Finsternis. Die demzufolge auch Leben und Tod als Gegensatz sahen. Und gerade dies spiegelt das rätselhafte Gemälde für mich wider: Leben und Tod als Gegenpol – wie eben auch das Göttliche und das Weltliche. Und in diesem Sinne kann auch die Darstellung der eher schlichten jungen Mutter mit Kind als weltliches Pendant zur Mutter Gottes mit dem Jesuskind gesehen werden. Dass für den Künstler der Heilige Augustinus die wohl wichtigste Person auf dem Gemälde war, bezweifelt vermutlich niemand, trägt er doch als einziger einen Heiligenschein.
*Dualismus: philosophisch-religiöse Lehre von der Existenz zweier Grundprinzipien des Seins, die sich ergänzen oder sich feindlich gegenüberstehen (z. B. Gott – Welt; Leib – Seele)
Die Türme
Der Heilige Augustinus soll einmal über sich selbst geschrieben haben: “In deinen Augen, Herr, mein Gott, bin ich mir zum Rätsel geworden!” (Conf. X 33,50). Rätselhaft ist auch der Fensterausschnitt auf dem obigen Altargemälde, der den Blick freigibt auf einen sich hinaufschlängelnden Weg und eine Stadt mit vielen Türmen. Handelt es sich um Jerusalem? Gut möglich. Sogar sehr wahrscheinlich, wobei Augustinus auch hier die Gegenpole erkannte: Jerusalem verstand er als “Reich der caritas”, der Liebe, Babylon hingegen als “Reich der cupiditas”, der Habsucht und Geldgier.
Auch im Rätsel von Rennes-le-Château, (unweit von Limoux) stoßen wir auf einen auffälligen Turm: Den Tour Magdala, erbaut vom damaligen Pfarrer Bérenger Saunière. Maria Magdalena, eine frühe Anhängerin von Jesus, stammte bekanntlich aus Magdala (Migdal). Migdal (hebräisch) bedeutet wie Magdala (aramäisch) Turm, Wachturm, Zitadelle – aber auch Fischturm: Migdal Nunayya). Nun, Migdal liegt am Westufer des fischreichen See Genezareth. Das Fischsymbol in der christlichen Tradition kennt heute jeder. Der Blick auf die Türme im Altarbild könnte zugleich ein Blick auf die Türme von Magdala sein. Das Große und das Kleine …
Links: Dieses dramatisch anmutende Gemälde, auf dem eine verzweifelte Maria Magdalena das Kreuz wie einen rettenden Turm umarmt, hängt ebenfalls in der Kapelle der Augustiner.
Übrigens, auchdie Heilige Barbara (Portal am Eingang) wird stets mit einem Turm dargestellt. Doch dahinter steckt eine andere Geschichte …
Ein weiterer Deutungsversuch in Sachen Altargemälde, anhand einer lateinischen Inschrift: “HINC LACTOR AB UBERE”
Unterhalb des kleinen Fensters befindet sich eine lateinische Inschrift, die neugierig macht: HINC LACTOR AB UBERE. Übersetzt heißt dies: “Ich nähre mich an ihrer Brust”. Es soll sich um eine mariologische* Aussage handeln. Bedeutet dies, dass es sich bei der stillenden Jungfrau (auch Isis wurde früher so gezeigt) um eine “Maria-Lactans-Darstellung” handelt? Um einen Hinweis des unbekannten Malers auf den Heiligen Bernhard von Clairvaux (1090-1153), den berühmten Kreuzzugsprediger? Der Legende nach war Bernhard von Maria mit einigen Tropfen Milch “erquickt” worden, worauf ihm eine “honigfließende Beredsamkeit” zuteil wurde. Ein Zusammenhang besteht: Bernhardt von Clairvaux folgte der Prädestinationslehre* des Kirchenvaters Augustinus.
*Die Mariologie (die Lehre von Maria) ist ein Teilbereich der katholischen Dogmatik, die sich mit Maria, der Mutter Jesu befasst. ** Die Prädestination ist die Lehre von der Vorherbestimmung als Gottes unabänderlicher Ratschluss.
Der Isis-Knoten – Ein letztes klärungsbedürftiges Detail auf dem Altargemälde
Ein letzter Blick noch auf den Lendenschurz des Gekreuzigten: Diese auffällige Knotenart war bereits bei den Ägyptern als heiliges Symbol bekannt. Man nennt ihn heute den “Isis-Knoten”. Er stellt in der Kunst eine Allegorie für das Heilige dar. Viele berühmte Maler griffen bei ihren Kreuzigungsdarstellungen darauf zurück, z.B. Caravaggio (“Kreuzabnahme”). Auch Maria Magdalena (Bild rechts) wird in der Kunst manchmal mit dem Isis-Knoten um den Leib dargestellt.
Eine kleine Schlussbemerkung
“Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle”, hat Albert Einstein einmal gesagt. Die südfranzösischen Kirchen stecken voller Geheimnisse, voller Mystik, und das Spannende daran ist, dass sich jeder Besucher selbst am Versuch einer Deutung beteiligen kann, wenn er das möchte. Zum Schluss noch zwei eher stimmungsvolle Fotos aus Limoux, mit denen ich mich herzlich für Ihr Interesse bedanken möchte!
“Wie im Einschnitt einer unreifen Frucht lag das langgezogene, etwas düstere Rennes-les-Bains unter ihnen, als sie nach einer guten Stunde Fahrt dort ankamen …”
(Aus “Talmi” v. H. L. Köppel, S. 307 ff)
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Romanschauplatz Rennes-les-Bains
Rennes-les-Bains liegt im Aude-Gebiet, im Tal des Flusses Sals, 48 km südlich von Carcassonne und 20 km von Limoux entfernt. Der malerische Ort, keltisch-römischen Ursprungs, lag im Mittelalter im Herzen des Katharerlandes. Er ist berühmt geworden als “Badeort der Römer”*, aber auch als “Schwesterstadt” des 3 km entfernten Bergnestes Rennes-le-Château – und nicht zuletzt aufgrund des rätselhaften Buches seines früheren Pfarrers Henri Boudet (1837-1915): “Die wahre Sprache der Kelten und der Kromleck von Rennes-les-Bains”. Ein Buch, das nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1886 von der Fachwelt als “unseriöse und urkomische Schrift” bezeichnet wurde. Zwischen den Zeilen jedoch blitzt das “Geheimnis einer lokalen Geschichte” auf. Ich selbst kenneRennes-les-Bains seit mehr als zwanzig Jahren. Der Ort ist zum Schauplatz in meinem Historischen Roman “Marie – die Erbin des Grals”** geworden und fand auch Eingang in meinen Thriller “Talmi”.
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* Im Jahr 121 v. Chr. besetzten die Römer dieses Gebiet, das den Namen “Gallia Togata” oder “Gallia Narbonnensis” erhielt. ** Die Geschichte der Marie Denarnaud, Haushälterin und Geliebte des benachbarten Priesters von Rennes-le-Château; Einfluss von Boudet auf Saunière etc.
Rennes-les-Bains und die Region “Rhedesium”
Die Region des sogenannten “Rhedesiums” (später Razès genannt) ist sehr alt: Iberer, Kelten, Griechen, Römer, Westgoten und Karolinger haben hier ihre Spuren hinterlassen. Der Name “Rennes” wurde sowohl von Rennes-le-Château als auch von Rennes-les-Bains übernommen, um an den Aufenthalt einer Königin (fr: reine) zu erinnern. Um welche es sich gehandelt hat, weiß man nicht mehr: Zur Auswahl stehen Blanche de Castile und Blanche de Bourbon, die unglückliche Frau von Peter dem Grausamen. Vermutlich war es letztere, die auf ihrem Weg nach Puilaurens, zu ihrer Hochzeit, hier noch einmal badete. Bis zum 18. Jahrhundert war Rennes-les-Bains unter dem Namen “Les Bains de Monferan” (Die Bäder von Monferan/Montferrand) bekannt. Montferrand ist ein Dorf auf einem Hügel im Nordwesten. Ausgrabungen haben dort eine gallorömische Fundstätte ans Tageslicht gebracht. Doch Rennes-les-Bains hat Montferrand den Rang abgelaufen. (Antike Dokumente beziehen sich aber immer auf Monferan/Montferrand.)
Der Kopf der keltischen Quellgöttin Damona?
Ein besonderes Überbleibsel vermutlich aus Keltischer Zeit befand sich noch im Jahr 1992 (oder 1972?) an der Ostwand des Pfarrhauses. Abbé Boudet hat den Kopf dort anbringen lassen, nachdem er ihn östlich von Rennes-les-Bains entdeckt, wohl mit der Spitzhacke vom Sockel geschlagen und mitgenommen hatte. Der Fundort, ein uraltes Quellheiligtum, war unter dem Namen “Pla de las Brugos” bekannt: “Hexenplatz”. Hier wurde früher vielleicht die keltische Göttin Damona verehrt. Die Ähnlichkeit (Frisur) mit Abbildungen dieser Göttin ist frappant. Dass Boudet den steinernen Kopf kurzerhand in “Tête de l’homme” umbenannte – “Kopf eines Mannes” – sollte Jahrzehnte später den Gerüchtetopf in halb Europa zum Aufwallen bringen: Die einen mutmaßten, es handle sich um die Abbildung von Jesus Christus, der hier irgendwo begraben sei, andere sahen in ihm den Kopf des Merowingerkönigs Dagobert II. Für einige Zeit befand sich der halbverwitterte Kopf noch – neben vielen Fundstücken aus der Römerzeit – im örtlichen Museum. Doch dieses existiert heute leider nicht mehr.Schade eigentlich!
Rennes-les-Bains und die Römer
Unzählige Münzen und archäologische Funde, darunter auch antikes Glas, beweisen, dass das Heilbad Rennes-les-Bains bei der römischen Kolonie COLONIA NARBO MARTIUS** äußerst beliebt war. Ein ehemaliger Priester (Antoine Delmas) hat im Jahr 1709 einen Bericht über Rennes-les-Bains verfast, in dem er die Ruinen der römischen Thermalbäder beschreibt (heute verschwunden) und auch auf die Funde näher eingeht. Er berichtet von Münzen aus Gold, Silber und Bronze, u.a. von Domitianus, Justitian, Gordianus, Tiberius, Julius Caesar, Claudius, Gratianus etc. Auch Statuetten von römischen Kaisern und den Göttern Jupiter und Mercurius wurden gefunden, sowie römische Lampen, Mosaikböden, alte Instrumente, gallo-römische Amphoren und Fragmente von Statuen. Ein weiterer Pfarrer und Archäologe, der Rennes-les-Bains in dieser Zeit besuchte, berichtete über mehr als 400 Gold- und Silbermünzen aus der Römerzeit, die er in der Gegend gefunden haben will. Es wurde hier also schon früher fleißig gesucht und gegraben. Sogar ganz offiziell: So erhielt ein gewisser Henri-Paul Elie im Jahr 1857 die Silbermedaille der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften (Toulouse) für seine Entdeckungen in Rennes-les-Bains: Zwei Räder und diverse Fragmente eines bronzenen Streitwagens, die auf dem Gebiet der Gemeinde entdeckt wurden. Mit seinen neun Quellen und unterschiedlichen Wassertemperaturen lag Rennes-les-Bains in einer der ersten Provinzen, die überhaupt von den Römern besetzt wurden. Das Teilstück einer ihrer Straßen ist noch auffindbar. Von Montferrand aus führt der Weg, der mit großen Quaderpflastern belegt ist, rechts in den Wald. Vermutlich handelt es sich um einen Abschnitt einer einst großen Straße, die Carcassonne mit der katalanischen Küste verband und über den Col Saint Louis, wie der Passübergang heute heißt, führte.
** – ein Gebiet, das dem heutigen Languedoc und der Provence entspricht.
Die römischen Bauwerke in Rennes-les-Bains (ohne Gewähr!)
“Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis, das die größten Umstürze verursachen könnte!”
“Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe” – Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum?
Bereits antike Autoren wie Strabo, Prokopios von Caesarea oder Pomponius Mela (der in der Nähe des Bugarachs eine alte Goldmine verortete) zeigten ein auffälliges Interesse an der Umgebung der beiden Rennes. Und fast immer ging es um Gold und wertvolle Schätze. Oder um ein Geheimnis. Der Autor Labouisse-Rochefort (1778-1852) schreibt z.B. in seinem Buch Voyage à Rennes-les-Bains (Reise nach Rennes-les-Bains) von einem vom Teufel bewachten Schatz in der Nähe des Château de Blanchefort*. (Ruine Blanchefort s. Foto oben). Und folgt man einer alten örtlichen Legende, so geht es um drei Tore: Das Tor des Geldes, das Tor des Goldes und das Tor der Myrrhe, drei geheime Zugänge zu einem unterirdischen Heiligtum. Gefunden hat sie bislang niemand.
Es war aber Abbè Henri Boudet (1837-1915), der wohl berühmteste Priester von Rennes-les-Bains, der – gemeinsam mit seinem Kollegen Bérenger Saunière – die Schatzsuche kräftig anheizte. Dass bereits ein Zeitgenosse, der Priester R. P. Vannier, über ihn sagte: “Der Pfarrer Boudet hütet ein Geheimnis, das die größten Umstürze verursachen könnte”, lässt die Menschen bis heute aufhorchen, nachdenken und spekulieren. Manchmal schreiben. Und manchmal graben, in alten Büchern oder vor Ort. In Boudets Buch “La Vraie langue celtique: et le cromleck de Rennes-les-Bains”, das im Jahr 1886 veröffentlichtwurde, spielt u.a. der benachbarte Berg Serbairou eine Rolle. Dort fand er vermutlich nicht die gesuchten drei Tore, auch nicht “das Grab Christi”, wie manche Autoren es ihm unterstellen, sondern einen riesigen “Kromleck”. (Mit Cromlech bezeichnet man im Kreis angeordnete aufrecht stehende Steine, also Menhire.) Entdeckte der passionierte Wanderer ein keltisches Quellheiligtum auf dem Berg? Einen Platz, an dem sich die Druiden versammelten – “die gelehrten Mitglieder des Neimheid”, wie Boudet selbst schreibt? Ausgeschlossen ist dies nicht. Vielleicht hat es sich ursprünglich um eine auf natürliche Weise entstandene Felsformation gehandelt, der die Kelten für ihre Zeremonien weitere Menhire beigesellten. Überall um Rennes-les-Bains gibt es ja diese auffälligen Steine, aber eben auch zahlreiche Schluchten, Höhlen, Grotten und Stollen, wo man Schätze vermutet. Selbst aufgelassene Minen hat man entdeckt, in denen z.B. Gagat abgebaut wurde (für Jett-Schmuck). Immerhin was Glänzendes! 🙂
Boudet, der bereits von seinen Zeitgenossen als Gelehrter betrachtet wurde, beschäftigte sich jedoch nicht nur mit keltischen Monumenten und uraltem Wissen, sondern auch mit alten Sprachen, d.h. er suchte nach Ähnlichkeiten des Südfranzösischen mit der keltischen Sprache.Leider hat er sein Buch in einer “codierten Sprache” ** verfasst, d.h. er bediente sich eines gewissen Jargons, der einem als Laien das Lesen und Verstehen erschwert.Aber gerade das scheint die Fantasie vieler Menschen bis heute anzuregen. Es ist ein seltsames Buch, in demBoudet aber ganz offen den Zweck der Aufwendungen ankündigt: “Durch die Interpretation eines in einer fremden Sprache gebildeten Namens in das Geheimnis einer lokalen Geschichte eindringen …” Nun, es darf fröhlich weiter gerätselt werden! In seinem Buchgibt Boudet aber auch wertvolle Hinweise auf sehenswerte Kirchen in der Umgebung, wie z.B.Notre-Dame-de-Marceille undNotre-Dame-du-Cros. Beide Kirchen besitzen ebenfalls heilkräftige Quellen, sind reich an Mythen und Legendenund einen Besuch wert!
*Herkunftsort eines gleichnamigen Templer-Großmeisters, s. Foto oben **Boudets “codierte Sprache” weist Ähnlichkeit mit der vom Schriftsteller Jonathan Swift entwickelten “punischen Sprache” auf. Die punische Verschlüsselung ist einem Wortspiel ähnlich.
Die neun Quellen von Rennes-les-Bains
Schon seit Jahrtausenden geniesen die Menschen heißes Quellwasser. Die alten Römerthermen von Rennes-les-Bains sowie das alte Thermalgebäude wurden aufgegeben, aber die 9 Quellen, 5 warme (von 37-40°) und 4 kalte, sprudeln hier noch immer. Es gibt inzwischen ein neues Thermalschwimmbad, das eine natürliche Temperatur von 33 ° hat, und auch ein Jacuzzi und einen Hammam anbietet. Unten am Fluss kann man sich jederzeit gratis unter die warme Dusche legen. Kleiner Hinweis: Um an dieser exponierten Stelle zu baden, steht man auch gerne mal in der Sals Schlange! 🙂
“Les Bains Doux” – eine der warmen Quellen ( 37° ) entspringt beim ehemaligen Thermalgebäude
Fotos zum Vergrößeren anklicken!
Die Gärten der Königin, elegante Kurgäste und eine “Liebesquelle”
In den “Gärten der Königin” (Foto unten links) entspringt eine warme Quelle direkt im Fluss Sals. Das mittlere Foto nimmt uns mit in eine Zeit, in der die eleganten Kurgäste aus aller Welt in Rennes-les-Bains weilten. Es gab ein Grand Hôtel! Rechts unten werfen wir einen Blick auf die romantische “Fontaine des Amours”, eine weitere (allerdings kalte) Quelle mit Kaskaden, die etwas außerhalb von Rennes-les-Bains liegt, in Richtung Bugarach. (Eine bestimmte Szene in meinem Roman “Talmi” spielt an der “Fontaine des Amours.)
Rennes-les-Bains hat viele Gesichter, zuviele?
Zuviel geht eigentlich gar nicht, wenn man in Südfrankreich auf Reisen ist! Mal ist Rennes-les-Bains ein verrücktes südfranzösisches Nest, in dem sich neben sympathischen Alt-Hippies auch allerlei Forscher und Schriftsteller treffen, die sich mit vielfältigen Themen befassen, darunter, wie ich, auch mit der Geschichte der Katharer. Die “Rennologen-Gemeinde” findet man zuverlässig auf dem schattigen Platanenplatz, meist vor dem Lokal “Chez Willi” sitzend, wo es – pst! – die besten Pizzen Frankreichs gibt … Wasserfreunde und Kinder hingegen lieben die Sals, die im Sommer auch zum Angeln und Fischen einlädt. Für Wellness sind die Quellen und Bäder da. Höhlenforscher, Wanderer und Kletterer – oder aber Schatzsucher! – zieht es in die umliegenden Berge und Wälder, z.B. zu den “Schwankenden Steinen” (Foto oben) und anderen Naturschönheiten. Auch Kunstfreunde kommen hier auf ihre Kosten, die Klöster und Kirchen in der Umgebung sind sehenswert. Und mitunter schreien hier des Abends die Pfaue, die oben auf den Hängen gehalten werden.Aber daran gewöhnt man sich schnell. Noch was:Donnerstags und Samstags ist Markttag (auch regionale Produkte). Und in der Saison finden auf dem Marktplatz manchmal Konzerte statt. Und dann steppt hier der Bär! 🙂
Das stille Gesicht von Rennes-les-Bains
Ein Gesicht von Rennes-le-Bains ist still. Sehr still. Man entdeckt es am frühen Morgen, wenn die Katzen umherstreunen und nur das Rauschen der Sals zu hören ist. Dann bin ich oft auf den Beinen und streife mit meiner Kamera durch die menschenleeren Gassen …
Rennes-les-Bains – ganz, ganz still
Auf dem Friedhof hinter der Kirche liegen – einträchtig nebeneinander – die alten Familiengräber der “üblichen Verdächtigen in der Causa Rennes-le-Château & Rennes-les-Bains”. Mögen sie in Frieden ruhen!
Henri Boudet selbst liegt im benachbarten Ort Axat begraben, neben seinem Bruder Edmond. Auf seiner Grabplatte, die einige unleserliche Inschriften aufweist, hat der Steinmetz das geheimnisvolle Buch des Priesters verewigt, für dessen Druck Boudet aus eigener Tasche mehr als 5000 Goldfranc aufgewendet haben soll. Der Erfolg blieb aus, einige hundert Bücher wurden als Geschenke an interessierte Priester verteilt, zwei gingen nach England (Oxford University und an Königin Viktoria), die Restauflage hat man auf Drängen des damaligen Bischofs vernichtet. Die steinerne Ausgabe trägt die Aufschrift: “IXOYS” (= Ichthys), also die bekannten Anfangsbuchstaben der fünf griechischen Wörter für: Jesus Christos Gottes Sohn Erlöser. Das einzig Seltsame dabei ist, dass der Steinmetz anstelle des Buchstaben (Y)psilon ein (I)ota verwendet hat – was natürlich ein allerletztes Rätsel aufwirft! 🙂
Vielen Dank für Ihre Begleitung durch die aufregenden Zeiten von Rennes-le-Bains!
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